Protokoll der Sitzung vom 21.06.2018

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Bücking.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich finde, jetzt sollte man Herrn Kastendiek auch nicht überschätzen. Ganz allein schafft er das nicht mit der Beschädigung des Images unserer Stadt. Das ist ja gerade meine These.

(Abgeordneter Dr. vom Bruch [CDU]: Nein, es ist ja keine Unterstützung nötig!)

Ich glaube, diese Stadt kommuniziert sich zu allererst selbst mit ihrem Eigensinn, mit ihren Krisen, mit ihren Erfolgen, mit ihren inneren Konflikten,

mit ihrer Müdigkeit, mit ihrem Aufbruch und alldem. Das ist der stärkste Effekt in der Wahrnehmung von unserem Gemeinwesen durch andere Gemeinwesen. Es ist natürlich eine Fantasie, sich vorzustellen, Bremen hätte so etwas wie einen gemeinsamen Charakter, alle Bremer hätten so etwas wie bestimmte gemeinsame Mentalitätszüge oder Vergleichbares. Alles Unsinn, alles nur erfunden! Das sind aber ehrenwerte, würde ich einmal sagen, ehrenwerte Lügen, wenn wir sagen, mit einem gewissen norddeutschen Temperament wären wir pragmatisch beschäftigt und tolerant und in jeder Beziehung Menschenfreunde und leistungsfähig.

Das kann man alles ausführlich erzählen, tut niemandem weh, ist alles richtig, muss nur ein bisschen glaubwürdig sein und gelegentlich durch Aktionen aus der Wirklichkeit der Stadt bestätigt werden. Ich bin einmal von einem Tagesschaubild über Leipzig ziemlich elektrisiert gewesen. Da sah man eine Menschenkette, die ging, glaube ich, fast um einen Häuserblock herum. Und wofür standen die an? Für einen Kitaplatz. Ja, dieses gleiche Leipzig wächst Jahr für Jahr um ungefähr 10 000 Menschen. Sie kommen nicht hinterher mit ihrer sozialen Infrastruktur, was für die Beteiligten, glaube ich, ein ziemlicher Schmerz ist. Aber sie lassen sich offenkundig nicht davon abhalten, nach Leipzig zu ziehen. Das ist schon einmal ein Phänomen. Ich glaube übrigens nicht, dass es daran liegt, dass da so segensreich DIE LINKE irgendwie in der Kommunalpolitik mitspielt. Es mag aber auch dazu beitragen. Ich will sagen, Stadt ist mehr als Staatstätigkeit. Stadt ist sowieso viel mehr als Politik, was ja noch weniger ist als Staatstätigkeit. Ich glaube, die Stadt abzusuchen, abzuhorchen, zu beobachten und die Dinge, die eine Macht zur Kommunikation entwickeln, herauszustellen, das ist eine wichtige Entscheidung einer klugen imagebildenden Politik, dafür möchte ich hart werben.

Noch ein kleines Beispiel. Berlin. Ich meine, wenn eine Stadt in ihrem öffentlichen Dienst und in ihrer Politik ein, ich sage einmal, beschädigtes Image hat, dann ist es unsere Hauptstadt. Daran kann keiner zweifeln, wenn man sich die Situation damals bei der Flüchtlingsaufnahme und anderes in Erinnerung ruft. Diese Stadt ist aber, wie sagte damals der Bürgermeister, arm aber sexy. Damit hatte er eine Sprachfigur gefunden, mit der er zwei unangreifbare Aussagen gemacht hat, nämlich arm, aber etwas ganz Besonderes. Ich glaube, wir können glaubwürdig über Bremen nur kommunizieren, wenn wir es schaffen, unser Wissen davon, dass wir es auf bestimmten Gebieten noch nicht ge

schafft haben, dass wir quälend lange dafür gebraucht haben, die Dinge zu verändern, in die Botschaften der Werbung für unsere Stadt einzubauen, das müssen wir hinbekommen.

Das läuft dann nicht auf arm aber sexy hinaus, es läuft auch nicht auf dumm aber erfolgreich hinaus oder sonst irgendetwas, sondern es geht darum, dass man aufhört, mit selbstüberschätzend über Bremen Dinge zu erzählen, die sichtbar nicht stimmen und trotzdem mit allem angemessenem Selbstbewusstsein für diese Stadt zu werben, die es ernsthaft verdient hat, dass man stolz auf sie ist. – Vielen Dank!

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort Staatsrat Siering.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist eine typisch bremische Eigenschaft, gerade auch bei dieser Debatte, wenn es um das Image geht, das Understatement, die eigene Unzufriedenheit, die dabei immer wieder eine Rolle spielt. Herr Kastendiek, es tut mir leid, ich will Sie nicht enttäuschen, deswegen will ich natürlich etwas dazu sagen, dass der Wirtschaftsstandort Bremen natürlich ein erfolgreicher ist. Seit vielen Jahren übertreffen wir im Wachstum deutlich den Bundesdurchschnitt. Im letzten Jahr ist das Bruttoinlandsprodukt in Bremen um drei Prozent gewachsen. Auch die Entwicklung bei den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten zeigt noch einmal deutlich die Stärke unserer Wirtschaft.

(Zwischenruf Abgeordneter Rupp [DIE LINKE])

Ich will einmal gern aus einer Pressemitteilung zitieren, die die Handelskammer gestern herausgegeben hat. Die Handelskammer ist jetzt nicht im Verdacht, für den rot-grünen Senat unbedingt Pressemitteilungen abzusetzen, aber dort heißt es in der ersten Zeile: „Die Wirtschaft in Bremen ist zum dritten Mal in Folge überdurchschnittlich gewachsen. Mit preisbereinigten 3,3 Prozent hatte Bremen 2017 das höchste Wirtschaftswachstum aller Länder, das im Bundesdurchschnitt bei 2,2 Prozent lag.“

(Abgeordneter Dr. Buhlert [FDP]: Wie hoch ist die Quote im Vergleich zu den anderen? – Abgeordne- ter Dr. vom Bruch [CDU]: Und wo ist jetzt das Lob für den Senat?)

Das zeigt doch deutlich, dass das Wirtschaftswachstum in dieser Stadt außerordentlich ist, dass wir eine gesunde Wirtschaft haben, dass wir ein starker Standort in dem Bereich sind.

(Beifall SPD – Abgeordneter Dr. vom Bruch [CDU]: Und das trotz dieser Regierung!)

Es ist nicht trotz dieser Regierung, sondern die Arbeitsplätze, auf die ich jetzt komme, schaffen Unternehmer, die schafft nicht der Staat. Der Staat sorgt aber für die Rahmenbedingungen, und die Rahmenbedingungen haben dazu geführt, dass seit 2007 45 000 zusätzliche sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze in Bremen und Bremerhaven entstanden sind und dass wir, nach den Angaben des Statistischen Landesamtes, für das letzte Jahr mit zwei Prozent weiterem Zuwachs rechnen.

Herr Staatsrat, würden Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Rupp zulassen?

Er hat eben schon so viele Fragen gestellt, die ich versuchen will, auch gleich noch zu beantworten, da kommt es auf die eine auch nicht mehr an.

Herr Rupp, Sie haben das Wort.

Wir haben hier eine Antwort auf unsere Anfrage zum Landesinvestitionsprogramm, und da haben wir eine Tabelle, Bruttoinlandsprodukt Bremen-Deutschland 2014, Bremen 1,1, Deutschland 1,9. 2015 Bremen 1,1, Deutschland 1,7. 2016 Bremen 1,7, Deutschland 1,9. Diese Tabelle sagt nicht, dass wir mehrere Jahre hintereinander ein überdurchschnittliches, also über dem Bundesdurchschnitt liegendes Wachstum haben. Wie erklären Sie sich diese Zahlen in dieser Anfrage und Ihre Einschätzung? Eins von beiden muss falsch sein.

Ich kann es Ihnen im Moment überhaupt nicht erklären, –

(Abgeordnete Vogt [DIE LINKE]: Das ist doch Ihre Senatsantwort!)

weil ich das Dokument noch nicht einmal vorliegen habe und gar nicht genau weiß, aus welcher Tabelle Sie dort zitieren.

Arbeitskreis Volkswirtschaften.

Entschuldigung, wir beziehen uns bei unseren Daten auf die, die das Statistische Landesamt oder das Statistische Bundesamt ausgeben. Das sind für uns die verbindlichen Daten. Insofern sind das auch für uns die, die wir hier im Parlament selbstverständlich bekannt geben. Folglich bleibt es bei den Zahlen, die ich Ihnen genannt habe. In den letzten Jahren sind wir überdurchschnittlich gewachsen, im vergangenen Jahr um mehr als drei Prozent. Ich bleibe dabei, es tut mir Leid.

Herr Staatsrat, würden Sie noch eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Buhlert zulassen?

Unbedingt!

Herr Dr. Buhlert, Sie haben das Wort.

Herr Staatsrat, Sie haben dargestellt, wie die sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten zugenommen haben. Was uns aber als Landespolitiker interessiert, ist, wie hat sich die Arbeitslosenquote in Bremen und Bremerhaven in den vergangenen Jahren entwickelt? Haben wir da schon genügend getan, um voranzukommen, damit die Menschen, die in dieser Stadt und in diesem Land leben, entsprechend Beschäftigung finden und wir nicht nur eine Metropole in der Region sind? Das hat viel mit dem zu tun, da stimmen Sie mir vielleicht zu, wer hier Arbeit findet, und das hat auch damit zu tun, wie er ausgebildet und gebildet ist.

Solange wir eine solch signifikante Zahl von arbeitslosen Menschen in Bremen haben, kann man nur sagen, ausreichend ist es noch nicht.

(Abgeordneter Kastendiek [CDU]: Was heißt denn signifikant?)

Wir müssen uns weiter anstrengen, dass wir damit gescheit umgehen. Deswegen ja, wir müssen unsere Anstrengungen an der Stelle verstärken. Dass wir an der Stelle aber auch bereits viel unternommen und getan haben, das zeigt, dass die Arbeitslosenzahlen in den vergangenen Jahren und Monaten signifikant zurückgegangen sind, dass wir heute mit unseren Statistiken in der Stadt Bremen bei ungefähr acht Prozent liegen, in Bremerhaven Riesenschritte gemacht haben, unter zehn Prozent liegen, –

(Abgeordneter Dr. Buhlert [FDP]: Ich glaube, die liegen bei zwölf Prozent.)

dass wir dort also zu deutlichen Verbesserungen gekommen sind. Sie haben Recht, der Landesschnitt ist bei zehn Prozent. Sie haben Recht, aber wir sind immerhin doch zu deutlichen Verbesserungen gekommen. Wir haben mehrfach hier in diesem Hause, wir haben mehrfach auch in der Deputation darüber diskutiert, dass wir gerade im Bereich der Langzeitarbeitslosigkeit an einem Feld angekommen sind – –, auch eingedenk der guten Konjunktur, die wir haben. Die Menschen, die heute keinen Job haben, sind in der Regel sehr lange arbeitslos, das ist genau der Bereich, um den wir uns sehr viel stärker kümmern müssen, um den wir uns sehr viel stärker auch tatsächlich kümmern.

Insofern auf Ihre Frage bezogen, 45 000 zusätzliche Arbeitsplätze, die entstanden sind in dieser Stadt, sind noch nicht genug, um insgesamt dem Problem vollständig Herr zu werden. Darum bemühen wir uns sehr mit unseren arbeitsmarktpolitischen Programmen.

Ich will gern auch noch einmal sagen: Die Clusterpolitik, wir haben in den letzten Jahren den Fokus in der Außenkommunikation auf die vier großen Cluster Automotive, auf Wind, auf die maritime Wirtschaft und auf Luft- und Raumfahrt gelegt. Wir haben hier Alleinstellungsmerkmale im Vergleich zu anderen Standorten, um die uns in diesen Bereichen natürlich auch viele beneiden. Deswegen will ich die Frage, die Sie vorhin gestellt haben, Herr Rupp, auch an der Stelle gern beantworten. Wenn man sich darum bemüht, in einzelnen Bereichen Leuchttürme zu haben, die man nach außen stellt, gewinnt man nicht dadurch, dass man einen Leuchtturmpark errichtet, sondern dass man signifikant große Leuchttürme errichtet, auf die man sich konzentriert.

(Beifall SPD)

Ich will damit die anderen Bereiche nicht kleinreden, damit Sie mich da nicht falsch verstehen. Wir haben so viele Beschäftigte im Gesundheitsbereich, wir haben in diesem Bereich auch hohe Kapazitäten in diesem Land. Wir müssen uns aber in der Außendarstellung auf die Bereiche konzentrieren, mit denen wir besonders stark sind, in denen wir uns besonders abheben von anderen Standorten, deswegen tun wir das mit diesen Vieren.

Ich will Ihnen sagen, Bremen ist heute ja City of Space. Wir haben mit OHB, mit Airbus, mit der ArianeGroup die großen Unternehmen am Standort. Die vier großen Institute, die uns dabei unterstützen, die Zulieferungsindustrie. Wir haben im Bereich der Raumfahrtindustrie 2 000 Beschäftigte, 12 000 haben wir allein in der gesamten Aerospace-Industrie, ein jährlicher Umsatz von vier Milliarden Euro. Das ist ein wirklich signifikanter Leuchtturm. Eine solche Ballung, wie hier in Bremen, gibt es an keinem anderen Standort in Deutschland, mit den hafen- und verkehrsorientierten Unternehmen und der logistischen Ausbildungs- und Wissenschaftskompetenz. Wir sind hier ein hervorragender Logistikstandort. Deswegen ist es auch richtig, diesen Bereich mit in der Clusterstrategie des Landes vorzusehen. Jeder fünfte Job im Land Bremen hängt von den Häfen ab.

Bremerhaven ist der große Hafen für Container und für Automobile. Die längste Stromkaje Europas mit den fünf Kilometern oder die ungefähr 2,3 Millionen Autos, die hier in Bremerhaven über die Kaikante transportiert werden, das ist natürlich auch ein Alleinstellungsmerkmal, das wir hier im Land Bremen haben.

(Beifall SPD)

Ich will gar nicht auf alle Cluster eingehen. Automotive sind natürlich dabei. Peking hat uns gerade überholt, aber das zweitgrößte Mercedes-Werk haben wir hier in Bremen mit 12 500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Das ergänzt sich natürlich mit dem Autoumschlag in Bremerhaven. Ich will deswegen deutlich sagen, dass natürlich die Clusterpolitik dafür sorgt, dass der Standort Bremen wahrgenommen wird und dass wir wirklich echte Leuchttürme hier in Bremen haben.

(Beifall SPD)

Sie sehen das auch an der Gewerbeflächenpolitik, über die wir auch mehrfach gestritten und gerungen haben. Auch hier sehen Sie ja, dass wir in Bremen durchaus erfolgreich sind. 2017 haben wir mehr als doppelt so viele Hektar an Gewerbeflächen erschlossen wie ursprünglich geplant war. Wir haben im Schwerpunkt Gewerbepark Hansalinie und im Güterverkehrszentrum eine Vielzahl von neuen Möglichkeiten geschaffen, sodass es dazu geführt hat, dass wir 2016 und 2017 68 nationale und internationale Unternehmen in Bremen angesiedelt und dadurch allein 1 000 neue zusätzliche Arbeitsplätze nach Bremen bekommen haben. Wenn wir denn so erfolgreich sind, auch in

dieser Gewerbeflächenpolitik, kann es nicht sein, dass das Image von Bremen eine solche Katastrophe ist, wie es von Ihnen so gern beschrieben wird.

(Beifall SPD)

Natürlich haben wir in Bremen – –, wie überall, das muss man ja deutlich sagen, das ist kein bremenspezifisches Problem, wir haben einen Fachkräftemangel in Deutschland. Das zieht sich durch alle Branchen, das zieht sich durch alle Standorte. Ich kann Ihnen sagen, dass ich mit vielen Unternehmern spreche, die sagen, ja, wir hätten gern eine bessere Auswahl an Fachkräften, aber wenn ich an meine Kollegen denke an anderen Standorten, die sagen, wie gut habe ich es in Bremen.

Wir haben eine ausgezeichnete Universität, die uns im IT-Bereich beispielsweise sehr viele Menschen zur Verfügung stellt, so viele Fachkräfte nämlich, wie benötigt werden, dass der Standort Bremen ein attraktiver Standort ist. Insofern haben wir für Bremen das geringste Problem. Wenn ein Unternehmen oder ein Personalchef in Süddeutschland, der für das gesamte Unternehmen verantwortlich zeichnet, sagt, Bremen ist eine graue Maus, dann muss man an der Stelle auch sagen, dass er den Fokus offensichtlich nicht wirklich auf Bremen hatte, sondern dass das vor allen Dingen eine Diskussion darüber gewesen ist, dass OHB als Spezialunternehmen natürlich auch sehr spezielle Fachkräfte suchte. Auch mit dem Unternehmen haben wir uns sehr intensiv mehrfach beraten und darüber gesprochen. Das Fachkräfteproblem, das sich daran entzündet hat, oder die Diskussion, die daran entstanden ist, die zeichnet sich in der Wirklichkeit so tatsächlich nicht ab. Deswegen bemühen wir uns natürlich um eine Vielzahl von weiteren Programmen, Maßnahmen und Möglichkeiten, wie wir damit insgesamt umgehen können, welche Initiativen wir starten können.