Protokoll der Sitzung vom 24.09.2015

In der Antwort auf die Große Anfrage der Fraktion DIE LINKE betont der Senat mehrmals, dass Freiluftpartys grundsätzlich wünschenswert seien und dass man einen Ausgleich der unterschiedlichen Interessen ermöglichen wolle. Herr Senkal hat auch noch einmal hervorgehoben, dass man hier Lösungen finden möchte.

Für mich ist wichtig, dass das nicht nur hübsche Worthülsen bleiben, denn momentan haben die Partykollektive nichts davon, dass angeblich intensiv debattiert wurde. Die Praxis im Juni, Juli und August war immer gleich, die Partys wurden aufgelöst. Ich appelliere deswegen noch einmal an Sie: Verfahren Sie doch probeweise einmal anders! Verfahren Sie doch so, dass die Veranstalter die Partys feiern können! Sie werden sich Flächen suchen, die nicht in unmittelbarer Nachbarschaft zur Wohnbebauung liegen. Die Menschen werden dadurch, entgegen den Befürchtungen aufseiten der FDP und der CDU, vor Lärm und Müll geschützt. Die Leute räumen in aller Regel ihren Müll weg, weil gerade sie ein Interesse daran haben, die Umwelt zu schützen.

Man könnte diese lockere Verfahrensweise ein Jahr lang ausprobieren, um die Erfahrung zu sammeln, was passiert, wenn man die Veranstaltungen nicht auflöst. Dieses Jahr könnte auch als Entschädigung für die bisherige Praxis betrachtet werden, nach der Partys oft von der Polizei ohne die Nennung von Gründen aufgelöst worden sind und nach der kein Verhandlungsspielraum vorhanden gewesen ist.

(Beifall DIE LINKE)

Ich appelliere an den Senat, den Mut aufzubringen, Freiräume zuzulassen! Ich glaube, dass wir das nicht bereuen werden. – Danke schön!

(Beifall DIE LINKE)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Senkal.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Strunge, ich kann Sie verstehen, aber ich finde, wir müssen an die Angelegenheit mit Bedacht herangehen, und wir dürfen Sachverhalte nicht vermischen.

Die Partys sind nicht nur deshalb aufgelöst worden, weil sie ohne Genehmigung veranstaltet worden sind, sondern dass Problem der Partys ist, dass sie im Verhältnis zur Vergangenheit zu groß geworden sind. In der Vergangenheit waren es kleine Chillräume, in denen man sich mit 20, 30 oder 50 Personen spontan zu einer Party getroffen hat. Diese spontanen Treffen hat die Polizei anders eingeschätzt als die heutigen Partys, auf denen sich beispielsweise 500 Personen treffen. Die Einschätzung hat auch etwas mit der Gefährdung der Personen vor Ort zu tun, beispielsweise mit der Verkehrssituation. Ich möchte deshalb differenzieren, nicht aber sagen, dass die Polizei auf der Suche sei. Die Größe der Freiluftpartys ist schon ein Entscheidungskriterium für die Vorgehensweise der Polizei.

Eigentlich wäre es gut gewesen, wenn es zu keiner Debatte über Freiluftpartys gekommen wäre, aber das wäre nur bei kleinen Partys und nicht bei Partys mit über 500 Teilnehmern möglich gewesen. Die Partys mit über 500 Teilnehmern sind von einer anderen Ebene aus zu beurteilen. Sie machen mehr Spaß, ich kann das verstehen!

(Zuruf Abg. Frau Strunge [DIE LINKE])

Die 300 Euro Verwaltungsgebühr kenne ich nicht. Ich habe sie auch in keinem Konzept gelesen.

Ich finde, wir sollten die kommenden Monate nutzen, den Sachverhalt in den zuständigen Deputationen zu erörtern und ein Konzept zu entwickeln. Ich habe es so verstanden, dass wir alle an einer Lösung interessiert sind, und zwar unter der Prämisse, dass

wir die Belange der Anwohner nicht vergessen. Ich gehe davon aus, dass wir Wege suchen und finden, wie es zu keinen Anwohnerbeschwerden kommt. – Vielen Dank!

