Protokoll der Sitzung vom 29.08.2018

Auch wir, die Christlich Demokratische Union, schließen uns mit unserer Meinung diesem Urteil an. Trotzdem kann es jeder Frau passieren, dass sie mit einer ungewollten Schwangerschaft in diese Notlage gerät. Es geht – und das ist mir von vornherein sehr wichtig zu erwähnen – bei dieser Debatte keineswegs und zu keiner Zeit um die Kritik an den betroffenen Frauen oder die Verurteilung der Ärztinnen und Ärzte, die Schwangerschaftsabbrüche vornehmen, sondern darum, dem ungeborenen Leben eine Stimme zu geben.

(Beifall CDU, BIW)

In diesem Zusammenhang verweise ich auch auf die Artikel 1 und 2 unseres Grundgesetzes.

Ein Schwangerschaftsabbruch ist auch für die betroffenen Frauen eine schwere Entscheidung und ein schwerwiegender medizinischer Eingriff mit eventuell schwerwiegenden psychologischen Folgen. Aus diesem Grund sehen wir es als Pflicht an, eine umfassende Beratung im Sinne der schwangeren Frau sicherzustellen. Dies umfasst unserer Meinung nach die Erstberatung in einer anerkannten Schwangerenkonfliktberatungsstelle, die die betroffene Frauen berät, informiert und ihnen eine freie Entscheidung ermöglicht. Dort werden ihnen neben der Klärung medizinischer Fragen auch konkrete Hilfestellungen für ein mögliches Leben mit Kind gegeben. Sollte sich die Frau dennoch für einen Abbruch entscheiden, werden ihr dort Informationen zur Verfügung gestellt, wo und von wem ein Schwangerschaftsabbruch durchgeführt wird.

So weit zur Theorie, denn mich persönlich haben die Antworten auf die Fragen zwei bis fünf der Großen Anfrage der LINKEN wirklich schockiert, wonach diese Beratungsstellen und im Übrigen auch die Gesundheitsbehörde bis gestern keine verlässlichen Informationen über Ärztinnen und Ärzte besitzen, die Schwangerschaftsabbrüche vornehmen. Einmal so ganz nebenbei: Nach dem Schwangerschaftskonfliktgesetz sind alle Bundesländer dazu verpflichtet, ein Informationsangebot von ambulanten und stationären Einrichtungen, die Abbrüche vornehmen, sicherzustellen.

Aus diesem Grund setzen wir, die CDU-Fraktion, uns dafür ein, dass diese Beratungsstellen aktuelle

Listen zur Verfügung gestellt bekommen müssen, und deshalb haben wir den Ihnen vorliegenden Gesetzentwurf vorbereitet. Unser Gesetzentwurf zur Änderung des Schwangerenberatungsgesetzes umfasst die Erstellung eben jener genannten Liste durch diese senatorische Behörde für Wissenschaft, Gesundheit und Verbraucherschutz. In dieser Liste sind dann alle Ärztinnen und Ärzte aufgeführt, die innerhalb und außerhalb eines Krankenhauses Schwangerschaftsabbrüche vornehmen und in eine Veröffentlichung ihrer Daten eingewilligt haben.

Des Weiteren wird die Senatorin per Gesetz dazu verpflichtet, diese Listen stets zu aktualisieren und den Beratungsstellen, der Ärztekammer, der KV und dem Statistischen Bundesamt zur Verfügung zu stellen. Gestern oder auch heute in der Presse durften wir dann mit großer Freude zur Kenntnis nehmen, dass sich die Senatorin dazu entschieden hat, unserem Antrag zumindest teilweise zu folgen und von einer Zwangsveröffentlichung Abstand zu nehmen.

Dass die Listen, zum Beispiel über die Homepage des Gesundheitsressorts, zusätzlich veröffentlicht werden, sehen wir jedoch als kritisch an. Die derzeitige Rechtslage lässt eine solche Veröffentlichung schlicht nicht zu. Wie den Antworten des Senats auf die Große Anfrage zu entnehmen ist, spricht sich auch die Generalstaatsanwaltschaft Bremen gegen eine Veröffentlichung der Listen aus.

Ehrlicherweise denke ich auch nicht, dass bei 100 000 registrierten Abtreibungen – Tendenz steigend – im Jahr 2017 ein generell ernsthaftes Problem besteht, einen Arzt zu finden, der einen Schwangerschaftsabbruch durchführt. Ebenso lassen sich jegliche medizinischen Informationen sowohl zur medikamentösen als auch zur operativen Abtreibung in Büchern, im Internet und in einigen Broschüren finden.

