Protokoll der Sitzung vom 23.04.2015

(Beifall bei der LINKEN)

In der dritten Sitzung des Ausschusses, der sich

mit Kinder- und Jugendarmut beschäftigt hat, wurde dies mehr als deutlich. René Böhme hat klar zum Ausdruck gebracht, dass es Handlungsbedarf nicht nur im quantitativen, sondern auch im qualitativen Bereich gibt. Um dem gerecht zu werden, hat er eine sehr sinnvolle Forderung aufgestellt, die wir Eltern im Bremer Westen aus unserer praktischen Erfahrung heraus schon lange erheben: Um der sozialen Spaltung und der Bildungsarmut entgegen zuwirken, müssten in den ärmeren Stadtteilen und Quartieren die besten Einrichtungen mit der besten Ausstattung und dem besten Personal stehen. Er hat dargelegt, dass andere Städte diesen Weg gehen. So sind in Dresden 70 Prozent der Kindertagesstätten in den benachteiligten Quartieren zu finden. Da sie so gut ausgestattet sind, suchen auch Kinder aus umliegenden Stadtteilen, wo Menschen mit höheren Einkommen wohnen, diese Kindertageseinrichtun gen auf. Dies bewirkt eine größere Heterogenität der Gruppen und führt zu positiven Effekten für alle Kinder hinsichtlich des Bildungserfolgs. Diese Herangehensweise halte ich für richtig, auch wenn sie kostspielig ist.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich will noch kurz etwas zu den Empfehlungen

des Ausschusses sagen, der Ausschuss hat 131 Emp fehlungen abgegeben, davon 88 konsensual. Ich möchte die Punkte, auf deren Durchsetzung wir in der nächsten Legislaturperiode mit Sicherheit achten

werden, benennen. Es bedarf eines Konzepts der durchgängigen Sprachförderung auf dem gesamten Bildungsweg. Schulen und Kitas in benachteiligten Stadtteilen sind qualitativ und quantitativ bei der Ausstattung zu bevorzugen. Das Angebot an Ganz tagsschulen muss insbesondere in ärmeren Stadtteilen deutlich ausgebaut werden. Die Kindertagesbetreu ung ist im Sinne einer aufholenden Entwicklung in den armen Stadtteilen auszuweiten. Wir wissen, dass die Quote der U3-Betreuung in Gröpelingen vom Angebot her bei 33 Prozent liegt, in anderen Stadtteilen bei bis zu 80 Prozent.

Die Forderungen des Kollegen Möhle, Kitas in

benachteiligten Stadtteilen zu Familienzentren aus zubauen, teile ich. Darauf werden wir mit Sicherheit in der nächsten Legislaturperiode zurückkommen. Wir müssen die erfolgreichen Projekte zur Armuts bekämpfung verstetigen und deren Finanzierung sicherstellen.

Ich möchte einige Punkte ansprechen, die wir für

uns als wichtigste Minderheitenpunkte benannt ha ben: Wir wollen, dass die Sprachförderung nicht mit der Gießkanne über die ganze Stadt ausgeteilt wird, sondern gezielt nach Bedarfen gesteuert, weil wir befürchten, dass sonst wieder in den Stadtteilen, die es am dringendsten nötig haben, zu wenig ankommt.

Bei der Entlastung der Lehrerinnen und Lehrer in

ärmeren Stadtteilen von der Unterrichtsverpflichtung geht es nicht um die Sozialarbeit, die Sozialarbei terinnen und Sozialarbeiter mit den Kindern ma chen. Wir wissen - das haben zwei Schulleiter, eine Schulleiterin und ein Schulleiter bestätigt –, dass die Klassenlehrer oft die einzigen Mittler zwischen den Familien, also zwischen den Eltern, und dem Staat sind. Wenn die Eltern nur zu denen Vertrauen haben, gehen sie mit den Eltern zum Jugendamt, wenn es zum Beispiel um Familienhilfen geht. In der anderen Zeit fällt der Unterricht aus, weil man nicht genügend Personal bereitstellt. Deswegen ist es eine sinnvolle Forderung, dass die Klassenleitungen in diesen Stadtteilen weniger unterrichten müssen, damit insgesamt genügend Lehrer an der Schule sind und der Bildungsauftrag an diesen Schulen fortgesetzt wird.

(Glocke)

Jetzt werde ich auf das Ende meiner Redezeit hin

gewiesen. Ich hätte noch einige mehr Aspekte an zusprechen, die wir auf jeden Fall wieder anbringen müssen.

Insgesamt möchte ich einen Ausblick für die nächste

Legislaturperiode geben: Nach dieser Ausschussarbeit wäre ein ressortübergreifender Masterplan

Armutsbekämpfung richtig und wichtig. Das sollte

man sofort in der nächsten Legislaturperiode, am bes ten am Tag nach der Konstituierung der Bremischen Bürgerschaft, angehen, weil das das dringendste Problem in Bremen ist, das wir endlich beheben müssen. Ich danke Ihnen!

