Protokoll der Sitzung vom 18.11.2011

Die grüne Fraktion möchte an dieser Stelle noch einmal ganz klar festgehalten wissen: Wir wissen, dass das Festhalten an kommunalen Klinken als einem zentralen Baustein der Daseinsvorsorge für alle Patientinnen und Patienten, die diese Kliniken brauchen, in der heutigen Krankenhauslandschaft und bei der heutigen Medizinfinanzierung ein schwerer Weg ist. Wir stehen aber dazu, dass wir diesen sehr schweren Weg auch über diesen hohen Berg, der jetzt angesichts dieses Untersuchungsausschusses vor uns liegt, gehen werden, weil wir alle anderen Vorschläge, die es gegeben hat – nämlich die Privatisierung, völlig unrealistische PPP-Modelle zugunsten privater Dritter –, ablehnen und eindeutig zu dieser kommunalen Struktur der Daseinsvorsorge durch diese kommunalen Kliniken in Bremen stehen. Das ist die Grundlage, auf der wir hier zu diesem Thema arbeiten.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Das heißt nicht, dass grundsätzlich alle Dinge, so wie sie jetzt sind, so bleiben müssen. Die Kliniken haben sehr viele Veränderungen durchlaufen, vielleicht zu viele in zu kurzer Zeit. Das wird man immer hinterfragen müssen. Jedenfalls sind alle Beteiligten sehr stark gefordert worden.

Nur eine ganz kurze Adresse an die LINKE: Es ist einfach, immer zu sagen, dann müssen Sie dort mehr Geld hineingeben, mehr Menschen einstellen und von allem dort mehr machen. Wenn man es unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit betrachtet – und dazu neigen wir Grüne sehr –, nicht nur eine ökologische Nachhaltigkeit, sondern auch eine finanzielle Nachhaltigkeit kennt, dann haben wir einfach die

Verpflichtung, der wir uns nicht entziehen können, dass diese Kliniken auch auf Dauer nachhaltig in einem großen Krankenhausmarkt wirtschaften können müssen. Der Verpflichtung können wir uns nicht entziehen, weil wir keine Gelddruckpresse im Keller haben und diese Kliniken nicht völlig anders behandeln können als alle anderen.

Das heißt, es ist extrem schwer, einen Kurs der öffentlichen Daseinsvorsorge zu finden, einen Kurs, der aber sagt, wir müssen trotzdem an die Wirtschaftlichkeit der Kliniken Fragen stellen und die Wirtschaftlichkeit dieser Klinken verbessern, weil wir nicht ewig mit großen Zuschüssen nachbessern können, und wir müssen uns all den Aufgaben stellen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der LINKEN, Sie wissen auch, die Alternative zu diesem Kurs, den Rot-Grün hier ganz klar gewählt hat, ist immer ein Verkauf an Private. Wenn Sie einmal von der Seite der Beschäftigteninteressen kommen – ich komme ja auch ganz gern bei Krankenhäusern von der Seite der Patientinnen- und Patienteninteressen, für die sind die Krankenhäuser ja da, die Beschäftigten sind aber auch extrem wichtig –, dann ist dort unter solchen Kapitalverwertungsbedingungen, wie es private Dritte im Krankenhauswesen machen, ein riesiger Unterschied zu dem, was wir heute haben. Im Endeffekt wäre das, was Sie betreiben, genau diese Konsequenz, dass wir dann an Dritte verkaufen müssten. Genau das wollen wir nicht, und deswegen kämpfen wir an dieser Stelle auch so für diese Krankenhäuser.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Lassen Sie mich zwei Punkte noch ganz kurz ansprechen! Wir sind alle, glaube ich, in dieser Woche sehr davon überrascht, dass, bevor nun irgendwelche Ergebnisse all dieser Untersuchungen, die jetzt parallel laufen – im Unterschied zu Ihnen, Herr Röwekamp, finde ich es überhaupt nicht ungewöhnlich –, der Senat, er hat es schon des Öfteren, auch unter Ihrer Mitwirkung, kurzfristig einen Bericht eines Sonderermittlers erbittet, der dann dem Untersuchungsausschuss als Material vorgelegt wird. Damals hatten Sie nichts dagegen, heute, bei Herrn Professor Stauch, haben Sie komischerweise etwas dagegen, das ist aber, glaube ich, nur ein Nebenaspekt.

