Protokoll der Sitzung vom 26.01.2017

Politische Bildung gehört übrigens zur Weiterbildung genauso dazu wie berufsbezogene Weiterbildung oder auch nur ein Arbeitnehmer, der sagt, er möchte sich gern fortbilden, weil er sich für ein Videoschnittprogramm interessiert. Das ist sein gutes Recht, denn das gehört alles zu einem allgemeinen Bildungsauftrag dazu, den wir haben, und politische Bildung übrigens auch. Wir fordern hier immer demokratisches Handeln und demokratische Beteiligung von Menschen. An dem Punkt wollen Sie aber eine Berufsbezogenheit oder eine Berufsorientierung haben und diese den Anforderungen des Arbeitgebers und dem Berufsfeld unterwerfen. Das verstehe ich überhaupt nicht mehr, weil dazu der Arbeitgeber selbst in der Pflicht ist und nicht die Arbeitnehmerin und der Arbeitnehmer. Ich kann noch zwei, drei andere Sachen sagen, aber ich finde, dass dieser Antrag, den Sie geschrieben haben, relativ überflüssig ist. Dass Bildungsurlaub nicht mehr Bildungsurlaub heißen soll, ist, wie gesagt, schon längst beschlossen. Es ist auch richtig. Die Punkte zwei und drei sind aber völlig überflüssig und kontraproduktiv. Bei der CDU hätte ich mir gern etwas gewünscht, wie man damit umgehen kann, dass man mit Bildungsurlaub und überhaupt mit dem Bereich Weiterbildung tatsächlich auch andere Zielgruppen erreicht. Ich bin aber völlig mit ihnen, Herr Dr. vom Bruch, einer Meinung –

(Abg. Dr. vom Bruch [CDU]: Warum reden Sie eigent- lich immer mit mir?)

weil Sie eben die richtigen Zwischenrufe gemacht haben! Die richtigen Zwischenrufe kamen durchaus von Ihnen! –,

(Abg. Dr. vom Bruch [CDU]: Ich wollte es nur wis- sen!)

dass man eben auch andere Bereiche der Weiterbildung ins Auge fassen muss, weil man eben so wenige über die klassischen Angebote erreicht. Sie wissen aber doch auch ganz genau, dass wir an der Stelle mit einem so schnell dahingeworfenen Antrag überhaupt nicht in Richtung lebenslanges Lernen weiterkommen, wenn Sie hier so einen Antrag einbringen, bei dem Sie Selbstverständliches einbeziehen, was tatsächlich sowieso Bestandteil des normalen Bildungsauftrags ist.

(Beifall DIE LINKE)

Wenn wir lebenslanges Lernen ernst nehmen, müssen wir uns tatsächlich ein bisschen von dem Primat der Schulen weiterentwickeln. Das sehe ich auch so wie Sie. Aber dann darf man doch nicht auf der einen Seite irgendwie einmal schnell ein paar Sachen dahinwerfen, die eigentlich selbstverständlich sind und in Bremen sowieso schon laufen, und auf der anderen Seite bei der Weiterbildung auch die Berufsorientierung einfordern. Das ist doch kontraproduktiv. Das wollen wir doch nicht.

Stattdessen sollten wir uns tatsächlich einmal überlegen, wie wir die Weiterbildungsträger, die Weiterbildung anbieten, dazu bringen, dass sie sich endlich einmal anderen Zielgruppen öffnen. Wie bekommen wir andere Zielgruppen dazu, dass sie auch den Bildungsurlaub wahrnehmen, der dann Bildungszeit heißt? Ich kann sehr empfehlen, sich einmal bei Leuten schlau zu machen, die zum Beispiel in Stadtteilen wie Gröpelingen unterwegs sind,

(Abg. Dr. vom Bruch [CDU]: Jetzt kommt ihr mit Grö- pelingen!)

wie Andreas Klee vom „Zentrum für Arbeit und Politik“. Auch das hat etwas damit zu tun.

