Genauso gilt das für Menschenhandel und Zwangsprostitution. Wir bekommen es eigentlich nur hin, die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen, wenn wir auch die Profiteure von Menschenhandel oder Zwangsprostitution oder in diesem Fall von Sozialbetrug, und die Menschen, die davon profitiert haben, die aber erstrangig nicht verantwortlich sind, fassen. Die müssen dann auch ihren Beitrag zur Aufklärung leisten, sofern sie das denn können. Da sind wir gut beraten, dafür zu sorgen, dass es auch möglich ist und die Menschen nicht in dem Dunkelfeld verschwinden, obwohl – das sage ich ganz deutlich – es völlig klar ist, dass wir hier ein System haben, das eben nicht geeignet ist, allen Menschen, die ihre Situation in Deutschland verbessern möchten, hier tatsächlich das zu bieten, was sie sich vielleicht vorstellen.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen, sehr geehrte Herren! Ich kann mich den Reden von Frau Böschen und Herrn Janßen anschließen, aber möchte einen weiteren Aspekt in diese Debatte einführen, denn in Punkt eins unseres Antrages fordern wir den Senat auf, sich gegenüber dem Magistrat nachdrücklich dafür einzusetzen, dass dieser Betrug, das Ausmaß und die Abläufe aufgeklärt werden.
Wir haben in der Aktuellen Stunde der letzten Sitzung der Bürgerschaft eine heftige Debatte gehabt und konnten uns zu dem Zeitpunkt noch nicht vorstellen, dass es ein weiteres Ausmaß in Bremerhaven gibt. Wie Sie vielleicht aus der Presse mitbekommen haben, hat es Ende April in diesen Vereinen weitere Durchsuchungen gegeben, weil dieser Vereinsvorsitzende auch bei der Abrechnung von Nachhilfeangeboten betrogen haben soll. Deswegen ist eine Aufklärung total wichtig. Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, dass es jetzt öffentlich auf der Seite von Bremerhaven Berichte gibt, nach denen am Montag in Bremerhaven im Ausschuss für Arbeit und Soziales das erste Mal über den Sozialhilfebetrug aufgeklärt werden wird.
Wenn man sich diese Berichte einmal ganz genau anschaut, sieht man, dass viele bulgarische Familien seit Anfang 2014 Anträge auf Lernförderung nach dem Bildungs- und Teilhabepaket gestellt haben. Es geht nicht nur um den Sozialbetrug. Dieser Verein hat neben dem Sozialbetrug viele Anträge gestellt, immer wieder die Durchführung und Abrechnung des Unterrichts beantragt. In diesem Bericht heißt es, dass es aber auch Auffälligkeiten bei der Beantragung aufgrund von Nachhilfestunden gab, die in erhöhtem Maß in den Sommerferien erfolgten, und es erhöhte Stundenzahlen gab. Diese Angelegenheiten wurden zwischen dem Sozialamt und dem Jobcenter besprochen. Wir fragen uns natürlich, warum dennoch, obwohl man schon seit 2014 diese Kenntnisse hatte und auch der Schuldezernent, der sich öffentlich dazu geäußert hatte, dass ihm bekannt war, dass seit Anfang 2014 Lehrkräfte in Schulen bedrängt worden sind, diese Anträge zu unterschreiben, eine Anweisung gegeben hat, den Mitarbeitern dieses Vereins diese Anträge nicht unterschreiben zu lassen und Schulverbot sowie Hausverbot zu erteilen – das geht aus diesem Bericht hervor –, diese Leistung seitens des Jobcenters bezüglich dieser Bildungs- und Teilhabemittel bis zu den ersten Ermittlungen im Herbst letzten Jahres weiterhin geflossen sind.
Das sind alles Sachen, bei denen wir uns als Koalition gemeinsam mit den LINKEN – das ist ein weiteres Ziel
unseres Antrags – dafür einsetzen, dass alles geklärt wird. Ganz wichtig ist, dass sich das nicht wiederholt und dass die Strukturen, die das vielleicht ermöglicht haben, verbessert werden, damit sich so etwas nie wieder wiederholt, denn unsere Stadt Bremerhaven hat bundesweit großen Schaden erlitten.
