Protokoll der Sitzung vom 24.02.2016

Perspektivisch müssen wir allerdings auch noch ein Problem angehen, das nicht so explizit angesprochen worden ist, das aber der eine oder andere vielleicht auch aus seinem Freundeskreis kennt, nämlich dass Wissenschaftler mitunter bis in die Nähe des fünfzigsten Lebensjahres darauf hoffen und darum zittern, ob sie eine Professur bekommen, und am Ende an einer Klippe stehen, wo sich dann nur noch die Frage stellt: W 2 oder Hartz IV? Das ist eine Situation, die nicht akzeptabel ist. Hier muss es Verbesserungen geben.

Wir sollten es in Bremen schaffen – auch das ist angesprochen worden –, dass Menschen bis Mitte 30 klar ist, ob sie im Wissenschaftsbereich eine unbefristete Stelle bekommen können oder nicht, damit solche langen Unsicherheiten überwunden werden. Es wäre schön, wenn wir hier in Bremen auch bei diesem Problem vorweggehen und eine beispielhafte Lösung schaffen würden. – Danke schön!

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Grobien.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Beschäftigungsverhältnisse an Hochschulen sind neben der Exzellenz derzeit eines der meistdiskutierten Themen innerhalb der deutschen Wissenschaftspolitik, und das auch zu Recht, denn exzellente Wissenschaft, die mit ihren Forschungsergebnissen dem Wohl der Gesellschaft dienen soll, braucht kluge und motivierte Köpfe. Gute Rahmenbedingungen in Form einer guten Infrastruktur und eben auch gute Beschäftigungsverhältnisse sind deswegen unerlässlich, einmal ganz davon abgesehen,

dass die öffentliche Hand als Arbeitgeber hier eine besondere moralische Verpflichtung hat.

(Beifall CDU)

Gerade für ein Land wie Bremen – die Haushaltslage ist allen bekannt – stellt diese Aufgabe die berühmte Quadratur des Kreises dar, attraktive Hochschulen mit dem Potenzial für Wachstum und Innovationen zum einen, der Spardruck zum anderen.

So hört man immer wieder mahnende Stimmen, die auf die zunehmende Belastung, ja, die prekäre Situation vieler Hochschulangestellter, insbesondere im Mittelbau, hinweisen. Befristete Verträge, teilweise nur für ein Jahr oder sogar weniger, Kettenverträge statt Daueranstellungen, hohe Arbeitsbelastung, vor allem durch den Druck, Drittmittel einzuwerben, während gleichzeitig nur wenig Zeit für eigene Forschung bleibt, wenig attraktive Karriereoptionen neben der klassischen Professur, deren Stellenzahl ohnehin begrenzt ist.

So höre ich bei meinen Besuchen in den Hochschulen immer wieder, dass manch einer, der den Schritt in die Wissenschaft gewagt hat, das nicht unbedingt ein zweites Mal tun würde. Ich glaube, das zeigt die Dramatik und Bedeutung dieses Themas besser auf als jede Statistik, sodass ich begrüße, dass auch dieses Haus sich in regelmäßigen Abständen mit dem Thema befasst, und daher danke ich auch der Verwaltung für Ihre umfangreiche Datenvorlage.

(Beifall CDU)

Gerade bei einer so komplexen Thematik, bei der nach meiner Wahrnehmung oft auch einiges durcheinandergebracht wird und die Besonderheiten des Arbeitsfeldes Wissenschaft nicht ausreichend berücksichtigt werden, ist es wichtig zu wissen, worüber man eigentlich redet.

Wissenschaftliches Personal ist ja eine sehr vage Formulierung, hinter der sich vieles verstecken kann, und nur, weil sich eine wissenschaftliche Anstellung in ihrer Struktur von einem so genannten Normalarbeitsverhältnis unterscheidet, heißt das nicht, dass sie quasi auch schlecht sein muss. Darunter fallen Professoren mit Lebenszeitprofessur, wissenschaftliche Mitarbeiter, technisches Personal, Lehrbeauftragte, Lektoren, Qualifizierungsstellen, alles eigenständige Kategorien mit eigenständigen Profilen, die es teilweise recht schwer machen, allgemeine Aussagen zu treffen.

