Protokoll der Sitzung vom 10.12.2015

Wir fragen den Senat:

Erstens: Wie beurteilt der Senat den Zugang für Flüchtlinge mit akuten psychischen Erkrankungen zu entsprechenden Behandlungsangeboten?

Zweitens: Wie viele Flüchtlinge befinden sich derzeit in einer Kurzzeittherapie?

Drittens: Welche Probleme ergeben sich durch die ausschließliche Begutachtung am Klinikum BremenOst beziehungsweise beim Gesundheitsamt Bremerhaven?

Auch diese Frage wird beantwortet von Frau Senatorin Professor Dr. Quante-Brandt.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Für den Senat beantworte ich die Anfrage wie folgt:

Zu Frage 1: Erfahrungsgemäß erfolgt eine Nachfrage nach einer Psychotherapie erst circa zwei bis drei Jahre nach der Ankunft, da zunächst Basisbedürfnisse im Vordergrund stehen wie Wohnen, medizinische Grundversorgung, Lebensunterhalt und Arbeit. Nach Angaben des Gesundheitsamtes Bremen liegen psychische Auffälligkeiten der Flüchtlinge bei der Direktversorgung in den Flüchtlingsunterkünften bei circa sechs bis sieben Prozent. Die Krankenhäuser stellen einen erhöhten Behandlungsbedarf fest, der aber mit den derzeit zur Verfügung stehenden Kapazitäten bewältigt werden kann. Die Sozialpsychiatrischen Dienste verzeichnen eine Nachfrage von ein bis zwei Kriseneinsätzen oder Beratungen für Flüchtlinge pro Woche.

Zu Frage 2: Nach Angaben der Psychotherapeutenkammer sind bisher nicht viele Anfragen zur psychotherapeutischen Versorgung gestellt worden. Hingegen verzeichnet die Beratungsstelle REFUGIO eine Nachfrage von 205 Neuanmeldungen und etwa 125 laufende Behandlungen, insgesamt 330. Das heißt, es wurden etwa 20 Prozent mehr Menschen aufgenommen als im Vorjahr mit 277. Auch die Anzahl der dort eingegangenen telefonischen Anfragen nach Therapieplätzen von Ratsuchenden und Multiplikatorinnen und Multiplikatoren ist in diesem Jahr gestiegen.

Zu Frage 3: Begutachtungen vor dem Hintergrund der Notwendigkeit und Angemessenheit von Therapien sind Aufgabe der Gesundheitsämter oder delegierter Stellen wie zum Beispiel des KBO. Dies betrifft neben der somatischen und Zahnmedizin auch den Bereich der psychischen Erkrankungen. Laut Aussage der begutachtenden Stellen in Bremen und Bremerhaven bestehen derzeit keine Kapazitätsprobleme durch die gestiegenen Gutachtenanfragen. Problematisch ist hingegen der Mangel an geeigneten und verfügbaren Dolmetscherinnen und Dolmetschern. – Soweit die Antwort des Senats!

Herr Kollege Bensch, haben Sie eine Zusatzfrage? – Bitte sehr!

Vielen Dank für die Ausführungen, Frau Senatorin! Sie haben gesagt, dass die Lage momentan alles in allem bewältigt werden kann, dass aber bei REFUGIO schon ein Anstieg von Fällen vor

liegt. Sie haben weiter gesagt, dass es Erhebungen gebe, die besagten, dass zwei bei drei Jahre nach Ankunft der psychotherapeutische Behandlungsbedarf größer werde. Das bedeutet, wenn ich Sie richtig verstanden habe, dass wir uns im Prinzip darauf einstellen müssen, dass wir in zwei bis drei Jahren in der Hinsicht ordentlich etwas zu wuppen haben werden, um es einmal bremisch zu sagen.

Bitte, Frau Senatorin!

Wir gehen davon aus, dass es in zwei bis drei Jahren zu einer Zunahme von Anträgen kommen wird. Das heißt, wir müssen heute überlegen, was wir vorhalten müssen, damit wir in zwei bis drei Jahren der Entwicklung nicht hinterherlaufen.

