Protokoll der Sitzung vom 21.06.2018

Meine Damen und Herren, niemand bezweifelt, dass Bremen eine lebenswerte Stadt ist.

(Abgeordneter Dr. vom Bruch [CDU]: Doch, Herr Schäfer!)

Herr Schäfer, ja gut, den nehmen wir jetzt einmal heraus. Niemand bezweifelt, dass wir hier gute Hochschulen und tolle Universitäten haben. Des Weiteren bezweifelt niemand, dass Touristen unsere Städte schön finden. Darüber können wir ja auch in der Antwort des Senats eine ganze Menge Worte lesen. Worüber aber der Senat eben überhaupt kein Wort verliert, ist das Thema Qualität in der Schule, nicht ein einziges Wort. Ganztagsschule und der Übergang von Schule in den Beruf sind wichtige Themen, aber das ist im Grundsatz nicht das von der OHB und anderen Unternehmen angesprochene Problem. Es geht nämlich um den Ruf des Bremer Bildungssystems, und es geht darum, dass die Qualität der Bremer Grundschulen, Oberschulen und Gymnasien besser werden muss.

(Beifall FDP)

Es ist schön, dass wir ein paar ausgezeichnete Schulen haben. Darauf können wir auch stolz sein, das können wir auch gern kommunizieren, aber es reicht eben einfach nicht aus. Schauen wir uns doch einmal an, wie es aussieht mit der Qualität der Schulen. PISA-Test 2006: Letzter unter den Bundesländern. PISA-Test 2009: Letzter unter den Bundesländern. IQB-Test 2015: Letzter unter den Bundesländern. IQB-Test 2016: Letzter unter den Bundesländern. Da erklären Sie mir einmal, woher da die Qualität im Bremer Schulsystem kommt.

(Beifall FDP)

Die Testergebnisse sind der größte Imageschaden, und diese Testergebnisse schrecken Familien davor ab, nach Bremen zu ziehen und sich auch als Fachkräfte für Bremen zu entscheiden. Nicht dass ein falscher Eindruck entsteht. Wir haben in Bremen natürlich gute und auch ausgezeichnete Schulen, ganz klar. Dennoch, für den Standort Bremen ist es elementar, dass unsere Schulen im Schnitt einfach besser werden müssen. Antworten darauf, wie der Senat diesen Durchschnitt verbessern will, gibt es in der Großen Anfrage aber gar keine. Die Senatorin für Bildung lässt bisher auch überhaupt nicht erkennen, dass sie das Qualitätsproblem erkannt hat. Wer das Problem nicht erkennt, kann das Problem auch nicht beheben.

Auch an anderer Stelle hapert es. Der Fokus auf das Cluster Ernährung scheint angesichts des Weggangs von Kellogg, Hachez und des Personalabbaus auch bei Mondelez vielleicht nicht mehr ganz so zeitgemäß zu sein. Die Ausbildungsgarantie funktioniert – zumindest für uns erwartungsgemäß – nicht, und die Kinderbetreuungssituation ist insbesondere in der Stadt Bremen absolut angespannt.

Es gibt kaum mehr MINT-Förderprogramme für Mädchen im Schulalltag, in dem Bereich sind die meisten Programme eingestellt worden. Des Weiteren fehlt bei der Marketingstrategie auch eine echte Evaluierung. Bei Bremen-Online wird Marketing mit Instawalk gemacht, aber leider ohne einflussreiche Instagrammer. Früher war bremen.de noch unter den Top 3, wurde mehrfach benannt. Heute, nach dem Relaunch, gibt es gar keine Erwähnung mehr. Bundesweit gibt es immer wieder Negativnachrichten, gerade zuletzt über das BAMF, über den BAMF-Skandal, hohes Armuts- und Langzeitarbeitslosenrisiko und viele

Themen mehr, aber das wird offensichtlich vom Senat völlig ignoriert. Korrekt ist, Bremens Wirtschaft ist in den vergangenen Jahren gewachsen. Das ist sie aber trotz der Politik und leider nicht wegen der Politik.

