Protokoll der Sitzung vom 18.11.2011

Deswegen wären Sie, Frau Senatorin Jürgens-Pieper, besser beraten gewesen, sich für die unterlassene Meldung des Sachverhalts an die Staatsanwaltschaft um Aufklärung zu bemühen, als den Staatsrat sich über das Verhalten der Staatsanwaltschaft beschweren zu lassen.

Es war falsch und verantwortungslos, in einen öffentlichen Streit um die Qualifikation des hygieneverantwortlichen Arztes am Klinikum einzutreten, ihn anzuzetteln und sich öffentlich mit dem renommierten Robert Koch-Institut über Fragen zu streiten, was in Protokollen steht oder nicht. Wir alle warten auf den Bericht des Robert Koch-Instituts, und es ergibt keinen Sinn, sich im Vorfeld der Berichterstattung öffentlich über die Frage zu streiten, ob das Robert Koch-Institut nun findet, dass alles prima oder schlecht ist. Ein solcher öffentlich ausgetragener Streit schadet der sachgerechten Aufklärung, dem Ansehen des mit

der Aufklärung beauftragten Robert Koch-Instituts und der politischen Kultur in unserem Land.

(Beifall bei der CDU)

Es war von der zuständigen Senatorin falsch, nicht von Anfang an auch die politische Verantwortung für etwaige Versäumnisse zu übernehmen und ständig andere Schuldige zu suchen. Die Umstände legen es aus Sicht der CDU-Bürgerschaftsfraktion schon jetzt offen: Für die schweren Versäumnisse ist und kann nicht nur ein Chefarzt verantwortlich sein, und deswegen sind aus unserer Sicht die Versuche, durch vorschnelle Personalentscheidungen von Fehlern anderer abzulenken, absolut untauglich und inakzeptabel, Frau Senatorin!

(Beifall bei der CDU)

Sie haben die Verantwortung, mit diesen unglaublichen Vorwürfen und den schwierigen Zuständen an einem städtischen Klinikum sachgerecht umzugehen. Das macht man nicht, indem man sich der öffentlichen Debatte um Verantwortung entzieht, sondern nur, indem man sich der öffentlichen Debatte um die eigene Verantwortung auch stellt. Sie haben die Verantwortung für das, was dort organisatorisch gegebenenfalls an Fehlverhalten an den Tag gelegt worden ist, aber Sie haben vor allen Dingen die Verantwortung, durch eine sachgerechte öffentliche Debatte eine rückhaltlose, vollständige und lückenlose sowie sachgerechte Aufklärung dieses Sachverhalts und der daraus zu ziehenden notwendigen Konsequenzen selbst zu betreiben. Diese Aufgabe, Frau Senatorin, haben Sie in den letzten Wochen nicht wahrgenommen.

(Beifall bei der CDU)

Dabei sage ich ganz offen: Es geht nicht darum, nur eigene Fehler einzugestehen, sondern darum, die politische Verantwortung für die Ereignisse der letzten Tage zu übernehmen. Sie haben die Verantwortung dafür, dass wir jetzt nicht nur die Umstände der Keiminfektionen im Detail aufgeklärt bekommen, sondern Sie haben auch über mögliche Versäumnisse, die Nichteinhaltung von Regeln, Vorschriften und Gesetzen Rede und Antwort zu stehen. Ich fordere Sie auf: Nehmen Sie diese Verantwortung endlich wahr!

Die Umstände der Erkrankungen und der Todesfälle auf der neonatologischen Station des Klinikums Bremen-Mitte sind so weitreichend, dass sie einer parlamentarischen Untersuchung bedürfen. Ich bin sehr froh, dass wir uns darauf fraktions- und parteiübergreifend verständigen können. Ich bin auch deswegen froh, das sage ich an dieser Stelle, weil das Verhalten der Senatorin seit Bekanntwerden kein Vertrauen in die unabhängige und sachgerechte Aufklärung geschaffen hat.

Wir verstehen ehrlicherweise auch nicht, warum ein Bürgermeister, der so lange geschwiegen hat, nach Bekanntwerden des Antrags auf Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses nun noch einen politischen Sonderermittler einsetzt. Die Aufklärung der Fragen, die auf der Tagesordnung stehen, ist in strafrechtlicher Hinsicht Aufgabe der Staatsanwaltschaft und in politischer Hinsicht Aufgabe des von uns einzusetzenden parlamentarischen Untersuchungsausschusses. Wir brauchen keinen zusätzlichen Ermittlungsbericht von politischen Beamten.