(Abg. Dr. vom Bruch [CDU]: Das ist immer die glei- che Leier!)

Nein, das ist nicht die gleiche Leier! Herr Dr. vom Bruch, das ist nicht die gleiche Leier. Ich kann Ihnen nur einmal raten, sich einmal zu einem Ein-JahresKurs, zum Zwei-Jahres-Kurs zum „Zentrum für Arbeit und Politik“ zu bewegen. Die haben sehr interessante Erfahrungen damit gemacht, wie man möglichst viele Menschen mit Weiterbildung und Bildung nach der Schule, nach dem Studium und nach der Ausbildung erreicht. Ich glaube, dann kommen wir hier auch zu anderen Ergebnissen als mit so schnell dahingeworfenen Anträgen.

(Beifall DIE LINKE)

Ich gebe das Wort zu einer Kurzintervention an den Abgeordneten Dr. Buhlert.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich wollte nur zwei Dinge feststellen: Das erste war die Frage, die Frau Bergmann aufgeworfen hat, ob man das qualitätssichern kann und wer das qualitätssichern soll. Schon heute wird Bildungsurlaub qualitätsgesichert. Das kann man auch, wenn man andere Inhalte haben will, wie wir sie wollen. Wir wollen eine Berufsrelevanz in diesen Angeboten haben. Dabei schließen wir natürlich – das ist der Hinweis an Frau Vogt – nicht aus, dass es darum geht, bei der Berufsrelevanz auch politische Bildung zu haben. Natürlich ist Gewerkschaftsarbeit, ist Betriebsratsarbeit und all das etwas, was auch berufsrelevant ist und natürlich zu diesem Kanon des Bildungsurlaubs, besser gesagt, zur Bildungszeit, gehören muss – damit wir uns jetzt einmal auf den einheitlichen Begriff einigen. – Herzlichen Dank!

(Beifall FDP)

Zu einer weiteren Kurzintervention hat das Wort die Abgeordnete Frau Bergmann.

Liebe Frau Vogt! Ich verwahre mich gegen den Vorwurf, dieser Antrag sei – ich sage es einmal mit meinen Worten – „hingehunzt“. Vielleicht muss man ihn genau lesen, um ein bisschen besser zu verstehen, was darin steht. Teilweise haben Sie mich eindeutig missverstanden. Ich habe in meiner Debatte sehr stark betont, dass es mir nicht nur um berufsbezogene Weiterbildung geht. – Vielen Dank!

„Hingehunzt“ ist nicht so heftig wie dumm!

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Dogan.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen, sehr geehrte Herren! In einer Welt, in der Wissen immer schneller veraltet, kommt der Weiterbildung eine immer größere Bedeutung für den Einzelnen, aber auch für die Gesellschaft zu.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen und FDP)

Sie ist entscheidend für den individuellen beruflichen Erfolg und sichert darüber hinaus gesellschaftliche Teilhabe und politische Beteiligung. Lebenslanges Lernen ist Voraussetzung für gesellschaftliche Teilhabe. Ich möchte daran erinnern, dass die Praxis des Bildungsurlaubs durch eine Studie – darauf ist Frau Böschen ganz kurz eingegangen – der Uni Hannover und der Uni Bremen gemeinsam mit der Senatorin für Bildung und Kinder dargestellt worden ist. Diese

hat den vielfachen persönlichen und beruflichen Nutzen bestätigt und enthält auch konkrete Handlungsempfehlungen an Politik und Sozialpartner.

Ein Ergebnis dieser Studie war auch, dass die Akzeptanz für Bildungsurlaub in den meisten Betrieben sehr gering ist. Das wollten wir ändern und haben das aufgegriffen. Darauf ist meine Kollegin Frau Böschen auch eingegangen. Deshalb haben wir im vergangenen Jahr, Anfang des Jahres – vielleicht noch einmal zur Erinnerung an meine Kollegen von der FDP –, einen gemeinsamen Koalitionsantrag eingereicht, mit dem wir den Senat aufgefordert haben, aufzuzeigen, welchen grundsätzlichen Änderungsbedarf der Senat zur Erhöhung der Beteiligung am Bildungsurlaub im Bremischen Bildungsurlaubsgesetz und im bremischen Weiterbildungsgesetz sieht, weiterhin auch zu prüfen, mit welchen konkreten Maßnahmen wie Info-Veranstaltungen, Info-Material, Anreize für Unternehmen und so weiter und so fort dies umgesetzt werden kann, um die Akzeptanz und Teilnahme an Bildungsurlauben zu erhöhen, meine Damen und Herren. Das alles wurde gemacht.

Ich teile die Auffassung, die Sie hier vorhin, Frau Böschen, vertreten haben, dass ich auch verstanden hätte, wenn die CDU oder die FDP einen Antrag eingereicht und gefragt hätten, welches die konkreten Maßnahmen sind. Das hat vorhin meine Kollegin Frau Böschen ein wenig kritisiert, ich ehrlich gesagt auch.

(Abg. Dr. Buhlert [FDP]: Zu Recht übrigens!)

Ja, das mache ich auch, das muss man auch so benennen! Deswegen würde mich schon interessieren, wie uns Frau Bogedan, die Bildungssenatorin gleich darauf antwortet, wann uns die konkreten Maßnahmen, die wir als Koalition in unserem Antrag im vergangenen Jahr gefordert haben, in der Bürgerschaft vorgelegt werden.

Dennoch, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, werden wir – ich will jetzt nicht auf alle Argumente eingehen – Ihren Antrag ablehnen. Frau Bergmann, ich hatte Sie richtig verstanden. Sie haben nämlich gesagt, und das fand ich einen sehr wichtigen Aspekt, dass Sie mit Ihrem Antrag die Akzeptanz nicht erhöhen würden, im Gegenteil, sondern – so haben Sie es, Frau Bergmann formuliert – unattraktiv gestalten. Der Bildungsurlaub ist ein Recht der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und schützt nicht die Unternehmen. Es ist nicht so, dass Sie nur unternehmens- und berufsrelevante Inhalte fordern. Wie ich vorhin schon gesagt habe, ist das lebenslange Lernen wichtig, nicht nur für den Beruf, sondern für gesellschaftliche Teilhabe, politische Beteiligung und so weiter.

Wir werden beide Anträge ablehnen, weil wir schon ganz Vieles haben, was auf den richtigen Weg gebracht worden ist, aber auch Maßnahmen, auf die wir gespannt warten. Ich denke, dass Sie besser einen anderen Antrag hätten stellen sollen, weil Ihr Antrag

aus unserer Sicht überhaupt nicht überzeugend gewesen ist. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD – Abg. Dr. vom Bruch [CDU]: Dann müsst ihr einen anderen stellen und wieder einen anderen; das ist wie Hase und Igel!)

Als nächste Rednerin hat das Wort Frau Senatorin Dr. Bogedan.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte mich, ehrlich gesagt, bei der FDP ganz herzlich für den Antrag bedanken, denn aus meiner Sicht ist der Antrag der beste Beleg dafür, warum wir diese Debatte führen müssen. Bei allen Lippenbekenntnissen zum Thema: „Wir wollen alle lebenslanges Lernen und wir wollen die Weiterbildung stärken“, gibt es bei der Frage des Bildungsurlaubs virale und ganz elementare Interessengegensätze. Diese Interessengegensätze spielen sich nämlich ab in dem Handlungsfeld, welche Interessen Arbeitnehmer und welche Rechte sie haben sollen und welche Interessen haben Unternehmen und Betriebe an dem, was ihre Arbeitnehmer tun und wie sie sich weiterbilden sollen. Genau das ist die Antwort auf die Frage, warum wir nach wie vor eine fehlende Akzeptanz und nicht die Teilnahme an Weiterbildung haben, die wir uns eigentlich in diesem Land wünschen.

