Protokoll der Sitzung vom 24.02.2016

Ich möchte darauf hinweisen, dass die chinesische Führung in den letzten Jahren immer wieder versprochen hat, die Stahlproduktion zu senken. Das heißt, das Problembewusstsein in der chinesischen Führung ist durchaus vorhanden. In China will man auch den Marktkräften eine zentralere Rolle zugestehen. Aber es es gibt in China in den einzelnen Provinzen aber eben auch Lokalregierungen. Diese Lokalregierungen verhindern das einfach, indem sie Entlassungen verbieten und die Staatsbetriebe vor Ort anweisen, die Kapazitäten aufrechtzuerhalten. Das zeigt das Dilemma. Selbst wenn China – ich sage es einmal so – es wollte, hat China es schwer, auf diese Situation zu reagieren, weil die Lokalregierungen dort eine kräftige Machtposition haben.

Darum ist es aus unserer Sicht richtig, dass die EU reagiert hat. Die EU ist traditionell sehr freihandelsorientiert. Das ist aus unserer Sicht auch grundsätzlich gut so. Hierin liegt auch begründet, dass das Einziehen von Zöllen, also die Einschränkung des Freihandels, nur sehr umständlich erfolgen kann. Das hat gute Gründe. Hier liegen aber gute Gründe vor. Ich glaube, zwischen den hier anwesenden Fraktionen in diesem Hause besteht insofern kein Dissens.

Die EU-Kommission hat nun also für kaltgewalzte Flachstahlerzeugnisse Zölle zwischen 13,8 Prozent und 16 Prozent eingeführt. Vor dem Hintergrund, dass die USA über Zölle von mehreren hundert Prozent diskutieren, mag das mickrig erscheinen. Allerdings weise ich darauf hin, dass vor dem Hintergrund, dass China ein riesiger Absatzmarkt für die hiesige Wirtschaft ist, ein vorsichtiges Vorgehen in diesem Bereich durchaus sinnvoll erscheint. Es ist ein erstes Zeichen. Man sollte jetzt beobachten, wie China insgesamt darauf reagiert, aber auch, wie in China, also auch in den Provinzen, darauf reagiert wird.

Über dieses vorsichtige Vorgehen wird meines Erachtens im Wesentlichen die Gefahr eines Handelskrieges verhindert. Ich möchte kurz erwähnen, dass allein die deutsche Automobilbranche in China einen Marktanteil von 20 Prozent hat und zwei Drittel der aus der EU nach China gehenden Warenlieferun

gen aus Deutschland kommen. China ist also durchaus, wie ich bereits eingangs kurz aufgezeigt habe, eine für uns absolut relevante Größe. Ich denke, wir sollten alles tun, einen Handelskrieg zu vermeiden. Also ein vorsichtiges Vorgehen, aber ein Zeichen ist hier durchaus notwendig! Die eingeführten niedrigen Zölle sind aus meiner Sicht das richtige Zeichen. Dies ist nicht nur aus wirtschaftspolitischer und wettbewerbspolitischer Sicht gut begründet, denn faire Handelsbedingungen sind die Voraussetzungen für freien Handel, sondern auch aus ökologischen und umweltpolitischen Gründen zu begrüßen.

Ganz deutlich muss nämlich einmal gesagt werden, dass die deutschen Stahlwerke die technologisch besten und saubersten der Welt sind. Es ergibt überhaupt keinen Sinn, in irgendeiner Form Nichtpragmatismus oder an Religiosität grenzendem Glauben an Freihandel den Vorzug zu geben, sondern hier muss einfach pragmatisch vorgegangen und verhindert werden, dass – ich wiederhole ein Zitat von Professor Hickel – die „Dreckschleudern“ aus China überleben und die sauberen Stahlwerke vor Ort ihre Produktion einstellen müssen. Das würde jeglichen technischen Fortschritt in dieser Branche verhindern.