Eine weitere Zusatzfrage wird gestellt von der Abgeordneten Frau Dr. Kappert-Gonther. – Bitte!

Frau Senatorin, sind Sie mit mir der Auffassung, dass REFUGIO hervorragende Arbeit macht und kapazitätsmäßig noch mehr leisten könnte, wenn man es etwas besser ausstatten würde? Das ist die erste Frage.

Zweitens: sind Sie mit mir der Auffassung, dass es notwendig ist, nach der Erstbehandlung durch REFUGIO die Zugangswege zur Regelpsychotherapie für Geflüchtete noch zu verbessern? Die relativ geringe Zahl derer, die im Regelsystem ankommen, kann zwei Gründe haben, entweder weil die Zugänge nicht ordentlich geöffnet sind oder weil der Bedarf nicht besteht. Welcher Auffassung sind Sie? Sind Sie mit mir der Auffassung, dass es wahrscheinlich darum geht, die Wege besser zu öffnen?

Bitte, Frau Senatorin!

Ihre erste Frage kann ich mit dem Hinweis beantworten: Auch ich bin der Auffassung, dass REFUGIO an dieser Stelle mehr Ausstattung bedarf,

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

damit es zeitnah die Unterstützung, die die Menschen brauchen, vorhalten kann.

Ihrer Aussage, dass die Wege vielleicht nicht günstig sind, möchte ich nicht folgen; denn das kann ich im Moment nicht bestätigen. Es gibt ein Problem, dieses Problem ergibt sich aus den unterschiedlichen gesetzlichen Rechtskreisen. In den ersten 15 Monaten sind Flüchtlinge im Asylbewerberleistungsgesetz verortet. In dem Kontext erhalten sie eine Unterstützung. Dann wechseln sie in den Rechtskreis des SGB XII. Der Wechsel in den Rechtskreis des SGB XII,

nach dem Psychotherapie beantragt wird, ist kompliziert. Diese beiden gesetzlichen Punkte können den Weg erschweren. Wir wissen, dass die Begutachtungen dann, wenn die Flüchtlinge in den Rechtskreis des SGB XII gewechselt sind, ausgesprochen lange dauern. Das betrifft aber den Zeitraum nach 15 Monaten, wenn der Wechsel zum SGB XII stattgefunden hat. Insofern würde ich das nicht für alle Flüchtlinge sagen, weil wir nicht davon ausgehen müssen, dass alle Flüchtlinge auf jeden Fall nach dem SGB XII zu bewerten sind. Ich gebe Ihnen recht, dass wir uns in Bezug auf diesen einen Sachverhalt damit auseinandersetzen müssen, wie man in dem Fall zu sinnvollen Bearbeitungen kommen kann.

Eine weitere Zusatzfrage stellt die Abgeordnete Frau Leonidakis. – Bitte, Frau Kollegin!

Frau Senatorin, können Sie darlegen, wie lange derzeit die Wartezeit für einen Therapieplatz bei REFUGIO beträgt?

Bitte, Frau Senatorin!

Das sind keine Therapieplätze, das sind Beratungsplätze, wenn ich es richtig weiß. Therapie ist, wie ich meine, ein anders sortiertes Verfahren. Ich kann Ihnen nicht den genauen Zeitlauf nennen. Ich gehe aber davon aus, dass wir durch die Zunahme der Fälle in dem Bereich vermutlich eine längere Wartezeit haben, um in den Beratungskontext einzumünden. Ich kann Ihnen jetzt aber nicht eine genaue Zeitspanne nennen.

Frau Kollegin, eine weitere Zusatzfrage? – Bitte sehr!

Frau Senatorin, sind Ihnen Wartezeiten von bis zu einem Jahr bekannt?

Bitte, Frau Senatorin!