(Beifall SPD)

Als nächster Redner hat das Wort Herr Staatsrat Ehmke.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Einer muss den Spielverderber spielen: Bei den Freiluftpartys ist es die Polizei, und vielleicht bin ich es gleich auch ein bisschen.

Ich würde gern differenzieren. Ich kann verstehen, wenn bei den Betroffenen der Eindruck entsteht, dass ihre Partys ständig durch die Polizei aufgelöst werden und es keine Differenzierung und Abwägung gibt. Aus dem vorliegenden Zahlenmaterial ergibt sich ein anderes Bild. Danach ist ein Teil der Freiluftpartys aufgelöst worden, und ein anderer Teil konnte unter Auflagen fortgesetzt werden. Ich kann insofern festhalten, dass es sowohl zu der einen als auch zu der anderen Vorgehensweise gekommen ist.

Ich bin Herrn Zicht für seinen Redebeitrag außerordentlich dankbar. Uns wird immer wieder bekannt, dass sich viele über das Verhalten der Polizei aufregen, ich will dazu einmal ganz deutlich sagen, dass die Polizei die gesetzlichen Regelungen nicht erlassen hat, sie setzt lediglich die erlassenen Regelungen durch, die erlassen worden sind.

(Beifall CDU)

Ich finde, man kann sich nicht bei der Polizei beschweren, wenn sie auf eine Veranstaltung trifft, die nicht genehmigt ist, deren Gefahrenpotenzial in der konkreten Situation manchmal schwer abschätzbar ist und in der sie eine Entscheidung treffen muss. Dass die Polizei eine im rechtlichen Sinne illegale Veranstaltung, bei der sie eine Gefahr für die Teilnehmer erwartet, auflöst, ist nicht nur richtig, sondern das ist die einzige Entscheidungsmöglichkeit, die die Polizei in einer solchen Situation hat.

Ich weiß, dass es die Partys gibt, von denen wir nichts merken, auf denen alle friedlich und freundlich sind, deren Veranstalter hinterher alles aufräumen und nach denen anschließend alles wunderbar aussieht. Sie wissen aber doch auch alle, dass es andere Partys gibt. Wenn die Polizei bei einer Party mit 200 Teilnehmern eintrifft, kann sie doch nicht sofort erkennen, um welche Art einer Party es sich handelt. Ist es eine Party, nach der alles aufgeräumt wird, die Teilnehmer nach dem Partyende friedlich nach Hause gehen und sich ansonsten auch an die gesetzlichen Regelungen halten, oder ist es eine Party, nach der man sich am nächsten Morgen mit den Anwohnern wegen eines Müllberges auseinandersetzen muss? Die Polizei kann in

dieser Situation keine Abwägungsentscheidung treffen. Es ist eine Entscheidung, die möglicherweise der Gesetzgeber treffen kann, in dem er einen Regelungsrahmen vorgibt. Er muss dann auch bereit sein, den Konflikt im Einzelfall einzugehen. Er muss diese Entscheidung allerdings dann auch treffen.

Es ist auch nicht richtig, dass die Polizei ständig durch die Gegend fährt und Veranstaltungen auflöst, über die sich niemand beschwert hat. Wenn Sie sich die Zahlen anschauen, dann werden Sie zur Kenntnis nehmen müssen, dass es nicht bei allen, jedoch bei der Mehrzahl der Veranstaltungen Anwohnerbeschwerden gegeben hat.

Herr Senkal hat ja schon darauf hingewiesen, dass sich die Partys verändert haben. Sie finden zum Teil eine Licht- und Tonanlage vor, die nicht einmal in einer kommerziellen Diskothek vorhanden ist. Natürlich hat das andere Auswirkungen, und natürlich nimmt man das in einer größeren Entfernung wahr. Es ist auch für die Partyteilnehmer ganz toll, aber dass das für die Anwohner nicht ganz so toll ist, das muss man zur Kenntnis nehmen und respektieren.

