Wir haben übrigens in der letzten Deputationssit zung für Soziales, Jugend und Integration für VAJA als Streetworker mehr Geld beschlossen. Natürlich ist es richtig, auch den Ansatz zu wählen. Wenn die Geschäftsführung der Akademie Kannenberg in der Sozialdeputation aber erzählt, „es kann schon einmal passieren, dass ein Jugendlicher mit der Rasierklinge durch die Einrichtung rennt und es ausgesprochen schwierig ist, ihn einzufangen, zu beruhigen und zu behandeln“, dann ahnt man, welche Klientel es teilweise auch gibt. Ich sage ganz bewusst „auch“, weil immer wieder so getan wird, als ob ich oder als ob wir von der SPD meinten, „die“ seien so. Nein, nicht „die“. Es gibt aber extrem Aggressive, die in der Mischung aus schmerzmildernden, schmerzabtöten den Tabletten und einer unglaublichen Aggressivität Beamte angehen. Dann kann sich schon einmal ein Hund im Arm festgebissen haben, und das stört sie nicht. Das lässt sie nicht innehalten, weil sie keine Schmerzen spüren und die Aggression eher noch stärker wird.
Diese Klientel benötigt auch eine Chance. Man kann einfach sagen, wir wollen keine fakultativ geschlos sene Einrichtung. Das kann man machen und sagen, dann sollen diejenigen eben ins Gefängnis gehen. Ich sage nur: Gefängnis ist die massivste Einschlussform. Das ist richtig abgeschlossen. Dort gibt es über haupt keine Chance, innerhalb einer pädagogischen Maßnahme einen gemeinsamen Stadtbesuch oder ähnliches zu machen. Deswegen ist es immer noch richtig, an dieser fakultativ geschlossenen Einrich tung festzuhalten. Ich persönlich habe die Diskussion in der letzten Zeit noch einmal angefacht. Vielleicht war das ein bisschen unklug. Es ging um die Überlegung, ob es wirklich nötig ist, das mit dem Umfang und an dem Ort zu machen, oder ob man eventuell eine Altimmobilie umbauen und versuchen kann, das Ganze dort in kleinerem Umfang zu machen. Ich weiß nicht, ob das noch geht. Ich weiß auch nicht, wie weit die Verhandlungen sind. Mich hat jedenfalls das Interview des ehemaligen Staatsrats Horst Frehe außerordentlich verblüfft. Ich habe noch nie einen ehemaligen Staatsrat erlebt, der sich zur Sperrspitze der Bewegung für eine Petition macht, die sich gegen eine Einrichtung ausspricht, die er eigentlich in seiner Funktion schaffen sollte.
Ja. Das ist aber doch die Frage! Wenn wir politisch beschließen, diese Einrichtung zu wollen, dann macht das zumindest für mich deutlich erkennbar, dass der Wille, das zu tun, sehr unentwickelt war. Deswegen ist in der Zeit möglicherweise nicht das passiert, was ich für ausgesprochen wichtig halte.
Noch einmal: Es geht nicht darum, Jugendliche weg zusperren, und das war es dann. Es geht um die Einbettung in ein intensivpädagogisches Konzept. Der Senat hat auf den vier Seiten sehr, sehr sorgfäl tig dargelegt, welche Einrichtungen es gibt. In dem Rahmen möchte ich diese Einrichtung nach wie vor.
Ich möchte noch einen Punkt erwähnen. Die Diskus sion läuft schon ein paar Jahre. Die Träger haben am Anfang gesagt: „Das wollen wir überhaupt nicht, damit wollen wir nichts zu tun haben, das sagt der sozialpolitische Rambo der SPD“, und all so etwas. Inzwischen gibt es auch in der Trägerlandschaft eine durchaus differenzierte Diskussion. Es gibt auch ein viel größeres Suchen nach Lösungen.