Wir haben die Situation, dass mit der Entlassung des Chefarztes der Kinderklinik am Krankenhaus Bremen-Mitte der Eindruck entsteht, als ob noch jemand im Vorgriff auf Ergebnisse, die weder die Staatsanwaltschaft noch das Robert Koch-Institut, noch dieser Untersuchungsausschuss, noch der Sonderermittler Professor Stauch vorliegen hat, bereits eine sehr schwerwiegende Handlung vorgenommen hat. Das ist ein Vorgang, der uns in der grünen Fraktion sehr nachdenklich gemacht hat. Ich möchte an dieser Stelle, obwohl es vielleicht nicht von allen als

angemessen erachtet wird – ich mache es trotzdem! –, Herrn Professor Dr. Huppertz für die Arbeit, die er über viele Jahre in der Kinderklinik geleistet hat, dennoch den Respekt und auch die Würdigung all der vielen kleinen Patientinnen und Patienten, die in den letzten Jahren in dieser Klinik waren, aussprechen.

(Beifall)

Ich glaube, dass das unabhängig von dem Ergebnis ist, dass er sich am Ende, wie viele andere in diesem Krankenhaus auch, dann wird anschauen müssen, was bei den Ermittlungen auf den verschiedenen Ebenen herauskommt.

Ich würde aber an dieser Stelle auch immer eine kleine Vorsicht einbauen. Wir werden am Ende wissen – lassen Sie es mich einmal so sagen –, wenn wir alle Ermittlungen auf dem Tisch haben, wie wir diese fristlose Kündigung der letzten Woche zu bewerten haben. Das kann so oder auch anders aussehen, wir sind jedenfalls bereit, es uns dann anzuschauen und die Schlüsse daraus zu ziehen, und ich glaube, dass auch hier klar ist, wer dann für welche Handlungen die Verantwortung zu übernehmen hat, wenn wir am Ende die Ergebnisse vorliegen haben.

Lassen Sie mich als letzte Bemerkung sagen: Wir haben uns für drei Kolleginnen und Kollegen für den Untersuchungsausschuss entschieden, nämlich für den Abgeordneten Fecker, den stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden und Innenexperten, die Abgeordnete Frau Dr. Kappert-Gonther, eine unserer beiden gesundheitspolitischen Sprecherinnen, und den Abgeordneten Saffe, der bei uns für Verbraucherschutz zuständig ist. Wir fanden diese Mischung der Kompetenzen hervorragend geeignet, um sie in den Untersuchungsausschuss zu entsenden. Diese drei Abgeordneten gehen mit einem Geist und einer Einstellung in diesen Ausschuss, dass sie sich ohne Vorbehalte und Vorbedingungen an der Aufklärung der Vorkommnisse und dem Ziehen der nötigen Konsequenzen aus diesen Vorkommnissen beteiligen werden. – Vielen Dank!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Erlanson.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte zunächst einmal an zwei Punkten auf meine Vorredner eingehen! Ich möchte zu Herrn Röwekamp sagen: Ich halte es, ehrlich gesagt, für ein bisschen absurd, dass Sie jetzt den Vorwurf machen, dass die Staatsanwaltschaft schneller hätte eingeschaltet werden müssen. Die Staatsanwaltschaft ist völlig ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

ungeeignet, irgendwelche Keime zu suchen oder abzustellen. Sie können der Senatorin sonst etwas vorwerfen, aber doch nicht, dass sie die Staatsanwaltschaft hätte schneller einschalten müssen, und dann wäre irgendetwas anders geworden! Das, muss ich sagen, finde ich ein bisschen absurd.

(Beifall bei der LINKEN)

Der zweite Punkt an den Abgeordneten von den Grünen! Wir als LINKE haben gesagt, wir möchten gern ein bestimmtes Feld im Untersuchungsausschuss beleuchten. Wir haben damit nicht gesagt, dass für uns damit irgendetwas schon gelöst ist. Nein, das ist es nicht! Ich komme aus Kliniken, ich kenne Hygieneprobleme, und damit werden wir uns gleich auch noch ein bisschen intensiver auseinandersetzen. Ich finde, das ist Blödsinn! Wir haben kein vorgefertigtes Bild, wir haben nur gesagt, wir möchten an dieser einen bestimmten Stelle, auf die ich gleich auch noch kommen werde, etwas näher hinsehen, um dann zu schauen, was dabei herauskommt. Das als Erstes!