Es ist ja nicht so, dass der Senat nicht versucht hat, Lösungen zu finden. Die Kollegen aus dem Umweltressort haben zusammen mit verschiedenen Veranstaltern versucht, eine Freiluftparty in Grolland durchzuführen. Es wurde ein Veranstaltungsort ausgesucht, der von der Wohnbebauung weit entfernt lag – dachte man –, und trotzdem hat es über 50 Anwohnerbeschwerden über die Lautstärke gegeben. Das ist eine Situation, über die man nicht vollständig hinwegsehen kann, sondern mit der man umgehen muss.

Im Vorfeld der Debatte, die wir in der Innendeputation schon angerissen hatten, habe ich die Polizei gebeten, mir den einen oder anderen Einsatzbericht zukommen zu lassen, damit ich mir ein eigenes Bild davon machen kann, in welchen Situationen die Polizei zu einer Auflösungsentscheidung gekommen ist. Die Polizei hat mir dann einen Einsatzbericht von einer Veranstaltung geschickt, die sie aufgelöst hat.

An der Veranstaltung haben 300 Personen teilgenommen. Ich kann verstehen, dass das für die Teilnehmer eine tolle Party war. Im Einsatzbericht der Polizei steht nämlich, dass die Teilnehmer auf einem mit Flatterband gekennzeichneten Pfad durch ein Gebüsch auf eine irgendwo liegende Lichtung in einem Waldstück oder in einem bewachsenen Gelände gelangt sind. Die Lichtung war nicht befestigt. Es waren 200 bis 300 Partygäste anwesend, es spielte Musik, und sie feierten.

Für die Teilnehmer war es sicherlich eine tolle Veranstaltung. Aus der Sicht der Polizei stellt sich das Ganze allerdings anders dar. Das Gelände mit den 200 bis 300 feiernden Teilnehmern ist nicht mit einem Fahrzeug erreichbar. Tritt ein Notfall ein, ist die Lichtung von Rettungskräften nicht zu erreichen.

Die Polizei hat festgestellt, dass 50 Kisten mit alkoholischen Getränken vorhanden waren. Der Alkohol

wurde verkauft. Ist das eine nicht kommerzielle Veranstaltung? Ja, vielleicht, vielleicht aber auch nicht! Das ist in der vorliegenden Situation doch nur sehr begrenzt feststellbar. Die Polizei hat weiterhin festgestellt, dass weder Sanitäts- noch Sanitäranlagen vorhanden waren. Ich habe ein gewisses Verständnis dafür, dass die Polizei, wenn sie eine solche rechtswidrige Situation vorfindet, zu einer Auflösungsentscheidung kommt.

(Beifall SPD, CDU)

Wenn die Politik entscheidet, dass das nicht mehr gewollt ist, sondern dass Veranstaltungen in einem gewissen Rahmen ohne Genehmigung stattfinden können, ohne dass Verantwortliche genannt werden müssen, oder dass Verantwortliche benannt werden, die Veranstaltungen durchführen können, ohne dass die Veranstaltung vorher angekündigt werden muss, wenn die Politik möchte, dass für Veranstaltungen, auf denen Alkohol verkauft wird, keine gaststättenrechtliche Zuverlässigkeitsprüfung stattzufinden hat, und zwar auch dann nicht, wenn 200, 300 oder 400 Leute an der Veranstaltung teilnehmen, dann kann die Politik das entscheiden. Sie muss dann aber einen entsprechenden Regelungsrahmen vorgeben, und dann muss sie – und darauf bin ich am Ende gespannt – ein Abgrenzungskriterium zu den eben nicht so guten Partys finden, auf denen sich nicht alle an die Regeln halten, nach denen eben nicht alles aufgeräumt wird und mit denen man niemanden belästigt. Ich sage es ganz offen, der Senat ist bisher daran gescheitert, einen solchen rechtlich sauberen Abgrenzungsrahmen vorzugeben. Das ist so! Wir haben uns bemüht, wir haben Versuche unternommen, die gescheitert sind. Die Flächen, die wir ausgewiesen haben und das Verfahren, das wir vorgegeben haben, sind nicht angenommen worden. Wir sind zu allen weiteren Beratungen und Debatten bereit, aber ich warte dabei auch auf den guten und praktikablen Vorschlag, der den rechtlichen Rahmen sauber setzt bei der Abgrenzung zwischen denen, denen man sagt, das geht hier so nicht, die Veranstaltung wird auch weiterhin aufgelöst, und denen, denen man viel Spaß beim Feiern wünscht. Ich habe die Ankündigung von Herrn Zicht, dass die Koalition einen solchen Vorschlag gern erarbeiten will. Ich freue mich darauf, weil ich glaube, das ist am Ende das, was wir brauchen, nämlich einen Vorschlag, von dem die Politik sagen kann, so wollen wir es. Wenn es so ist, dann kann ich versprechen, dass die Polizei dort auch mitmachen wird, aber der Rahmen muss hier vorgegeben werden, den können wir nicht von der Polizei verlangen. – Vielen Dank!

