Protokoll der Sitzung vom 26.05.2016

pro Woche ein warmes Stück Fleisch auf den Teller zu bekommen. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, war der Grund, warum man das Mensawesen in Deutschland überhaupt geschaffen hat.

(Abg. Frau Grotheer [SPD]: Hört, hört!)

Heute ist die Situation anders. Heute ist die Wertigkeit von Fleisch eine andere. Kollege Imhoff hat das gesagt. Es fängt dabei an, dass man zu dem Sonntagsbraten, zu dem man früher nach dem Kirchgang ging, kam. Man hatte früher immer noch seinen feinen Sonntagszwirn an, und den behielt man dann auch noch an.

(Abg. Imhoff [CDU]: Nach der Kirche!)

Dann gab es das warme, gute Fleisch, das man sich die ganze restliche Woche eben nicht leisten konnte. Ich habe im Vorfeld auch einige Gespräche mit Kolleginnen und Kollegen geführt. Ich glaube, Dieter Reinken war es, der mir von einer Begebenheit erzählte, dass man damals in Ostpreußen, wenn man den Gänsebraten vertilgt hatte, also den Knochen abgenagt hatte, die Innereien der Gans genommen, um den Knochen gewickelt und das schmackhaft geschmort hat. Dann gab es quasi ein zweites Mal Gans. Das sind alles Dinge, da hat Kollege Imhoff völlig recht, die in Vergessenheit geraten sind. Schauen wir uns an, was wir mit den Teilen, beispielsweise des Hühnchens, machen, die nicht Brust und nicht Schenkel sind!

(Abg. Dr. vom Bruch [CDU]: Wir wollten eigentlich gleich zum Essen gehen!)

Mit ein bisschen Glück exportieren wir sie vielleicht in andere Länder. Damit aber wirklich umzugehen und als vollwertig zu begreifen und vielleicht auch ein wenig Achtung davor zu haben, dass man ein Tier geschlachtet hat und sich nicht nur die allerbesten Teile davon zu Gemüte führt, ist aus dem Blick geraten. Das sage ich einmal, um das ein wenig im Groben einzuordnen.

Natürlich ist es sinnvoll, dass wir jetzt eine im Prinzip schlichte Maßnahme vorsehen, nämlich das, was seit 2010 schon üblich ist. Überall da, wo wir Kontrakte für Mensen, Kantinen schließen, werden die DGEStandards zur Grundlage genommen. Bei den älteren noch laufenden Kontrakten holen wir das nach. Im Prinzip ist es in der Sache gar kein ganz so großer Sprung. Er ist aber sinnvoll und folgerichtig. Deshalb finden wir das auch gut.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Man kann über Fleisch leidenschaftlich diskutieren, über Veganismus oder Vegetarismus. Es gibt auch Leute, die sagen, die Wurst wird zur Zigarette des 21. Jahrhunderts.

(Abg. Imhoff [CDU]: Steck doch einmal eine „Bifi“ an! – Heiterkeit)

Irgendwann werden Wurstesser ihre Wurst nur noch versteckt essen, weil sie das Gefühl haben, dass sie irgendetwas Schlimmes tun. Ich persönlich fand es für mich in der Anhörung zum Bürgerantrag letzte Woche ganz bezeichnend, dass ein Ernährungswissenschaftler, den ich durchaus erfrischend fand, sagte, es sei seine Annahme, dass an all den Studien, die Ernährungswissenschaft bislang so über Zusammenhänge veröffentlicht habe, dass nämlich rotes Fleisch Krebs errege und das eine große Zeitungsschlagzeile produziert hat, im Kern wissenschaftlich nichts dran sei. Es lasse sich nichts eindeutig belegen.

Das weckt in mir den Wissenschaftshistoriker, der sagt, man solle der Wissenschaft nicht immer alles glauben, was sie sagt. Eine ausgewogene Ernährung ist eine gute Verteilung der einzelnen Risiken, die ich eingehe, wenn ich esse. Dann ist das so auch in Ordnung. Wir sollten uns davor hüten. Deswegen fand ich es in der Anhörung – ich glaube, der Referent war auf Einladung der CDU dort, Kollege Bensch spitzt die Ohren – gut, weil man einen Fehler begeht, wenn man sagt: Super, ich habe gelesen, das Essen von rotem Fleisch erzeugt Krebs, und jetzt esse ich kein rotes Fleisch mehr.

Es ist vielleicht doch eine Scheinkorrelation oder einfach nur der Tatsache geschuldet, dass ich, wenn ich eine solche These in meine Studie einbaue, in einem besseren Journal gelistet werde. Das sind alles Gründe, die in der Wissenschaft manchmal eine Rolle spielen. Lassen Sie uns an der Stelle grundsätzlich vorsichtig sein und nicht gleich jedem Trend hinterherlaufen. Mit den DGE-Standards haben wir einen bewährten Standard. Das ist so in Ordnung. – Ich danke Ihnen vielmals!

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Bevor ich den nächsten Redner aufrufe, möchte ich ganz herzlich Frau Silke Allers als ehemalige Bürgerschaftsabgeordnete begrüßen.

(Abg. Frau Neumeyer [CDU]: Salomon!)

Frau Silke Salomon, herzlich willkommen in der Bürgerschaft!

(Beifall)

Wir freuen uns immer wieder, Sie hier in unserem Hause begrüßen zu dürfen. Es tut mir leid,

(Zuruf: Was tut Ihnen leid?)

dass ich vorher eine andere Information bezüglich Ihres Namens bekommen habe.

Als nächster Redner hat das Wort Herr Abgeordneter Dr. Buhlert.

(Abg. Dr. vom Bruch [CDU]: Jetzt rücken Sie das einmal klar mit dem Essen!)

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir haben schon öfter über Lebensmittel gesprochen und über die Frage, was wir dazu regeln sollten und was wir dazu nicht regeln sollten. Wir finden, dass es mit den DGEStandards vernünftig geregelt ist. Die Frage, die wir als FDP uns allerdings stellen, ist, ob man das jetzt noch einmal als Bürgerschaft beschließen und weiter vorschreiben muss. Eine weitere Frage, die wir uns gestellt haben, ist, warum wir dieses Thema nicht insgesamt mit den anderen Fragen, mit dem Bürgerantrag und allen gemeinsam behandeln. Wir haben uns in der Gesundheitsdeputation richtig und ausführlich informieren lassen und gehört, dass es sinnvoll ist, an der einen oder anderen Stelle anders zu essen, an der einen oder anderen Stelle Fleisch mehr durch Gemüse zu ersetzen und dass das Ganze gar nicht einmal teurer sein muss, weil man es eben entsprechend ausgewogen machen kann. Es gab dann gute Beispiele. Insofern bleibt es den Menschen überlassen. Diese Position haben wir. Wir müssen eine Auswahl haben. Auch in Schulkantinen muss es eine Auswahl zwischen verschiedenen Gerichten geben. Es wird so getan, als gebe es eine allein seligmachende Art. Aber wenn wir wissen, wie viele Kinder Nahrungsmittelunverträglichkeiten haben, wie viele Kinder vielleicht tiefgreifende Entwicklungsstörungen haben, denen es schwerfällt, das eine oder andere zu essen, weil es ihnen von der Konsistenz nicht schmeckt und sie das nicht so wahrnehmen, dass es vielleicht gut ist, auch wenn sich die Eltern zu Hause bemühen, dass sie dieses Essen essen und vielfältigere Essenswünsche oder verschiedene Sachen akzeptieren, weil sie sonst am Ende gar nichts essen würden. Neben der ganzen Sache der Standards, die wir festlegen müssen, müssen wir auch sehen, welche Ausnahmen wir ermöglichen können. Dann muss es nach wie vor eine möglichst breite Auswahl in den Schulen geben.

(Beifall FDP)

Eine Frage, die hier nicht behandelt worden ist, ist die Frage, wie mit teilgebundenen Ganztagsschulen umgegangen wird. Die sind nämlich nicht ganz so weit wie die anderen, die gebundenen Ganztagsschulen. Dort wird weniger Essen angeboten. Dort gibt es weniger Auswahl. Auch dort muss man sehen, welche Möglichkeiten gegeben sind, bessere Standards einzuhalten.

Wir hatten eben kurz eine wissenschaftliche Diskussion über die Frage, was dieser Mensch gesagt hat. Dieser Mensch hat überhaupt nicht gesagt, dass es

keine Zusammenhänge gibt. Er hat gesagt, dass es keine Ursachen-Wirkung-Beziehung gibt. Es gibt nur Korrelationen. Korrelationen sind aber in diesem Wissenschaftsfeld das Übliche, weil man anders gar nicht untersuchen kann. Das ist ungefähr so wie das, was uns Herr Saxe das letzte Mal erzählt hat, dass Kinder, die mit dem Fahrrad zur Schule fahren oder zu Fuß gehen, durchschnittlich intelligenter sind. Da wissen wir auch nicht, was Ursache und was Wirkung und. Es ist aber eine Korrelation, die er festgestellt hat. Genauso ist es eben hier bei den Nahrungsmitteln auch. Insofern muss man damit umgehen, dass man diese Korrelation kennt und dann überlegt, was Ursache und was Wirkung sein kann. Bei der Intelligenz mag man sich das fragen, beim Essen ist der Input klar. Insofern können wir da auch klarer sein, wie Wirkungsbeziehungen vielleicht aussehen.

Ansonsten gibt es bei den DGE-Standards noch weitere Sachen, die gesagt werden. Bleibt der Schulkiosk offen oder nicht? Ist die Atmosphäre so ansprechend, dass die Kinder gern in die Mensa gehen oder doch lieber in die benachbarten Kioske und Geschäfte außerhalb der Schule? All diese Fragen müssen wir mit beantworten. Insofern haben Sie unser Wohlwollen für das, was der Senat tun will. Wir bleiben aber dabei, wir wollen weniger Regelungen, und wir wollen, dass sich Eltern, Lehrer und Schüler in den Schulen darum kümmern. Deshalb unterstützen wir das ideell, werden aber nicht zustimmen. – Herzlichen Dank!

(Beifall FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte um etwas Ruhe und rufe als nächste Rednerin Frau Senatorin Dr. Bogedan auf. – Bitte schön, Frau Senatorin, Sie haben das Wort!

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich muss gestehen, dass ich gerade nicht ganz sicher bin, ob ich hier richtig bin. Ich bin nicht die Senatorin für Ernährung, sondern die Senatorin für Kinder und Bildung und würde deshalb gern wieder auf das zurückkommen, was im Antrag enthalten ist. Es geht um die DGEStandards in Schulen in Bremen und Bremerhaven.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Ich bin dem Kollegen Crueger ganz dankbar, der das Mensawesen einmal eingeordnet hat. Letztlich geht es genau um diese Frage. Ich habe es heute Morgen schon gesagt. Gesundes Essen für unsere Kinder ist eine wichtige Grundlage für gutes Lernen und für gute Bildung auch in unseren Schulen. Deshalb haben wir in der Koalitionsvereinbarung für die 18. Wahlperiode festgelegt, dass der weitere Ausbau von Ganztagsschulen mit gesundem Mittagessen und mit Bewegung allen Kinder die Chance geben soll, individuell bestmöglich gefördert zu werden. Ich glaube,

das ist der Grundsatz, auf den wir uns verständigen müssen. Darum geht es.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Deshalb haben wir bei der Einführung der Ganztagsschulen bereits vor zehn Jahren den Fokus darauf gelegt, immer wieder den Blick auf die gesunde Ernährung auch in unseren Schulen zu richten. Vor diesem Hintergrund müssen wir den Antrag entsprechend ernst nehmen. Denn wenn wir hören, dass immer noch nicht alles das vor Ort ankommt, was wir geregelt haben, was wir in unterschiedlichen Gremien auch mit den Schulen diskutieren, müssen wir weiter am Ball bleiben, müssen das weiter diskutieren und müssen weiter nach Wegen suchen, wie das, was wir als politisches Ziel wollen, worüber wir uns einig sind, auch gelebte Praxis wird.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Zu den DGE-Standards muss ich nichts mehr sagen. Wir haben dazu alles gehört. Es sind wichtige Standards, die gute Kriterien festlegen. Sie sind die Kriterien, die für alle Ausschreibungen gelten, für die Caterer genauso in den teilgebundenen Schulen wie für die Betreiber der Schulmensen, die dazu verpflichtet werden. Wenn es nicht funktioniert, gilt das, was ich soeben gesagt habe: Dann müssen wir nachsteuern.