Ich bin gerade in den letzten Tagen – Herr Dr. Güldner hat es auch gerade angesprochen – von einigen Kolleginnen und Kollegen, aber auch von Bürgerinnen und Bürgern gefragt worden, wozu wir jetzt eigentlich noch einen Untersuchungsausschuss brauchen. Wir hätten doch jetzt eigentlich einen Schuldigen gefunden, Herrn Professor Dr. Huppertz wäre gekündigt worden. Ich habe immer geantwortet: Ich bin der Meinung, dass ein Untersuchungsausschuss gerade auch nach dieser Kündigung wichtiger ist denn je. Wir brauchen einen Untersuchungsausschuss. Ich möchte es einmal so begründen: Es ist doch zu befürchten, dass diese vorschnelle Personalentscheidung, die Kündigung von Professor Dr. Huppertz, doch eher zur Verdunklung als zur Erhellung der Sachverhalte führen wird. Sind wir doch einmal ehrlich: Was wird jetzt passieren? Herr Professor Dr. Huppertz hat einen Ruf zu verlieren, ihm ist gekündigt worden. Er wird eine Kündigungsschutzklage anstrengen, danach wird es einen Prozess geben, und er wird schauen, ob er wenigstens eine Abfindung bekommen kann. Das wird ein Prozess sein, der neben dem Untersuchungsausschuss lang, schmutzig und vor allen Dingen auch teuer für Bremen werden wird.

Ich finde auch, und das muss hier auch einmal angesprochen werden: Was bitte ist es denn für ein personalpolitisches Zeichen der Geschäftsführung der Gesundheit Nord, wenn sie, noch bevor das Robert Koch-Institut seinen Bericht abgegeben hat, noch bevor sich der Untersuchungsausschuss auch nur konstituieren konnte, ihrem Chefarzt im Grunde genommen schon schwere Verfehlungen vorwirft und ihn hinausfwirft? Dort muss man doch einmal fragen, was das soll! Es gibt mittlerweile eine Solidarisierung der Kinderärzte im KBM für ihren Chef, uns erreichen auch nationale Anrufe von Ärztinnen und Ärzten, die nachfragen, was in Bremen eigent

lich wieder los ist. Wir haben Beschäftigte, die sich ernsthaft Sorgen machen und fragen: Warum wird ihm gekündigt, ohne dass eigentlich klar ist, ob er tatsächlich verantwortlich ist?

Sie sprachen ja von der Frage von Vorverurteilung und dass man vorher schon weiß, was herauskommt. Wer weiß hier eigentlich schon, was herauskommt? Kennt Herr Dr. Hansen schon den Bericht des Robert Koch-Instituts? Ich weiß es nicht! Ich muss aber sagen, ich finde es sehr sonderbar, wenn man dort nachfragt, was denn jetzt eigentlich die Senatorin dazu sagt – die Senatorin ist Aufsichtsratsvorsitzende und Senatorin für Gesundheit –, dass sie auf Nachfrage nichts dazu sagt!

Ich habe Herrn Brumma als gesundheitspolitischen Sprecher der SPD angesprochen. Dort wird gesagt, die Senatorin sagt, das wäre eine operative Entscheidung der Geschäftsführung der Gesundheit Nord, da halte sie sich heraus. Das ist eine operative Entscheidung, liebe Kolleginnen und Kollegen? Das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen! Wo, bitteschön, ist das eine operative Entscheidung? Wie wollen wir denn jetzt in Zukunft einen neuen Chefarzt für die Kinderklinik finden? Wie denn? Mit solch einem Ruf? Es war doch total rufschädigend, diesen Mann, ohne dass es konkrete Beweise gibt oder diese vorgelegt werden, einfach hinauszuwerfen!

Frau Senatorin Jürgens-Pieper, ich habe die ganze Zeit immer gesagt, dass ich vieles von dem, was Sie bisher gemacht haben, absolut in Ordnung fand, aber an dem Punkt verstehe ich es nicht mehr! Das ist doch keine operative Entscheidung, das ist eine strategische Entscheidung für diese Klinik! Der Ruf dieser Klinik wird damit weiter geschädigt. Das können Sie doch nicht machen! Sie können sich doch nicht heraushalten und sagen, das macht mein Geschäftsführer irgendwie, und das können Sie schon gar nicht als Aufsichtsratsvorsitzende machen, das will ich hier auch einmal deutlich sagen. Das funktioniert meiner Meinung nach überhaupt nicht, und ich finde es auch einfach befremdlich!