Unser Antrag, sehr geehrte Damen und Herren, berücksichtigt alle betroffenen Interessen, also das Interesse der werdenden Mutter und die des ungeborenen Kindes. Ihr Antrag, liebe Kolleginnen und Kollegen der Koalition und der LINKEN, ist ja nun eigentlich seit gestern obsolet. Wir werden ihn trotzdem aus den eben erörterten Gründen ablehnen. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!

(Beifall CDU, BIW)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Böschen.

Sehr geehrter Präsident, meine Damen und Herren! Frau Dertwinkel, unser Antrag ist mitnichten obsolet. Ich freue mich, dass die Senatorin hier bereits vorangegangen ist, aber das Ganze brauchte auch die Diskussion innerhalb der Fraktionen. Ich freue mich, dass die Linke unseren Antrag unterstützt hat, und wenn Sie sagen, Frau Dertwinkel, es gebe keine Ärztinnen, oder es sei unsinnig, darüber zu spekulieren, dass es bald keine Ärztinnen oder Ärzte mehr gebe, die Abbrüche vornähmen, kann ich Ihnen nur sagen, in Bremerhaven gibt es mittlerweile keine ambulante Praxis mehr, wo das noch möglich ist. Die einzige Möglichkeit, einen Abbruch in Bremerhaven vornehmen zu lassen, ist das Klinikum.

Für das Klinikum, sage ich Ihnen einmal ganz ehrlich, würde mich noch einmal interessieren: Wie sieht eigentlich die Personalsituation dort aus? Haben wir tatsächlich abgesichert, dass hier entsprechend Personal zur Verfügung steht, wenn Frauen einen Abbruch wünschen? Ist das über jeden Zeitraum abgesichert, und wie lange ist es noch abgesichert?

Ich bin sehr froh, dass Frauen in Deutschland das Recht auf die reproduktive Selbstbestimmung haben, aber das bedeutet eben, dass sie sich bei einer Schwangerschaft durchaus aus vielfältigen Gründen gegen diese Schwangerschaft entscheiden können. Diese Entscheidung – das wissen wir alle – fällt keiner Frau leicht.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Das ist eine emotionale Achterbahn, die mit enormem Stress verbunden ist.

Grundlage dieser Entscheidung sind neben vielen, vielen anderen Dingen aber natürlich auch sachliche Informationen über die konkreten Möglichkeiten eines Abbruchs. Wer führt überhaupt einen Abbruch in meinem Umfeld durch? Mit welcher Methode wird dieser Abbruch durchgeführt? Das muss ich wissen, und zwar schon bevor ich in die Beratungsstelle gehe! § 219 a schränkt dieses Informationsrecht maßgeblich ein.

Obwohl Ärztinnen und Ärzte Schwangerschaftsabbrüche unter bestimmten Bedingungen vornehmen dürfen, dürfen sie darüber nicht öffentlich informieren, und das, obwohl berufswidrige Werbung im Berufsrecht der Ärztinnen sowieso verboten ist,

also völlig überflüssig! Das ist absurd, dass eine Information darüber, dass ich eine ärztliche Leistung durchführe und auf welche Art und Weise ich diese Leistung durchführe, verboten ist! Ich finde, das gehört absolut abgeschafft, und ich glaube, da sind wir uns einig.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE)

Darüber hinaus verhindert es die freie Arztwahl, die eigentlich für jeden und jede gelten sollte.

Ich möchte mich noch einmal ausdrücklich bei der Senatorin bedanken. Ich bin froh, dass das Ganze tatsächlich jetzt auch in Fluss ist, und neben dieser Möglichkeit der Information – das ist hier ja auch schon angesprochen worden – braucht es aber natürlich auch ein ausreichendes Angebot von Medizinerinnen, Medizinern, Kliniken und Einrichtungen, die solche Abbrüche dann vornehmen, und zwar eben nach der für die Frauen im Vergleich zur Ausschabmethode durchaus schonendere Methode, der Absaugmethode. Das ist längst nicht mehr der Fall.

Auf der einen Seite merken wir, unter welchem Druck diejenigen stehen, die hier öffentlich zum Teil an den Pranger gestellt werden, wenn sie sich zu dieser Selbstverständlichkeit verpflichten. Auf der anderen Seite haben wir die Situation, dass es gar nicht gelehrt wird. Glücklicherweise gibt es in Berlin jetzt eine Gruppe von Studentinnen – Studenten auch –, die unter Leitung von Ärztinnen und Ärzten an Papayas außerhalb ihrer Lehrveranstaltungen die Absaugmethode üben. Das kann doch nicht angehen! Wo sind wir denn?