Wir müssen wissen, was passiert ist, wer die Verantwortung für die Geschehnisse und die Fehler hat, und vor allem, welche Konsequenzen wir aus möglichem Fehlverhalten für die Zukunft gemeinsam verabreden und umsetzen müssen. Es muss bei allem sichergestellt werden, dass sich diese unglaublichen Fehler nicht wiederholen. Ich bedanke mich noch einmal bei allen Fraktionen für ihre Bereitschaft, diese Untersuchung gemeinsam zu starten.

Ich fordere die Senatorin auf, diese Aufklärung nicht durch weitere Fehler und öffentliche Rechtfertigungsversuche zu gefährden. Wir haben die gemeinsame Verantwortung, den Eltern Auskunft über das zu geben, was geschehen ist, und den Bürgerinnen und Bürgern zu versprechen und sicherzustellen, dass sich solche Versäumnisse und Fehler nicht wiederholen werden. – Vielen Dank!

(Beifall bei der CDU)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Tschöpe.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach meinem Abitur und in Begleitung meines Studiums habe ich zehn Jahre im Rettungsdienst gearbeitet. Im Rahmen dieser Tätigkeit bin ich auch ein paarmal auf Frühchenstationen gewesen, und wenn man in solch einen Brutkasten schaut, Kinder sieht, die handgroß sind, dann beschleicht einen Ehrfurcht und Demut. Ich habe vielleicht als junger Mensch etwas zu lange dort gestanden, dann kam eine hilfreiche Krankenschwester und schlug vor, einen Kaffee zu trinken. Frühchenstationen sind der Ort auf der Welt, an dem Tragödien und Wunder ganz eng beieinanderliegen, und wahrscheinlich ist es der Ort, wo sie am engsten auf dieser Welt beieinanderliegen.

Ich bin glücklich und dankbar, dass bei der Geburt unserer Kinder meiner Frau und mir der Ritt auf einer solchen Rasierklinge erspart geblieben ist. Ich weiß aber auch aus dem persönlichen Umfeld, dass dies nicht bei allen Eltern der Fall ist. Sie hoffen und bangen, und leider endet der Weg viel zu oft nicht mit dem Wunder, sondern mit der Tragödie. Solche Eltern und Kinder haben den Anspruch darauf, dass auf ihrem schicksalhaften Weg vermeidbare Gefahren vermieden werden.

Dieser Untersuchungsausschuss wird zu klären haben, ob vermeidbare Gefahren vermieden wurden. Der Kern der Frage – das hat der Kollege Röwekamp soeben dargestellt – lautet: Was wurde falsch gemacht, und hätte der Tod der Frühchen verhindert werden können? Es gehört aber auch zur Wahrheit, dass der Untersuchungsausschuss sich mit einem Themenfeld befasst, das ohne Frage als eine der größten Herausforderungen des Gesundheitswesens bezeichnet werden kann. Das Gesundheitswesen steht weltweit vor der Herausforderung, dass zunehmend Keime entstehen, die multiresistent sind, das heißt, dass sie mit den bekannten und bewährten wirkungsvollen Medikamenten nicht mehr bekämpft werden können. Auf diese Medikamente haben wir uns alle und die Krankenhäuser sich über Jahrzehnte verlassen. Die Prävention gegen solche Keime stellt hohe, wenn nicht höchste persönliche Anforderungen an die Ärztinnen und Ärzte, das Pflegepersonal, den Reinigungsdienst, aber auch an alle sonstigen Besucherinnen und Besucher von Stationen im Krankenhaus. Ich unterstelle bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und Besucherinnen und Besuchern die Motivation, helfen zu wollen und Schaden abzuwenden. Deshalb sind vor allen Dingen auch folgende Fragen zu stellen: Was gibt es neben der individuellen Verantwortung? Wie sieht die institutionelle Verantwortung unseres Gemeinwesens für Krankenhäuser aus? Es wird im Untersuchungsausschuss zu klären sein, ob die Ressourcen, die Arbeitsabläufe, Kommunikation und Reaktion und alle damit zusammenhängenden Regelwerke tatsächlich dazu geeignet waren, vermeidbare Gefahren zu vermeiden. Nach gängiger Definition ist ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss ein Ausschuss zur Untersuchung von Sachverhalten, deren Aufklärung im öffentlichen Interesse liegt. Was könnte mehr im öffentlichen Interesse liegen als die hygienischen Zustände in unseren Krankenhäusern, bei denen wir davon ausgehen, dass jeder von uns zu jeder Zeit mit ihnen konfrontiert werden kann? Deshalb war es für die SPD genauso wie für die Grünen selbstverständlich, das Anliegen der CDU auf einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss zu unterstützen. Der ursprüngliche CDU-Antrag wurde auf Vorschlag der Koalition entsprechend erweitert. Die Einigung über den Untersuchungsgegenstand erfolgte gestern innerhalb von 30 Minuten. Das ist, glaube ich, ein gutes und ermutigendes Zeichen dafür, dass das Parlament in seiner Gänze um Aufklärung bemüht ist. Es war uns als Koalition, uns als SPD wichtig, den Beschlussvorschlag der CDU dahin gehend zu erweitern, dass der Ausschuss nicht nur die konkret zu beurteilenden Fälle im Klinikum Bremen-Mitte betrachtet, sondern auch, welchen Entwicklungen Frühchenstationen insgesamt in Deutschland unterliegen, wie sich die Problematik multiresistenter Krankenhauskeime in Deutschland und darüber hinaus darstellt und – ich glaube, dies wird das

