Protokoll der Sitzung vom 21.09.2016

(Beifall CDU)

Das haben Sie nicht getan; Sie haben hier einen zahnlosen Tiger hingelegt. Aber das ist okay. Jede Debatte hilft uns dort weiter.

(Abg. Frau Böschen [SPD]: Das glaube ich nicht!)

Sie können natürlich auch eines machen, wenn Sie das Tierwohl hier direkt vor Ort unterstützen wol len: Es gibt noch einen ganz tollen Antrag, der noch in der Pipeline ist, und zwar ist das der Antrag zur Weidehaltung. Er liegt noch in der Umweltdeputation bei Herrn Dr. Lohse, dort wird er gerade bearbeitet. Herr Dr. Lohse, Sie haben ja auch Einfluss darauf und das Parlament hier auch. Wenn Sie da etwas tun wollen, dann können Sie direkt zustimmen und direkt etwas machen. Deshalb hoffe ich, dass wir in Zukunft hier dementsprechend auf allen Seiten und in allen Belangen etwas erreichen können. – Vielen Dank!

(Beifall CDU)

Als nächster Redner hat der Abgeordnete Herr Dr. Buhlert das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Das Tierwohl liegt uns, glaube ich, allen sehr am Herzen. Es sind schließlich unsere Mitgeschöpfe, und natürlich ernähren wir uns von ihnen. Aber wir wollen, dass sie davor ein gutes Leben hatten, ohne Frage. Aber die Frage ist: Wie erreichen wir das? Für uns als Freie Demokraten ist es zuallererst wichtig, dass wir bei den Tierschutz standards ansetzen. Dazu wurde zu Recht gesagt: Deutschland hat die höchsten. Aber die reichen uns bei Weitem noch nicht. Wir wollen Tierhaltung ohne Kastration, ohne abgehackte Schnäbel und ohne abgeschnittene Schwänze haben.

(Beifall FDP, Bündnis 90/Die Grünen)

Wir wollen, dass die Tiere ausreichend Platz haben. Wir wollen, dass die Tiere gut leben können, und auch bei den Tieren, die für pharmazeutische Zwecke in Käfigen gehalten werden müssen, weil sonst Probleme entstehen, die sich auf die Arzneimittel auswirken können, wollen wir, dass sie gut in diesen verschärften Haltungsbedingungen leben können, die notwendig sind. Insofern: Im Ziel überhaupt keine Differenz. Das haben wir auch bei den Lebensmittelabstimmungen in der Stadtbürgerschaft in der Frage, wie denn in den Kantinen gekocht werden soll, deutlich gemacht.

Wir stellen uns nur die Frage: Brauchen wir zu den tausend Gütesiegeln, die es in Deutschland gibt und von denen sich mindestens 100 mit Lebensmitteln befassen, weitere? Wird der Verbraucher das am Ende wirklich verstehen, und werden dann andere Label abgeschafft? Ich gehe davon aus, dass andere Label nicht abgeschafft werden, weil es immer noch Menschen gibt, die noch besser, noch höherwertiger

produzieren und noch mehr auf das Tierwohl achten und das auch deutlich machen und kennzeichnen wol len. Das ist ihr gutes Recht. Das machen sie freiwillig, und das werden sie weitermachen. Meine Erfahrung, wenn ich am Freitag oder Samstag mit meiner Frau einkaufe, ist: Man bekommt das alles heraus. Man bekommt bei den Lebensmitteln heraus, wo sie pro duziert worden sind, welche Qualität sie haben, wie gut sie hergestellt worden sind und wie weit auf das Tierwohl geachtet wurde. Wir brauchen, und das ist unsere Auffassung, dafür kein weiteres Label, sondern das, was heute gemacht wird, reicht aus.

(Abg. Strohmann [CDU] meldet sich zu einer Zwi schenfrage – Glocke)

Die Menschen können sich informieren und sollen sich informieren, und ich glaube, ich muss den Kol legen jetzt nicht informieren, denn ich bin fertig. – Vielen Dank!

(Beifall FDP)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Herr Crueger.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, lieber Herr Kollege Dr. Buhlert! Ich habe Ihre Einlassung gerade so ver standen, dass Sie unserem Antrag nicht zustimmen werden. Ich will es einmal in ganz plastischer Sprache sagen: Über Erfolg oder Nichterfolg dieses Labels, wie wir es heute hier fordern, wird der Markt entschei den, und wenn Sie selbst sagen, es gibt Hunderte von Labels, und ich sagte, die haben alle zusammen einen Marktanteil von einem Prozent, dann sind das alles Defizitmodelle. Das könnte man im Prinzip auch alles weglassen; da ist der PR-Aufwand größer als das, was am Tierwohl verbessert wird. Das BiolandSiegel hat bewiesen, dass es klappen kann. Hier in Deutschland, wo wir alle irgendwie so einkaufen, wie wir einkaufen, nicht in irgendeinem Land irgendwo anders in irgendeinem anderen Markt, sondern genau hier und genau in dem Markt, über den wir reden, haben wir mit Bioland und mit dem Eiermarkt ein Beispiel, dass es klappen kann.

(Beifall SPD, DIE LINKE)

Und ich bin sicher, es wird auch klappen.

(Glocke)

Erlauben Sie eine Zwischen frage des Abgeordneten Professor Dr. Hilz?

Bitte schön, Herr Professor Dr. Hilz!

Herr Crueger, wie kommen Sie darauf, dass die Label einen so gerin gen Marktanteil haben? Andere Label sind stark am Markt, UTZ beim Kakao zum Beispiel oder MSC beim Fisch – alles private Labels, der Staat hat da rauf keinen Einfluss. Wie erklären Sie sich, dass es im Fleischbereich nicht klappt?

Ich glaube, dass zu viel des Guten manchmal schädlich ist, und ich glaube, dass die Vielzahl der Labels, die wir haben, plus – –. Das kann man im Bericht des wissenschaftlichen Beirats gut nachlesen: Es gibt da auch noch Kennzeich nungslücken, es gibt Intransparenzen und es gibt natürlich ein riesiges Defizit bei der Bewerbung, weil die wenigsten Unternehmen, die so ein Label benutzen, Interesse haben, noch sehr viel Geld zu zahlen, damit dafür Werbung betrieben werden kann. Diese Faktoren zusammen sind meiner Meinung nach der Grund dafür. In der Wissenschaft nennt man das „Balkanisierung“. Wir haben einen völlig unübersichtlichen Markt. Ich denke, wenn wir es zentral machen und staatlich organisieren, ist das ein guter Weg. Es ist keine Garantie; es kann, wie alles im Leben, auch anders kommen. Aber das Praxisbeispiel Bioland und Eiermarkt stimmt uns optimistisch.

(Beifall SPD)

Haben Sie eine weitere Zwischenfrage?

(Abg. Professor Dr. Hilz [FDP]: Nein!)

Ich wollte noch, um kurz ein we nig persönlich zu werden, auf Frank Imhoff eingehen: Frank, du hast ja sozusagen eine Biografie aus der Landwirtschaft. Mein Zugang zur Landwirtschaft ist ja eher ein angelesener. Ich habe die Sommerpause in Oberfranken damit verbracht, die Biografie von Georg Kronawitter, dem ehemaligen Münchener Oberbürgermeister, zu lesen. Er war einmal Landwirt schaftssprecher seiner Fraktion, also meiner Partei, in Bayern. Von ihm habe ich eins gelernt: Sozialde mokratie muss, wenn es um Landwirtschaftspolitik geht, immer auf eine Sache aufpassen: dass nicht die großen Höfe – mittlerweile haben wir ja nicht nur Höfe, sondern, du hast es gesagt, einen industriellen Komplex im Bereich Landwirtschaft – die kleinen Höfe übervorteilen und dass Landwirtschaftspolitik immer bedeuten muss, dass wir die kleinen Höfe voranbringen. Gestern hat Kollege Pohlmann auf Unterfranken referiert; ich referiere immer gern im Bereich Ernährung auf Oberfranken. Dort ist die Dichte der Brauer, Fleischer und Bäcker so hoch wie nirgendwo anders in der Republik; dort haben wir noch diese Struktur, wie wir sie hier vor ein paar Jahrzehnten auch noch hatten, aber sowohl auf der Produktions- als auch auf der Vermarktungsseite

verloren haben. Wir haben ja auch nicht mehr die kleinen Metzgereien, die kleinen selbstständigen Bäckereien, wie wir sie früher hatten. Das ist ja ins gesamt im ganzen Bereich der Ernährungswirtschaft ein Prozess der Zentralisierung, und es wird immer industrieller.

Ich denke, wenn es politisch sozusagen ein Überziel gibt – wobei ich noch nicht weiß, wie man das er reicht –, dann wäre es eigentlich, diese kleinteiligen Strukturen wieder voranzubringen, den Mittelstand, die kleinen und mittelständischen Unternehmen im Bereich der Ernährungswirtschaft, ob es die Produ zenten oder diejenigen sind, die verarbeiten und vertreiben. Das muss eigentlich das Ziel zumindest der politischen Maßnahmen sein, wie wir sie jetzt noch beschließen: dass wir darauf achten, dass wir auf die Kleinbetriebe und Mittelständler schauen und den großen Konzernen, die ja immer noch größer werden – –. Die Bayer- und Monsanto-Kooperation ist ja im Bereich Ernährung und Landwirtschaft auch nicht ganz unwesentlich. Also ich denke, der Weg ist im Prinzip klar und vorbeschritten.

Ich freue mich über die allgemeine, fast grenzenlose Zustimmung in diesem Hause, und wenn es tatsäch lich, lieber Frank, nicht dazu kommt, dass das jetzt auf dem Weg der Ministerkonferenz klappt, dann haben wir ja immer noch als Hohes Haus hier alle miteinander die Möglichkeit, eine Bundesratsinitiative auf den Weg zu bringen. Das Thema ist so wichtig, deshalb sollten und werden wir das dann gegebe nenfalls auch tun. Aber erst einmal gehe ich davon aus, dass wir das auf dem Weg, wie wir ihn jetzt hier beschreiten, auch schaffen werden. – Danke schön!

(Beifall SPD)

Als nächster Redner hat das Wort der Senator Herr Dr. Lohse.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Auch der Bremer Senat sieht die Notwendigkeit, dass wir die gesellschaftlich akzeptierte Nutztierhaltung weiterentwickeln. Die gesellschaftlichen Anforderungen an die Nutztier haltung und die Realität sollen stärker in Einklang gebracht werden. Ich möchte an der Stelle aber auch sagen, dass das, was ich mir hier in Bremen im Som mer habe anschauen können auf den Höfen, die wir hier haben, und zwar sowohl im Bereich der Biohöfe als auch der konventionellen, tatsächlich nicht die Missstände beinhaltet, über die wir reden, wenn wir über diese Massentierhaltung reden. Ich denke, das sollte an dieser Stelle auch gesagt werden.

(Beifall SPD)

Aber wir sehen auch, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher immer mehr die Frage stellen: Woher kommt mein Essen? Wie ist es erzeugt worden? – Dabei

spielt auch die Frage der Tierschutzstandards in der Produktion eine Rolle. Ich habe das beispielsweise im Mai dieses Jahres gesehen, als wir auf dem Markt platz den Biomarkt veranstaltet und gesehen haben, welches Interesse die Menschen hatten, auch mit den Erzeugern in Kontakt zu kommen und mit ihnen zu sprechen. Wir fördern das auch mit unserem BiostadtProjekt, über das wir hier verschiedentlich gesprochen haben. Insgesamt wollen wir das Vertrauen stärken und realitätsnah über die gesamte Produktionskette informieren, und Offenheit und Transparenz können nur helfen, dieses Vertrauen zu festigen.

