Protokoll der Sitzung vom 06.04.2017

Die Vorlage enthält keine Angaben darüber, wie viel Geld von der WFB in das Ressort wandert. Es wird von 600 000 Euro institutionelle Förderung gesprochen, die dem Ressort zugeordnet werden sollen. Aber sie ist unfertig, und sie erlaubt uns nicht zu beurteilen, ob diese Form des Beschlusses, es ist ja kein Konzept, das uns vorgelegt worden ist, sondern nur ein Beschluss, überhaupt dazu beiträgt, das strukturelle Defizit zu senken oder ob es dazu überhaupt gedacht ist.

Ich mache einmal folgenden Einwand: Wenn 100 Beschäftigte in einer Abteilung mit einem strukturellen Defizit tätig sind und wenn man davon 20 Beschäftigte zusammen mit denen von ihnen verwalteten Mitteln in eine andere Abteilung versetzt, dann ist zwar die Abteilung kleiner geworden, aber das strukturelle Defizit besteht nach wie vor, es ist nicht reduziert worden.

(Beifall DIE LINKE)

Das zweite Beispiel ist ähnlich. Die Abteilungen Messe und ÖVB-Arena haben im Jahr 2015 ungefähr, wenn ich mich richtig erinnere, einen Zuschussbedarf von 4,5 bis 5 Millionen Euro verursacht. Sie sollen mit dem Großmarkt zusammengelegt werden. Ich habe mir daraufhin einmal die Zahlen des Großmarkts angeschaut. Der Großmarkt hat im letzten Jahr ein Plus von 300 000 Euro erwirtschaftet. Es besteht dann immer noch eine Differenz von circa 4,5 Millionen Euro. Die interessante Frage ist: Wie soll diese Differenz aufgelöst werden?

Beide Maßnahmen, sowohl die Umsetzung von 22 Beschäftigten in das Ressort als auch die Maßnahme, den Großmarkt mit den Abteilungen ÖVB-Arena und Messe zusammenzulegen, zeigen keinen Ansatz zur Bekämpfung des strukturellen Defizits auf. Ich würde es der Vorlage gern entnehmen, aber es geht noch nicht.

Es wird dann wieder – wie immer – von Synergieeffekten gesprochen. Wir müssen einmal die Synergiemine finden, die wir ausbeuten können. Sie wird ja immer zitiert, und nicht häufig ist es ja so, dass man am Ende sagt, ups, diese Effekte haben sich jetzt unglücklicherweise auf Dauer doch nicht eingestellt. Es wird aber nicht näher begründet.

Die Messe soll zusätzliche ertragreiche Veranstaltungen durchführen. Ich hätte ganz gern gewusst, von welchem Potenzial eigentlich gesprochen wird. Wie viele Veranstaltungen werden im Jahr durchgeführt? Welche sind weniger ertragreich? Müssen sie eingestellt werden? Können ertragreiche Veranstaltungen in eine Zeit verlegt werden, in denen keine Auslastung besteht? All diese Fragen werden in der Vorlage noch nicht beantwortet.

Deswegen finde ich es vollständig berechtigt, wenn man über die Sanierung der bremischen Wirtschaftsförderung und der Beseitigung des strukturellen Defizits redet. Wohl gemerkt, wir reden nicht über die Qualität an dieser Stelle, dazu gibt es unterschiedliche Meinungen. Wahrscheinlich ist es aber gar nicht so unsinnig gewesen, was wir die ganze Zeit gemacht haben.

(Glocke)

Wir reden davon, ein strukturelles Defizit zu senken, und dazu gibt es noch keine überschaubaren Vorlagen, kein überschaubares Konzept.

Wir finden es an der Zeit, dass uns ein Konzept vorgelegt wird, damit wir politisch sinnvolle und vernünftige Entascheidungen treffen können. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!