Darum haben wir unseren Antrag sehr konkret formuliert und ganz konkret aufgezeigt, was wir uns vorstellen, Kollege Kastendiek. Wir haben zum einen darauf hingewiesen, dass wir uns wünschen und Hilfe anbieten, damit sich die hiesige Stahlindustrie mit der Wissenschaft ins Benehmen setzt und schaut, wo in Sachen Energie- und Ressourceneffizienz noch Optimierungspotenzial besteht und Wissenstransfer stattfinden kann. Das möchten wir mit auf den Weg bringen und nach allen Kräften fördern. Zum anderen treten wir dafür ein, dass der Erhalt des Vertrauensschutzes bei bestehenden Anlagen zur industriellen Erzeugung von Eigenstrom weiterhin möglich ist und sich der Senat der Bundesratsinitiative des Saarlandes anschließt.

In unserem Antrag gibt es ganz konkrete Forderungen. Wir werden Ihren Antrag ablehnen, Herr Kastendiek, weil unser Antrag konkreter ist. Wenn ich gleich ein zweites Mal nach vorn komme, kann ich noch ein bisschen konkreter begründen, warum wir Ihrem Antrag nicht zustimmen können.

(Glocke)

Jetzt erst einmal grundsätzlich die Aussage, dass wir unseren Antrag als wesentlich geeigneter finden, nicht nur naturgemäß!

Lassen Sie mich noch einen Satz sagen!

(Glocke)

Ein letzter Satz muss erlaubt sein, Herr Präsident!

Sie haben jetzt die Redezeit schon auf sechs Minuten ausgedehnt, sehr geschätzter Herr Kollege.

(Abg. Kottisch [SPD]: Ich habe das Klingeln zum ers- ten Mal gehört!)

Ich muss ein bisschen mehr Disziplin einfordern. Das geht so nicht! Sie haben eine zweite Wortmeldung angekündigt. Dann können Sie Ihre Ausführungen noch machen!

(Abg. Kottisch [SPD]: Der Satz wäre kurz gewesen! Ich danke aber an dieser Stelle! – Beifall SPD, Bünd- nis 90/Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Fecker.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die deutsche Stahlindustrie befindet sich in einer Existenzkrise. Aufgrund eines unfairen und zum Teil auch ruinösen Wettbewerbs verliert die Stahlindustrie an Mengen- und an Marktanteilen. Noch einmal klar gesagt: Es geht nicht um eine allgemeine Rezession, die der Branche auch früher schon einmal zugesetzt hat, sondern es geht um viel mehr: Es geht um die Frage, ob es der EU gelingt, einen fairen Wettbewerb für den europäischen Stahlmarkt sicherzustellen.

Wenn wir uns also hier und heute für das bremische Stahlwerk und seine Beschäftigten einsetzen, dann tun wir das auch aus Verbundenheit zu einem der bedeutendsten Arbeitgeber unseres Bundeslandes, aus Solidarität gegenüber den 4 500 Beschäftigten und aus einer klaren Überzeugung für einen fairen Wettbewerb, meine Damen und Herren!

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD)

Es ist schon ganz viel zu der Nachfrage nach dem chinesischen Stahl angeführt worden, zu der dortigen Konjunkturwelle, die dafür sorgt, dass dieser Stahl weltweit zum Verkauf steht und natürlich auch in den relativ freien europäischen Markt dringt. Auch wenn China angekündigt hat, die Produktionsmengen zu drosseln – im Übrigen leider nicht zum ersten Mal –, bleibt es im Kern immer noch ein unfairer Wettbewerb, denn mit staatlich subventionierter Produktion aus China können die deutschen Unternehmen schwerlich mithalten.

An dieser Stelle muss die Frage gestattet sein: Tun eigentlich die politischen Entscheidungsträger genug? Die grüne Fraktion kommt hier zu einem klaren Nein. Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel kann man immerhin bescheinigen, dass er nun Briefe schreibt und sich des schon lang angedeuteten Problems angenommen hat. Gemeinsam mit den Wirtschaftsminis

tern der anderen betroffenen EU-Länder hat er sich an die EU-Kommission gewandt. Aus unserer Sicht ist hier zügiges Handeln erforderlich, meine Damen und Herren!