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Herr Staatsrat, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Frau Böschen?

Ja, bitte!

Bitte, Frau Böschen!

Herr Staatsrat, ich habe nur folgende Frage: Wird das eigentlich auf städtischer Ebene oder landesrechtlich geregelt werden müssen?

Beides sind Landesgesetze, wenn ich es richtig sehe. Das Landesstraßengesetz ist mit Sicherheit ein Landesgesetz, und ich gehe einmal davon aus, dass das Bremische Naturschutzgesetz auch ein Landesgesetz ist, und insofern werden wir sehen, wie die Regelung letztlich ausfällt. Vielleicht kann man dort auch eine Regelung per Ortsgesetz treffen, wenn man Anknüpfungspunkte in den Gesetzen – –.

Ich sage ja, wir haben die richtig kluge Lösung noch nicht gefunden, und deshalb sind wir auch ganz offen für die weitere Beratung, aber so ganz einfach wird das alles auch nicht werden, das wage ich zu prognostizieren; übrigens insbesondere dann, wenn ich diesen Hinweis noch kurz geben darf, wenn wir es mit privaten Flächen zu tun haben. Dort endet dann die Regelungsmöglichkeit durch dieses Haus sehr schnell, auch wenn die Privaten möglicherweise in Beziehung zur öffentlichen Hand stehen, wird man das Problem dann noch einmal anders regeln müssen.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Damit ist die Aussprache geschlossen.

Die Bürgerschaft (Landtag) nimmt von der Antwort des Senats, Drucksache 19/46, auf die Große Anfrage der Fraktion DIE LINKE Kenntnis.

Wohnungsnot bekämpfen – kommunales Wohnungsbauprogramm jetzt! Antrag der Fraktion DIE LINKE vom 4. September 2015 (Drucksache 19/53)

Dazu als Vertreter des Senats Herr Senator Dr. Lohse.

Die Beratung ist eröffnet.

Als Erste hat das Wort die Abgeordnete Frau Bernhard.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es ist gerade einmal zehn Monate her, dass wir hier in einer Aktuellen Stunde zum Thema Wohnungsnot debattiert haben, ich kann mich noch sehr gut an die Aussprache erinnern. Der Bausenator hatte damals unter dem Beifall von RotGrün gesagt, es gäbe keine Wohnungsnot, nicht in Deutschland, aber erst recht nicht in Bremen. Ich erinnere mich auch noch sehr gut an die Aussprache

mit Herrn Werner, Ihrem ehemaligen Fraktionskollegen, der meinte, wir würden dieses Problem hochquatschen. Auf weitere Zitate werde ich vielleicht später noch einmal eingehen.

Zur Situation möchte ich aber doch Folgendes sagen: Wir haben seit dem Jahr 2012 darauf hingewiesen, dass wir dringend ein Wohnungsbauprogramm brauchen. Wir haben immer wieder gesagt, dass das aktuelle Wohnungsbauprogramm, das der Senat vorgelegt hat, hinten und vorn nicht ausreicht, und zwar völlig unabhängig von der Flüchtlingssituation, das möchte ich noch einmal betonen.