(Beifall DIE LINKE)

Als nächster Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Steiner.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich finde, ehrlich gesagt, dass hier nichts deutlicher den Misserfolg von Senator Günthner zeigt, als der Zustand der Wirtschaftsförderung in Bremen. Sieben Jahre Amtszeit als Wirtschaftssenator haben hier ihre Spuren hinterlassen.

Die Wirtschaftsförderung ist in Bremen in den vergangenen Jahren ein bisschen quer gelaufen, sie ist weit unter ihren Möglichkeiten geblieben, und sie hat völlig underperformed, weil falsche politische Rahmenbedingungen gesetzt worden sind. Zum Beispiel ist es Mitte letzten Jahres gefühlt selbst Herrn Günthner zu bunt geworden, und er hat einen Teil des Kerngeschäfts der Wirtschaftsförderung, nämlich die Wirtschaftsförderung selbst, wieder in das Ressort integriert. Nebenbei hat er sein Ressort auch noch – bedingt durch den Wechsel der Markt- und Gewerbeangelegenheiten in das Wirtschaftsressort – künstlich aufgebläht.

Das Ressort ist jetzt so groß geworden, dass sich Staatsrat Siering offensichtlich nicht mehr zutraut, auch noch den Hafenbereich zu führen. Oder war das eine Wachstumsstrategie, um einen zweiten Staatsrat im Kernressort zu rechtfertigen? Ich weiß ja nicht,

Herr Siering, was in Ihrem Hause los ist, aber mich würde es wundern.

Wir Freien Demokraten zweifeln daran, dass die Mitarbeiter der Innovationsabteilung im Ressort in Zukunft ihre Aufgaben als Wirtschaftsförderer überhaupt wahrnehmen können,

(Beifall FDP)

denn sie sind jetzt in die zeitaufwendigen und auch in die einschränkenden Behördenstrukturen eingebunden. Es besteht die große Gefahr, dass die Mitarbeiter sich durch diesen Schritt von der Wirtschaft entfernen, statt sich ihr anzunähern.

Für uns stellt sich auch die Frage, ob die Unabhängigkeit der Innovationsmanager überhaupt noch gegeben ist? Wir sehen sie als gefährdet an, wenn die Innovationsmanager jetzt direkt für den Senator arbeiten.

Wirtschaftsförderung hat einen absolut hohen Stellenwert und eine höhere Priorität verdient. Die Grundlage unseres Sozialstaates ist nämlich immer noch eine starke Wirtschaft, die das erwirtschaftet, was später verteilt wird. Eine Wirtschaftsförderung á la Günthner können wir uns deshalb nicht leisten.

(Beifall FDP)

Wir unterstützen natürlich den Antrag der CDU im Grundsatz und werden ihm zustimmen. Wir stehen hier ein bisschen am Scheideweg. Wir erwarten jetzt von Senator Günthner, dass er seiner Rolle als Anwalt der Wirtschaft im Senat endlich einmal gerecht wird.

Es ist ein ganzheitliches Konzept notwendig, wie die Wirtschaftsförderung in Bremen in der Zukunft aussehen soll. Es geht in erster Linie um die Ziele, die man erreichen will, und die dürfen im Übrigen auch einmal ein bisschen ambitionierter sein.

Ich freue mich jetzt schon auf den neuen Jahresbericht. Dem letzten Jahresbericht war nämlich zu entnehmen, dass die Ziele, die sich die WFB selbst gesetzt hatte, schlechter waren, als die Ziele aus dem Vorjahr. Dementsprechend ist es einfach, seine Ziele zu erreichen, wenn man keine Ziele hat. Es geht aber im Kern um eine langfristige Strategie, die verfolgt werden will. Uns geht es vor allem um eine echte Vision für den Wirtschaftsstandort Bremen und um die Frage, welchen Beitrag die Wirtschaftsförderung leisten kann, um diese Vision wahr werden zu lassen.