bleibende Ergebnis eines solchen Ausschusses sein müssen – welche wirkungsvollen Gegenstrategien gegen multiresistente Keime ergriffen werden können und müssen.

Ich selbst hatte die Ehre, in einem der letzten Untersuchungsausschüsse in diesem Haus tätig sein zu dürfen. Die beiden letzten Untersuchungsausschüsse waren davon geprägt, dass alle Fraktionen sich konstruktiv und gemeinsam an der Aufklärung des Untersuchungsauftrags beteiligt haben. Ich hoffe, dass auch dieses Mal das gemeinsame Aufklärungsinteresse über allem stehen wird. Mit Frau Grotheer aus meiner Fraktion übernimmt die SPD den Vorsitz im Untersuchungsausschuss, so wie es die parlamentarischen Regelungen vorsehen. Wir haben großes Vertrauen in Frau Grotheer und sind sicher, dass sie von ihrer parlamentarischen Unabhängigkeit in einer Weise Gebrauch machen wird, dass alle Fraktionen ihrem Informationsbedarf nachkommen können.

Lassen Sie mich, Herr Röwekamp, als Einschub sagen: Mir ist klar, dass der Versuch der Instrumentalisierung eines solchen Untersuchungsausschusses groß ist. Das, was Sie zum vorgeblichen Fehlverhalten der Senatorin vorgetragen haben, hat, wenn man den Untersuchungsauftrag liest, nichts mit dem Untersuchungsauftrag des Ausschusses zu tun. Hier geht es darum, dass wir gemeinsam aufklären wollen, welche Fehler es gegeben hat und wie diese Fehler in Zukunft vermieden werden können. Ich hoffe, dass wir diesen Ausschuss nicht instrumentalisieren, um darüber zu diskutieren, wer wann was vielleicht glücklicher oder unglücklicher als Brief geschrieben haben mag. Mir geht es darum – und ich glaube, uns allen sollte es darum gehen –, dass die Situation in unseren Krankenhäusern verbessert wird.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Vielleicht nehmen sich, nicht nur innerhalb des Parlaments, sondern auch außerhalb von Parlament und Regierung, Menschen diesen Rat zu Herzen: erst den Sachverhalt aufklären, dann die notwendigen Konsequenzen ziehen, um für die Zukunft zu verhindern, dass vermeidbare Gefahren den ohnehin schon schweren Weg von Frühchen belasten!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Ich glaube aber, was uns als Parlament weit über alle Fraktionen eint, ist: Die betroffenen Eltern, das engagierte Personal in den Kliniken und die Öffentlichkeit haben einen Anspruch darauf, dass das Parlament in seiner Gänze Aufklärungsarbeit leistet. Ich bin guter Hoffnung, dass dies geschehen wird. – Ich danke Ihnen!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Dr. Güldner.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Mir ging es eigentlich bei Ihrer Rede, Herr Röwekamp, wie fast immer: Es gab Teile, die ich ohne Weiteres unterschreiben konnte, ich fand den Ton und das ganze Herangehen auch sehr angemessen. Aber ich finde, wie es manchmal leider so ist, schon, dass man aus unserer Sicht auch noch einmal sagen muss, dass wir heute über den Einsetzungsbeschluss eines Untersuchungsausschusses debattieren. Manchmal dachte ich, als ich Ihnen zuhörte, ehrlich gesagt, wir debattieren heute den Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses, weil Sie ganz offensichtlich ja schon wissen, was dabei herauskommt.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Dann habe ich noch einmal in die Tagesordnung geschaut: Nein, heute steht dort der Einsetzungsbeschluss des Untersuchungsausschusses. Dort sind Sie meines Erachtens weit vorgeprescht, und wenn man so weit vorprescht – das kann man machen, für die Oppositionsrolle habe ich ein großes Maß an Verständnis – und sich so weit aus dem Fenster lehnt, schon zu wissen, welche Versäumnisse, Skandale und welches Fehlverhalten vorliegen und dann nur noch herausfinden will, wer nun exakt wann und wie dafür verantwortlich ist, dann muss man natürlich auch in den kommenden Wochen und Monaten die Ergebnisse liefern. Ich weiß nicht genau, was Sie an gleicher Stelle machen, wenn wir den Abschlussbericht hier debattieren und wenn sich Ihre heute teilweise, wie ich finde, sehr angreifenden Vorhersagen nicht bewahrheiten, sondern wir ein viel differenzierteres oder anderes Urteil aus dem Geschehen im Untersuchungsausschuss – möglicherweise ja sogar mit Ihren Kolleginnen und Kollegen gemeinsam – abgeben, denn das ist ja das Ziel, das wir alle haben. Ich weiß nicht, wie Sie dann an dieser Stelle noch einmal darauf eingehen werden.

