Protokoll der Sitzung vom 10.12.2015

(Zuruf Abg. Imhoff [CDU] – Abg. Frau Ahrens [CDU]: Er verbreitet ja auch gute Laune!)

Selbstverständlich ist uns die derzeit ernste Situation der Landwirtinnen und Landwirte in Bremen bekannt, auch wir betrachten sie mit großer Sorge. Die 26 Cent pro Liter, die das DMK auszahlt, sind natürlich viel zu wenig, um in der Milchwirtschaft eine auskömmliche Existenz bestreiten zu können, wenn man nicht gerade nebenher Ferienwohnungen oder einen Hofladen hat.

Der Handel drückt die Preise, Russland haben Sie genannt. Die Verbraucherinnen und Verbraucher sind auf niedrige Preise konditioniert, und viele Molkereien zahlen den Landwirten unter 30 Cent. In Bremen ist das das Deutsche Milchkontor, Humana ist einer der ganz großen Akteure auf dem Milchmarkt mit Warenströmen fast rund um den Globus, nicht nur

regional. Die 26 Cent, die den Milchbauern in Bremen gezahlt werden, entsprechen natürlich nicht der guten Arbeit und der guten Leistung der Landwirte, und zwar konventionell wie Bio, das will ich sagen.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD, CDU, DIE LINKE)

Dies entspricht auch nicht dem, was man mit den Kühen macht, sie möchte ich explizit mit einbeziehen.

Es ist eine Selbstverständlichkeit, dass die Landwirtinnen und Landwirte in dieser schwierigen Situation nicht alleingelassen werden, schließlich sind sie diejenigen, die uns mit unserer täglichen Ernährung versorgen. Das muss uns natürlich angehen.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD, CDU, DIE LINKE)

Folgende Akteure sind vor allem aufgerufen zu handeln: Wir natürlich, die Politik, die Konsumenten handeln, aber eben auch die Landwirte selbst. Die verschiedenen Forderungen, die jetzt hier eingetroffen sind – ich schaue erst einmal in Ihre Richtung, Herr Imhoff –, sind adressiert an die Bürgerschaft, an die Verbraucher, an den Senat. Die Forderungen an die Bürgerschaft tragen wir natürlich mit, wir müssen als Bürgerschaft unsere Landwirte und die guten Produkte wertschätzen, das ist keine Frage.

Ihre Forderungen an den Senat halte ich auch für nachvollziehbar und verständlich. Ich bin auch der Ansicht, dass geholfen werden muss, aber die Agrarminister und der Senat arbeiten längst an der Umsetzung Ihrer Forderungen. So wird zum Beispiel hier, auf regionaler Ebene, über das Projekt BioStadt versucht, regionale Erzeugnisse zu fördern und wertzuschätzen, indem sie verstärkt in öffentliche Kantinen, Mensen und die Kitas Einzug finden – da könnte natürlich noch mehr passieren –, oder sie sollen den Weg auf die Teller beim Schaffermahl oder der Eiswette schaffen. Meinetwegen darf das auch konventionell sein.

Auch Ihre ganze Reihe weiterer Forderungen, was auf der Agrarministerkonferenz passieren sollte, ist längst in Arbeit. Sie hätten einmal einen Blick in die Protokolle der letzten beiden Agrarministerkonferenzen im Oktober in Fulda und im März in Homburg werfen sollen, da ist ganz viel gemacht worden. Kriseninstrumente haben sie – –.

(Abg. Imhoff [CDU]: Der Antrag stand ja auch schon im November auf der Tagesordnung!)

Moment! Die Superabgabe soll zurückgezahlt werden, zwar nicht alles, aber die Liquiditätsunterstützung steht da auch, es wird also viel gemacht. Es kann immer noch mehr gemacht werden, aber darüber freuen wir uns.

Wir wollen mit unserem Antrag den Senat unterstützen, er soll ein bisschen Rückenwind bekommen und in Zukunft noch mehr machen, das ist klar. Die Landwirte brauchen jetzt schnelle Hilfe, als Überbrückung wohlgemerkt, damit sie nicht absaufen, damit sie über die Runden kommen.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Mittel- und langfristig muss sich die Agrarwirtschaft, ihre derzeit vorherrschende Logik und die Idee von ihr, aber grundsätzlich ändern. Wir brauchen eine umfassende Agrar- und Ernährungswende, einen kompletten Systemwechsel, weg von der industriellen Agrarwirtschaft, von diesen Agrarstrukturen, hin zu einer kleinbäuerlichen lokalen Landwirtschaft mit regionaler Wertschöpfung und regionalen Kreisläufen.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Ich denke dabei auch an die kleinbäuerliche Landwirtschaft im globalen Süden, auch sie muss uns angehen, denn unsere Form des Wirtschaftens und des Konsumierens hier hat sehr viel mit deren ebenfalls schwerer Situation zu tun.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Wenn zum Beispiel Trockenmilch aus Deutschland in den Senegal gelangt und dort den einheimischen Bauern große Schwierigkeiten bereitet, dann finde ich die Idee der LINKEN sehr gut, die Exporterstattung, diese Subvention, zu beseitigen. Das, finde ich, ist eine gute Initiative. Davon allerdings ist in Ihrem Antrag nichts zu finden und nichts zu spüren. Im Grunde geht es Ihnen um ein „Weiter so“.