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE)

Das gehört in ein Curriculum verankert und darüber hinaus natürlich auch die Möglichkeit, in einer Weiterbildung diese Kenntnisse anzueignen, damit Frauen nicht darauf angewiesen sind, dass dann tatsächlich irgendwie ein Abbruch vorgenommen wird, der überhaupt nicht dem medizinischen Standard entspricht, von dem wir heute ausgehen können.

In diesem Sinne, meine Damen und Herren, Kolleginnen und Kollegen, machen wir hier mit unserem Antrag, glaube ich, einen wichtigen Schritt, aber wir wissen alle, das wird nicht der letzte Schritt sein. Wir müssen weitergehen, wir müssen sicherstellen, dass in unseren kommunalen Kliniken entsprechendes Personal auch zur Verfügung steht, das Frauen den Abbruch nach der Absaugmethode

ermöglicht, und darüber hinaus ist eben in den einzelnen Lehrplänen, Curricula, zu verankern, dass auch zukünftig dieses Wissen vorhanden ist. – Danke!

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Bergmann.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Ein paar Fakten: Bundesweit werden nur vier Prozent der Abtreibungen aufgrund medizinischer oder kriminologischer Indikation durchgeführt. 2 500 Abtreibungen haben wir in Bremen derzeit pro Jahr, das ist ein Viertel der geborenen Kinder. In Baden-Württemberg oder Bayern werden zehnmal mehr Kinder geboren als abgetrieben. Das hat mich persönlich bei der Vorbereitung aufhorchen lassen. Hier müssen wir in uns gehen und uns alle fragen, ob wir etwas daran ändern können oder wollen.

DIE LINKE hat nach der aktuellen Situation von Schwangerschaftsabbrüchen in Bremen gefragt. In der Antwort des Senats stand ja erst einmal, dass es niemand wisse und eine österreichische Webseite hierzu Fehlinformationen enthalte. So gab es bislang eigentlich keine Grundlage für irgendwelche statistischen Aussagen, wo in Bremen Abtreibungen durchgeführt werden und wo nicht.

Laut heutigem Stand in den Medien gibt es jetzt anscheinend doch eine Informationsgrundlage. Es erstaunt mich aber trotzdem – auch im Nachhinein –, dass der Senat in seiner Antwort auf die Anfrage davon ausgegangen ist, dass über die Selbstverwaltung auftretende Engpässe kompensiert werden können, obwohl pro familia ja bereits Alarm geschlagen hatte, dass die Stellen nicht ausreichen, und zum damaligen Zeitpunkt gab es eben keine statistische Grundlage für eine solche Aussage. Derartige Antworten des Senats finde ich ein bisschen abenteuerlich und auch ein bisschen peinlich.

Zurück zum Thema: Vom Gesetzgeber ist eine Trennung von Beratung und Durchführung einer Abtreibung vorgesehen. Wirtschaftliche, personelle und institutionelle Unabhängigkeit müssen gewährleistet sein, um eine freie und selbstbestimmte Entscheidung zu ermöglichen. Die CDUFraktion möchte den Schwangeren eine Information über durchführende Stelle und Abtreibungsmethode erst nach dem verpflichtenden Beratungsgespräch zur Verfügung stellen. Die FDP-Fraktion

sieht die Gefahr nicht, dass sachliche Information im Vorfeld zu einer Verharmlosung oder Kommerzialisierung beitragen.

(Beifall FDP)

Vielmehr ermöglicht es Frauen, vorinformiert in die Beratung zu gehen, abgesehen davon, dass es auch andere Wege gibt, sich Informationen zu besorgen, wenn man das möchte. Die sind dann allerdings möglicherweise eher von subjektiven Erfahrungen anderer Betroffener gefärbt und nicht objektiv.

Niederschwellige und transparente Information eröffnet die Möglichkeit, mit offenen Augen eine verantwortliche Entscheidung zu treffen, und daran, dass Frauen das tun, sollten wir alle ein Interesse haben. Dazu gehören aber meines Erachtens nicht nur Informationen über Personen oder Institutionen, Kosten, Ort und Methode der Schwangerschaftsabbrüche, sondern auch Informationen, die den jungen Frauen Mut machen.

Die bestehende gesetzliche Grundlage zur Schwangerschaftskonfliktberatung lautet folgendermaßen: „Die Beratung dient dem Schutz des ungeborenen Lebens. Sie hat sich von dem Bemühen leiten zu lassen, die Frau zur Fortsetzung der Schwangerschaft zu ermutigen und ihre Perspektiven für ein Leben mit dem Kind zu eröffnen. Sie soll ihr helfen, eine verantwortliche und gewissenhafte Entscheidung zu treffen. Dabei muss der Frau bewusst sein, dass das Ungeborene in jedem Stadium der Schwangerschaft auch ihr gegenüber ein eigenes Recht auf Leben hat und dass deshalb nach der Rechtsordnung ein Schwangerschaftsabbruch nur in Ausnahmesituationen in Betracht kommen kann.“

Mir sind Bremer Initiativen bekannt, die aus dem Anliegen entstanden sind, schwangeren jungen Müttern, die eben in sehr jungen Jahren oder unter schwierigen Lebensbedingungen für ihr Kind entschieden haben, passgenaue Unterstützung, Einstieg in Ausbildung und Beruf zu geben oder einen Wohnort anbieten. Auch adoptionswillige Menschen gibt es in Bremen genügend. Nach Meinung der Freien Demokraten sollte die transparente niederschwellige Information für Schwangere in Not auch durch Hinweise auf entsprechende Unterstützungsangebote ergänzt werden. Das kann auch in den Beratungsgesprächen aktiv umgesetzt werden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, um eine verantwortliche Entscheidung treffen zu können,

brauchen Frauen den Zugang zu sachlicher Information über Wege, die sie gehen können, auch über Abtreibungsmöglichkeiten. Ärztinnen und Ärzte müssen die Möglichkeit haben, über ihre medizinischen Leistungen zu informieren, ohne rechtlich mit einem Bein im Gefängnis zu stehen und ohne dafür angezeigt zu werden.

(Beifall FDP)

Gesundheitsbehörden müssen Aktualisierungen ihrer Listen, wer wo wie Schwangerschaftsabbrüche durchführt, vornehmen können und brauchen dafür die entsprechende gesetzliche Grundlage. Daher stimmen wir einer entsprechenden Gesetzesanpassung auf Landesebene zu. Die von der CDU vorgeschlagene zeitliche Beschränkung für Informationen bis nach der Beratung halten wir weder für zeitgemäß noch für zielführend und lehnen sie daher ab. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Dr. Müller.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will die restliche Zeit nutzen, um zwei, drei unterschwellige Bemerkungen, die ich gemeint habe, vernommen zu haben, und so halb ausgesprochene Unterstellungen an Frauen, die in Not geraten sind, noch einmal klarzustellen, damit es nicht so in der Schwebe bleibt.

Ja, natürlich gibt es sehr viele Informationsmöglichkeiten für Frauen, die feststellen, dass sie schwanger geworden sind. Man kann Bücher lesen – auch vorher, aber gut –, und man kann im Internet nachsehen. Nur, wenn man ins Internet schaut und das Stichwort „Schwangerschaftsabbruch“ eingibt, dann weckt das über zehn Seiten erst einmal Horrorvorstellungen, bevor man überhaupt an irgendeine Telefonnummer einer sachlichen Beratungsstelle oder Informationsseite gelangt.

Das möchte ich zumindest den betroffenen Frauen, gerade wenn es um sehr junge Frauen geht, die tatsächlich zum allerersten Mal ins Netz schauen, gern ersparen, und darüber müssen wir uns auch noch einmal unterhalten, wie man eigentlich mit diesen Horrorseiten umgehen soll.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD)

Frau Bergmann, ich habe größtes Vertrauen zu den Beratungseinrichtungen und Beratungsstellen jeglicher Couleur des staatlichen Gesundheitsamtes, von kirchlichen Einrichtungen, dass dort eine sehr sachliche, sehr informative Beratung angeboten wird, die weder in die eine noch die andere Richtung drängt, die weder der Frau sagt, du musst das Kind bekommen, noch erklärt, dass Abtreibungen gar nicht so schlimm sind. Sie sind schlimm! Es sind schlimme Erfahrungen für die Frauen, die sich dafür entscheiden, und deswegen noch einmal, damit es überhaupt gar keinen Zweifel daran gibt: Niemand hat vor, Werbung mit Leuchtreklame für Schwangerschaftsunterbrechungen anzubieten, da bin ich absolut sicher.