Vorhin kam von dieser Seite der Zuruf, das alles gebe es nicht. Ich habe gestern Abend noch ein paar Gespräche in Bremerhaven geführt, nicht mit Zuwanderern aus der EU, sondern mit Bürgerinnen und Bürgern, die alles für zutreffend erklärt haben, wie es Herr Nelson von den LINKEN
Herr Janßen, Entschuldigung! – und auch Frau Böschen beschrieben haben, dass es teilweise nicht nur zur Zwangsprostitution, Frau Böschen, sondern zur Prostitution kommt, weil diese Menschen nicht über Mittel verfügen.
Natürlich kann man sich hinstellen und sagen, es ist ganz gut, wenn diese Menschen weg sind. Dann haben wir nicht mehr die Aufgabe, diese Menschen zu betreuen, und dann sind die halt weg. Außerdem sind, das wurde auch angesprochen, sehr viele dieser EU-Zuwanderer selbst in den Ermittlungsverfahren beschuldigt und könnten theoretisch nichts zu der Aufklärung beitragen, weil sie als Beschuldigte ein Aussageverweigerungsrecht haben. Allerdings gibt es auch ganz viele Beschuldigte, die immer aussagen.
Für uns Grüne ist ganz besonders wichtig, das eint uns gemeinsam mit dem Koalitionspartner und den LINKEN, dass dieser Sachverhalt, der sich dort in Bremerhaven ereignet hat, der immer weitere Dimensionen annimmt, wirklich aufgeklärt wird, damit so etwas nie wieder in unserem Land passiert. Das ist aus unserer Sicht moderne Sklaverei, das hat letztes Mal schon Herr Fecker gesagt. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wohl wissend, dass die Gesetzeslage das nicht hergibt, versuchen die LINKEN die finanzielle Versorgung von mehr als 1 000 Menschen zu erreichen. Sie argumentieren damit, dass es ja sein könnte, dass man diese Menschen als Zeugen für den kommenden Prozess braucht. Eine Weiterversorgung all der Betroffenen wird man so aber nirgends begründen können. Wir tun gut daran, diesen Zusammenhang wieder aufzulösen.
Das soll aber nicht heißen, dass die Gerichte in Bremerhaven später ohne Zeugen dastehen sollen oder dass man vor der Not der vielen Menschen die Augen verschließen sollte. Es gibt aber schlichtweg keine Rechtsgrundlage dafür, diese vielfach sicher bemitleidenswerten EU-Bürger
(Abg. Frau Vogt [DIE LINKE]: Das ist doch nicht wahr! Nehmen Sie doch einmal die Rechtsprechung zur Kenntnis, Frau Grönert!)
weiterhin finanziell aus dem Sozialleistungssystem zu versorgen. Das Jobcenter kann bei eindeutig gefälschten Arbeitsverträgen keine Leistungen erbringen und musste die Zahlungen einstellen. Das gebietet schon der Gleichbehandlungsgrundsatz.
(Abg. Frau Vogt [DIE LINKE]: Gehen Sie mal in die Rechtsberatung, bevor Sie hier was erzählten, Frau Grönert!)
Leider hat die Gier einzelner nicht nur einen hohen finanziellen Schaden in Bremen angerichtet, sondern auch viel menschliches Leid verursacht.
Frau Kollegin Grönert, entschuldigen Sie bitte, dass ich Sie unterbreche. Gestatten Sie eine Frage des Abgeordneten Janßen?
Auch wenn ich mir das noch so wünschte, fällt mir keine Lösung ein, mit der sich der Schaden für die oft mit falschen Versprechungen hergelockten Menschen reparieren lässt. Ja, es gibt viele Opfer. Gerade Frauen und Kinder trifft es wieder einmal besonders hart. Ich finde, das ist eine fürchterliche Tragödie.