Dabei ist auch die Landwirtschaft gefordert. Sie selbst kann Teil eines Systemwechsels sein. Einige Landwirte in Bremen haben das auch kapiert. Sie haben erkannt, das derzeitige Modell hat keine Zukunft. Sie sind umgestiegen auf den ökologischen Landbau.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Sie liefern eine ganze Reihe, es sind sogar einige mit CDU-Parteibuch dabei, sie liefern an die Molkerei Dehlwes, dort erhalten sie 47 Cent statt 26. Es geht ihnen besser. Hören Sie einmal zu!

(Abg. Imhoff [CDU]: Ich höre die ganze Zeit zu, das ist ja das Problem! – Heiterkeit)

Das ist okay. Das, was Sie sich wünschen, diese Erzeugnisse werden nicht nur regional erzeugt, sie bleiben auch hier, sie werden hier auch regional vermarktet. Die Verbraucherinnen und Verbraucher können hinfahren und erleben, wie die Lebensmittel gemacht werden. Dann lernen sie auch, das mehr wertzuschät

zen. Ich finde, das ist ein Pfad, den man gehen sollte, selbst etwas zu tun, und nicht nur fordern!

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Es gibt übrigens in Norddeutschland mehrere Beispiele von Initiativen von Landwirten, die aus diesen Modellen à la DMK ausgestiegen sind. Wie heißen sie? Campina, Arla und dergleichen, zum Beispiel in Mecklenburg-Vorpommern die gläserne Molkerei oder der Hamfelder Hof am Stadtrand von Hamburg! Da haben Bauern selbst eine Molkerei eröffnet, die Bioland-Meierei. Am bekanntesten ist vielleicht die Upländer Molkerei in Nordhessen, in Usseln. Ich finde, es ist eine gute Idee, wenn man selbst versucht, aus dem alten System auszusteigen. Ich möchte Sie dazu ermutigen. Mich haben Sie an Ihrer Seite und viele Verbraucherinnen und Verbraucher auch!

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Crueger.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Milch macht’s! Ich freue mich, das wir es heute hier debattieren, Kollege Imhoff, danke für die Initiative! Es müssen ja nicht immer alle guten Ideen, Themen zu diskutieren, die wichtig und drängend sind, nur zwingend von der Koalition kommen. Wir freuen uns auch, dass die Opposition fleißig an wichtigen Themen mitarbeitet.

(Beifall SPD)

Kollege Strohmann, bitte kurz zuhören!

(Heiterkeit)

Sie haben vorhin in einer Debatte gesagt, naturgemäß werde Ihr Antrag abgelehnt. Ich erinnere mich noch an ganz alte Zeiten, der Kollege Teiser hat in der Großen Koalition immer naturgemäß Anträge abgelehnt, und dann kam die gleiche Initiative in einem Koalitionsantrag doch ins Parlament. So etwas Albernes machen wir nicht.

Ich sage hier ganz offen – und das sieht auch jeder, der die beiden Anträge vergleicht, die von der CDU und von der Koalition eingebracht wurden –, die Anträge sind, insbesondere, was den Beschlussteil angeht, sehr ähnlich. Wir haben uns das, was die CDU und der Kollege Imhoff, der ja auch vom Fach ist, eingebracht haben und was tatsächlich auch überfraktionelle Positionslage ist – man braucht gar keine Farbenlehre zu betreiben –, angeschaut, die guten Sachen übernommen und andere Sachen, die uns wichtig sind, hineingeschrieben.

Vor allem haben wir es auch aktualisiert, Kollege Imhoff, das muss man auch sagen, Jan Saffe hat da recht:

Einige der Dinge, die Sie in Ihrem Antrag stehen haben, sind schon durch Beschlüsse beispielsweise der Agrarministerkonferenz in Fulda, wie Sie selbst wissen, überholt. Insofern haben wir jetzt, glaube ich, einen Antrag der Koalition, der ein sehr schöner Antrag ist, ein Antrag der Mitte, der nicht irgendwie klassenkämpferisch versucht, die gesamte Frage, wie wir mit bäuerlicher Landwirtschaft weitermachen wollen, sozusagen in einem zweiseitigen Antrag zu lösen, sondern ganz konkret in der momentan problematischen Situation versucht, den Bäuerinnen und Bauern, die in Bremen Milchwirtschaft betreiben, zu helfen. Insofern bin ich sehr zufrieden.