Muss ich – das sage ich jetzt hier einmal wirklich Frau Senatorin Jürgens-Pieper – als kleiner Betriebsrat Ihnen irgendwie deklarieren, wie man solch eine Personalie sauber über die Bühne bekommt? Das kann doch nicht wahr sein! Wenn ein Chefarzt solchen Verdächtigungen ausgesetzt wird, dann kann man ihn als Ultima Ratio vom Dienst suspendieren. Ja, das kann man tun! Dann muss man aber auch in dem Moment wissen, was man tut. Oder Sie haben Beweise! Aber bitte, wenn Sie wirklich Beweise haben – Sie als Senatorin sind dafür zuständig, Sie haben die Verantwortung dafür –, dann müssen Sie sie auf den Tisch legen, ansonsten wird der Ruf dieser Klinik weiter und weiter geschädigt!

Eine zweite Personalie, weil wir gerade bei den Personalien sind! Ich wundere mich dann auch, was dort eigentlich passiert. Ich denke, alle hier im Saal erinnern sich an den 3. November. Die Senatorin

geht das erste Mal vor die Mikrofone und sagt, was passiert ist. Dabei sitzt ihr Abteilungsleiter Herr Dr. Gruhl und erklärt, wie zum Trost sozusagen, dass das Robert Koch-Institut der Klinik immerhin bescheinigt hätte, dass sie nichts falsch gemacht habe. Originalzitat von Dr. Gruhl: „Hier ist nicht geschlampert worden.“ Es braucht dann einen Tag Recherche des „Weser-Kurier“, und danach steht fest, dass die Sprecherin des Robert Koch-Instituts gesagt hat: So etwas haben wir nie gesagt. Und nun, Frau Senatorin? Das ist Ihr Behördenleiter! Hat er jetzt gelogen? Wird er jetzt entlassen, oder was? Auch dort tragen Sie die Verantwortung, darauf muss man doch reagieren, wenn so etwas in dem Moment passiert! Es kann doch nicht sein, dass man sich dort immer heraushält, das verstehe ich nicht! Es hat nichts mit der Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses zu tun, aber ich finde, Sie müssen reagieren, dafür sind Sie Senatorin! Genau aus dem Grund ist ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss natürlich wichtiger denn je, weil diese Fragen, die ich eben gestellt habe, aufgeklärt werden müssen, neben dem einen, natürlich höchsten Ziel, dass wir versuchen müssen, dass Verhältnisse dort anders gestaltet werden, dass so etwas für die Kinder und Eltern nie wieder vorkommen kann. Das ist natürlich das Hauptziel, aber ich sage einmal: Nebenbei müssen solche Fragen, wie ich sie eben gestellt habe, auch geklärt werden. Lassen Sie mich jetzt noch einmal erklären, was für uns als LINKE wichtig ist! Herr Dr. Güldner hat versucht, ein klein wenig zu verdrehen, unsere schlichte These, dass wir sagen, Personalabbau ist auch schlecht für Krankenhaushygiene. Ganz einfach! Es ist wohlgemerkt eine These, und wir wollen – deshalb werden wir einen Antrag dazu stellen –, dass diese These im Ausschuss verifiziert wird. Wir können dort richtig oder auch falsch liegen, aber wir wollen, dass bei diesem Problem auch hingeschaut wird. Ich möchte es für Sie vielleicht noch einmal ein bisschen plastisch machen! Wir haben zwar gehört, Herr Röwekamp war einmal Praktikant, und Herr Tschöpe war Rettungssanitäter, aber gut! Ich möchte Sie gern einmal mitnehmen – ich gehe einmal weg von der Frühchenstation, weil das Thema ja sehr belegt ist –, kommen Sie einfach einmal auf eine normale Station der Inneren Medizin mit! Dort liegen zum Beispiel 26 Patientinnen und Patienten, die im Durchschnitt 70 Jahre alt sind. Die meisten sind multimorbid, das heißt, sie haben mehrere Krankheiten gleichzeitig, und sind größtenteils bettlägerig. Es gibt auch bei den Erwachsenen auf den Stationen in den letzten Jahren zunehmend multiresistente Krankenhauskeime. Es gibt sie sowohl in den kommunalen als auch in den anderen Krankenhäusern, das ist in der Tat auch ein Stück Alltag. Auf dieser Station sind zum Beispiel zwei Menschen an diesen multiresistenten Keimen erkrankt, sie haben eine Infektion, müssen also isoliert werden.