(Beifall bei der LINKEN)

Als nächster Redner hat

der Abgeordnete Dr. vom Bruch das Wort.

Herr Präsident, mei

ne sehr geehrten Damen und Herren! Der Duktus des einen oder anderen zweiten Beitrages in der jüngeren erlebten Vergangenheit bewegt mich, ein paar Anmerkungen zu machen.

Herr Kollege Güldner, ich bin sehr froh, dass die

Diskussionen, die Sie hier gerade zu beginnen ver suchen, nicht die Ausschussarbeit bestimmt haben. Ich bin sehr froh, dass diese allgemeinen politi schen Auseinandersetzungen um Umverteilung, um die Vermögensteuer oder um Finanzmärkte und irgendwelche Partys, die angeblich irgendwie und irgendwann an irgendwelcher Stelle stattgefunden haben, nicht diese Ausschussarbeit bestimmt haben.

(Beifall bei der CDU – Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Woher soll das Geld kommen?)

Hätten Sie das, dann hätten wir das Ergebnis, das wir hier heute diskutieren, niemals diskutiert, sondern uns in irgendwelchen Auseinandersetzungen verfangen, die niemandem genützt hätten, Herr Dr. Güldner!

(Beifall bei der CDU – Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Alles das muss doch finanziert werden!)

Ich will gar nicht bestreiten, dass man sehr lange da rüber diskutieren und auch sehr viel Sympathie dafür haben kann, dass alles miteinander zusammenhängt. Ich bin aber sehr froh, dass dieser Ausschuss nicht bei einer Beschreibung von Defiziten stehen geblieben ist, sondern dass er ganz konkrete Maßnahmen, und zwar auf uns bezogen, beschlossen hat. Das war der Auftrag des Ausschusses, das hat dieser Ausschuss geleistet. Darum bin ich froh, dass das, was Sie hier versuchen, in die Diskussion einzuflechten, nicht die Arbeit des Ausschusses bestimmt hat.

(Beifall bei der CDU – Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Bezahlen müssen wir es auch noch, oder woher soll das Geld kommen?)

Ich möchte gern darauf hinweisen, dass das, was

der Bürgermeister in seiner Initiative, in seinem Bündnis tut, sicherlich ganz wichtig ist. Ich will das gar nicht in Abrede stellen. Ich will auch sagen, dass das, was dieser Ausschuss getan hat und was dort im Bündnis besprochen wurde, dessen Ergebnis ich im Einzelnen allerdings nicht kenne, auch in der nächsten Legislaturperiode miteinander verzahnt werden muss.

Ich will deutlich sagen: Für uns als CDU-Fraktion

ist es ganz wichtig, dass wir in diesem Bereich zu konkreten Schlussfolgerungen kommen und dass wir die Symbolik vermeiden, Herr Bürgermeister!

(Beifall bei der CDU)

Deshalb lassen Sie mich an das anschließen, was

die Kollegin Vogt eben zu Recht gesagt hat: Es wird darum gehen, dass diese Arbeit des Ausschusses unmittelbar in der neuen Legislaturperiode wieder aufgenommen wird, in welcher Form und in welcher Art und Weise auch immer.

(Beifall bei der LINKEN)

Es ist doch tatsächlich so: Das, was der Ausschuss

hier als Ergebnis vorgelegt hat, ist erst einmal ein auf Papier dargestellter Zwischenstand. Es ist eine sehr wichtige Grundlage. Das sollte hier die Ge meinsamkeit, eine gewichtige Grundlage für das sein, was wir uns in der Zukunft vornehmen wollen. Das sollte meines Erachtens auch nicht kleingeredet werden. – Herzlichen Dank!

(Beifall bei der CDU)

Als nächste Rednerin hat

das Wort Frau Senatorin Stahmann.

Herr Präsident, sehr ver

ehrte Damen und Herren! In der Tat, Herr Dr. vom Bruch, es ist viel Papier zu dem Thema in dieser Legislaturperiode auch hier im Hause, diskutiert und ausgewertet worden. Ich glaube, ich kann mit Fug und Recht sagen: Der Senat hat nicht nur Papiere beschrieben, genauso wenig wie der Ausschuss. Die Bremische Bürgerschaft hat sich nicht nur in den letzten vier Jahren, sondern schon viel länger mit dem Thema sozialer Zusammenhalt im Land Bremen auseinandergesetzt und wirkungsvolle Maßnahmen in die Wege geleitet.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Darauf will ich in meinem Redebeitrag gern

eingehen, weil die Debatte über Armut und die zunehmende Spaltung auch eine Diskussion über Gerechtigkeit in unserem Land, in Bremen und in Bremerhaven, ist. Es ist eine Debatte über Teilhabe und deren Möglichkeiten, auch über die Grenzen, die diese Teilhabe erfährt, das ist hier von verschie dener Seite angesprochen worden. Es ist eben auch eine Verteilungs- und Umverteilungsdebatte, die wir nicht nur in Bremen führen müssen, sondern auch bundespolitisch.

Der Senat hat die Themen Umverteilung, Steuer