(Beifall SPD)

Herr Kollege Imhoff, weil Sie ja auch selbst die Bauernschaft sehr gut kennen: Man muss auch sagen, es gibt Akteure, die ursächlich für die derzeitige Misere sind, Sie haben einige aufgezählt. Natürlich, das ist völlig richtig, es ist ein Problem, dass Menschen gern günstig einkaufen und der Anteil des verfügbaren Haushaltseinkommens, den man für Lebensmittel ausgibt, noch nie so niedrig war wie heute. Es kommen ein paar andere Punkte hinzu, aber es kommt auch hinzu, dass in Teilen der Bauernschaft sozusagen bislang ein sehr liberales Marktverständnis vorgeherrscht hat und man im Prinzip gesagt hat, alle Milch, die in den Markt eingespeist wird, wird auch irgendwo verkauft!

Ich habe mich noch einmal beim Kollegen Gottschalk erkundigt, Jean-Baptiste Say – ich wusste nicht mehr so genau, welcher Ökonom es war – sagte sinngemäß, jedes Produkt, das ich schaffe, findet auch seinen Abnehmer. So ist es eben nicht, und dann haben wir eben ein Problem, wenn wir von Jahr zu Jahr ein bis zwei Prozent mehr Milchmenge produzieren und uns dann am Ende fragen, wer all die Milch eigentlich trinken oder verarbeiten soll. Insofern glaube ich, dass man jetzt an einem Punkt ist, an dem es wichtig ist, dass sich alle Akteure an einen Tisch setzen, und das können wir nicht hier in Bremen leisten, sondern da ist der Bund der Pflicht. Das ist der Punkt, den wir noch zugespitzt in unseren Antrag hineingeschrieben haben, der im CDU-Antrag nicht stand: Wir haben einen Bundeslandwirtschaftsminister, der der Union angehört.

(Abg. Imhoff [CDU]: CSU!)

Dieser Bundeslandwirtschaftsminister beobachtet, glaube ich, sehr genau, wie die unterschiedlichen Strömungen in der Bauernschaft sind. Der Deutsche Bauernverband hat bislang, wie ich es gerade beschrieben habe, eine sehr liberale Politik betrieben, was sicherlich nicht zur Verbesserung der Situation beigetragen hat. Auf der anderen Seite ist der Bund der Milchviehhalter, der das mittlerweile auch öffentlich sehr deutlich kritisiert. Ich glaube, man muss den

Mut haben, wenn man Landwirtschaftsminister auf Bundesebene ist, sich auch mit diesen beiden Seiten zusammenzusetzen.

In Niedersachsen haben wir die gleiche Situation mit dem BDM und dem Landvolk. Politik tut sich dann immer schwer, und der größte Fehler ist, wenn die eine Partei, die CDU, irgendwie beim Landvolk ist und die SPD beim BDM oder umgekehrt. So etwas bringt uns nicht weiter. Das hat nichts mit Loyalitäten zu tun, sondern das hat am Ende etwas damit zu tun, dass man versucht, die ganze Milchwirtschaft in den nächsten Jahren sozusagen auf Beine zu stellen, die wieder tragen. Wir wollen den Zeitpunkt bis dorthin einigermaßen überbrücken und verhindern, dass es ein großes Höfesterben gibt.

Wir wissen doch, dass es gerade bei der uns so wichtigen familiär getragenen bäuerlichen Landwirtschaft ohnehin das Problem gibt, dass bei jedem Generationenwechsel Höfe aufgegeben werden. Es scheint so zu sein, dass am Ende nur noch die ganz großen Höfe überleben – Höfe, die von Jahr zu Jahr dazukaufen und am Ende zu einem Riesenhof werden –, während alle kleinen Höfe auf der Strecke bleiben. Das ist nicht unsere Vision von Landwirtschaft, und das wäre auch kein gutes Szenario für die Landwirtschaft.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Deshalb müssen wir überlegen, wie wir den Bäuerinnen und Bauern, die familiär Landwirtschaft betreiben, über die nächsten Jahre hinweghelfen.

Ich will an dieser Stelle den Punkt von vorhin aufgreifen; denn ich finde die Auseinandersetzung zwischen der konventionellen und der ökologischen Betriebsform ein bisschen klassenkämpferisch, wobei allerdings auch Jan Saffe sehr differenziert hat.

(Abg. Rupp [DIE LINKE]: Klassenkampf ist dann doch etwas anderes!)

Für mich liegt der Unterschied zwischen der industriellen Landwirtschaft und der bäuerlichen Landwirtschaft darin, dass Letztere eine Familie trägt, nicht versucht, sich immer weiter zu vergrößern, und nicht immer nur auf den Profit guckt. Das ist die Landwirtschaft, die in Bremen stark verbreitet ist, worauf wir sehr stolz sein können. Wir sind in Bremen verwöhnt davon, dass wir einen ohnehin einen sehr hohen Anteil an ökologischer Landwirtschaft, aber auch sehr viel Grünlandwirtschaft und nicht diese großen Ställe haben, in denen Kühe stehen, die kaum noch Tageslicht sehen. In struktureller Hinsicht sind wir in Bremen als Stadtstaat insoweit in einer sehr, sehr glücklichen Position. Diese Position wollen wir stärken. Ich meine, dass das die Richtung ist, die bei der Landwirtschaft bundesweit eingeschlagen werden sollte. Wir haben überlegt, welche Forderungen hierzu in