Protokoll der Sitzung vom 25.01.2018

Das sage ich auch mit Blick auf die AfD, weil sie genau versucht, dieses Thema in die rechte Ecke zu drängen, und das möchte ich eben nicht! Ich werbe dafür, dass wir eine tolerante, weltoffene Gesellschaft bleiben, dass wir aber sehr wohl über die Probleme, die das mit sich bringt, offen und ehrlich reden.

(Beifall SPD, CDU, LKR)

Wir haben in der Jugendhilfe seit 2014/2015, als es losging, bis heute nicht die Normalität, die wir vorher hatten. Wir haben weniger Zuzüge, das ist wahr, und das System ist auch deutlich entspannter als in der Hochzeit der Flüchtlingszuwanderung, insbesondere in dem Bereich der minderjährigen unbegleiteten Flüchtlinge. Niemand soll aber glauben, dass wir jetzt entspannt in der Situation wären, wie es vielleicht vor der Zeit war. Das ist so nicht! Wir haben auch weiterhin neue Flüchtlinge, die nach Bremen kommen und untergebracht werden müssen, nicht nur Minderjährige, sondern auch Erwachsene. Die Aufgabe wird bestehen bleiben, und ich bin sehr daran interessiert, dass die gesellschaftliche Mitte weiter daran arbeitet, dass das nicht zum politisch extremen Thema gemacht werden kann.

(Beifall SPD, CDU, FDP, LKR)

Das ist meine große Sorge. Deswegen glaube ich, dass wir diese Diskussion überhaupt nicht als rechts, links, liberal oder so bezeichnen sollten. Das ist mir an der Stelle wirklich egal. Ich möchte, dass wir dafür kämpfen, eine vernünftige Lösung für die Probleme, die wir haben, zu finden. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall SPD)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Grönert.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Drei Aspekte möchte ich noch eben ansprechen. Einmal zum Thema Schlupflöcher! Es gibt Gesetze, die aus mir unbekannten Gründen auch immer nicht bis in jedes kleine Detail durchgeregelt sind. Da hat es irgendjemand vielleicht nicht geschafft, zu Ende zu denken, oder wollte auch nicht zu Ende denken, ich weiß nicht. Man merkt das zum Beispiel auch immer wieder bei den Steuern.

(Abg. Frau Grotheer [SPD]: Genau!)

In dem Bereich gibt es dann eben Schlupflöcher. Das ist nicht unbedingt rechtswidrig, es mag legal sein, das ist in Ordnung. Nur sind es einfach Stellen, die man besser regeln könnte und besser regeln sollte. Der Ansicht bin ich, und dabei bleibe ich dann auch.

(Beifall CDU, BIW)

Dann zum Zauberwort Einwanderungsgesetz! Ich habe das jetzt nicht bis zum Ende durchstudiert, insbesondere nicht für diese Debatte heute. Herr Dr. Buhlert, glauben Sie aber wirklich, dass die jungen Männer, die jetzt in der Gottlieb-DaimlerStraße untergebracht sind, oder auch die anderen unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge oder die, die sich so nennen, die wir in Bremen und in Deutschland haben, über das Einwanderungsgesetz hätten hierherkommen können?

(Beifall CDU, BIW)

Das ist Augenwischerei, denn diese Menschen hätten über das Einwanderungsgesetz keine Chance gehabt. Sie hätten keinen Antrag stellen können mit der Begründung, ach, ich möchte gern hierher kommen nach Deutschland, denn ich möchte in Deutschland irgendwie einen Schulabschluss erwerben oder so etwas.

Dann die - ich habe sie vorhin erwähnt - sogenannten Ankerzentren! Da würde ich jetzt, ehrlich gesagt, die Kirche einmal im Dorf lassen. Wir haben diese Zentren noch nicht. Die werden diskutiert, sie sollen kommen, und ich hoffe, dass es auch dazu kommt. Wie sie umgesetzt werden, das ist doch dann nachher die Frage derjenigen, die es dann durchführen, wenn die Ankerzentren wirklich beschlossen sind und auf den Weg gebracht werden. Wie man heute hier sagen kann, ich will solche Zentren nicht, denn in den Zentren wird es in etwa eineinhalb Jahre dauern, bis dort Entscheidungen gefällt werden, das ist in meinen Augen Quatsch!

(Zuruf Abg. Dr. Buhlert [FDP] - Abg. Frau Leonida- kis [DIE LINKE] meldet sich zu einer Zwischen- frage. - Glocke)

Man kann ein Zentrum immer sehr gut aufstellen, man muss nicht ein Zentrum einrichten, von dem von vornherein klar ist, dass die Entscheidungen eineinhalb Jahre dauern.

Frau Kollegin Grönert, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Frau Leonidakis?

Bitte, Frau Leonidakis!

Frau Kollegin, ich frage mich gerade, auf welche Sachkenntnis Sie Ihre Aussage zu der Geeignetheit der Inanspruchnahme des Einwanderungsgesetzes stützen!

Auf welche Sachkenntnis?

(Abg. Röwekamp [CDU]: Mit der Frage müssen wir sie wohl allein lassen! - Abg. Frau Leonidakis [DIE LINKE]: Offensichtlich!)

Ich bin jetzt nicht die, die das Einwanderungsgesetz diskutiert. Ich habe einiges darüber gelesen, wie ein Einwanderungsgesetz in der Wirkung sein sollte.

(Abg. Frau Leonidakis [DIE LINKE]: Woher wissen Sie, dass die jungen Leute, über die wir hier spre- chen, dafür nicht infrage kommen?)

Das ist dann die zweite Frage. Aber so, wie wir das diskutieren - -.

(Abg. Röwekamp [CDU]: So, wie Sie das diskutie- ren, ist es wohl ein anderes Einwanderungsgesetz! - Unruhe - Glocke)

Als das, was Herr Buhlert meint oder was Sie meinen, nehme ich an! Das kann natürlich sein, das lasse ich jetzt einmal so stehen. Es muss sich am Ende ja zeigen, wenn es eins gibt, wer sich durchsetzt. - Vielen Dank!

(Beifall CDU)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Dr. Buhlert.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Natürlich, Frau Leonidakis, haben Sie recht, es geht um das Recht von Menschen, die vielleicht noch jugendlich sind und damit unter bestimmte besondere Schutzrechte der Kinderschutzkonvention fallen. Diese gilt es abzuwägen gegen die Interessen Bremens, nachdem die Behörde festgestellt hat, sie fallen nicht darunter. Die Interessen der Gesellschaft muss man eben auch berücksichtigen, und da muss man dann schauen, dass eine vernünftige und schnelle Entscheidung stattfindet. Insofern gilt es nicht nur, die Interessen der Einzelnen zu sehen, die meiner Meinung nach einen Anspruch darauf haben, dass schnell entschieden wird, sondern auch den Anspruch der Gesellschaft, dass diese Menschen nach dem Recht, das wir uns gegeben haben in Deutschland, auch behandelt werden. Dieses Recht haben wir.

Dann komme ich noch zu dem Punkt, dass sie natürlich auch das Recht haben, dagegen Rechtsmittel einzulegen. Dazu muss ich noch einmal sagen, Frau Grönert, das ist kein Schlupfloch wie ein Steuerschlupfloch, sondern es ist ein Widerspruchsverfahren, ein Verfahren vor Gericht. Das ist eben kein Schlupfloch, sondern das ist Rechtsstaat. Dazu stehe ich, und dafür kämpfe ich hier!

(Beifall FDP, Bündnis 90/Die Grünen)

Das hat auch nichts mit rechts und links zu tun. Natürlich geht es darum zu schauen, dass wir dort zu einer besseren Unterbringungsmöglichkeit kommen. Frau Leonidakis, Sie werden aber erleben, dass wir Ihrem Antrag nicht zustimmen werden, denn darin steht „unverzüglich“. Das heißt, ohne schuldhaftes Zögern. Nach unserer Überzeugung dauert es noch ein wenig, bis wir die Möglichkeit der Schließung haben, und dann bleibe ich dabei, separat für diese Gruppe ist in der jetzigen Rechtslage angebracht. - Herzlichen Dank!

(Beifall FDP)

Als nächste Rednerin hat das Wort Frau Senatorin Stahmann.

Herr Präsident, sehr verehrte Damen und Herren! Der Antrag der LINKEN fordert vom Sozialressort die unverzügliche Auflösung der Erstaufnahmeeinrichtung in der GottliebDaimler-Straße. Das wäre heute Morgen auch schon Teil der Fragestunde gewesen unter, wie ich finde, einem etwas polemischeren Titel „Warum müssen Geflüchtete trotz Leerstand in Zelten leben?“ Ich will noch einmal ganz deutlich sagen, dass das Land Bremen derzeit keine Personen in Zelten unterbringt, das habe ich auch in der Deputation zurückgewiesen, das finde ich auch unfair! Richtig ist, wir nutzen diese Leichtbauhallen, die Bremen gekauft hat, die sich in unserem Besitz befinden, die wir auch in der Überseestadt aufgebaut hatten, wo wir zu Spitzenzeiten 500 bis 600 Menschen unterbringen mussten, um sie vor Obdachlosigkeit zu bewahren.

Ich finde es auch nicht falsch, dass wir diese Leichtbauhallen nutzen, die auch in anderen Ländern errichtet worden sind. Ich sage auch noch einmal etwas dazu, dort gibt es feste Außenwände, Fenster, gemeinschaftliche Sanitäranlagen, die Hallen sind beheizbar, sie sind winterfest und sturmsicher. Die Anlagen sind mit zehn bewohnbaren Leichtbauhallen ausgestattet, flexibel als Dependance der Erstaufnahme nutzbar und aus unserer Sicht dafür

auch gut geeignet. In der Anlage werden nur so viele Hallen in Betrieb genommen, wie für die jeweilige Bewohnerzahl erforderlich sind. In Zeiten hoher Zugänge lassen sich die übrigen Hallen auch mit sehr kurzem Vorlauf in Betrieb nehmen. Das sind für uns organisatorisch wichtige Punkte.

Nur, liebe Frau Leonidakis, was soll ich als Sozialsenatorin machen? Die einen sagen, wir behandeln die Flüchtlinge zu gut. Die anderen sagen, wir behandeln die Flüchtlinge zu schlecht. Die FDP schafft es, beides in einem Redebeitrag zu sagen.

(Beifall CDU, Bündnis 90/Die Grünen - Heiterkeit)

Was soll ich als Sozialsenatorin machen? Es handelt sich um einen Personenkreis, bei dem wir gehalten sind, das Sachleistungsprinzip zu erfüllen, etwas, was sich keine grüne Integrationsministerin und auch kein SPD-Kollege jetzt ausgedacht hat, sondern was auf der Bundesebene massiv von einer CDU/CSU- und FDP-Regierung durchgesetzt wurde. Laut Asylbewerberleistungsgesetz - bei dem wir auch noch nie eine Mehrheit gefunden haben, weder im Bundesrat noch im Bundestag - müssen wir den Personenkreis, der sich weigert, einen Asylantrag zu stellen, unterbringen und nach dem Sachleistungsprinzip versorgen. Das heißt, diese Menschen dürfen keine eigenen Küchen haben, sie werden mit einer Gemeinschaftsküche verpflegt. Es gibt eben auch Gemeinschaftssanitärräume, und das ist etwas anderes als eine Herberge, als ein Hotel. Das ist auch etwas anderes als die Lindenstraße in Blumenthal, wo Menschen oft mehrere Monate mit ihren Kindern oder auch allein leben, die aber einen Asylantrag gestellt haben.

Ehrlich, ich bin bei den Grünen, aber ich finde, wer in Deutschland um Asyl bittet, muss einen Asylantrag stellen. Das ist die Grundlage, und dann helfen wir. Wir helfen in Bremen menschlich, wir kümmern uns um die Menschen, und wir bestrafen auch nicht Menschen, weil sie nicht nett zu uns sind. In diese Einrichtung nehmen wir Menschen auf, bei denen wir aber auch rechtlich zu einer Einschätzung gekommen sind.

Im Jahr 2015 haben wir bei der Altersfeststellung das erste Mal eine bundesgesetzliche Regelung mit allen Bundesländern und dem Bundesgesetzgeber vereinbart, zu der wir gesagt haben, nach einem sehr umfangreichen Verfahren der Altersfeststellung - ich habe hier mehrfach vorgestellt, wie hoch komplex es ist, und auch, dass wir erfahrene, geschulte Mitarbeiter haben, die Fluchtgeschichten,

Biografien, Fingerabdrücke auswerten, Herr Kollege Ehmke sitzt hier, wir arbeiten ja auch mit der Polizei eng zusammen - greift auch das Bundesland Bremen in diesem zweistufigen Verfahren, das vereinbart wurde, im Zweifelsfall auf eine ärztliche Untersuchung zurück, Frau Grönert hat es angesprochen. Das machen wir aber nicht als Reihenuntersuchung, sondern nur dann, wenn wir sagen, das ist strittig, und eine zahnärztliche Untersuchung könnte uns weiterhelfen.

(Abg. Frau Leonidakis [DIE LINKE] meldet sich zu einer Zwischenfrage. - Glocke)

Ich möchte noch weiterreden, Herr Imhoff. Entschuldigen Sie bitte, Frau Leonidakis!

Es gibt aber eben auch Fälle, bei denen unsere Jugendamtsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter sagen - Frau Görgü-Philipp ist heute nicht hier, sie hätte das jetzt auch noch einmal gesagt, sie hat lange im Amt für Soziale Dienste gearbeitet -, dieser Asylbewerber erklärt, er sei unter 18 Jahre alt, er ist aber nicht unter 18 Jahre alt, die Fluchtgeschichte ist nicht plausibel, er ist von seiner Entwicklung her weiter, und wir sagen, diese Person ist nicht unter 18, wir stufen sie als Erwachsenen ein. Diese Menschen werden dann auch über ihre Rechte informiert und bekommen ein Flugblatt in ihrer Muttersprache, einen Handzettel, auf dem ihre Rechte genau definiert sind und wo ihnen auch gesagt wird, dass sie in der Zentralen Aufnahmestelle vorsprechen können, dass die Gottlieb-Daimler-Straße die Stelle ist, wo sie unterkommen können, wo sie auch eine Begleitung sowie Ansprechpartnerinnen und partner finden. Darauf werden wir auch weiter in den nächsten Wochen zurückgreifen müssen.

(Abg. Frau Vogt [DIE LINKE]: Aber warum kann man sie nicht an einem vernünftigen Ort unterbrin- gen?)

Deswegen werden wir die Einrichtung GottliebDaimler-Straße nicht unverzüglich auflösen. Für uns sind damit die rechtlichen Mittel ausgeschöpft. Das ist sozusagen das, was wir gesetzlich erfüllen.

Der andere Punkt ist - -. Entschuldigung, jetzt habe ich gerade einmal eben meinen Denkfaden verloren! Herr Buhlert hatte angesprochen, dass auf Bundesebene jetzt auch eine ganz andere Debatte startet, nämlich dass Jugendliche gar nicht mehr nach der UN-Kinderschutzkonvention behandelt werden, die nämlich einen besonderen Schutz vorsieht, wenn sie hier einreisen, sondern sie sollen nach den Plänen der CDU/CSU - und ich sage es