Für das Nachsteuern haben wir eine ganze Reihe von Möglichkeiten geschaffen. Wir haben die Vernetzungsstelle Schulpflege eingerichtet, bei der seit 2010 die Schulen auch beraten werden, wie sie dafür Sorge tragen können, dass die Standards eingehalten werden. Hier, Frau Vogt, werden unter anderem auch häufig Aspekte der nachhaltigen Verpflegungskonzepte diskutiert. Das geht für uns nicht gegeneinander, sondern wir denken das durchaus auch zusammen.

(Abg. Frau Vogt [DIE LINKE]: Die DGE-Standards leisten das nicht!)

Die DGE-Standards leisten das nicht! Es ist trotzdem Thema und bleibt auch Thema in den Schulen. Wir werden uns auch weiter starkmachen. Es wird mir auch weiterhin ein Anliegen bleiben, dass wir das Thema insgesamt diskutieren und uns nicht nur auf die DGE-Standards beschränken.

Eine solche Ausrichtung, das will ich auch nicht verhehlen, gibt es nicht zum Nulltarif. Das ist auch aufwendig, aber es ist aus meiner Sicht aller Mühen wert. Ich bin deshalb auch ganz dankbar, dass der Antrag noch einmal darauf hinweist, dass wir die Kosten im Blick behalten müssen. Wir werden dazu gern in der Deputation berichten.

(Beifall SPD, DIE LINKE)

Auch die Anregung eines zentralen Einkaufs nehme ich gern mit. Die erste fachliche Einschätzung bei uns im Haus war, dass es mitunter schwierig und gar nicht günstiger werden könnte.

(Abg. Dr. Buhlert [FDP]: Und auch nicht unbedingt nachhaltiger oder lokaler!)

Das werden wir mit einer entsprechenden Prüfung hinterlegen und auch darüber gern weiter in der Deputation berichten.

Ich will auch sagen, dass für mich das Thema Ernährung in der Schule insgesamt natürlich eine wichtige Rolle spielen muss. Ich warne jedoch davor, das alles damit abzuhandeln: Wir richten ein neues Schulfach Ernährungslehre ein, und dann ist die Welt geheilt. Nein! Es muss natürlich täglicher Gegenstand sein, und wenn wir neue Schulfächer einrichten, müssen wir uns irgendwann auch fragen, bis wann die Kinder eigentlich unterrichtet werden sollen und ob wir alle Probleme dieser Welt mit der Einrichtung neuer Schulfächer lösen können. Nein! Das können wir natürlich nicht. Gleichwohl müssen die Themen Gegenstand sein. Das sind sie auch.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Sie sind auch Gegenstand demokratischen Handelns in Schule, denn in vielen Schulen bestehen heute bereits sogenannte Mensaausschüsse, in denen Schülerinnen und Schüler gemeinsam mit Eltern und den Lehrkräften, der Schulleitung, dem Küchenpersonal gemeinsam darüber entscheiden, was auf den Speiseplan soll, ihre Wünsche thematisieren, ihre individuellen geschmacklichen Vorstellungen einbringen können, aber natürlich auch diskutieren, woher das Essen kommt, das sie beziehen. Deshalb ist es ganz wichtig, dass die in dem Antrag genannten Aspekte gesunde Ernährung und, wie eben schon gesagt, die Frage nach der Erzeugung der Produkte weiter Gegenstand bleiben. Ich glaube, dass es bereits heute – da würde ich gern noch einmal entschieden widersprechen – gelebte Praxis an vielen Schulen ist. In vielen Schulen gibt es gute Projekte. Viele Schulen suchen die außerschulischen Kooperationen auf. Das ist gelebter Gegenstand. In den Grundschulen werden regionale, saisonale Lebensmittel als Teil des Sachunterrichts thematisiert. Das ist also alles nichts, was unseren Schulen nicht auch vertraut ist. Es geht darum, dafür stehe ich hier vorne auch, dass wir weiter diesen Kurs stabil halten, dass wir unsere Schulen dabei unterstützen, sich weiter auf den Weg zu machen, und dass wir das mit dem entsprechenden Nachdruck tun. Diesen Weg will ich gern gemeinsam mit Ihnen gehen, denn ich habe gehört, dass der Antrag hier viele Unterstützer findet. – Vielen Dank dafür!