Es geht aus unserer Sicht um weitaus mehr. Wir fordern eine Konzentration der Förderung auf die kleinsten, kleinen und mittleren Unternehmen. Sie sollten im Fokus stehen. Für uns ist klar, wenn der Staat wichtige Aufgaben aufgrund mangelnder Fähigkeiten nicht selbst wahrnehmen kann, dann lassen Sie uns doch Private mit ins Boot holen. Wie wäre es zum Beispiel mit einem Bremer Mittelstandfonds? Die Idee könnte

man durchaus überdenken. Wir haben sie vor Monaten bereits einmal ins Spiel gebracht.

Lassen Sie uns doch gemeinsam mit den Privaten einen Fonds auflegen, der in Bremen Impulse für kleinere und mittlere Unternehmen setzen kann. Wir sind der festen Überzeugung, dass es bei der Wirtschaftsförderung noch viel Potenzial gibt. Wir stehen hier auch in der Pflicht, dieses Potenzial zu heben. Es ist Zeit, die Planlosigkeit durch eine Vision zu ersetzen.

Herr Reinken, mich hat eben verwundert, dass Sie den Ratskeller als Beispiel genannt haben. Den Ratskeller hat im Endeffekt doch Herr Kluge als Geschäftsführer mit seinem Team vom Großmarkt Bremen gerettet und wieder auf einen grünen Zweig gebracht, aber doch nicht an erster Stelle die Wirtschaftsförderung mit ihrem Team. Es war Herr Kluge selbst!

Die Fusion des Stadtmarketings mit der Bremer Touristikzentrale ist die nächste wichtige Frage, die zu beantworten ist. Es ist die Frage nach der Transparenz in dem ganzen Prozess zu stellen. Wie stellt sich die Neuorganisation dar? Wie sieht das aus? Die Vorlagen für die Deputationen waren durchaus intransparent und mehr als mager.

Wenn die Wirtschaftsförderung für dieses Land so wichtig ist, wie Sie es eben beschrieben haben, dann freut es mich, dass Sie das so ansehen. Ich würde mir allerdings wünschen, dass Ihr Senator das auch so sieht. Ich frage mich: Wo ist er denn? Wo ist unser Wirtschaftssenator bei diesem wichtigen Thema?

Wie immer scheint er hier die Diskussion zu scheuen, und es wird Zeit, dass sich endlich etwas ändert.

(Beifall FDP – Abg. Frau Böschen (SPD): Der Senator scheut keine Auseinandersetzungen!)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Bücking.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Zu dem letzten Beitrag von Frau Steiner möchte ich anmerken, dass sich Bremen im zweiten Jahr über ein ganz ausgezeichnetes Wirtschaftswachstum freut. Wir stehen, glaube ich, an zweiter Stelle, wenn ich die Zahl richtig in Erinnerung habe, und das sind Effekte, von denen man zumindest sagen kann, dass die WFB ihnen nicht im Weg stand.

(Heiterkeit FDP)

Natürlich! Natürlich setzen wir auf einer Konjunktur auf, und es ist nicht das Haus des Wirtschaftssenators, das diese Konjunktur verursacht hat. Das aber, was jetzt an konkreten Ansiedlungserfolgen und Arbeitsplätzen in dieser Stadt, an konkreten Innovationen und an konkreten Kooperationen mit den großen Unternehmen im Zusammenhang mit dem Automobilcluster

gelungen ist, ist sehr wohl ein konkretes bremisches Politikfeld und ein Politikerfolg. Das kleinzureden ist zerstörerisch und unnötig.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD)

Nun wäre es natürlich töricht zu glauben, es gäbe keine Probleme. Das eigentliche grundlegende Problem ist, dass wir ein Stadtstaat mit einem sehr begrenzten Flächenangebot sind. Bremen kann nicht die Grenzen seines Bundeslandes auf Kosten von Niedersachsen ausdehnen, nur weil es wachsen will, sondern das Schaffen von Gewerbeflächen und ihre Verwendung für klug organisiertes Wirtschaftswachstum ist ein sehr anspruchsvolles Politikfeld.

