Protokoll der Sitzung vom 22.07.2015

Des Weiteren, Herr Bürgermeister, ich habe als Neuling Ihrer Regierungserklärung sehr aufmerksam zugehört und bedanke mich auch dafür, dass Sie viele Dinge angesprochen haben, jedoch haben Sie viele Versprechen getätigt und keine Lösungen aufgezeigt. Wir werden sehen, wie das in vier Jahren aussehen wird!

Ich will nur die Vorredner der Opposition loben, die die meisten wichtigen Punkte schon erwähnt haben, deswegen möchte ich meine Rede auch sehr kurz fas

sen und nur zwei, drei Aspekte herausgreifen. Sie hatten in Ihrer Regierungserklärung gesagt, Sie wollten bis zum Jahr 2030 19 000 Wohnungen schaffen.

Das wären umgerechnet 1 230 Wohnungen per annum. Wie wollen Sie das schaffen?

Des Weiteren haben wir Flüchtlinge hier in Bremen, die auch berechtigterweise hierherkommen, und wir werden noch viel mehr bekommen. Dafür wollen die Menschen der Stadt Bremen und der Stadt Bremerhaven Projekte und Programme haben und Lösungen hören, nicht von irgendwelchen Zeltlager oder Ähnlichem.

Angesichts der Wahlbeteiligung können Sie nicht sagen, es ist eben so wenig geworden, sondern verlorenes Vertrauen muss wieder zurückerarbeitet werden, und es kann nicht einfach so weitergemacht werden wie bisher. Es sind keine Antworten da. Es sollen Lösungen gefunden werde, und vergessen Sie bitte nicht, das Ohr am Volke zu haben, denn das sind die Menschen, die uns wählen!

Zum Schluss möchte ich noch ein Thema herausgreifen. Sie haben vor drei Tagen der „Welt“ ein Interview über Cannabis gegeben. Als Grund für eine Legalisierung nannten Sie neue Einnahmequellen, die Besteuerung von Cannabis, und nebenbei nannten Sie auch die Erhöhung der Grunderwerbssteuer. Beides ist kurzsichtig. Sie nennen beides „sparen“, das ist falsch. Im Hinterkopf stand sicherlich auch die Entlastung der Polizei, die endlich das Hinterherjagen hinter den Dealern aufgeben darf, da diese nach Feststellung der Personalien ohnehin wieder freigelassen werden. So wollen Sie vielleicht auch mit dem Innensenator zusätzlich notwendige Polizeistellen sparen. Also machen wir in Bremen aus dem Unrecht ein Recht. Zusätzlich kommt noch Geld in die marode Staatskasse. Der Applaus von den Grünen ist Ihnen sicher, Herr Sieling, leider auch der von der FDP. Die CDU hat sich Gott sei Dank heute schon kritisch darüber geäußert.

Unsere parlamentarische Gruppe findet das unverantwortlich und zynisch. In diesem Hause wurde oft beklagt, dass das Jugendschutzgesetz nicht umfänglich für die unbegleiteten Jugendlichen greift, aber die SPD will uns vormachen, man könne garantieren, dass nur Erwachsene an Cannabis gelangten, aber keine Jugendlichen, genauso wie beim Alkohol: Das gelingt wunderbar, schauen Sie sich die Notaufnahmen in den Krankenhäusern am Wochenende an!

Vielleicht wissen Sie auch nicht, dass sich der THCGehalt von Cannabis seit den Sechziger- und Siebzigerjahren erheblich erhöht hat: in den Niederlanden von acht Prozent auf 18 Prozent, in Deutschland von 7,5 Prozent auf 14 Prozent. Diese Entwicklung geschah zwischen 2006 und 2012. Das bedeutet, dass alle Studien, auf die Sie sich heute beziehen, verharmlosend sind.

Die versprochene Schule in Gröpelingen wird nicht gebaut, durch die Vergrößerung der Kleinkindgruppen im U3-Bereich werden die Qualitätsstandards der Kitas gesenkt, dafür darf sich jeder in Bremen über die Freigabe von Cannabis freuen. Der Staat will am Drogentourismus mitverdienen. Was glauben Sie denn, was dann hier in Bremen los ist und wer alles zu uns kommt?

Ich zitiere aus Wikipedia: „Eine Vielzahl von Studien hat zu der heute unstrittigen Erkenntnis geführt, dass Cannabiskonsum mit einem erhöhten Risiko für die Auslösung psychotischer Erkrankungen verbunden ist.“

Neun Prozent aller Cannabiskonsumenten entwickeln eine Cannabisabhängigkeit, 17 Prozent, wenn der Cannabiskonsum in der Adoleszenz beginnt, und 25 Prozent bis 50 Prozent, wenn Cannabinoide täglich gebraucht werden. Meine Damen und Herren von der Koalition und auch von der FDP, diese Gesundheitsausgaben müssen Sie dann von den Einnahmen abziehen!