(Beifall FDP)

Der Senat lobt hier das tolle Wirtschaftswachstum in der Antwort. Seit dem Jahr 2007 hat die Wirtschaft in Bremen um 24 Prozent zugelegt. Ja, das ist super. Seit 2007 hat die Wirtschaft in Deutschland aber insgesamt um 30 Prozent zugelegt, und das ist besser. Auch bei den Arbeitnehmern sieht es bei genauem Hinsehen nicht ganz so rosig aus. Bremen hat 8,5 Prozent mehr Erwerbstätige, im Bundesdurchschnitt sind es aber 11,7 Prozent, und so erfolgreich ist dann offensichtlich die rot-grüne Wirtschaftspolitik eben nicht. Wirtschaftspolitik ist beim Senat erkennbar schlecht aufgehoben: Landesmindestlohn, Wohnraumschutzgesetz, Gewerbesteuer in der Stadt Bremen und so weiter. Wir haben ein höchstes Armutsrisiko, viele Langzeitarbeitslose, und vom Verkehrschaos wollen wir jetzt gar nicht erst anfangen.

(Glocke)

Als Fraktion der FDP trauen wir dem Senat jedenfalls nicht zu, das Ruder herumzureißen. Bessere Nachrichten für die Wirtschaft und die Arbeitnehmer kommen dann hoffentlich im Mai nächsten Jahres. – Vielen Dank!

(Beifall FDP)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Kastendiek.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Schäfer, Sie haben Ihren Redebeitrag einleitend damit begonnen, dass Sie gesagt haben, Sie sind eigentlich nur noch in Bremen, weil Sie Ihr Geld hier verdienen. Ich weiß nicht, ob Ihnen bewusst ist, was Sie damit zum Ausdruck gebracht haben.

(Beifall CDU, SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE)

Wenn nicht, dann sollten Sie sich einmal § 83 der Landesverfassung durchlesen. Dort heißt es, dass die Abgeordneten der Bremischen Bürgerschaft die Bevölkerung vertreten und eine besondere Treuepflicht haben.

(Beifall CDU, SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE)

Ich behaupte – und das sage ich sehr bewusst –, dass Sie mit der Einstellung, die Sie hier eben gerade einleitend zu Ihrem Redebeitrag zum Besten gegeben haben, diesen Anforderungen aus § 83 nicht gerecht werden. Dann sollten Sie sich ernsthaft Gedanken machen – und es ist mir auch bewusst, was das bedeutet –, ob der Platz, den Sie hier in diesem Hause einnehmen, wirklich noch der richtige ist.

(Beifall CDU, SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE, FDP)

Herr Reinken, man hätte eigentlich das Drehbuch schon vorher niederschreiben können. Sie haben von dem hervorragenden Prozess zur Erarbeitung des Tourismuskonzepts und der Tourismusstrategie gesprochen. Offensichtlich haben Sie mir in der Deputation nicht richtig zugehört, denn dann hätten Sie es nämlich gerade nicht so behauptet, wie Sie es getan haben. Ich habe in der Deputation im Namen der Fraktion der CDU den Prozess, den Analyseprozess, zu dem es zahlreiche Workshops gab und an dem 150 Menschen beteiligt worden sind, ausdrücklich gelobt. Ich habe nur kritisiert, was der Senat daraus gemacht hat, der am Ende diese hervorragende Arbeit in einer Nacht-undNebel-Aktion in ein Konzept eingebettet hat, das keine Nachhaltigkeit besitzt. Das ist genau der Kritikpunkt an dieser wichtigen strukturpolitischen Maßnahme, den sich der Senat jetzt zu eigen macht und wo wir der Auffassung sind, dass es zu kurz gefasst ist.

(Beifall CDU)

Weil wir auch da wieder gleich, ich sage einmal, 80 Prozent dessen hören, was wir sonst auch immer von der Senatsbank hören, deswegen kann ich mich eigentlich den nachdenklichen Worten des Kollegen Bücking anschließen. Einfach mal darüber nachzudenken, neben eigener Schönfärberei und sich selbst auf die Schulter zu klopfen – –. Ich weiß ja, wenn man sich gegenseitig zehn Mal auf die Schulter klopft, glaubt man irgendwann einmal, dass man ein toller Typ ist und es eigentlich keine Besseren in diesem Lande gibt, aber man sollte einmal eine selbstkritische Haltung einnehmen und darüber nachdenken, an welchen Stellen wir ansetzen sollten – auch in der Außenwirkung, trotz aller positiven und tollen Dinge, die in dieser Stadt passieren –, damit wir genau am Image, das nach außen wirkt, Verbesserungen vornehmen.

Die Stichworte sind von der Kollegin Frau Steiner ja eben gefallen, man könnte an der Stelle die Dinge aus der Statistik weiter aufzählen, natürlich, denn man kann positive und negative Dinge aufnehmen, und das macht natürlich das Spannungsfeld deutlich. Das macht aber auch deutlich, dass reine Schönfärberei in dieser Frage nicht ausreicht, sondern dass in dieser Frage eine kritische Haltung erforderlich ist, eine selbstkritische und konstruktive Haltung und nicht das, was wir in dieser Antwort des Senats zum Besten bekommen haben: Alles ist toll, alles ist schön, es geht gar nicht schöner.

Leider haben offensichtlich die Menschen außerhalb von Bremen einen anderen Eindruck, und es sollte unser Leitfaden und unsere Aufgabe sein, daran zu arbeiten, damit sich das verbessert. – Vielen Dank!

(Beifall CDU, FDP)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Rupp.

Frau Präsidentin, sehr verehrte Damen und Herren! Weil ich auch befürchte, dass der Kollege Staatsrat, der gleich reden wird, auch wieder im Wesentlichen erklären wird, dass jemand, der Probleme sieht, einfach nur ein Pessimist ist und wir einfach nur einen positiven Gesamteindruck ausstrahlen müssen, dass schon alles gut wird, habe ich ein paar konkrete Fragen, die er vielleicht beantworten kann.

Warum ist die Gesundheitswirtschaft kein Cluster in Bremen im Sinne der Strategie der Wirtschaftsentwicklung? Warum sind wissensintensive Dienstleistungen kein Cluster? Wie genau wollen Sie wirksam die weichen Standortfaktoren wie Wohnumfeld, Bildung, Kindertagesstätten und Ähnliches und soziales Umfeld entwickeln? Was haben Sie da genau analysiert? Gibt es Schwächen, gibt es Stärken, und was tun wir genau?

Sie könnten auch einmal erklären, warum es ausnahmsweise im Jahr 2016 Binnenfernwanderungen – also von Menschen aus anderen Bundesländern, sage ich einmal – von plus 1 386 gegeben hat, während in allen Jahren vorher so gut wie niemand aus anderen Bundesländern nach Bremen gekommen ist, das steht in der Antwort auf die Anfrage. Das würde mich einmal interessieren. Liegt es daran, weil die Jacobs University irgendwie gerade ihre – –? Die wären dann aber ja nicht aus anderen Bundesländern gekommen, sondern von außerhalb. Das muss man also einmal erklären.

Ich würde gern auch noch einmal den Fokus darauf richten, was wir eigentlich genau tun, um Alleinerziehenden eine Berufstätigkeit zu ermöglichen. Davon haben wir meines Erachtens zu viele. Was machen wir genau im Rahmen von Wirtschaftsentwicklungsstrategien, Clusterstrategien, um mehr Frauen in Leitungsfunktionen zu bekommen? Was tun wir im Rahmen von Clusterstrategien, um in irgendeiner Weise gemeinsame Erziehungsarbeit und gleichberechtigte Teilung von Arbeit und Erziehung zu fördern?

Ich erinnere daran, gerade diesen Teil der Übung beachtet die Wirtschaftsentwicklung/Wirtschaftsförderung so gut wie nicht. Es gibt jetzt ein, zwei Dinge, bei denen man den Eindruck hat, es könnte sein, dass da ein zartes Licht am Ende des Tunnels zu sehen ist, aber etwas richtig Wirksames gibt es da meines Erachtens nicht. Wenn es geht, würde ich darum bitten, dass Herr Staatsrat Siering diese Fragen beantwortet. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!

(Beifall DIE LINKE)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Reinken.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir kommen hier jetzt ein bisschen vom Hölzchen aufs Stöckchen. Ich möchte noch ganz konkret zwei, drei Sachen sagen. Zum einen ist ja nicht neu, dass wir im Moment ein großes Problem mit Fachkräften haben, und dass ein Standort auch besondere Anstrengungen unternehmen muss, um Fachkräfte durch interessante Faktoren zu binden, ist auch nicht neu. Ich bin aber auch nicht bereit, über jedes Stöckchen zu springen, das ein Personalchef hinhält, das will ich einmal sehr deutlich sagen.

(Beifall SPD)

Ob Herr Hoffmann nur recht hat mit dem, was er sagt, oder ob nicht vielleicht auch der HR-Bereich in diesem Haus eigene Hausarbeiten zu machen hat, und wenn der Preis der Ware Arbeitskraft im Fachkräftebereich sozusagen heutzutage etwas anders gestaltet wird und man da vielleicht auch ein bisschen etwas überlegen muss, diese Frage muss man in diesem Hause erörtern. Nicht alles, was den Fachkräftebedarf betrifft, kann also durch das gedeckt werden, was die Politik macht, ein bisschen werden die Unternehmen auch tun müssen. Das ist die eine Bemerkung.