Das große Problem ist – das ist auch in den Reden meiner Vorgänger angeklungen, und das, finde ich, muss man am Anfang einer solchen Debatte auch noch einmal erwähnen –, dass wir uns dem Gegenstand mit zwei völlig unterschiedlichen Sichtweisen nähern können. Beide sind außerordentlich legitim, und Sie sind beiden Sichtweisen in den letzten Wochen, als über diesen Fall gesprochen wurde, auch begegnet.

Die eine ist eine fachliche medizinisch geprägte Sichtweise, die zu Recht – Sie haben es in Ihrer Rede auch erwähnt, das hat mir sehr gut gefallen – darauf hinweist, dass einerseits der medizinisch fragile Zustand dieser Frühchen, teilweise nur wenige hundert ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

Gramm schwer, von denen viele leider, obwohl die Medizin dort große Forschritte gemacht hat, nicht überleben werden, auch wenn sich alle anstrengen, und andererseits das Vorhandensein von Krankenhauskeimen per se dazu führen, dass wir es nicht mit einer völlig außergewöhnlichen Situation zu tun haben, sondern dass sowohl Krankenhauskeime als auch der Tod von Frühchen zum Alltag auf Stationen der Neonatologie überall auf der Welt gehören.

Es wäre nun ein kompletter Fehler, aus dieser, wie ich finde, fachlichen – und auch von der ganzen Herangehensweise her – völlig eindeutig belegbaren Sichtweise zu schließen, dass wir es nicht mit einem riesigen Problem, einem Gegenstand, den wir dringend aufklären müssen, aber dennoch mit einer völlig anormalen Situation auf dieser Station zu tun hatten. Wenn das Vorhandensein dieser multiresistenten Keime auf einer solchen Station normal wäre, dann würden sich natürlich die Fragen stellen, warum man sie überhaupt schließt, warum man einen Aufnahmestopp verhängt, und warum es überhaupt Gegenstand einer öffentlichen Debatte ist! Wir haben also einen kritischen Normalzustand, der von Keimen und von einem ganz angegriffenen Gesundheitszustand dieser Frühchen geprägt ist. Hinzu – und darum geht es ganz präzise bei diesem Gegenstand – kommen zusätzliche Risiken, die durch mangelnde Hygiene verursacht werden und durch tödliche multiresistente Keime auf dieser Station zusätzlich für die schon geschwächten Frühchen existieren.

Genau dieses Problem muss unter allen Aspekten untersucht werden, nämlich den strafrechtlichen, administrativen, wissenschaftlichen und – warum sind wir heute hier? – auch den politischen Aspekten, die ein solcher Vorgang hat. Deswegen finde ich den Gegensatz, der hier manchmal in der Debatte von medizinisch sehr kundigen Menschen aufgezeigt wird, die wissen, wie es auf solch einer Station aussieht, die einerseits aus fachlicher Sicht den Gegenstand erst einmal relativieren und andererseits die Sicht der Patienten, der Betroffenen und der Öffentlichkeit anschauen, sehr interessant. Wir müssen feststellen, dass wir es nicht mit einer Routine oder Normalität auf dieser Station zu tun hatten, sondern mit einer außergewöhnlichen Situation, die dann doch dringend aufgeklärt werden muss.