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Leider erweist sich auch die EU-Kommission nicht gerade als handlungsschnell und agiert sehr zaghaft mit ersten Schutzzöllen gegen den Stahl zu Dumpingpreisen aus China. Dabei gibt es klare Verabredungen zwischen der Europäischen Union und der Volksrepublik China. Darin gibt es klare Sanktionsmechanismen gegenüber diesem ruinösen Wettbewerb. Die USA und Indien haben bereits im Dezember mit klaren Schutzmechanismen reagiert. In der EU ist das AntiDumping-Schutzniveau beängstigend gering. Verantwortliches Handeln sieht aus unserer Sicht anders aus!

Lassen Sie mich zum Abschluss noch einmal kurz auf die Energiepolitik eingehen und unsere Haltung verdeutlichen! Uns Grünen wird vorgeworfen, wir seien gegen die besonderen Ausnahmeregelungen für energieintensive Betriebe im EEG. Das ist Unsinn. Richtig ist, dass wir gegen eine andauernde Verlängerung dieser Liste sind. Die Bundesregierung möchte am liebsten für jede Frittenbude eine Ausnahme haben, und wir wollen sie auf die wirklich energieintensiven Betriebe fokussieren und diese damit schützen.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Dazu gehört klar die Stahlindustrie. Deutlich sage ich für uns Grüne, dass sich deswegen niemand in Bremen sorgen muss.

Die Frage des zukünftigen Emissionshandels betrifft ja die Handelsperiode ab 2020. Das heißt, mit der aktuellen Krise hat das nun gar nichts zu tun. Wir reden von einer zukünftigen Entwicklung, auf die die Unternehmen perspektivisch schauen müssen, die aber auch maßgeblicher Bestandteil der europäischen Klimastrategie sein wird. Die EU hat angekündigt, unter anderem die Zertifikate an der realen Produktion zu orientieren und die Zertifikate nicht mehr wie bisher ohne jede Bezugsgröße zu verteilen.

Mein Eindruck ist aber, dass die Stahlindustrie gerade am Standort Bremen viel weiter in der Frage des Klimaschutzes ist, als es hier so mancher wahrhaben möchte. Schauen Sie sich doch einmal die Bremer Werte an! Auf eine Tonne Stahl kommt in Bremen circa eine Tonne CO2. Ein chinesisches Stahlwerk emittiert bei gleicher Produktion 1,8 Tonnen CO2. Da reden wir doch quasi von einem Vorzeigebetrieb unter den Bedingungen, unter denen Stahl nun einmal produziert wird. Das sind aus grüner Sicht ein klarer Standortfaktor und ein klarer Standortvorteil für Bremen!

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD)

Auch angesprochen worden ist die Frage der Eigenversorgung für das Stahlwerk. Auch hier unterstützt der Bremer Senat im Sinne des Standortes die weitere Verlängerung der Bestandsschutzregelung. Im Kern kann die Antwort doch auch nicht sein, die Umweltstandards zu minimieren. Im Kern muss es doch darum gehen, all das, was auf diesen zahlreichen Klimagipfeln beschlossen und verkündet wurde, in den Ländern auch endlich global umzusetzen. Lassen Sie uns gemeinsam dafür streiten, anstatt immer über die deutschen Umweltstands zu mäkeln!

Von uns Grünen gibt es heute ein klares Bekenntnis für die Stahlindustrie am Standort Bremen und für die Berücksichtigung ihrer Belange. Sie werden hier keinen Gegensatz aufbauen können, weil es den nicht gibt. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit!

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Bernhard.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! In der grundsätzlichen Analyse der Situation liegen wir wahrscheinlich gar nicht so weit auseinander.

(Abg. Schmidt [SPD]: Aber?)

In den USA und auch in der EU gibt es durchaus eine Debatte um die negativen Folgen der Deindustralisierung. Lange Zeit galt es ja als normal, fast sogar als erwünscht, dass man die Industrieproduktion global in Schwellenländer verlagert. Heute gilt zunehmend die Zielvorstellung: globale Verteilung von Industrieproduktion ja, weitgehendes Aufgeben der heimischen Industrie nein!

