Protokoll der Sitzung vom 25.08.2016

diejenigen, die hier kriminelle Machenschaften an den Tag legen. Da ist jemand dabei, der in der SPD gewesen ist, ja. Da ist auch jemand dabei, der vielleicht sogar noch in der SPD ist, kann alles sein. In welchen anderen Parteien, Institutionen, Organisationen die Beteiligten sind, weiß ich nicht! Ehrlich gesagt: Es interessiert mich auch nicht, denn das, was Menschen in ihrer Freizeit an politischer Ausrichtung in Form von Parteien oder Nichtregierungsorganisationen ausleben, ist deren Privatsache. Das ist die eine Seite.

Dass jetzt konstruiert wird, weil ja die verantwortlich Handelnden im Magistrat in der SPD seien, gäbe es ein sozialdemokratisches Netzwerk, das dem Betrug Vorschub leiste, das ist aus meiner Sicht völlig unan gemessen und diffamierend!

(Beifall SPD)

Ich sage ganz klar: Ich will von mir keine Verantwor tung wegschieben, ich will auch keine Verantwor tung von irgendeiner Behörde, irgendeinem Verant wortungsträger oder einer Verantwortungsträgerin wegschieben. Ich habe das allerhöchste Interesse daran, dass hier rückhaltlos aufgeklärt wird, die Verantwortlichen identifiziert und auch entspre chend zur Rechenschaft gezogen werden. Für mich steht aber auch fest: Die allergrößte Verantwortung liegt im Moment nach meiner Kenntnis immer noch beim Jobcenter und bei der BA. Dass nun Herr Dr. von Einem oder Herr Gruhl auch noch zu diesem sozialdemokratischen Netzwerk gehören, hat sich mir bisher noch nicht erschlossen, vielleicht habe ich es aber auch noch nicht gemerkt, kann ja sein.

Damit, meine Damen und Herren, möchte ich es an dieser Stelle bewenden lassen. Ich hoffe sehr, dass der eingerichtete Untersuchungsausschuss tatsächlich die Erkenntnisse bringt und wir dann auch in der Lage sein werden, das, was wir an Erkenntnissen dort gewinnen, zu verwerten, denn einmal eben den Schalter umzulegen, das wird nicht gehen! Wir wissen sehr genau, dass die Zuwanderung aus diesen sehr armen europäischen Städten, diese wirtschaftliche Ungleichheit innerhalb Europas natürlich dazu bei trägt, dass Ausbeutung in großem Umfang stattfindet. Wir versuchen, mit den uns zur Verfügung stehenden Maßnahmen wie zum Beispiel einer Beratungsstelle für mobile Beschäftigte, mit Unterstützungsmaßnah men, mit Beratungsstellen gegenzusteuern. Dass aus diesem System krimineller Profit gezogen wird, werden wir wahrscheinlich nicht verhindern können, aber wir sollten gemeinsam alles tun, dass das so wenig wie möglich wird!

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Janßen.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die meisten Dinge

sind schon gesagt worden. Ich möchte nur noch ein paar Ergänzungen vornehmen.

Ich möchte vorweg noch einmal sagen, worum es uns nicht geht: Uns geht es konkret nicht darum, jetzt die einzelnen Fälle, die im staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren Gegenstand der Ermittlungen sind, zu durchleuchten. Es geht uns auch ganz explizit nicht darum, in diesem Zusammenhang darüber zu sprechen, dass Zuwanderung nach Bremerhaven ein Problem sei, oder sie zu kritisieren. Das ist nicht unser Ansatz, sondern uns geht es darum, die da hinterliegenden Strukturen, die aufgrund der Armut von Menschen Profite erwirtschaften, aufzudecken und zu klären, wo die Verantwortlichkeiten liegen. Darum geht es uns!