Vor der Sanierung, auch das muss sehr deutlich gesagt werden, war solch eine 26-Betten-Station mit einem Personalschlüssel von vier Beschäftigten in der Frühschicht, drei in der Spätschicht und einem in der Nachtschicht besetzt. Jetzt innerhalb oder nach der Sanierung, je nachdem, wie Sie es sehen wollen, haben wir eine Besetzung von drei Beschäftigen in der Frühschicht, zwei in der Spätschicht und einem in der Nachtschicht.

Jetzt stellen Sie sich einfach einmal vor, Sie sind jetzt einer der zwei Kollegen, Sie sind in der Spätschicht tätig, und dann passiert Folgendes: Es klingelt, einer der infizierten Patienten meldet sich. Das heißt, Sie als Pflegekraft müssen dorthin gehen, die Hände desinfizieren, den Mundschutz anlegen, die Haube aufziehen, den Kittel überziehen, die Schuhschützer überstreifen, und dann gehen Sie zu dem Patienten ins Zimmer. Sie hören sich an, was mit ihm ist, danach gehen Sie wieder hinaus. Danach müssen Sie die Kleidung, die sie getragen haben, entsorgen, die Handschuhe ausziehen, sich wieder desinfizieren, und dann können Sie weitermachen. Bei einer Besetzung von zwei Beschäftigten im Spätdienst bedeutet das, dass mindestens eine dieser zwei Personen – in diesem Fall bei 26 Patientinnen und Patienten – für diese zwei infektiösen Patienten zuständig ist. Die andere Person ist mit den anderen Schwerkranken, dem Telefon, der Beantwortung der Fragen der Angehörigen und so weiter beschäftigt.

Dann passiert Folgendes – es tut mir wirklich leid, Ihnen das hier so ausführlich schildern zu müssen, aber das ist Alltag, da können Sie die Kolleginnen und Kollegen in den Kliniken fragen -: In einem der anderen Zimmer fällt ein Patient zu Boden und hat möglicherweise einen Atem- oder Herzstillstand. Die eine Person ist zum Glück gerade im Zimmer und löst Alarm aus, das heißt, die Anästhesisten werden gerufen. Jetzt sind Sie als der zweite Pfleger gerade bei dem anderen Infizierten im Zimmer, Sie haben sich angezogen, desinfiziert und hören, dort ist Alarm. Sie gehen aus dem Zimmer hinaus, Sie ziehen Ihren Mundschutz ab, ziehen den Kittel aus und gehen zu dem anderen Patienten.

Das Einfachste, was einem in der Tat in so einem Moment passiert, ist, man geht zu dem anderen Patienten, man hilft natürlich, die Anästhesisten sind unterwegs, sind aber noch nicht da, also stabile Seitenlage und so weiter, alles was dazugehört in solch einem Fall. Auf einmal merken Sie, Sie haben ja noch die Handschuhe an. Im ersten Moment fällt es einem nicht auf, denn es ist ja richtig, an den Patienten mit Handschuhen heranzugehen, aber man hat noch die alten an und hat vergessen, sie auszuziehen.

Das, was ich Ihnen hier geschildert habe, ist ein einfacher Bericht dazu, wie es tausend Mal in Deutschland und überall passieren kann. Man kann einfach sagen, wenn Sie 26 Patientinnen und Patienten mit einem Altersdurchschnitt von 70 Jahren auf einer Station haben, und Sie haben nur zwei Personen, um

sie zu betreuen, und Sie haben dann noch infizierte Patientinnen und Patienten – um wirklich einmal ein extremes Beispiel zu nehmen –, dann kann es mit der Hygiene möglicherweise sehr brenzlig werden.

Möglicherweise! Ich habe nicht gesagt, dass es passiert oder passieren muss – in den meisten Fällen passiert es natürlich nicht, weil die Kolleginnen und Kollegen in den Kliniken in der Tat ihr Bestes geben, damit so etwas nicht passiert –, aber es kann passieren. Es kann auch passieren, wenn man mehr Personal hat, das ist richtig, aber die Wahrscheinlichkeit, wenn Sie meinetwegen noch zu dritt in der Schicht sind, ist wesentlich geringer. Das ist der Zustand!

Aufgrund dieser Schilderung, die ich Ihnen soeben gegeben habe, fragen wir als Linke: Warum soll man nicht auch nach so einem Zusammenhang in einem Untersuchungsausschuss fragen?