Ich finde diese grundsätzliche Vorangehensweise wichtig, weil ich in den vergangenen Wochen des Öfteren erlebt habe, dass diese beiden Positionen ganz stark auch gegeneinander gestellt sind und der eine oder andere doch gefragt hat: Warum machen Sie überhaupt einen Untersuchungsausschuss? Warum wird es überhaupt an die große Glocke gehängt? Ich kann für die grüne Fraktion sagen: Ja, wir kennen die Probleme auf einer solchen Station, und ja, wir sind der Meinung, ein Untersuchungsausschuss ist der angemessene Weg, den zusätzlich auf dieser Station seit April offensichtlich entstandenen Prob

lemen im Parlament mit der nötigen Ernsthaftigkeit nachzugehen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Jetzt kann man viel über Untersuchungsausschüsse sprechen. Man kann beliebig weit in die Vergangenheit dieses Hauses zurückgehen; das will ich gar nicht tun. Ich will mich sehr positiv auf die beiden letzten Untersuchungsausschüsse zu Kindeswohl und zum Klinikverbund in der vorletzten Legislaturperiode beziehen. Ich glaube, diese beiden Untersuchungsausschüsse – die grüne Fraktion war damals noch in der Opposition, deswegen sage ich es auch aus der damaligen Sicht – waren in ihrer Herangehensweise, Ernsthaftigkeit, Seriosität, im gemeinsamen Aufklärungswillen und dem Umgang der Kolleginnen und Kollegen aus den damaligen Regierungsfraktionen und aus der Opposition vorbildlich. Ich finde, es sind dort sehr viele Dinge aufgeklärt worden.

Es sind sehr viele Empfehlungen ausgesprochen worden, gerade auch in dem Klinikuntersuchungsausschuss. Vielleicht sollten wir uns alle gemeinsam zur Angewohnheit machen, dass wir nach einer gewissen Zeit auf die Empfehlung schauen, die wir dort alle in den Abschlussbericht hineingeschrieben haben. Hier sitzen ja einige von uns, die damals sehr intensiv beteiligt waren, von uns Frau Hoch und Frau Linnert. Es ist in der Tat nicht selbstverständlich, dass sie alle automatisch und bis in alle Ewigkeit eingehalten werden, sondern wir sollten bei solchen hervorragend verlaufenen Untersuchungsausschüssen, wie es dieser war, immer wieder überprüfen, ob an der einen oder anderen Stelle noch einmal genauer hingeschaut werden muss.

Ich hatte es in meiner Vorbemerkung schon angedeutet, meines Erachtens macht es keinen Sinn – das bezieht sich sowohl auf den Änderungsantrag der LINKEN als auch auf Ihre Rede, Herr Röwekamp –, jetzt schon weitgehend nicht nur zu vermuten, sondern so zu tun, als ob man schon weiß, was letztendlich die Ursache dieser Probleme gewesen ist. Bei Ihnen, man hat es deutlich herausgehört, geht es nur noch um die Frage der politischen Verantwortung und welcher Kopf am Ende rollt. Bei der LINKEN kann man es im Änderungsantrag auch genau nachlesen, weiß man schon, dass, wie immer, die ökonomischen Verhältnisse ursächlich waren, und es geht nur noch darum, dafür eine Bestätigung zu finden.

Die grüne Fraktion geht anders heran. Sie wird offen für alle Aspekte sein, die dort auf den Tisch kommen können, auch mit einem sehr weit gefassten Herz für die Wünsche der Opposition, alle Gegenstände mit Ihnen dort besprechen, alle Zeugen, die dort sinnvoll sein können, anhören, alle Akten hinzuziehen, um dann am Ende zu einer Schlussfolgerung zu kommen, was man aus all diesen Vorgängen am Ende lernen kann. Für mich ergibt es überhaupt

keinen Sinn, den Einsetzungsbeschluss eines solchen Untersuchungsausschusses und auch die gemeinsame Arbeit dadurch zu belasten, dass man heute hier schon so tut, als ob man bereits alles wüsste.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Es gibt über den konkreten Einsetzungsauftrag unseres Untersuchungsausschusses hinaus eine Reihe von Themen, die in diesem ganzen Komplex eine Rolle spielen. Ich will sie nur kursorisch nennen, weil ich Ihre Geduld nicht überstrapazieren möchte. Einer davon ist, und das ist unserer Fraktion sehr wichtig gewesen, und ich könnte in die Fraktion nicht zurückkommen, ohne das hier anzusprechen, wir müssen in einer solchen Debatte auch einmal kurz innehalten und fragen dürfen, woher eigentlich diese Zunahme dieser multiresistenten Keime kommt. Wir müssen an dieser Stelle auch ganz deutlich sagen dürfen, dass der weltweite Einsatz von Antibiotika in dem Maße, wie wir es heutzutage praktizieren, der Einsatz von Antibiotika in der Tiermast, bei Hühnern, in der Fischzucht und vor allen Dingen auch in der Kälbermast – –. Mein grüner Kollege Johannes Remmel, Umweltminister in Nordrhein-Westfalen, hat gerade in dieser Woche eine Studie vorgelegt, mit der in Nordrhein-Westfalen repräsentativ für die gesamte Bundesrepublik Deutschland erforscht wurde, dass in 95 Prozent aller gezüchteten Hühner, die wir jeden Tag essen, massiv Antibiotika eingesetzt werden. Man muss einmal sagen, wenn wir über die Konsequenzen und das Fehlverhalten sprechen, um das es hier geht, dass diese Keime nicht vom Himmel gefallen sind. Diese Keime sind auch Ausdruck einer fehlgeleiteten Medizin, eines völlig bedenkenlosen Einsatzes von Antibiotika bei Menschen, aber auch in der Tierzucht. Dies muss an dieser Stelle auch eine Rolle spielen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Wir müssen ebenso über den bundesweiten Stand der Krankenhaushygiene sprechen, nicht um Bremen oder das Klinikum Bremen-Mitte, das KBM, zu entlasten, sondern um uns einmal alle zu fragen: Wollen wir es eigentlich in Zukunft hinnehmen, dass in jedem Bericht, in jeder Fernsehsendung oder in jedem Essay darauf verwiesen wird, dass es in den Krankenhäusern in Holland in einem so bedeutenden Maß besser ist, sodass sie es schaffen, viel weniger Tode durch Krankenhauskeime zu erreichen, als wir es können. Sind wir es eigentlich in Deutschland gewohnt, dass wir uns zurücklehnen und sagen: ja, das ist nun einmal so, das können wir nun einmal nicht besser? Oder müssen wir nicht auch den Aspekt aufnehmen, dass wir definitiv allesamt, und zwar unabhängig von diesem konkreten Fall, aber diesen konkreten Fall und die toten Frühchen als

Mahnung nehmend und gerade auch, dass es in Bremen passiert ist, deutlich besser werden müssen und bundesweit deutlich nachbessern müssen in diesen Fragen?

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Es wird sicher eine Rolle spielen – und der Zusammenhang ist ja auch nicht ganz so weit hergeholt –, in welchem Zustand unsere kommunalen Kliniken sind. Die schon ein bisschen länger dabei sind, wissen, dass sich durch diese Kliniken eine lange Geschichte von den unterschiedlichsten Skandalen zieht. Teilweise wirken sie in der Nachschau etwas skurril. Der sich unter anderem Namen, anderer Religion und mit einem sehr langen Bart ins Ausland absetzende Klinikmanager wäre vielleicht etwas Lustiges, könnte man meinen, das war es aber gar nicht, weil wir damals einem massiven Korruptionsskandal auf der Spur waren. Aber auch das, was sich rund um die Herren Lindner und Tissen vor etwa fünf Jahren abspielte, ist sicherlich kein Ruhmesblatt.

Die grüne Fraktion möchte an dieser Stelle noch einmal ganz klar festgehalten wissen: Wir wissen, dass das Festhalten an kommunalen Klinken als einem zentralen Baustein der Daseinsvorsorge für alle Patientinnen und Patienten, die diese Kliniken brauchen, in der heutigen Krankenhauslandschaft und bei der heutigen Medizinfinanzierung ein schwerer Weg ist. Wir stehen aber dazu, dass wir diesen sehr schweren Weg auch über diesen hohen Berg, der jetzt angesichts dieses Untersuchungsausschusses vor uns liegt, gehen werden, weil wir alle anderen Vorschläge, die es gegeben hat – nämlich die Privatisierung, völlig unrealistische PPP-Modelle zugunsten privater Dritter –, ablehnen und eindeutig zu dieser kommunalen Struktur der Daseinsvorsorge durch diese kommunalen Kliniken in Bremen stehen. Das ist die Grundlage, auf der wir hier zu diesem Thema arbeiten.