Den Satz noch! – Dr. Matthias Güldner schüttelt den Kopf. Die Diakonie möchte jetzt eine ganz eng begleitete kleine Einrichtung schaffen. Die Klienten haben nicht allein Ausgang, sondern nur in enger Begleitung. Das ist zum Beispiel vor zwei Jahren als Modell gar nicht denkbar gewesen. Mich hat
das überrascht und erfreut, weil es wenigstens eine Bewegung gibt, darüber nachzudenken, was wir machen. Wenn die einzige Entscheidung die Aussage ist: „Die sollen ins Jugendgefängnis gehen“, reicht mir persönlich das nicht aus.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die rot-grüne Koalition in Bre men steht sich in der Frage nach dem Umgang mit straffälligen Jugendlichen seit fast zwei Jahren un einig und abwartend gegenüber. Es wurde bis heute keine erkennbare Strategie entwickelt. Wenn, dann wurde nur unkoordiniert hier und da einmal etwas getan. Wenn das anders wäre, Frau Dogan, wäre das Problem heute zumindest wesentlich geringer. Das ist aber bei Weitem nicht der Fall.
Diese Uneinigkeit, die sich maßgeblich im Umgang mit straffälligen unbegleiteten minderjährigen Aus ländern, sogenannten umA, zeigt, wird durch die Antwort auf die Große Anfrage nach unserer Ansicht nur noch einmal deutlich bestätigt.
Statt endlich zu handeln, stellen die Grünen, von denen etliche Vertreter bis heute trotz des Bürger schaftsbeschlusses keine geschlossene Einrichtung möchten, ohne ihren Koalitionspartner Fragen, die man schon vor fast zwei Jahren hätte beantworten müssen. Während dieser ganzen Zeit aber hat es das Sozialressort nicht geschafft, straffälligen umA im Rahmen des Jugendhilferechts wirksame Grenzen zu setzen und Hilfen zur Erziehung zu etablieren. Ganz Bremen hat in dieser Zeit gehofft. Leider umsonst! Es sind nämlich keine wirksamen Aktionen erfolgt.
Die straffälligen jugendlichen Flüchtlinge wurden durch die Jugendhilfe weder effektiv aufgefangen noch aufgehalten. Nur durch die Polizei konnten sie hier und da ein wenig gebremst werden. Dass Men schen zu Opfern von Straftaten wurden und werden, wird dabei leider in Kauf genommen.
In der Großen Anfrage stellen die Grünen zum Beispiel Fragen nach den Möglichkeiten, die das Handlungs konzept „Stopp der Jugendgewalt“ im Umgang mit straffälligen umA bieten könnte. Warum aber erst jetzt, nach monatelangen chaotischen Zuständen in unserer Stadt? Das ist doch peinlich, meine Damen und Herren!
Senat auch noch zu, dass er noch immer nicht weiß, ob die straffälligen jugendlichen Flüchtlinge auf die in den Antworten genannten Maßnahmen überhaupt ansprechen werden.
Ich bin überzeugt, durch entsprechend entschlos senes, frühes und strukturiertes Handeln hätte man das schon längst wissen und von den Erfahrungen profitieren können, meine Damen und Herren.
Als Vorzeigeprojekt der Jugendhilfe wurde lediglich die Einrichtung in der Rekumer Straße präsentiert, welche aber aus verschiedenen Gründen und schon aufgrund ihrer geringen Platzzahl nicht zum ge wünschten Erfolg führen konnte.
Mit Blick auf den langen Zeitraum, den uns die schwierige Gruppe von 35 und zeitweise bis weit über 50 umA nun bereits massive Probleme bereitet, bin ich auch über andere Ansagen des Senats sehr verwundert. So teilt er uns in seiner Antwort mit, dass behördenübergreifende Fallkonferenzen aus seiner Sicht ein wichtiges ergänzendes Element im Sinne einer ganzheitlichen und nachhaltigen Intervention sind, das nun auch bei delinquenten Jugendlichen mit Fluchthintergrund verstärkt zum Einsatz kommen wird. Es wurden irgendwann in diesem Frühjahr oder Sommer bereits – das mag man sich auf der Zunge zergehen lassen – verbindliche Ansprechpersonen bestimmt und Verfahren justiert.