Nein, ich habe Ihnen doch gerade geantwortet, dass mir das nicht bekannt ist. Insofern kann ich jetzt auch nichts zu Zahlen sagen. Ich kann Ihnen die Antwort gerne nachreichen. Dazu müssten wir bei REFUGIO nachfragen und uns die konkreten Wartezeiten für die einzelnen Fälle vorlegen lassen. Das können wir gerne machen.

Frau Leonidakis, haben Sie eine weitere Zusatzfrage? – Bitte sehr!

Mir sind solche Wartezeiten bekannt. Können Sie mir zustimmen, dass dann, wenn es Wartezeiten von bis zu einem Jahr gibt, noch eine weitere Ressourcenaufstockung bei REFUGIO notwendig ist?

Bitte, Frau Senatorin!

Ich meinte, es gesagt zu haben. Ich meinte, soeben in meiner ersten Antwort auf die Frage von Frau KappertGonther darauf hingewiesen zu haben,

(Abg. Frau Grotheer [SPD]: Hat sie auch!)

dass auch ich der Auffassung bin, dass wir dort zu einem Mehr kommen müssen. Vor allen Dingen müssen wir an der Stelle auch dazu kommen, dass die unterschiedlichen Stellen, die mit diesen Menschen zusammenarbeiten und ihnen Hilfeleistungen unterbreiten, so zusammengeführt werden, dass wir alle Kräfte dafür einsetzen,

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

damit die Flüchtlinge, die hier ankommen, entsprechend versorgt werden.

Frau Kollegin, eine weitere Zusatzfrage? – Bitte sehr!

Frau Senatorin Stahmann hat in einer der letzten Fragestunden angegeben, dass statistisch gesehen 25 bis 40 Prozent der minderjährigen Flüchtlinge traumatisiert sind. Für diesen Personenkreis ist bekanntlich der Kinderpsychiatrische Dienst eine Anlaufstelle. Wie wird aber gewährleistet, dass die Betreuer Traumatisierungen erkennen und der Kinderpsychiatrische Dienst quasi als Anlaufstelle in Kontakt kommt?

Bitte, Frau Senatorin!

Der Kinderpsychiatrische Dienst ist informiert. Er kennt das Themengebiet. Ich gehe davon aus, dass sich der Kinderpsychiatrische Dienst an den Stellen auch so anbieten wird, dass die Kinder und Jugendlichen, die zu seinem Zuweisungsbereich gehören, zu ihm kommen werden. Ich gehe davon aus, dass er sich zunehmend anbietet.

Eine weitere Zusatzfrage, Frau Kollegin? – Bitte sehr!

Wie kann ich mir das vorstellen? Geht der Kinderpsychiatrische Dienst in die Einrichtungen, in die Unterkünfte und stellt sich dort vor, und zwar auch bei den Betreuern, bei den Einrichtungsleitungen, oder läuft es andersherum?

Bitte, Frau Senatorin!

Sie kennen es vermutlich, aber ich kann gern noch einmal etwas

dazu sagen. Die einzelnen Einrichtungen, in denen unsere Flüchtlinge zurzeit leben, sind über die Beratungsangebote informiert. Ihnen ist auch das Beratungsangebot des Kinderpsychiatrischen Dienstes bekannt. Insofern ist es so, dass die Einrichtungen Bescheid wissen und dass wir davon ausgehen, dass aus den Einrichtungen heraus auf die entsprechenden Stellen zugegriffen wird und der Vermittlungsprozess stattfindet.

Ich gehe nicht davon aus, dass der Kinderpsychiatrische Dienst die einzelnen Einrichtungen aufsucht und sich vorstellt. Das müssen wir aus ökonomischer Sicht, sage ich einmal, günstiger gestalten, also die Vermittlung durch die Einrichtung, dass die Personen, bei denen ein Bedarf besteht, die Möglichkeit erfahren, um dann dort Eingang zu finden, einen Platz zu erhalten und versorgt zu werden.

Eine weitere Zusatzfrage, Frau Kollegin? – Bitte sehr!

Frau Senatorin, können Sie darlegen, wie häufig der Kinderpsychiatrische Dienst in diesem Jahr zum Einsatz gekommen ist?