Aber moralisch noch viel verwerflicher ist – damit will ich mein kurzes Debut hier beenden –, was Sie Schulen und Lehrern, was Sie den Familien und besonders den Eltern zumuten, die Sie vorher auch noch steuerlich ausplündern. Ihr Vorhaben zur Legalisierung von Drogen ist verantwortungslose Politik! – Vielen Dank, meine Damen und Herren!

(Beifall BBR)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Professor Dr. Hilz.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Bürgermeister Sieling, ich möchte noch kurz auf die Bremerhavener Aspekte eingehen, denn aus Bremerhavener Sicht ist Ihre Regierungserklärung unserer Ansicht nach mut-, kraftund auch ziemlich ideenlos.

(Beifall FDP)

Im Koalitionsvertrag schreiben Sie viel von Planen und Prüfen, anstatt tatsächlich Dinge anzupacken. Dabei brauchen wir insbesondere für Bremerhaven neue politische Impulse für Wachstum, Innovation und damit für neue Arbeitsplätze, meine Damen und Herren.

(Beifall FDP)

Leider ist Bremerhaven die schwächere unserer beiden Städte im Zwei-Städte-Staat, Herr Tschöpe hat es schon gesagt, und ein Bundesland kann nur so gut sein wie das schwächste Glied.

Die SPD-geführten Senate der letzten Jahre und Jahrzehnte haben es zu verantworten, dass es in Bremerhaven immer noch 14,7 Prozent Arbeitslose gibt, dass in Bremerhaven fast 40 Prozent der Kinder in Armut groß werden und allein dort immer noch 170 Lehrerstellen fehlen. Frau Vogt, ein Niedriglohnsektor ist Bremerhaven zum Glück nicht.

(Abg. Frau Vogt [DIE LINKE]: Oh doch! – Abg. Rupp [DIE LINKE]: Wo leben Sie denn?)

Es wird Zeit für ein Umdenken. Wir müssen nicht länger über Armut reden oder Armut verwalten, sondern wir müssen sie abstellen. Hier sind Sie, Herr Sieling, mit Ihrer Regierungskoalition in der Pflicht, Sie haben es ja auch angesprochen. Wer Armut nachhaltig bekämpfen will, muss Arbeitsplätze schaffen, die es den Menschen ermöglichen, ihr Einkommen selber zu erwirtschaften und somit nicht dauerhaft vom Staat abhängig zu sein.

(Beifall FDP)

Aber wenn Sie, Herr Sieling, den ersten Ansatz, um Menschen in Arbeit zu bringen, beim Jobcenter sehen, dann setzen Sie an der falschen Seite an, denn zuerst müssen Unternehmen Arbeitsplätze schaffen, erst danach ist das Jobcenter bei der Arbeitsvermittlung gefragt.

(Abg. Frau Vogt [DIE LINKE]: Nein!)

Um Armut zu bekämpfen, brauchen wir auch mehr Bildungschancen, die es den Menschen ermöglichen, ihre Potenziale auszuschöpfen und ihre Lebensziele zu verwirklichen, darin müssen wir uns in diesem Haus doch einig sein, meine Damen und Herren.

(Beifall FDP)

Wirtschaftspolitisch zentral ist und bleibt die Weservertiefung, sie ist für Wachstum in der Logistikbranche insbesondere in Bremerhaven essenziell. Wer meint, wir bräuchten die Vertiefung nicht, weil wir ja den JadeWeserPort haben, hat einfach nicht verstanden, warum sich Bremen daran beteiligt hat: Doch nicht, um den Containerhafen in Bremerhaven zu schließen! Wir brauchen den JadeWeserPort, um am wachsenden Warenverkehr in Zeiten der Globalisierung zu partizipieren, daran teilzuhaben, und nicht, um uns selber Konkurrenz zu machen. Sie, Herr Sieling, und Sie, Herr Günthner, müssen Ihre grünen Koalitionspartner in dieser Frage in die Pflicht nehmen, Bremen und Bremerhaven brauchen die Weservertiefung!

(Beifall FDP)

Den Offshore-Terminal in Bremerhaven sehen wir kritisch, weil es über Jahre hinweg nicht gelungen ist,

die Privatwirtschaft mit ins Boot zu holen, weder beim Bau noch bei der Betreibung. Er ist ein wichtiges Infrastrukturprojekt, wir befürchten aber, er kommt einfach zu spät, und die fehlende Beteiligung der Wirtschaft sehen wir als Indiz für die Unwirtschaftlichkeit des Projektes. Wir erwarten daher eine unabhängige Begutachtung durch einen neuen Gutachter, denn Sie können wohl kaum erwarten, dass ein Gutachter nach knapp zwei Jahren seine Meinung über ein 40 Jahre dauerndes Projekt ändert.