So muss man die Frage nach dem Sinn von Befristungen einer Promotionsstelle gänzlich anders bewerten als bei einer regulären Dauerstelle, denn Wissenschaft lebt vom Austausch und von immer neuen Impulsen. Qualifizierungsstellen sollen die Möglichkeit geben, sich im Rahmen einer Doktorarbeit einerseits zu qualifizieren und andererseits gleichzeitig erste Erfahrungen in der Lehre sowie in der Hochschulfor

schung zu sammeln. Um zu gewährleisten, dass sich die Innovationskraft immer wieder erneuern kann und auch immer wieder offene Stellen zur Verfügung stehen müssen, ist es aus unserer Sicht legitim, ja, im Sinne der Leistungsorientierung sogar auch geboten, solche Stellen zu befristen.

Ähnlich verhält es sich mit den sogenannten Drittmittelstellen, die also weder aus dem Hochschulgrundetat noch vom Land, sondern von Dritten wie der Privatwirtschaft, der Deutschen Forschungsgemeinschaft oder der EU finanziert werden. In der Regel handelt es sich hierbei um Projektstellen, die eine klare Zielsetzung verfolgen und somit eine quasi natürlich bedingte zeitliche Befristung innehaben.

Aus wissenschaftlicher und rechtlicher Sicht sind Befristungen somit einfach zu erklären, und dennoch sind diese Rahmenbedingungen aus individueller Sicht der Betroffenen natürlich keineswegs ideal. Fehlende Sicherheit, schlechte Planbarkeit und schwierige Familienplanung sind nur einige Stichwörter, die gerade jungen Wissenschaftlern das Leben schwer machen.

Ich bin deswegen sehr froh, dass die Bundesregierung sich dieser Thematik angenommen hat und mit der kürzlich durchgeführten Novelle des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes einige sehr essenzielle Verbesserungen eingetreten sind, zum Beispiel, dass sich Befristungen an der Gesamtdauer der Projekte ausrichten. Kritiker werfen ein, das sei zu wenig und ändere nichts am System. Diese Novelle kann nur ein Teilschritt sein, weitere müssen folgen. Sie sind ja auch schon von der schwarz-roten Bundesregierung in Form eines Bund-Länder-Programms zur Förderung der Tenure-Track-Professuren angekündigt.

Aus den von mir bereits genannten wissenschaftsspezifischen Gründen würde ich nicht so weit gehen und einen totalen Systembruch fordern. Die CDUFraktion sieht allerdings Handlungsbedarf, gerade auch, wenn man sich die Dimensionen anschaut. Es ist kein leichter Spagat, den wir als Rahmengesetzgeber vornehmen müssen: einerseits handlungsfähige Hochschulen, andererseits gute Arbeitsbedingungen für das Individuum. Unmöglich ist das aber nicht!

Für die anstehende Novellierung des Bremischen Hochschulgesetzes stehen bereits einige Vorschläge im Raum. Wir müssen abwarten, welche Vorschläge der Senat konkret vorlegt. Nach den Erfahrungen der letzten Legislaturperiode dauert es hoffentlich nicht zu lange.

(Glocke)

Ich komme zum Schluss!

Zwei Themen sollten in meinen Augen aber mindestens erörtert werden: Erstens, in welchem Rahmen ist es möglich, zusätzliche unbefristete Stellen einzurichten? Ist eine Trennung zwischen Forschungsstellen und Stellen für die Lehre sinnvoll?

Zweitens: Die Vergabepraxis von Lehraufträgen, die – wie mir scheint – oftmals weit über den reinen gesetzlich vorgesehenen Praxisbezug hinausgeht, sollte ebenfalls beraten werden.

In diesem Sinne: Das Thema der Beschäftigungsverhältnisse in der Wissenschaft wird uns nicht zum letzten Mal begegnen. Ich freue mich auf weitere Beratungen, und zwar auch im Ausschuss. – Vielen Dank!

(Beifall bei der CDU)

Als nächster Redner hat das Wort Herr Professor Dr. Hilz.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir sprechen hier über die Große Anfrage der LINKEN zu den Beschäftigungsverhältnissen an den bremischen Hochschulen, die doch, wenn man sie sich im Detail anschaut, durchaus weitere Fragen aufwirft.

Der wissenschaftliche Bereich ist immer auf Flexibilität angewiesen, exzellente Lehre lebt auch davon, dass ein kontinuierlicher Erneuerungsprozess stattfindet. Neue Doktoranden werden an den Hochschulen tätig, sie arbeiten nach der Promotion als Postdocs und gehen dann ihren wissenschaftlichen Weg. Besonders im musischen und künstlerischen Bereich ist man in besonderem Maße auf Lehrbeauftragte angewiesen, und zwar in einem größeren Maße als im technischen Wissenschaftsbereich. Deswegen ist die hohe Zahl der Lehraufträge an der Hochschule für Künste nicht so erschreckend, wie es im ersten Moment erscheint.

Es muss jedoch gelingen, die notwendige Flexibilität mit den Bedürfnissen der Nachwuchswissenschaftler in Einklang zu bringen, Juniorprofessuren waren einmal ein Versuch. Wir müssen aber auch sehen, dass wir im Bereich der Drittmittel im Forschungsbereich – Herr Gottschalk hat es ja angesprochen – keine Stellen für eine Festanstellung an den bremischen Hochschulen ausweisen können, und das ist das Problem. Wir müssen hier schauen, ob wir eine Flexibilisierung erreichen können, damit es den Hochschulen in Ausnahmefällen möglich ist, das Risiko eingehen zu können, eine Verstetigung von Stellen vornehmen zu dürfen, sodass über gewisse Zeiträume eine Zwischenfinanzierung notwendig ist.

Wir müssen zum Wissenschaftsbereich neue Überlegungen anstellen, und wir müssen den Hochschulen eine größere Autonomie und Flexibilität zugestehen. Wir müssen die Hochschulen im Wettbewerb um kluge Köpfe stärken. Gerade weil wir über die Exzellenzinitiative gefördert werden und weil die Förderung auch für die Zukunft erhalten bleiben soll, müssen wir uns bemühen, dass exzellente Personen an unseren Hochschulen tätig werden, sodass die Standortnachteile, die im Land Bremen vorhanden sind, über Flexibilität und gute Angebote für Menschen, die nach Bremen kommen, aufgewogen werden.

Meine Damen und Herren, im Wissenschaftsbereich darf der Arbeitsmarkt nicht zementiert werden. Wir brauchen auch im Bereich der Lehrenden neue Angebote, Lektoren gehören zum Beispiel zum richtigen Weg. Hier müssen wir beachten, dass wir auch für den Lektorenbereich eine Durchlässigkeit bis hin zur Professur schaffen.

Wir wollen keine Kettenverträge, die den Menschen unnötig Stress für ihr gesamtes Arbeitsleben verursachen. Wir müssen hier vielmehr eine Flexibilisierung auch im Sinne der Beschäftigten und der Universitäten schaffen. – Vielen Dank!

(Beifall FDP)

Als nächster Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Dr. Müller.

Sehr geehrter Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich erspare mir die Wiederholung der wichtigen Dinge, die bereits gesagt worden sind. Die Fragen, die die Antwort des Senats offen gelassen hat, sind benannt worden. Ein paar Punkte, die bisher noch nicht erwähnt worden sind, möchte ich zumindest ansatzweise darlegen. Ich bin sicher, dass sie uns zukünftig beschäftigen werden.

Die Antwort des Senats hat uns eine enorme Materialfülle zur Verfügung gestellt. Es ist ein Konvolut aus Excel-Tabellen, das es in sich hat und eine umfassende Datengrundlage präsentiert. Wir haben neben vielen anderen Daten erfahren, um welche Mitarbeiterzahlen es sich eigentlich handelt. Die einzelnen Statusgruppen sind ordentlich aufgelistet worden.

Mich hat allerdings im Hinblick auf die Universität wirklich verwundert, dass keine Software für eine Datenerhebung vorhanden ist, die erlaubt, eine Auskunft über die Zahl der Promovenden an der Universität zu geben. Das Fehlen der Software halte ich für eine Universität, die eine exzellente Forschung mit den entsprechenden Forschungsinstituten betreibt, für dramatisch.

Wir sind auch nicht in der Lage zu sagen, wie viele Verträge mit welchen Befristungsgründen und welchen Laufzeiten geschlossen worden sind. Ich glaube, in diesem Bereich ist noch jede Menge zu tun. Es sind dringend entsprechende Erhebungsverfahren notwendig, die auf den Angaben basierend ein gutes und ordentliches Hochschulmanagement ermöglichen.

Der zweite Punkt ist die Abhängigkeit von den Drittmitteln. Für meine Fraktion ist die Drittmittelabhängigkeit ein beträchtliches Dilemma. Ja, es stimmt, es besteht eine extrem hohe Drittmittelabhängigkeit, und immanent in den Drittmitteln ist die Befristung von Verträgen. Wenn wir uns den Grundhaushalt und die Statusgruppen anschauen, dann stellen wir fest, dass aus dem Grundhaushalt dem Grunde nach nur

noch die professorale Ebene, die Technik und die Verwaltung finanziert werden und der komplette Mittelbau drittmittelfinanziert ist.

Es muss in diesem Hause dann doch die Frage erlaubt sein, was eigentlich passiert, wenn keine Drittmittel mehr zur Verfügung stehen. Bilden die Drittmittel jetzt das Problem ab? Ich glaube nicht, denn für den Fall, dass wir sie nicht einwerben würden, hätten wir ein massives Problem mit einem fehlenden Mittelbau.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Das heißt also, wir müssen die Frage beantworten, ob es langfristig zielführend ist, wenn wir uns damit zufriedengeben, eine bestimmte Statusgruppe im Hochschulsystem aus dem Grundhaushalt zu finanzieren und andere Statusgruppen sehr viel weniger. Ich halte diese Situation wirklich für einen problematischen Punkt, den wir länger diskutieren müssten.

Grundsätzlich sind die eingeworbenen Drittmittel nicht das Problem bei Befristungen oder für eine nicht durchführbare Karriereplanung. Das Hauptproblem einer nicht durchführbaren Karriereplanung und der Situation, dass im Mittelbau – also von Menschen bis zu 40 Jahren – kaum eine Familienplanung stattfindet, liegt im Wissenschaftszeitvertragsgesetz begründet. Dieses Gesetz ist genauso furchtbar, wie die Bezeichnung des Gesetzes auszusprechen ist. Ja, es ist novelliert worden, und ja, es ist ein erster Schritt in die richtige Richtung gemacht worden. Meine Fraktion hofft trotzdem, dass weitere Schritte folgen werden, insbesondere bei den Themen Mindestvertragslaufzeiten und Familienfreundlichkeit.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Ein weiterer Punkt, der für uns ganz dringend ist, ich erinnere gerade nicht, wer ihn schon angesprochen hat, er wurde aber kurz erwähnt: Wir bilden im Grunde unfassbar viel qualifiziertes Personal für den akademischen Weg aus, können aber natürlich überhaupt nicht gewährleisten, dass alle bis spätestens zum 50. Lebensjahr – eigentlich ja besser bis zum 40. Lebensjahr, besagt das Wissenschaftszeitvertragsgesetz – eine Professur haben.

Ich empfinde es als ein riesiges Problem, dass wir derzeit jedenfalls an der Universität keine Auswegplanung aus dem akademischen Arbeitsmarkt haben. Ja, es gibt eine qualifizierte, gute Ausbildung bis in die Postdoc-Phase, aber was dann? Warum bieten wir eigentlich keinen Ausweg, eine andere Karriereplanung aus der Universität hinaus in den wunderbaren Arbeitsmarkt außerhalb des universitären Rahmens? Auch da soll es ja Arbeitsplätze für Akademikerinnen und Akademiker geben.

Noch zwei Punkte, dann komme ich auch schon zum Schluss! Die Frage der Lehrbeauftragten hat die Kollegin Strunge schon ausführlich und richtig dargestellt, wie ich finde. Die Frage ist, ob wir es uns eigentlich wirklich erlauben können, dass sich Lehrbeauftragte, die in so einem Maße fast regulär beschäftigt sind, an der HfK im Fachbereich Musik in sehr hohem Maße regulär beschäftigt, nicht vom Personalrat vertreten lassen können. Das, finde ich, ist wirklich eine Frage. Eigentlich müssten wir uns da an anderen Bundesländern orientieren, die da längst weiter sind. Ich hoffe, wir tun das dann auch bald zusammen.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD, DIE LINKE)

Letzter Punkt! Es ist ein Dilemma dieses Themas, dass wir es wieder kurz vor Feierabend diskutieren müssen. Zu Frage 23 listet der Senat ungeheuer viele gute, tolle und richtige Maßnahmen zur Herstellung von Geschlechtergleichheit und Geschlechtergerechtigkeit an den Bremer Hochschulen auf. Keine Frage, hier ist viel in Papier, viel in Konzepte gegossen worden. Die Universität ist eine familienfreundliche Universität. Trotzdem, die Daten, die der Senat zusammengestellt hat, zeigen doch eines: Bei den Beschäftigungsverhältnissen bleiben wir mehr als weit hinter irgendeiner Annäherung an Geschlechtergerechtigkeit zurück. Die Frauenanteile an den Professuren sind immer noch so erschreckend gering –