Zum einen hat sich gezeigt, dass die massiven Jobverluste durch die Verlagerung nicht aufzufangen sind, zum anderen gibt es inzwischen durchaus einen Trend, das wieder ein Stück zusammenzuführen. Moderne Dienstleistung, Industrie und Wissenschaft rücken räumlich wieder näher zusammen. Wer die eigene Industrie aufgibt, bekommt tiefer gehende Probleme durchaus zu spüren.

Klar zum Kontext der vorliegenden Anträge: Die USA haben auf den derzeitigen Verdrängungswettbewerb in der Stahlindustrie mit Dumpingpreisen ziemlich drastisch reagiert, weil sie ungefähr 250 Prozent Strafzölle erheben. Es wird dann noch einmal nach Stahlsorte differenziert; das ist gar nicht so unkompliziert. Faktisch ist das auf dem Weg. Es ist im Einzelnen noch nicht umgesetzt.

Bei der EU ist das anders. Ein Zoll bis maximal 16 Prozent ist mickrig, mein Vorredner hat es angesprochen. Abgesehen davon kommt man auch nicht von

der Stelle! Das ist leider der Zusammenhang in Bezug auf die EU.

Die Lektion also, sich vor Deindustrialisierung zu schützen und notfalls auch drastisch vorzugehen, ist in der EU leider noch nicht so richtig angekommen. Die Idee, man könnte von Billigimporten wirtschaftlich profitieren und dafür gewachsene Kernindustrie und ihre Arbeitsplätze opfern, ist leider noch nicht ausgestorben. Das hat übrigens nicht zuletzt Großbritannien massiv vertreten, das sage ich am Rande.

Das Problem heißt allerdings nicht nur China. Stahlüberproduktion gibt es in nennenswerter Weise global. Weltweit sind in den letzten drei Jahren zehn Prozent mehr Stahl produziert worden, als verbraucht wird. Das sind jedes Jahr immerhin 150 Millionen Tonnen. An einem Abbau von Kapazitäten führt kein Weg vorbei. Wie schnell China – als Beispiel – das tun wird, steht in den Sternen. Wie gesagt, angekündigt wurde es häufiger.

Ich finde, wir müssen uns den anderen Punkt noch einmal genauer ansehen. Die Klimapolitik steht auf dem Spiel. Das, finde ich, ist in dem Zusammenhang das wirklich Relevante. Die Stahlkrise wird ja auch zum Anlass genommen, die europäische Klimapolitik infrage zu stellen. Das kann es nicht sein!

(Beifall DIE LINKE)

An diesem Punkt hört die volkswirtschaftliche Vernunft auf, und es beginnt die Lobbypolitik. Wenn man die Frage stellt: „Kann man die europäische, kann man die Bremer Stahlindustrie und ihre Arbeitsplätze damit schützen, dass man die Klimapolitik lockert?“, muss die Antwort ganz klar sein: Nein, das Gegenteil ist der Fall!

Der europäische CO2-Emissionshandel ist bis jetzt nahezu wirkungslos. Es sind zu viele Zertifikate ausgegeben worden, viel mehr, als benötigt wurden, und es ist deshalb richtig, dass sich die EU überlegt, diese Zertifikate zu verknappen. Dadurch wird Emission teurer, auch für die Stahlwerke.

Das Bremer Stahlwerk ist ein Hightech-Standort auch hinsichtlich der CO2-Emissionen, auch das wurde hier gerade schon erwähnt. Wenn wir dafür einträten, dass es in der EU keine Rolle mehr spielt, würden wir die Arbeitsplätze in Bremen massiv gefährden. Die Interessen des Standorts Bremen sind nicht immer deckungsgleich mit den Interessen des Mutterkonzerns ArcelorMittal. ArcelorMittal hat in den letzten Jahren in Europa vier von 25 Stahlwerken geschlossen. Bremen ist nicht dabei, weil es ein HightechStandort ist. Das Werk in Bremen wird gerade, wenn die EU in Sachen Klimapolitik ernst macht, einen Standortvorteil gegenüber den gesamten anderen Einrichtungen in Europa haben. Deshalb müssen wir ein Interesse an einer aktiven Klimapolitik haben.

Wir unterstützen daher den Antrag der Koalition und lehnen den Antrag der CDU ab, auch wenn wir se