(Beifall FDP)

Ein wichtiger Standortfaktor für Bremerhaven und auch ein Zukunftsgarant ist die Hochschule. Sie hat die beste Beurteilung vom Wissenschaftsrat bekommen, ist mit ihrer praxisnahen Ausbildung Innovationsmotor und bildet die Fachkräfte aus, die die Unternehmen in Bremerhaven brauchen. Die Studierenden sind auch wichtig für die Belebung einer der ältesten Städte Deutschlands, die Bremerhaven ist. Bremerhaven braucht auch die Studierenden für eine kulturelle Belebung, deswegen freut es mich, dass sowohl Herr Sieling als auch Herr Günthner vom Ausbau der Zahl der Studienplätze gesprochen haben. Leider ist es Ihnen nicht gelungen, das mit konkreten Zahlen im Koalitionsvertrag zu verankern, ich fordere Sie aber auf: Bleiben Sie Ihren Aussagen treu!

(Beifall FDP)

Gespannt bin ich auf die von Ihnen geplante Übertragung der Lehrer auf das Land und auf die Landespolizei. Sie sprechen immer davon, dass das Bremerhaven Geld spart. Das reicht uns Freien Demokraten aber nicht aus: Wenn es um Einsparungen geht, muss es insgesamt Einsparungen geben, also für Stadt und Land zusammen. Dann sind wir gern bereit, sowohl über Landeslehrer als auch über eine Landespolizei zu sprechen.

(Beifall FDP)

Uns ist aber noch nicht klar, wo Sie das Geld sparen wollen. Nur weil das Land die Kosten trägt, ist noch nichts gespart, Lehrer und nicht pädagogisches Personal sind immer noch vorhanden und werden demnach noch bezahlt. Wir brauchen sogar mehr Lehrer – 170 in Bremerhaven –, um die Qualität der Bildung zu steigern und den Unterrichtsausfall zu minimieren, und die Personalverwaltung wird auch nicht kostengünstiger, nur weil man sie vom Magistrat zu Performa Nord verlagert. Ich werde das Gefühl nicht los, dass es Ihnen hier bei den Aktionen nur darum geht, die Gemeinkosten der Performa Nord auf mehrere Schultern zu verteilen, aber auch das spart kein Geld.

(Beifall FDP – Glocke)

Ich komme zum Schluss, Frau Präsidentin.

Legen Sie also Zahlen, Daten und Fakten vor, dann werden wir diese prüfen und sehen, ob es sich lohnt, für Bremerhaven auf die Hoheit zu verzichten!

Meine Damen und Herren, wenn wir in Bremen vorankommen wollen, zukunftsfähig und eigenständig bleiben wollen, muss das Land Bremen die Stadt Bremerhaven stärken. Was die rot-grüne Regierung beabsichtigt, lässt wenig Hoffnung. Ich hoffe trotzdem, dass es uns gemeinsam in den nächsten vier Jahren gelingen wird, hier einen wichtigen Schritt weiterzukommen, denn Bremen und Bremerhaven können es besser, und wir werden darauf achten, dass die Regierungskoalition auch ihr Bestes gibt, um das zu erreichen. – Vielen Dank!

(Beifall FDP)

Als Nächster hat das Wort der Abgeordnete Rupp.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe es erstens wirklich vermisst, dass die Aneinanderreihung von mehr oder weniger belanglosen Phrasen als Politik verkauft wird.

(Beifall DIE LINKE, SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Jetzt geschieht es wieder, und ich freue mich darüber. Es ist eine wirkliche Bereicherung des Parlaments.

Zweitens, Herr Röwekamp, Sie haben messerscharf geschlossen, wenn man vier bis fünf Jahre in einer neunjährigen Periode mit einem Marathonlauf vergleicht, dass man dann ungefähr auf halber Höhe ist, das ist völlig richtig. Ich teile Ihre Einschätzung, dass nicht so ganz klar ist, ob man da auf dem richtigen Weg ist – ich sage eher Nein, das werde ich gleich beweisen –, ich habe aber auch festgestellt, dass die CDU in den letzten acht Jahren eher die Rolle des Zuschauers vor dem Fernseher eingenommen hat, der die Läufer anspornt: Lauft doch schneller, ihr faulen Typen!

(Beifall DIE LINKE)

Das ist auch keine Lösung dieses Problems.

Wir meinen, dass Bremen in einer haushalts- und finanzpolitischen Falle steckt, und ich werde versuchen, diese Ansicht seriös zu begründen.