Wir sehen auch, nicht zuletzt aufgrund der immer noch nicht vollständig überwundenen Milchmarkt krise, dass die bisherige, überwiegend auf Massen erzeugung ausgerichtete Landwirtschaft ein Irrweg ist. Das heißt, wir brauchen innovative Konzepte, die den Landwirten ein Auskommen sichern und gleich zeitig auch den Tierschutz stärken. Ich bin auch der Meinung, dass ein staatliches Label hier helfen kann. Wir haben das bei den Ökolabeln gesehen: Wir hatten, Herr Dr. Buhlert, eine vergleichbare Situation bei den Ökolabeln und Biosiegeln, wir haben festgestellt, dass das europäische Biosiegel dort tatsächlich für Klarheit gesorgt hat. Es ist im Markt breit akzeptiert. Aber es gibt immer noch die Differenzierung, dass einzelne Label anspruchsvoller sind und sich noch einmal differenzieren. Aber insgesamt hat das eu ropäische Biosiegel für sehr viel Vertrauen bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern gesorgt und dafür, dass diese Produkte in den Supermärkten bis hin zu den Discountern viel sichtbarer sind. Ich bin fest davon überzeugt, dass auch bei den Tierwohl labeln ein staatliches Label die Verwirrung, die wir im Moment haben, verringern könnte. Wir haben ja das Tierwohllabel, wir haben den Tierschutz, wir haben „Für mehr Tierschutz“, Initiative „Tierwohl“, „tierschutzkontrolliert“, „Vier Pfoten“, „Tierschutz Landwirtschaft“. Das sind nur einige, die wir privat wirtschaftlich haben, und wenn wir dort ein staatlich anerkanntes Label haben, dann denke ich, dass das tatsächlich helfen kann.

(Beifall SPD)

Jetzt ist die Anregung, dass wir uns auf der Agrar ministerkonferenz für dieses Thema einsetzen. Das wollen wir gern tun. Ich darf darauf hinweisen, dass dort das Konsensprinzip zwischen den 16 Bundes ländern gilt, das heißt, wir müssen einen Einklang zwischen den 16 Bundesländern herstellen. Ich darf hier berichten, dass tatsächlich am 15. April dieses Jahres in Göhren-Lebbin auf der Agrarministerkon ferenz schon ein entsprechender Beschluss gefasst worden ist, den wir auch nachhalten werden. Dort hat man an die Bundesregierung appelliert, unter anderen Punkten auch die Entwicklung eines einheitlichen Tierwohllabels in Deutschland voranzubringen. Das ist auf dem Weg, und wir werden dies auch weiter verfolgen.

(Abg. Imhoff [CDU]: Dann braucht es den Antrag ja gar nicht mehr!)

Ja, die Frage ist ja immer: Was folgt daraus? Wenn das einmal auf einer Ministerkonferenz beschlossen ist, dann stellt sich die Frage: Was folgt daraus? Ich denke, es geht darum, dass wir dieses Thema ernsthaft weiter verfolgen, dass wir es nachhalten. Das sehe ich daher schon als einen klaren Auftrag an, dass wir dieses tun werden. Wenn wir auf dem Weg der Fachministerkonferenzen nicht weiterkommen, dann werden wir auch parallel den Weg einer Bundesrats initiative, wenn das erforderlich ist, weiter verfolgen. Aber ich meine insgesamt, dass das Thema wichtig genug ist, dass wir es ernsthaft weiter betreiben. – So viel von meiner Seite. – Vielen Dank!

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Beratung ist geschlossen.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung.

Wer dem Antrag der Fraktionen von SPD und Bünd nis 90/Die Grünen mit der Drucksachen-Nummer 19/450 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen!

(Dafür SPD, Bündnis 90/Die Grünen, CDU, DIE LIN KE, Abg. Timke [BIW], Abg. Tassis [AfD])

Ich bitte um die Gegenprobe!

(Dagegen FDP)

Stimmenthaltungen?