Ich bin aber eben auch der Überzeugung, dass viele der Betroffenen zumindest ahnten, dass nicht alles legal war, was mit ihnen, durch sie und um sie herum
geschah. Genau dieses Ahnen hat wohl auch etliche der beinahe 1 000 betroffenen Bulgaren und Griechen veranlasst, Bremerhaven in den letzten Wochen wieder zu verlassen. Manche sind wohl auch einfach von sich aus in ihre Heimat zurückgekehrt. Sicher wusste der eine oder andere aber auch, dass er sich Leistungen aufgrund falscher Angaben erschlichen, sein Freizügigkeitsrecht verwirkt hat und ohnehin in sein Heimatland zurückkehren muss.
Obwohl ich nicht mit Vermutungen arbeiten will, muss ich fragen dürfen, ob vielleicht einige der abgereisten Personen genau dieser Tatsache nicht ins Auge sehen wollten und deswegen irgendwo in der Illegalität untergetaucht sind. Aber einfach zu behaupten, es gebe nur Opfer unter den Betroffenen EU-Bürgern, halte ich genauso für falsch wie nur von Tätern zu reden.
Mir ist zudem nicht bekannt, dass jemand verdrängt oder gezwungen wurde, Bremerhaven oder Deutschland zu verlassen. Dabei stellt sich mir die ganze Zeit schon die Frage, was SPD, Grüne und die FDP eigentlich mit den LINKEN fordern, wenn sie eine sogenannte Verdrängung verhindern wollen. Die Koalition und die FDP schließen sich den LINKEN an. Doch was genau wollen Sie denn jetzt verhindern?
(Abg. Frau Vogt [DIE LINKE]: Zum Beispiel Ob- dachlosigkeit, Frau Grönert, aber Sie heucheln hier sowieso nur herum! Ihr Kollege hat letztes Mal etwas ganz anderes gesagt!)
aber auch wirklich gar nichts Konkretes in dem Antrag, den Sie jetzt mittragen. Das gefällt uns gar nicht. Sie fordern, Obdachlosigkeit und Verelendung dieser Personengruppe nicht zuzulassen, das Kindeswohl, die medizinische Versorgung zu sichern und Ansprüche nach SGB II und SGB XII im Einzelfall zu prüfen. Diese Prüfungen werden doch aber bei jedem, der zu den entsprechenden Stellen kommt, vorgenommen. Jedenfalls wäre das für mich der normale Vorgang. Auch wenn viele den Weg in diese Stellen nicht finden, kann die Lösung deshalb nicht nur in einer Bringschuld unsererseits bestehen.
Dem, der keine Ansprüche hat, kann, wenn er mittellos ist, nichts anderes nahegelegt werden, als in seiner Heimat zurückzukehren und dort Sozialleistungen zu beantragen. Es gibt aber in Deutschland ein Recht für Mittellose und nicht freiwillig obdachlos gewordene Menschen, durch das diese wenigstens vorübergehend eine Unterbringung einfachster Art bekommen können,
das Obdachlosenpolizeirecht. Demnach müssen auch Unionsbürger in Not, wenn sie sich eindeutig nicht selbst helfen können, mit dem Allernotwendigsten versorgt werden. Das ist auch gut so.
Doch wenn Unionsbürger das in Anspruch nehmen, müssen sie davon ausgehen, dass die Ausländerbehörde ihr Freizügigkeitsrecht überprüft und dass am Ende auf eine Ausreise, eine Rückreise hingewirkt wird.
Den vorliegenden Anträgen können wir trotz allem Mitgefühl mit den Opfern des Sozialbetrugs nicht zustimmen. Unsere Gesetze geben es nicht her, Leistungen aus Mitleid, auch nicht vorübergehend, weiterzuzahlen. Ich erwarte aber, dass Mittellosen, unfreiwillig obdachlos werdenden Menschen auch ohne diese Anträge geholfen wird. Eine Unterkunft und Versorgung nach dem Obdachlosenpolizeirecht muss ihnen zugestanden werden. Man wird dann auch ihre Rechte prüfen und Ihnen gegebenenfalls die Rückreise im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten finanzieren. – Vielen Dank!