(Beifall DIE LINKE)

Wir haben auch eine Große Anfrage gestellt, die heu te mit dieser Debatte verbunden ist. Ich werde jetzt nicht mehr so tief in die Details gehen. Wir werden die vertiefte Diskussion dann auch bald im Untersu chungsausschuss haben. Trotzdem möchte ich noch einmal auf zwei oder drei Punkte kurz eingehen.

Aus der Antwort des Senats wird deutlich, dass erste Hinweise bereits im Jahr 2014 vorlagen. Manchmal wird auch das Jahr 2013 genannt, das kommt ein bisschen auf die Gebiete an, um die es jeweils geht. Nachdem die Freizügigkeit durchgesetzt wurde, gab es im Jahr 2014 vermehrte Neuanmeldungen für gewerbliche Steuernummern beim Finanzamt Bremerhaven. Da ging es noch um Scheinselbst ständigkeit, eine andere Thematik, aber mit diesen Ausbeutungsstrukturen verbunden. Bereits damals gab es auch eine Staatsrätegruppe, die sich mit die sem Thema auseinandergesetzt hat.

Das heißt, wir befinden uns hier in einer Geschichte, in der über mehrere Jahre durchaus immer wieder bei Behörden Hinweise aufgetaucht sind, dass es Ausbeutungsstrukturen gibt, und dennoch konnte sich ein solcher Ausbeutungsfall entwickeln mit den Folgen, die wir jetzt sehen. Meine Damen und Herren, das ist ein Skandal, und wir müssen schnell und lückenlos aufklären!

(Beifall DIE LINKE, CDU, Bündnis 90/Die Grünen, FDP)

Für uns ist auch eine wichtige Frage, was eigentlich die Schlussfolgerung sein kann.

Neben der Frage der Aufklärung, neben der Frage der Klärung der Verantwortlichkeiten müssen wir auch klären, was jetzt eigentlich die politische Konsequenz ist, die wir hieraus ziehen. Die politische Konsequenz kann nicht sein, infrage zu stellen, dass Zuwanderin nen und Zuwanderer Anspruch auf Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch haben.

Es kann auch nicht sein, dass wir hier eine General verurteilung betreiben, sondern wir müssen nach wie vor auf Grundlage des Rechts den Einzelfall prüfen, die individuellen Ansprüche überprüfen und nicht in Vorverurteilungen verfallen. Das ist eine Aufforde rung, die wir an das Jobcenter richten müssen, aber das ist auch eine Aufforderung, die wir an uns bei der Überprüfung des behördlichen Handelns richten müssen. Das müssen wir auch weiter aufrechterhal ten, wenn beispielsweise Sätze fallen wie „Naja, man kann ja nun nicht seinen eigenen Dolmetscher mitbringen!“. Doch, man kann seinen eigenen Dol metscher mitbringen, und ich möchte mich auch dafür einsetzen, dass selbstverständlich beraten werden kann, ein Rechtsbeistand mitgenommen werden kann. Wir müssen aber verhindern, dass Ausbeutungs- und Abhängigkeitsverhältnisse entstehen, bei denen Dolmetscherstrukturen parallel zu Abhängigkeiten in Mietstrukturen oder Scheinarbeitsverhältnissen laufen und dann ein geschlossenes System bilden, aus dem nicht mehr herausgekommen werden kann. Wir müssen vorsichtig sein bei der Beurteilung der politischen Konsequenzen, und das müssen wir auch im Rahmen einer Aufarbeitung hier klären.

(Beifall DIE LINKE)

Ich begrüße ausdrücklich die breite Unterstützung, die der Antrag hier auch bei der Regierungskoalition und der FDP findet. Wir haben ja auch in Bremerhaven mehrfach die Situation diskutiert, und dort wurde auch schon länger die Einsetzung eines Untersu chungsausschusses eingefordert. Nun ist es mit der CDU gemeinsam gelungen, einen Einsetzungsbe schluss aufzusetzen. Wir werden die Arbeit schnell aufnehmen, wir werden uns darum bemühen, in eine lückenlose und konsequente Aufklärung einzutreten, und ich erwarte eine gute Zusammenarbeit. Lassen Sie uns anpacken!