In der Tat gibt es immer wieder Differenzen zwischen uns Grünen und den Sozialdemokraten darüber, wie man das gut machen kann, weil sich natürlich das Problem, das man jedes Mal lösen muss, sich folgendermaßen beschreiben lässt: Können wir schnell noch diese oder jene Firma ansiedeln – die braucht dann Flächen im großen Stil, die wir für sie erschließen müssen –, oder ließe sich durch kluge Maßnahmen die Intensität der Nutzung der Fläche oder der Wertschöpfung steigern, wenn man nicht diesen, sondern jemand anderen nimmt und man dafür möglicherweise wartet.

Das sind Differenzen, die wir gelegentlich haben, aber sie spielen zum Beispiel in Bezug auf den Gewerbepark Hansalinie keine Rolle. Da sind sich die beiden Koalitionspartner komplett einig, dass die für das Automobilcluster erforderlichen Erschließungsmaßnahmen vorgenommen werden müssen und die Ansiedlung all der Betriebe so zeitnah zu geschehen hat wie irgend machbar, damit dieses große Unternehmen wachsen kann.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD)

Wir wissen, dass er die Grundlage für Reichtum der Stadt ist, für Einkommen, Arbeit, Auskommen, Innovation und so weiter. Ich würde also die Leistung, die das Wirtschaftsressort und die WFB erbringen, nicht kleinreden!

Das zweite große Konfliktfeld ist das strukturelle Defizit bei der WFB. Sie zehrt im Moment die Einnahmen aus den Veräußerungen der Gewerbeflächen auf und braucht Sondereffekte, um ihre Verwaltung finanzieren zu können. Das ist kein guter Zustand, und das müssen wir ändern, davon bin ich fest überzeugt. Wir werden es in den nächsten zwei Jahren nicht ändern können, weil wir nicht über die entsprechenden Mittel verfügen, aber wir können Maßnahmen ergreifen, die das Problem verkleinern, und deshalb sollen diese Reformen durchgeführt werden.

Wir versprechen uns von den eingeleiteten Maßnahmen einen Effizienzgewinn. Es ist keine Goldmine an Synergien zu erwarten, die diese knapp drei Millionen

Euro ausgleichen, davon gehen wir nicht aus, aber wir gehen davon aus, dass sich die Hebelwirkung der Arbeit der WFB und ihre Fokussierung vergrößern und dass wir in der Tat auch einsparen können.

Von der Zusammenarbeit zwischen der Messe und dem Großmarkt versprechen wir uns nicht nur die Einsparung einer Geschäftsführerstelle, sondern auch, dass Dinge, die die einen können, klug mit den Dingen zusammengefügt werden können, die die anderen können. Das finde ich nicht komplett weltfremd, und wenn man sich das genauer ansieht, kann man das nachvollziehen. Wie sich das in Mark und Pfennig oder heute eher in Cent und Euro ausrechnen lässt, vermag ich nicht vorauszusagen. Die Vorlagen können im Moment darüber noch keine Aussagen treffen.

Wir glauben also, dass man von diesen Reformen, die jetzt eingeleitet werden, keine Wunder erwarten darf. Sie können die Strukturen straffen und fokussieren und das Problem verkleinern, aber sie werden das Problem nicht aus der Welt schaffen. Aus der Welt schafft man es erst, wenn man noch ein paar weitere Entscheidungen getroffen hat. Das weiß im Übrigen auch die Opposition. Den Vorwurf zu erfinden, als hätte diese Reform das ganze Problem nicht lösen können, und das sei ihr Nachteil, ist ein Irrsinn, denn von Anfang an war klar, es ging um das, was jetzt möglich ist, und die anderen Dinge, die erforderlich sind, können erst ab 2020 eingeleitet werden.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD)