Protokoll der Sitzung vom 21.09.2017

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dürfte in Zukunft sogar noch größer werden, denn in dem Maße, wie der sogenannte Islamische Staat im Nahen Osten militärisch in das Hintertreffen gerät, wird er nach Ansicht von Experten versuchen, die Gewalt in andere Regionen der Welt und vor allem auch nach Europa zu tragen. Wir werden uns also auf weitere Terrorakte in Deutschland einstellen müssen und brauchen deshalb geeignete Maßnahmen, um bevorstehende Attentate möglichst frühzeitig zu erkennen und zu verhindern.

Der von der CDU-Fraktion eingereichte Antrag, Herr Hinners, zur Verbesserung der inneren Sicherheit in Deutschland und Bremen enthält einige gute Vorschläge zur Terrorismusbekämpfung. Ich habe dem ja auch in der Innendeputation zugestimmt. Allerdings reicht der Antrag bei Weitem nicht aus, um der wachsenden terroristischen Bedrohung wirksam zu begegnen. Dennoch werden wir dem Antrag als Bürger in Wut zustimmen, denn er ist zumindest ein Schritt in die richtige Richtung, beispielsweise bei der Forderung nach der Einführung der elektronischen Fußfessel für Gefährder. Das ist sicherlich kein Allheilmittel gegen terroristische Angriffe, aber es hilft den Sicherheitsbehörden bei der Überwachung von Gefährdern und ist das richtige Signal an die islamistischen Schläfer, dass sie unter staatlicher Beobachtung stehen.

Derzeit werden Gefährder in Bremen aus Personalmangel eben nicht lückenlos überwacht, und in dem Wissen, nicht unter staatlicher Kontrolle zu stehen, kann man natürlich leichter Anschläge planen und durchführen. Dabei ist es aber immens wichtig, gerade diesen Personenkreis jederzeit lokalisieren zu können, meine Damen und Herren, denn diese islamistischen Schläfer sind jederzeit bereit, den bewaffneten Dschihad auf deutschem Boden auszufechten und dabei das eigene Leben zu opfern. Es handelt sich hierbei also um tickende Zeitbomben, über die unsere Sicherheitsbehörden keine Kontrolle haben, weil eben nicht genügend Personal da ist. Darüber hinaus müssen wir diese Extremisten konsequent aus Deutschland ausweisen und abschieben, bevor sie Unheil anrichten können. Liegen rechtliche oder tatsächliche Hindernisse vor, ist eine Rückführung also vorübergehend verhindert, dann sind die Betroffenen zeitlich unbefristet in Abschiebehaft zu nehmen. Um eine Wiedereinreise in das Bundesgebiet zu verhindern, ist ausländischen Gefährdern eine zusätzlich vorhandene deutsche Staatsbürgerschaft zu entziehen, was allerdings natürlich eine Änderung des Grundgesetzes erforderlich macht.

Unabhängig davon müssen Terrorverdächtige daran gehindert werden, überhaupt nach Deutschland zu kommen. Solange die EU aber

keine schlüssigen Konzepte vorlegt, um ihre Außengrenzen zu sichern, werden IS-Kämpfer auch weiter den Weg nach Mitteleuropa finden. Nach Erkenntnissen der europäischen Grenzschutzagentur Frontex weisen viele Asylsuchende, die in Aufnahmeeinrichtungen Griechenlands und Italiens untergebracht sind, Verbindungen zu terroristischen Organisationen auf. Jeden Monat, meine Damen und Herren, werden in Deutschland im Durchschnitt 15 000 neue Asylanträge gestellt. Die anhaltende Flüchtlingswelle spült aber auch Islamisten nach Deutschland, die sich erst hier über das Internet radikalisieren und dann Terroranschläge im Namen des IS begehen werden. Dieser Gefahr kann nur begegnet werden, wenn es gelingt, einreisende Ausländer möglichst lückenlos zu überprüfen, um Extremisten frühzeitig zu identifizieren und unschädlich zu machen. Sollte es nicht gelingen, zeitnah eine europäische Lösung zu finden, muss Deutschland seine Grenzen im nationalen Alleingang sichern.

(Beifall BIW)

Dass dies möglich ist, meine Damen und Herren, zeigt der G-20-Gipfel im Juli dieses Jahres, als man die Grenzkontrollen für die Dauer des Hamburger Politikspektakels wieder eingeführt hatte. Was für die 20 Staats- und Regierungschefs der wichtigsten Industrie- und Schwellenländer möglich ist, nämlich den Schutz vor terroristischen Anschlägen zu gewährleisten, muss auch für die eigene Bevölkerung gelten, meine Damen und Herren!

(Beifall BIW - Glocke)

Ich komme sofort zum Schluss! Schließlich müssen auch solche Länder geächtet werden, die den Terror in Europa offen und verdeckt unterstützen, beispielsweise mit Geld. Wer Entwicklungshilfe an Schurkenstaaten oder islamistische Regimes zahlt oder mit islamistischen Regimes wirtschaftlich kooperiert, beispielsweise durch Waffenlieferungen, der finanziert den Terror indirekt mit. Auch damit muss Schluss sein!

(Beifall BIW)

Ich komme zum Schluss! Wir Bürger in Wut wollen einen starken Staat, der seine Bürger umfassend vor terroristischer Bedrohung schützt. Wir Bürger in Wut wollen einen wehrhaften Staat, der konsequent gegen terroristische Umtriebe vorgeht, und da reicht es eben nicht aus, Herr Innensenator Mäurer, dass man bessere Schutzwesten für die Polizeibeamten oder ein gepanzertes Polizeifahrzeug anschafft.

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(Glocke)

Das kann höchstens nur der Aufschlag für eine Reihe von Maßnahmen sein, um der wachsenden Bedrohung durch den Terrorismus entgegenzuwirken. Letzter Satz! Unser Bundesland ist seit Jahren eine Hochburg der Islamisten und Salafisten. Die Zahl der radikalen Gläubigen ist in diesem Jahr von 360 auf 440 gestiegen. Diese salafistische Szene ist der Durchlauferhitzer für den Terrorismus. Deshalb ist Bremen besonders bedroht von zukünftigen Anschlägen. Daher werden wir auch dem Antrag der CDU hier zustimmen, weil es ein erster Schritt ist in die richtige Richtung. - Vielen Dank!

(Beifall BIW)

Das waren jetzt aber drei oder fünf Sätze.

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Senkal.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Bei der Thematik Terrorismus und der Verhinderung schlimmer Straftaten wie Anschläge auf Menschen und unseren Rechtsstaat liegen wir im Ziel des Schutzes höchster Güter wie der körperlichen Unversehrtheit und generell der Sicherheit aller Bürgerinnen und Bürger, aber auch der Freiheit eines jeden einzelnen rechtschaffenen Menschen kaum auseinander. Wo wir jedoch nicht immer konform in diesem Parlament gehen, ist der Weg dahin. Die Sicherheit unserer Bürgerinnen und Bürger ist ein hohes Gut, aber auch die Freiheit des Einzelnen. Deshalb müssen wir die Balance schaffen, diese beiden hohen Ansprüche sicherzustellen. Wir dürfen also der Versuchung nicht erliegen, überaus weitgehende Befugnisse zu schaffen. Gleichzeitig müssen die Polizei und auch andere Verfassungsschutzorgane in der Lage und Fähigkeit sein, auf potenzielle Gefahren angemessen zu reagieren und auch die Kompetenzen und Instrumente haben, Schlimmeres zu verhindern.

(Beifall SPD)

Hier spielt die Prävention unserer Ansicht nach eine entscheidende Rolle. Was bringt Menschen dazu, fanatisch-extremistischen Positionen zu folgen, alles dafür aufzugeben? Wie kann man diese Menschen überzeugen, dass es sich lohnt, für ganz andere Werte wie Freiheit, Rechtsstaatlichkeit und ein harmonisches Miteinander einzustehen? Was ich damit sagen will, ist, natürlich müssen wir uns über die Konsequenzen für die deutsche und europäische Sicherheitspolitik beschäftigen, und das tun wir

auch nicht zuletzt in diesem Augenblick und darüber hinaus. Aber Konsequenzen in der Sicherheitspolitik sind nicht die einzigen, die wir nun ziehen müssen.

Natürlich gerät das Vertrauen in die Möglichkeiten der Sicherheitsbehörden in das Wanken, wenn Anschläge wie auf dem Breitscheidplatz nicht verhindert werden können. Ich würde aber nicht so weit wie die CDU-Fraktion gehen und sagen, dass das Vertrauen gänzlich erschüttert ist. Die allermeisten Menschen wertschätzen die gute Arbeit der Polizeien in ganz Deutschland und wissen um die Herausforderungen, denen sich jede Polizistin und jeder Polizist jeden Tag gegenübergestellt sieht. Trotzdem ist klar, wer sein Bleiberecht verwirkt, muss zurück in das Heimatland.

(Beifall SPD)

Eine Abschiebung ist dann unausweichlich. Dafür müssen ausreisepflichtige Personen, von denen eine terroristische Gefahr ausgeht, in Abschiebehaft genommen werden. Daher finde ich es richtig, dass jüngst bereits ein als Gefährder eingeschätzter junger Mann zurück in sein Heimatland musste und nach verlorenen Rechtsmitteln mittlerweile auch abgeschoben wurde. Elektrische Fußfesseln, meine sehr geehrten Damen und Herren, wie sie auch im CDUAntrag erwähnt werden, können ein sinnvolles Mittel sein. Wir verwehren uns dem keinesfalls. Der Einsatz muss jedoch bedacht und zielgerecht erfolgen und rechtlich auf sicheren Füßen stehen. Wir, SPD und Grüne, haben genauer dazu in unserem Antrag Sicherheit und Rechtsstaat Stellung bezogen und befürworten das grundsätzlich. In der Debatte dazu, die wir ja leider nicht an dieser Stelle zusammenführen können, werde ich noch einmal darauf eingehen.

Nach den von mir geschilderten Gemeinsamkeiten im ersten Teil meiner Rede muss ich nun noch einmal auf die feinen Unterschiede eingehen, die dann auch leider zu einer Ablehnung Ihres Antrags führen. Bei der Schleierfahndung sind wir anderer Auffassung, zumindest was Bremen angeht. Wie es im Bericht der Innendeputation richtig ausgeführt wird, handelt es sich bei der Schleierfahndung um die verdachtsunabhängige Identitätsfeststellung von Personen im Grenzgebiet, in öffentlichen Einrichtungen des internationalen Verkehrs sowie auf Verkehrswegen von erheblicher Bedeutung für den grenzüberschreitenden Verkehr. Die Identitätsfeststellung muss erforderlich sein zur Verhütung oder Unterbindung der unerlaubten Überschreitung der Landesgrenze oder des unerlaubten Aufenthalts und zur Bekämpfung der

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grenzüberschreitenden Kriminalität. Das Bremische Polizeigesetz sieht das in logischer Konsequenz nicht vor. Die genannten Voraussetzungen oder Gegebenheiten liegen in Bremen nicht vor. Somit ist die Forderung nach der Einführung einer Schleierfahndung für Bremen schlichtweg Quatsch!

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ein verwandtes Instrument zur verdachtsunabhängigen Personenkontrolle an besonderen Kontrollorten, an denen die Identität überprüft und Personen durchsucht werden können, gibt es hingegen. Wir halten das im Gegensatz zu der ganz anders konzipierten Schleierfahndung für das richtige Instrument.

(Beifall SPD)

Es gibt also bereits Handhabungen und Handlungsinstrumente. Ebenso ist die geforderte Ingewahrsamnahme bereits möglich. Hier muss keine Kompetenzerweiterung erfolgen. Zu den Gefahren der föderalen Strukturen können wir uns nur dahin gehend äußern, dass Kompetenzgrenzen keine Grenzen des Ermittlungs- und vor allem des Präventionserfolgs sein dürfen. Nie wieder darf es dazu kommen, dass die föderalen Strukturen den Informationsfluss stoppen oder hindern.

(Beifall SPD)

Hier muss dringend überprüft werden, welche Maßnahmen möglich und sinnvoll sind, um derartige Pannen auszuschließen. Dafür bedarf es nicht zwingend einer Änderung der Zuständigkeiten. Das Problem muss jedoch gelöst werden. Dabei muss die eindeutige Trennung von polizeilicher Gefahrenabwehr und Gewinnung von Erkenntnissen mit nachrichtendienstlichen Mitteln gewahrt bleiben. Aus den eben von mir genannten Gründen schließen wir uns dem Bericht der Deputation für Inneres an und werden den Antrag der CDU ablehnen. Wie eingangs erwähnt, haben wir das gleiche Ziel, aber sind der Auffassung, dass in vielen Punkten ein anderer Weg geboten ist. Das stellt auch unser Antrag Sicherheit im Rechtsstaat, den wir in dieser oder nächsten Bürgerschaft noch mit Ihnen debattieren werden, dar. Dieser Antrag ist auch dringend in Zusammenhang zu setzen, schade, dass wir dieses nicht auch an dieser Stelle thematisch zusammen beraten konnten. - Vielen Dank für ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall SPD)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Zenner.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Sicherheit in Deutschland beschäftigt uns nicht nur einige Tage vor der Wahl, sondern schon ein Jahr bis zwei Jahre, vielleicht auch schon länger.

Seit einigen Jahren ist der Terrorismus nicht nur in Deutschland, sondern auch in Europa angekommen. Viele von uns haben erkannt, dass es ein Fehler gewesen ist, im Sicherheitsbereich und im Personalbereich der Polizei in den vergangenen Jahren auf Bundesebene und in vielen Ländern Einsparungen vorzunehmen. Diese Einsparungen kommen uns heute, wenn man so will, teuer zu stehen, und alle sind der Auffassung, wir müssen hier mehr für die Sicherheit in der Zukunft tun.

(Beifall FDP)

Es ist auch der Politik wieder bewusst geworden, wie wichtig es ist, Sicherheit zu garantieren, für Sicherheit zu sorgen, weil nur auf diese Weise die Freiheit der Bürgerinnen und Bürger letztlich sichergestellt werden kann und ein entsprechendes Sicherheitsgefühl entstehen kann.

(Beifall FDP)

Wir haben in Bremen ein paar Schritte gemacht. Wir haben die Zielzahl auf 2 600 Vollzugsbeamte erhöht. Diese Zielzahl muss in der Zukunft noch um 300 Beamte erhöht werden.

(Beifall FDP)

Es gibt auch Teilmaßnahmen: Schutzwesten und gepanzerte Fahrzeuge. Das sind alles gute Schritte auf dem Weg, hier mehr Sicherheit zu schaffen.

Wir haben auch im Laufe der Entwicklung der letzten Jahre und der Kölner Ereignisse Nachbesserungen im Strafrecht und im Sexualstrafrecht vorgenommen. Wir haben die Beamten, die im Vollzug in verschiedenen Bereichen, nicht nur bei der Polizei, tätig sind, gegen Übergriffe oder Angriffe besser geschützt. Wir haben endlich den Paragrafen 58 a, Abschiebungsmöglichkeiten nach dem Ausländergesetz, angewandt und haben versucht, ihn rigide durchzusetzen. Ich glaube, der eine oder andere hat gar nicht erwartet, dass die Verwaltungsrechtsprechung das auch mitmacht. Das hätte nach unserer Auffassung schon viel früher angewendet werden müssen.

Wir haben die Ausweisungsmöglichkeiten nach unten korrigiert. Wir haben die Strafrahmen nach unten gesetzt, sodass bei geringeren Verstößen Abschiebungen möglich sind. Wir haben die Abschiebungshaft verlängert.

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Es ist das eine oder andere schon passiert, dennoch müssen wir uns heute noch einmal mit diesem Antrag beschäftigen, der aus dem Januar dieses Jahres stammt, aber teilweise schon durch Gesetzesänderungen obsolet geworden ist. Das muss man, Herr Hinners, auch immer so sagen. Das Mäurer-Günthner-Papier aus dem Januar ist lange noch nicht abgearbeitet beziehungsweise teilweise überholt. Dennoch ist es wichtig, nicht nur das Sicherheitsgefühl, sondern auch die Sicherheitsinteressen, Leib und Leben unserer Bürgerinnen und Bürger sorgfältig im Auge zu behalten. Es ist Wert darauf zu legen, dass es keinen Sinn macht, nur populistisch Phrasen zu dreschen, wie wir auch in den Berichten für die Deputation lesen können. Es kommt letztlich darauf an, juristisch und rechtsstaatlich fein zu justieren. Nur dann kann man letztlich Erfolg haben, weil man sich die rechtsstaatliche Grundlage für ein gerichtsfestes Verfahren geschaffen hat.

(Beifall FDP)

Jetzt zu dem CDU-Antrag im Einzelnen: Fußfessel, Schleierfahndung und Videoüberwachung! Es geht in diesem Fall nicht um die Fußfessel nach einer Verurteilung, sondern zur Gefahrenabwehr nach dem Bremischen Polizeigesetz. Wir unterstützen diesen Vorschlag. Wir halten ihn für richtig. Meine Damen und Herren, es gilt, hohe Hürden zu überschreiten. Es geht nicht so einfach: Wir haben einen Gefährder, und schon können wir ihm eine Fußfessel anlegen. Im Gegenteil: Der Begriff Gefährder ist zu definieren. Es muss ein dringender Tatverdacht vorhanden sein. Es muss eine hohe Wahrscheinlichkeit für eine terroristische Gewalttat bestehen, und es besteht der richterliche Vorbehalt.

Man kann die Fußfessel als Mosaiksteinchen einführen. Man darf jedoch nicht glauben, dass dann die 300, 400 oder 500 Personen, die wir in Bremen als Gefährder aus der salafistischen Szene identifiziert haben, alle mit einer Fußfessel herumlaufen. Diese Vorstellung dürfen wir der Bevölkerung nicht suggerieren. Dennoch ist die Fußfessel ein richtiger Mosaikstein, und wir finden sie in Ordnung.