(Beifall DIE LINKE, SPD, CDU, Bündnis 90/Die Grü nen, FDP)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Patrick Öztürk.

Sehr geehrte Frau Prä sidentin, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es fällt mir nicht leicht, hier vor Ihnen zu stehen und zu Ihnen zu sprechen, gerade in diesem Zusammenhang, auch weil ich in den vergangenen Jahren im Rahmen meiner politi schen Arbeit auch engere persönliche Beziehungen zu Ihnen aufgebaut habe und nun in fragende Gesichter blicke, die Antworten haben möchten.

Ich kann Ihnen an dieser Stelle versichern, dass ich mit den Aktivitäten, den mutmaßlichen betrügerischen Aktivitäten meines Vaters nichts zu tun hatte, dass ich weder davon Kenntnis hatte noch daran beteiligt

gewesen bin. Ich bin gerade dabei, mit meinem An walt diese Vorwürfe, die gegen mich in der Presse kursieren, zu entkräften. Ich sammle dafür momentan, aktuell die Belege.

Ich weiß, dass das laufende Ermittlungsverfahren gegen mich eine Belastung für meine Partei ist, für meine Fraktionskolleginnen und -kollegen, und das tut mir aufrichtig leid. Sie können sicher sein, dass ich nichts lieber täte, als hier alle Informationen, die ich habe, Ihnen preiszugeben, aber mein Anwalt hat mir dringend davon abgeraten und auf das laufende Ermittlungsverfahren verwiesen. Ich versichere Ihnen aber, dass ich der Staatsanwaltschaft meine volle Ko operationsbereitschaft zusichere und auch im Laufe des Verfahrens über alle aktuellen Entwicklungen unterrichten werde.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Aussprache ist geschlossen.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung.

Gemäß Paragraf 51 Absatz 7 unserer Geschäftsord nung lasse ich zunächst über den Änderungsantrag, Drucksache 19/704, der Gruppe ALFA abstimmen.

Wer dem Änderungsantrag der Gruppe ALFA mit der Drucksachen-Nummer 19/704 seine Zustimmung ge ben möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen!

(Dafür ALFA)

Ich bitte um die Gegenprobe!

(Dagegen SPD, CDU, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE, FDP)

Stimmenthaltungen?

(Abg. Tassis [AfD], Abg. Timke [BIW])

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) lehnt den Antrag ab.

Jetzt lasse ich über den eigentlichen Antrag abstim men.

Wer dem Antrag der Abgeordneten Frau Ahrens, Bensch, Frau Bergmann, Frau Bernhard, Dr. vom Bruch, Frau Dertwinkel, Eckhoff, Erlanson, Frau Grobien, Frau Grönert, Hinners, Imhoff, Janßen, Kastendiek, Frau Leonidakis, Lucht, Lübke, Frau Neumeyer, Özdal, Rohmeyer, Röwekamp, Rupp, Frau Schnittker, Strohmann, Frau Strunge, Tuncel, Frau Vogt und Dr. Yazici mit der Drucksachen-Nummer 19/704 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen!

Ich bitte um die Gegenprobe!

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) stimmt dem Antrag zu.

(Einstimmig)

Meine Damen und Herren, der soeben angenommene Antrag sieht vor, dass der Untersuchungsausschuss aus neun Mitgliedern und neun stellvertretenden Mitgliedern bestehen soll.

Die Wahlvorschläge liegen Ihnen schriftlich vor.

Wir kommen zur Wahl.

Wer den Wahlvorschlägen seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen!

(Dafür SPD, CDU, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LIN KE, FDP, Abg. Remkes [ALFA], Abg. Tassis [AfD], Abg. Timke [BIW])

Ich bitte um die Gegenprobe!

Stimmenthaltungen?