Zweite Bemerkung: Frau Steiner, wir machen ja im Moment auch gemeinsam ein paar Sachen im Bereich Richtung Fachkräfte. Ich bin sehr froh darüber, dass Sie unsere Initiative unterstützen, Wirtschaftsförderung mit dem Werben um Fachkräfte und auch der Ausbildung von Fachkräften deutlicher zu verbinden. Natürlich können und müssen wir hier noch zulegen, insbesondere in Bezug auf Ausbildung, das Heranziehen von Fachkräften im Bereich wissensorientierter Dienstleistung, EDV und so weiter.

Dritte Bemerkung, anknüpfend an das, was Herr Kastendiek zuletzt gesagt hat: Ich will einmal sagen, bis auf ein paar Sachen teile ich davon sehr viel, vor allen Dingen die Frage – jetzt schauen Sie ein bisschen misstrauisch! –, wo man ansetzt. Sie haben richtigerweise mit Blick auf Herrn Schäfer unsere eigene Rolle mit einem Zitat aus der Landesverfassung angemahnt, die ich in diesem Moment gar nicht so richtig präsent hatte, so schnell, wie Sie waren. Das ist ein völlig richtiger Ansatz. Ich will einmal eines sehr deutlich sagen: Die Frage, wie man mit Blick darauf, dass wir das Land und die Bevölkerung repräsentieren, unsere Kommentierung von Tagesereignissen machen und auch die Bewertung von eigenen Anstrengungen, geht weit über das hinaus, was aus wahltaktischen Gesichtspunkten gerade einmal opportun ist.

Die Frage, ob man aus irgendeinem Ereignis in Bremen einen wahltaktischen Vorteil ziehen kann, wirkt über das Jahr 2019 hinaus. Deswegen ist das auch ein klarer Appell, dass wir gemeinsam dazu beitragen, eine Imageverbesserung vorzunehmen.

Dann sagt Frau Steiner hier, da gab es den Bremer BAMF-Skandal, und dann lese die Pressemitteilung von Herrn Illers, mit der er versucht, unseren Innensenator in Zusammenhang mit den Fehlleistungen des Innenministeriums zu bringen. Dann stelle ich fest, die Bundespresse berichtet über den Bremer BAMF-Skandal – Bremen! –, und das Innenministerium taucht erst einmal gar nicht auf, und die Bremer CDU fragt, was hat der Bremer Innensenator mit dem Bremer BAMF-Skandal zu tun und macht die Verknüpfung. Das finde ich völlig falsch!

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen – Vizepräsi- dent Imhoff übernimmt den Vorsitz.)

Zur Imagebildung! Ich will es einmal scherzhaft sagen: Das Wirtschaftsressort hat es geschafft, dass in diesem Jahr der Raumfahrtkongress in Bremen stattfindet, das finde ich eine tolle Leistung. Wie

kommentieren wir das dann? Ich sage einmal vorausschauend, ich erwarte eine Pressemitteilung von der CDU oder vielleicht auch von der FDP: Was nützt der ganze Raumfahrtkongress in Bremen mit 5 000 Beteiligten? Solange kein Bremer oben im Weltall ist, beweisen wir damit ja nur, dass die Bremer Bildungspolitik das nicht gebracht hat, und das Ganze nützt nichts.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen – Abgeordne- ter Dr. Buhlert [FDP]: Man kann es übertreiben!)

Man kann übertreiben, man muss manchmal auch übertreiben!

Ich finde, anknüpfend an das, was der Kollege Kastendiek richtigerweise über unsere Rolle als Abgeordnete gesagt hat, sollten wir uns darauf einigen – auch ohne, dass wir wahltaktische Überlegungen mit Blick auf das Jahr 2019 haben –, nicht jedes Ereignis, das wir in Bremen kritisch betrachten und an dem wir arbeiten müssen, zu einem bundesweiten Skandal hochzureden, der dann sozusagen unsere Imagefrage hochzieht. Diese ist in der Tat an vielen Stellen verbesserungsbedürftig, das halte ich für eine dringende Aufgabe.

Dass wir gemeinsam das betonen, was diese Stadt mit ihrer Bevölkerung, mit den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern und den vielen Menschen, die hier unterwegs sind in der Wissenschaft und in den Schulen, wirklich Positives bewegt, ich finde, da hätten wir eine gemeinsame Aufgabe. Dann tun wir neben dem, was das Ressort jetzt hoffentlich macht, auch noch viel dafür, dass das Image Bremens als der attraktive Standort, der er ist, noch weiter gehoben wird.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)