(Beifall SPD, DIE LINKE)

In Ländern Europas, in denen die Weiterbildungsbeteiligung deutlich über dem liegt, was wir in Deutschland zu verzeichnen haben, gibt es ein allgemeines Recht auf Weiterbildung. Dort werden die Rechte der Beschäftigten gerade gegenüber den Betrieben gestärkt. Aus meiner Sicht ist das auch der Geist, mit dem wir vor bald einem Jahr, im April 2016, hier nämlich den Antrag der Koalitionsfraktionen diskutiert haben. Auch der Senat hat in seiner Koalitionserklärung deutlich den Willen zum Ausdruck gebracht, den Bildungsurlaub zu stärken und nicht – das wäre die ehrliche Überschrift für Ihren Antrag gewesen –, den Bildungsurlaub abzuschaffen.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE)

Denn das, was Sie fordern, hat mit dem Geist und dem Sinn des Bildungsurlaubsgesetzes eben nichts mehr zu tun. Es geht beim Bildungsurlaubsgesetz genau darum, eine Möglichkeit zu schaffen, Bildungszeiten für Weiterbildung zu nutzen, die nicht einem unmittelbaren Zweckinteresse des Unternehmens folgt. Es geht genau darum, ein allgemeines Recht auf eine Weiterbildung zu eröffnen, die zwar in einem weiten Verständnis etwas mit der Arbeitswelt zu tun hat, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern aber auch die Möglichkeit eröffnen soll, sich weiterzuentwickeln.

Das kann manchmal auch eine Weiterentwicklung sein, die nicht im unmittelbaren Interesse des Unternehmens liegt.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE – Abg. Professor Dr. Hilz [FDP]: Nimmt nur keiner wahr!)

Wenn Sie davon sprechen, dass der Bildungsurlaub diskreditiert wird, dann wird er nicht diskreditiert, weil hinten „Urlaub“ steht.

Die Debatte haben wir wirklich im April 2016 ausdrücklich geführt. Die Entscheidungen sind längst gefallen. Das muss man nicht wieder aufmachen.

(Abg. Professor Dr. Hilz [FDP]: Aber Sie sagen immer noch „Bildungsurlaub“!)

Das Gesetz heißt nun einmal so!

(Abg. Dr. Buhlert [FDP]: Weil Sie es nicht geändert haben!)

Genau! Warum haben wir es nicht geändert?

(Abg. Professor Dr. Hilz [FDP]: Erzählen Sie es uns!)

Weil wir zusammen den Sozialpartnern an einem Tisch versuchen, dieses Gesetz zu verändern und Maßnahmen einzupflegen. Das heißt, dass man eben nicht mit dem Kopf gegen die Wand läuft, sondern dass es uns darum geht, die Sozialpartner an den Tisch zu holen. Das ist das, was ich sage. Wenn die Sozialpartner an dieser Stelle widerstreitende Interessen haben, muss es uns doch darum gehen, wenn wir die Weiterbildungsbeteiligung tatsächlich erhöhen wollen, den Interessenausgleich so zu gestalten, dass Arbeitgeber den Beschäftigten nicht mehr im Weg stehen, wenn sie dieses Recht verwirklichen.

Das heißt, wir müssen beide Seiten einbeziehen, wir müssen beide Perspektiven wahrnehmen, wenn wir eine gute Vorlage machen wollen, die ein echtes Ziel verfolgt, nämlich die Teilnahme zu erhöhen, und nicht eben einseitig Maßnahmen vorzuschlagen, die nur zulasten der Arbeitnehmer gehen, wie Sie das gemacht haben.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE)

Das kann nicht der entscheidende Weg sein.