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Das steht alles darin!)

Deshalb haben wir dazu einen entsprechenden Antrag gestellt. Sie haben gestern gesagt, Sie wollten es so nicht hineinhaben, also mussten wir es heute noch einmal erklären. Entschuldigen Sie, Herr Röwekamp, man kann auch Folgendes nicht vom Tisch wischen: Es ist doch völlig klar, dass wir doch auch bei der Frühchensituation Hinweise haben. Wir haben einen Herrn Dr. Zastrow, den ehemaligen Vorsitzenden der Deutschen Hygienekommission, Sie erinnern sich? Er hat doch deutlich gesagt, für ihn sei klar, wenn eine Person auf der Neonatologie mehr als zwei Frühchen betreuen müsse, dann werde es mit der Hygiene möglicherweise brenzlig, und dann müsse man schauen. Ich weiß es nur aus der Zeitung, deshalb weiß ich nicht die Lösung, Herr Dr. Güldner. Ich weiß nur aus der Zeitung, dass gesagt wird, in der Neonatologie hätten sie eine durchschnittliche Belegung von zehn Frühchen pro Tag und zehn Schwestern über 24 Stunden gehabt. Dann können Sie ausrechnen, wie die Besetzung ist: Eine Möglichkeit ist eine Besetzung mit vier beziehungsweise jeweils drei Beschäftigen in den verschiedenen Schichten. Wenn Sie dann zehn durch vier teilen, dann betreut eine Schwester oder ein Pfleger 2,5 Frühchen.

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Der Gegenstand steht darin, das ist das Problem!)

Wenn Sie in der Spätschicht und in der Nachtschicht nur zu dritt sind, dann sind es 3,3 Frühchen pro Beschäftigten. Genau dort, hat Herr Dr. Zastrow, der ehemalige Vorsitzende des Deutschen Hygieneinstituts, gesagt, müsse man aufpassen und hinschauen. Das ist unser Ansatz als LINKE, wir sagen, da muss man hinschauen!

(Abg. Dr. Güldner [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Das steht alles schon im Antrag!)

Ich finde nicht, dass es so darin steht, aber dazu wird meine Kollegin gleich noch einmal etwas sagen!

Aus dem Grund werbe ich noch einmal bei der SPD, bei den Grünen und auch bei der CDU. Ich finde, wir verschenken keine Zeit, wenn wir solch einen Zusammenhang auch noch einmal deutlich nachfragen. Es ist kein Vorurteil der LINKEN, das damit irgendwie bedient werden soll, sondern es ist eine fachlich inhaltlich wichtige Frage. – Danke!

(Beifall bei der LINKEN)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Timke.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Leider stehen mir ja als Einzelabgeordnetem nach der Geschäftsordnung auch bei diesem wichtigen Thema nur fünf Minuten zu, sodass ich mich auf das Wesentliche beschränken muss.

Dieses Parlament wird heute vermutlich einstimmig den Beschluss fassen, einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss einzurichten, der die tragischen Vorfälle am Klinikum Bremen-Mitte lückenlos aufklären soll. Bis heute – das wurde ja schon gesagt – sind an diesem Klinikum 23 Säuglinge mit einem gefährlichen Darmkeim infiziert. Mindestens neun von ihnen sind erkrankt, drei Frühgeburten sind leider an den Folgen der Infektion gestorben.

Lassen Sie mich gleich am Anfang meines Redebeitrags deutlich sagen, dass ich sehr froh darüber bin, dass ab heute nicht mehr das Gesundheitsressort, sondern das Parlament das Heft des Handelns in die Hand nimmt und die Umstände, die zu diesen tragischen Vorfällen führten, lückenlos untersuchen wird!

Solche traurigen Ereignisse, wie wir sie im Klinikum Bremen-Mitte vorfinden mussten, kann man weder behördenintern noch in Deputationssitzungen aufarbeiten. Dafür ist tatsächlich die Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses vonnöten. Erschwerend kommt hinzu, dass man in den letzten zwei Wochen schon den Eindruck gewinnen konnte, dass die Fachabteilung Gesundheit des zuständigen Ressorts mit dem Krisenmanagement überfordert war, und auch die fragwürdige Beschwerde des Staatsrats Dr. Schuster über die Bremer Staatsanwaltschaft zeigt eigentlich deutlich, wie blank die Nerven in der Behörde liegen müssen.