Ich kann nicht glauben, dass es diese, dem Senat doch so wichtigen Fallkonferenzen immer noch nicht gibt. Ebenso erfahren wir, dass ein Kooperationspool anderer Akteure erst im Sommer dieses Jahres seine Arbeit aufnehmen sollte. Parallel dazu sollen zukünftig weitere niedrigschwellige Maßnahmen umgesetzt werden, wie es in der Frage auf Antwort 8 heißt.
Zu alldem soll die Geschlossene im Blockland kom men, nach Meinung der CDU-Fraktion mit Ende 2017 oder Anfang 2018 viel zu spät. Für diese Terminierung und für das ewige Hin und Her sind aber allein Grüne und die SPD verantwortlich.
Ich kann jedenfalls in der Antwort auf diese Große Anfrage nur erkennen, dass in allen möglichen Berei chen ein wenig ausprobiert, vernetzt und ausgebaut wird. Aus dieser Ausprobierphase sollten wir aber längst heraus sein.
Es drängt sich einfach die Frage auf, ob der Senat für die Zukunft überhaupt eine Strategie hat, oder ob der Hi-und-Da-Aktionismus am Ende ins Leere führt.
Ist vor allen Dingen der Eindruck richtig, dass einige Grüne mit Hilfe dieser Großen Anfrage immer noch
zu beweisen versuchen, dass eine geschlossene Ein richtung doch nicht nötig ist? Die unkoordinierten Antworten des Senats bestärken die CDU-Fraktion auf jeden Fall darin, an der Forderung nach einer möglichst schnellen Realisierung einer geschlosse nen Unterbringung konsequent festzuhalten. An die Bremer Regierung appelliere ich: Gehen Sie um der delinquenten Jugendlichen und der potentiellen Opfer willen endlich strukturiert vorwärts und hören Sie auf, diskutierend auf der Stelle zu treten! – Vielen Dank!
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir diskutieren gerade die Große Anfrage der Grünen zu den Entwicklungsmöglichkeiten bei Jugenddelin quenz. Die von Ihnen gestellten Fragen waren auf die Möglichkeiten in der Jugendhilfe begrenzt. Wir haben uns gleichzeitig ähnliche Gedanken gemacht und festgestellt, dass die Jugendhilfe allein an ihre Grenzen stößt, an eigene Grenzen innerhalb der Ju gendhilfe zum Beispiel in Bezug auf der Suche nach geeigneten Räumlichkeiten, aber auch an Grenzen in anderen Ressortbereichen, zum Beispiel was die notwendige Zusammenarbeit mit anderen Ressorts wie Gesundheit angeht.
Wir reden hier über eine Gruppe mit komplexen Hil febedarfen. Die Delinquenz ist häufig nur eine Folge von Ursachen wie Traumata, Sucht, Gewalterfahrun gen et cetera. Das haben wir alles schon diskutiert. Insofern muss man angesichts dieser Komplexität ressortübergreifend denken und handeln. Deswegen haben wir ergänzend eine Kleine Anfrage „Zwischen Regelsystem und geschlossener Einrichtung“ einge reicht, die Sie hoffentlich zur Kenntnis genommen und gelesen haben, die genau diese angrenzenden Bereiche abfragt. Ich möchte der Verwaltung für die ausführliche Beantwortung der Fragen danken. Sie zeigt wichtige weitere Entwicklungsbedarfe auf.
Neben allen negativen Effekten finde ich es gut, dass wir diese Debatte mittlerweile führen. Bis vor zwei Jahren war diese Debatte wirklich eine Spezi alistendebatte. Mittlerweile sprechen wir in diesem Parlament zum wiederholten Male darüber. Ich freue mich, dass auch ein bisschen Sachlichkeit in die Debatte gekommen ist.
Vor zwei Jahren haben wir angefangen, insbesondere über eine kleine Gruppe von unbegleiteten minder jährigen Flüchtlingen zu sprechen, die das damals bestehende Jugendhilfesystem extrem herausgefor dert hat. Sie ist durch extreme Aggressivität, durch hohe Mobilität und geringe Ansprechbarkeit durch
die Jugendhilfe aufgefallen. Im Fachjargon spricht man von sogenannten Systemsprengern. Darüber, um wie viele Personen es sich dabei handelt, gab und gibt es nach wie vor nicht immer Einigkeit. Eine Jugendhilfestatistik, die diese komplexen Hilfebe darfe aufzeigt, gibt es nicht, Herr Möhle. Deswegen können wir nur mit den Statistiken von Polizei und Justiz arbeiten und umgehen. Dabei geht es aber eben nur um die Strafverfolgung und nicht um die jugendhilfemäßigen Bedarfe.
