Protokoll der Sitzung vom 10.12.2015

Für mich liegt der Unterschied zwischen der industriellen Landwirtschaft und der bäuerlichen Landwirtschaft darin, dass Letztere eine Familie trägt, nicht versucht, sich immer weiter zu vergrößern, und nicht immer nur auf den Profit guckt. Das ist die Landwirtschaft, die in Bremen stark verbreitet ist, worauf wir sehr stolz sein können. Wir sind in Bremen verwöhnt davon, dass wir einen ohnehin einen sehr hohen Anteil an ökologischer Landwirtschaft, aber auch sehr viel Grünlandwirtschaft und nicht diese großen Ställe haben, in denen Kühe stehen, die kaum noch Tageslicht sehen. In struktureller Hinsicht sind wir in Bremen als Stadtstaat insoweit in einer sehr, sehr glücklichen Position. Diese Position wollen wir stärken. Ich meine, dass das die Richtung ist, die bei der Landwirtschaft bundesweit eingeschlagen werden sollte. Wir haben überlegt, welche Forderungen hierzu in

dem Antrag Sinn machen, und haben das, was Sie geschrieben haben, teilweise aktualisiert.

Die Liquiditätsdarlehen sind für mich neben der Superabgabe ein ganz entscheidender Punkt. Die Liquiditätsdarlehen können am Ende nicht vom bremischen Senat gewährt werden. Dafür sind unserer Meinung nach der Bund und die EU in der Pflicht. Die Agrarminister haben beschlossen, dass es Liquiditätsdarlehen geben soll. Der Ruf geht also jetzt in Richtung Bund. Der Bund ist beauftragt, auf europäischer Ebene initiativ zu werden. Wir sind in der Angelegenheit optimistisch und unterstreichen in dem Antrag, dass der Bund tätig werden muss.

Die Superabgabe – dies für alle, die sich seltener mit Landwirtschaft befassen – heißt nicht deshalb Superabgabe, weil sie so super ist, sondern ist eine Strafabgabe für zu viel – super ist Latein und bedeutet mehr, darüber hinaus und so weiter – produzierte Milch.

(Glocke)

Ich komme zum Schluss!

Wir wollen, dass die Superabgabe in vollem Umfang der Milchwirtschaft zugutekommt, um so den Prozess in den nächsten Jahren zu begleiten. Ich glaube, dass wir uns darüber in diesem Haus weitgehend einig sind. – Danke schön!

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Professor Dr. Hilz.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, im Haus herrscht große Einigkeit, dass wir uns hier aktiv zur Milchwirtschaft und die Milcherzeugung insbesondere durch die kleinen und mittleren Betriebe bekennen sollten, die durch die Abgaben, die im Bereich von 26 Cent liegen, am meisten unter Zugzwang kommen.

Natürlich ist wichtig, die Verbraucher weiter darin zu sensibilisieren, dass Lebensmittel nicht nach der „Geiz ist geil“-Mentalität zu haben sein sollten, sondern dass Lebensmittel ihren Preis haben. Im europäischen Vergleich wird sichtbar, dass die Milch nirgendwo so günstig wie in Deutschland ist. Alle anderen Länder haben höhere Preise für Milch.

Zum Vergleich von Milch mit anderen Produkten. Ich habe im Supermarkt nachgeschaut, der Liter normale Milch kostet 59 Cent. Ein Liter Orangensaft dagegen kostet 1,50 Euro. Wie kommt es dazu? Das ist eine Folge der hier schon angesprochenen Überproduktion nach dem Wegfall der Quote zusammen mit dem Russlandembargo, das der gesamten deutschen Lebensmittelwirtschaft schwer zu schaffen macht. Der Umstand, dass das Embargo der Lebensmittelwirt

schaft schwer zu schaffen macht, macht das Embargo aber nicht falsch. Es muss auch gesagt werden, das Embargo gegen Russland ist aufgrund der Ukrainekrise selbstverständlich berechtigt, aber wir müssen darauf reagieren und darauf achten, dass andere Handelshemmnisse zu anderen Drittstaaten abgebaut werden, etwa indem insbesondere im Veterinärbereich eine bessere Zusammenarbeit erreicht wird, um die Transporte in andere Länder zu vereinfachen.

(Beifall FDP)

Wir werden dem Antrag der Fraktion der CDU zustimmen. Ich verstehe nicht, warum die Koalition nicht einfach einen Änderungsantrag eingebracht hat, wenn doch so viel Deckungsgleichheit besteht. Dann hätte man über einen Änderungsantrag diskutieren können. Stattdessen werden wir nun deren Antrag und auch den Antrag der LINKEN ablehnen. – Vielen Dank!

(Beifall FDP)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Bernhard.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Der Wahrheit halber möchte ich gerne erwähnen, dass die Koalition in Bezug auf die Vorlage von Anträgen als Letzte auf diesen Zug aufgesprungen ist.

(Zurufe: Oh!)

Ja, das ist so!

Ich habe für diesen Antrag der CDU von Anfang an große Sympathie gehabt; denn wenn man aus bayerischen Verhältnissen kommt und dort groß geworden ist, kann man sich die Umgebung ohne Landwirtschaft schlecht vorstellen. Ich finde es wichtig, dass das hier in Bremen immer wieder in den Mittelpunkt der Diskussion gerückt wird; denn die Situation für die Betriebe ist, wie sie dargestellt wurde, dramatisch. Der Milchpreis liegt nun einmal deutlich unter einem auskömmlichen Niveau. Die Betriebspleiten et cetera wurden erwähnt. Ich halte die Entwicklung für absolut bedenklich.

Das ist ein grundsätzlich systemisches Problem. Es trifft nicht zu, dass ein liberalisierter Markt alles richtet. Die Milchquote war nicht der Weisheit letzter Schluss. Die Hoffnungen aber, die damit verknüpft worden sind, dass sie abgeschafft wurde, haben sich als durchweg falsch erwiesen. Ich kann mich sehr gut daran erinnern, dass der Bauernverband der Meinung gewesen ist: Super, klasse, wir sind endlich diese Regulierung los, Jetzt können wir wie wild produzieren, der Weltmarkt wird es schon in irgendeiner Weise richten! Diese Hoffnungen haben sich zerschlagen. Die Gründe dafür wurden genannt. Da ist natürlich

der Druck durch den Weltmarkt. Da ist auch der enorme Preisdruck durch die Discounter, all das ist richtig, aber ein Niedrigpreis führt nun einmal auch dazu, dass sich die Produktionsbedingungen verschlechtern, denn faktisch bedeuten niedrige Preise, dass man mehr produzieren muss, um in irgendeiner Weise rentabel zu sein. Ich halte das für falsch und meine, dass so etwas selbstverständlich nach hinten losgeht.

Es gab in der EU nie ein befriedigendes System der Marktregulierung. Das alte System basierte auf der sogenannten Milchquote, der maximalen Produktionsmenge für jedes EU-Land. Diese Quote wurde auf die einzelnen Produzenten verteilt. Wer mehr produzierte, musste diese besagte Abgabe zahlen. Im Gegenzug gab es den Interventionspreis, das heißt eine Abnahmegarantie. Die EU hat dann Milchpulver gekauft und gehortet, um die Preise zu stabilisieren. Dieses System hat selbstverständlich nicht gut funktioniert; denn die Quote war immer zu hoch, der Interventionspreis war immer viel zu niedrig, und die überschüssige Menge ist dann per Exporterstattung subventioniert ins Ausland verkauft worden. Das bewirkte, global betrachtet, nicht immer die besten Effekte. Das heißt, durch diese Überproduktion wurden die Entwicklungsländer – jedenfalls deren bäuerliche Produktion – faktisch ruiniert.

Man kann Preise nur stabilisieren, wenn man die Menge kontrolliert. Das ist Fakt. Man kann bäuerliche Produktion und nachhaltige Landwirtschaft nur erhalten, wenn es Garantiepreise und Festabnahmen gibt

(Beifall DIE LINKE)

und wenn Qualitätsstandards an die Produktion gekoppelt sind. Das Problem des CDU-Antrags ist, so richtig seine Intention ist, dass er keinen richtig greifbaren Vorschlag enthält.

Nichts gegen die Wertschätzung und die Appelle! Wir teilen sie in vollem Umfang, und ich halte sie auch für richtig, aber der Antrag enthält keine einzige konkrete Maßnahme. Die Forderungen gehen nicht darüber hinaus, dass die Superabgabe ausgeschüttet wird beziehungsweise dass es Darlehen geben soll. Ich werde in der zweiten Runde auch noch auf den Antrag von Rot-Grün zu sprechen kommen.

Ich möchte jetzt nur kurz das andeuten, was uns wichtig ist. Uns ist zum einen wichtig, dass es auf der EU-Ebene etwas gibt, was die Preise stabilisiert, nämlich dass die Menge kurzfristig gedrosselt wird. Dafür sollen auch die Reste aus der Superabgabe genutzt werden. Wir halten diese Mittelverwendung für völlig richtig.

(Beifall DIE LINKE)

Auf nationaler Ebene muss es Unterstützungsprogramme für grünlandgebundene Milchviehhaltung geben. Das wäre auch für Bremen nicht schlecht, das

kann ich nur unterstützen. Selbstverständlich brauchen wir auch die Sicherheit für die Betriebe durch die Verpflichtung der Molkereien, Abnahmeverträge mit festen Preisen zu schließen, was die Molkereien wohl nicht durchweg für gut befinden werden.

Auf Landesebene aber – das möchte ich in den Mittelpunkt rücken, Stichwort BioStadt Bremen – brauchen wir einen konkreten Stufenplan, um einen Anteil regional und ökologisch erzeugter Nahrungsmitteln auch in unsere öffentlichen Beschaffungsmaßnahmen zu integrieren.

(Beifall DIE LINKE, SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Wir diskutieren schon sehr lang darüber, hier konkrete Stufen einzurichten und einmal festzulegen, in welchem Entwicklungsplan wir tatsächlich umsetzen können. Leider ist das bisher immer noch nicht passiert.

Dann wäre ich verschärft dafür – ich denke, wir werden dabei wahrscheinlich mit den Grünen nicht unbedingt an einem Strang ziehen –, dass die vielen nachhaltigen Regionalbetriebe, die sich faktisch nicht genau diesen Bio- oder Ökostandards unterwerfen und nicht in diese Kategorie fallen, aber wirklich artgerecht produzieren, eine Unterstützung erhalten. Ich finde nicht, dass wir das in Bremen so auseinanderdividieren müssen, das halte ich an der Stelle ehrlich gesagt für entscheidend, und auch da sollten wir, wie ich finde, über Förderprogramme nachdenken. Wir haben auch die Möglichkeit, EU-Mittel für so etwas hier im Land Bremen einzusetzen, und das ist bislang immer wieder zu wenig beachtet worden. Das sollte noch einmal reflektiert werden, um die Landwirte in Bremen zu unterstützen,

(Beifall DIE LINKE)

und zwar völlig unabhängig davon, ob sie den präzisen, engen Biostandards genügen, was letztendlich richtig und wichtig ist, aber man sollte sich darüber verständigen und sagen, wenn das artgerechte Haltung ist, dann können sie praktisch auch in diese Kategorie fallen.

Wenn ich das alles zusammenfasse, muss ich sagen, ich finde es gut, dass alle Fraktionen – abgesehen von der FDP – einen Antrag eingebracht haben,

(Glocke)

das transportiert auch die Wichtigkeit des Themas, aber unser Antrag ist natürlich der beste. – Danke schön!

(Heiterkeit – Beifall DIE LINKE)

Als nächster Redner hat der Abgeordnete Saffe das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Was wäre eigentlich, wenn wir unseren Antrag jetzt für den besten hielten?

(Abg. Crueger [SPD]: Ist er doch auch!)

Ich möchte einmal weg von der großen EU-Agrarpolitik. Ich glaube, bei all unseren Forderungen, Appellen, Würdigungen – wir begrüßen, und wir ermutigen – sind wir ein kleiner Stadtstaat, und wir werden hier bestimmt niemals so richtig große EU-Agrarpolitik machen. Wir sollten schauen, was wir hier in der Nähe, vor Ort, machen können, so kleine Schritte. Ich mache mir darüber viele Gedanken.

Es wurde vorhin davon gesprochen, Verbraucher zu sensibilisieren, und von Wertschätzung. Ich glaube, es hat eine ganze Menge damit zu tun, dass wir nicht mehr wissen, was eigentlich aus so einem Hof passiert, dass wir nicht mehr wissen, wie die Dinge auf dem Land, wie sie wirtschaftlich auf dem Bauernhof geschehen, und deshalb sollten wir sehen, dass es von früh an so etwas wie Ernährungsbildung, Ernährungswissen gibt,

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, FDP)

sodass die Schülerinnen und Schüler früh Kenntnisse darüber erhalten, wie das eigentlich geht, wie eine Kuh gemolken wird, wie mit den Böden und wie mit den Tieren umgegangen wird. Wie wird das vermarktet, was heißt das? Einmal hinausfahren, Besuche auf Höfen halte ich für ganz wichtig, das mache ich öfter mit Kindern! Die Lehrer sagen mir hinterher: Diese Kinder erleben Lebensmittel jetzt anders! Ich halte es für einen ganz zentralen Punkt, Besuche auf Höfen oder etwas Ähnliches, damit man es später auch merkwürdig findet, wenn man im Supermarkt steht – da war ich gestern noch einmal und habe in der Vorbereitung geschaut – und sieht: Ein Liter Frischmilch 55 Cent! Ich finde, es muss dahin gehen, dass uns das ganz komisch vorkommt und wir wissen, da stimmt etwas nicht, an der Geschichte ist etwas faul. Ein Stück weiter liegt der Wiesenhof-Broiler für 2,53 Euro. Das lasse ich liegen, da ist irgendetwas nicht in Ordnung!

Frau Bernhard, bei der BioStadt tut sich eine ganze Menge. Mit der Frau, die das managt, habe ich engen und regelmäßigen Kontakt. Sie macht ganz viel, ich glaube nicht, dass sie jetzt noch einmal eine Ansage von uns braucht.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen – Zuruf Abg. Frau Bernhard)