Auch über die Aussagekraft und Vergleichbarkeit dieser Statistik kann und muss man vielleicht disku tieren. Herr Dr. Goll hat bei einem Treffen neulich ausgesagt, dass umF gerade bei Diebstählen auch der Gewerbsmäßigkeit angeklagt werden, weil die Diebstähle eher der Unterhaltssicherung dienen und damit auch schwerere Strafen zur Folge haben.
Insofern verstehe ich nicht, dass Sie nach wie vor von einem gleichen Ausmaß des Problems ausgehen. Aktuell sind 15 Jugendliche in U-Haft und sieben in Strafhaft. Von der Polizei als sogenannte Intensivtäter eingestuft sind fünf. Das wurde auch schon erwähnt. 35 umF werden als priorisiert eingestuft, wobei diese Einstufung in der priorisierten Liste möglicherweise schneller erfolgt als ein Eintrag in die Intensivtäter statistik. Angesichts dieses Umfangs kann man also nicht von einem riesigen Problem sprechen. Trotzdem kann man nicht ignorieren, dass es zwischenzeitlich zu schweren Übergriffen auf Passantinnen und Pas santen, Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter sowie auf Polizistinnen und Polizisten gekommen ist. Gerade deswegen gebührt den Grünen Dank dafür, dass Sie jetzt Möglichkeiten jenseits der geschlossenen Unterbringung aufzeigen wollen. Deswegen Danke an Sie dafür, dass Sie diese Fragen gestellt haben.
Mit dem Wort Entwicklungsmöglichkeiten implizieren Sie immerhin, dass es noch Defizite im Jugendhil fesystem gibt, auch wenn in der Zwischenzeit eini ges getan wurde. Daraus lässt sich aber weiterhin Handlungsbedarf ableiten. Allein die Antwort auf die Anfrage, wonach 70 intensivpädagogische Maß nahmen außerhalb Bremens in Anspruch genommen werden müssen, zeigt, dass es nach wie vor hohen Handlungsbedarf gibt.
Die Stichworte spezialisierte Jugendhilfesettings, Kleinstgruppen, Traumapädagogik und Streetwork sind schon in der bisherigen Debatte gefallen. Es hat zwei Jahre gedauert, aber immerhin kommt jetzt etwas in Bewegung. Die Straßensozialarbeit wird aufgestockt. Sie muss zentraler Baustein der Jugendhilfe gerade für Jugendliche sein, die eine enge Anbindung an stationäre Settings oder an Fa miliensettings nicht gewohnt sind. Unsere Anfrage
hat ergeben, dass die Mittel in der Straßensozialarbeit bisher inflationsbereinigt über Jahre stagniert haben. Deswegen begrüßen wir es ausdrücklich, dass dort jetzt endlich etwas passiert.
Ein Angebot der stationären Jugendhilfe, das von Fachleuten als sehr geeignet gehalten wird, ist die Mobile Betreuung. Darauf wurde schon eingegangen. In den letzten fünf Jahren wurden 31 Plätze ausge baut. Das hat unsere Anfrage ergeben. Das finden wir gut. Allerdings zeigt der Senat auf, an welche Grenzen man stößt. Die Träger finden nämlich kei nen geeigneten Wohnraum mehr. In der Antwort des Senats wird auf das Wohnraumprogramm des Senats verwiesen. Das nützt aktuell nichts, weil es viel zu spät Effekte entfalten wird.
Im stationären Bereich ist nun eine Einrichtung mit bis zu zehn Plätzen zur Haftvermeidung geplant. Herr Möhle, Sie haben es erwähnt. Mir liegt das Konzept vor. Ich habe es mir sehr genau durchgelesen. Es ist ein Vierphasenmodell geplant.