Selbstverständlich wollen und werden wir auch in Bremen aus Seenot gerettete Menschen aufnehmen, sobald in Deutschland aufgenommene Flüchtlinge in die Bundesländer verteilt werden. Dagegen hat sich Bremen noch nie gestellt. Damit wäre jetzt der Antrag der Fraktion DIE LINKE schon abgearbeitet, aber es wäre eben angesichts der in den letzten Jahren entstandenen Dramatik einfach nicht angemessen, hier aufzuhören und in Zeiten, in denen wir die Menschen besser einen sollten, lediglich Strömungen von links nach rechts zu bedienen.
Ich wende mich deshalb jetzt auch dem der Fraktion der CDU fehlenden Teil zu, der Bekämpfung der Fluchtursachen und der Schleusungskriminalität. Die Punkte, die wir hier dazu gern beschließen würden, haben wir in einem Antrag vorgelegt. Einige davon werde ich jetzt noch einmal mündlich wiederholen:
Wir möchten, dass die Bremische Bürgerschaft die Fortführung der Operation Sophia begrüßt und der Bundeswehr für ihren Einsatz im Mittelmeer dankt.
Durch diesen Einsatz wurden seit Mitte 2015 mehr als 49 000 Menschen aus Seenot gerettet, davon alleine über 22 000 von deutschen Soldaten. Mehr als 140 Schleuserverdächtige wurden festgenommen und über 400 von Schleusern genutzte Fahrzeuge wurden zerstört. Die Bremische Bürgerschaft sollte auch die Beschlüsse des Europäischen Rates von Ende Juni begrüßen und dabei insbesondere die Bedeutung der Einrichtung regionaler Ausschif
fungsplattform zur Aufnahme von aus Seenot geretteten Menschen in Zusammenarbeit mit UNHCR, IOM und weiteren würdigen.
Des Weiteren muss nach wie vor intensiv an der Aufnahme und Verteilung von geretteten Flüchtlingen durch möglichst viele EU-Staaten gearbeitet werden und wir brauchen natürlich endlich ein möglichst widerspruchfreies europäisches Asylsystem.
Darüber hinaus sollte auch die Arbeit der Europäischen Agentur für die Grenz- und Küstenwache, bekannt als Frontex, fortgeführt und gestärkt werden. Zum Schluss will ich nicht vergessen: Über all das brauchen wir ein verändertes Verhältnis zum afrikanischen Kontinent, eines, was von beiden Seiten zunehmend auf Augenhöhe abzielt. Angela Merkel besucht deshalb gerade einige afrikanische Länder.
Wirtschaftlich gesehen ist bereits einiges im Umbruch. Doch auch die EU kann und auch die Mitgliedstaaten können weiter zu positiven Veränderungen beitragen, indem sie den Kontinent durch eigenes Engagement in Bereichen wie Gesundheit, Bildung, Infrastruktur oder Gleichstellung der Frau unterstützen. Wir sollten, liebe Fraktion DIE LINKE und liebe Koalition, eben nicht nur bei der Würdigung der Seenotrettung und der Aufnahme geretteter Flüchtlinge stehen bleiben.
Deutschland engagiert sich mit viel Geschick und großem Einsatz für Problemlösungen, muss aber möglichst viele weitere Länder mitnehmen, wodurch die Verhandlungen oft zäh werden. Wer aber ein politisches Amt in einem Parlament, und sei es auch nur in Bremen, bekleidet, sollte all diese Fakten sehen und so weit denken, wie es eben auch Bürgermeister Dr. Carsten Sieling mit seiner Aussage im Februar 2016 versucht hat: Fluchtursachen bekämpfen und gleichzeitig diejenigen schützen, die bereits auf der Flucht sind.
Ich finde es spannend, dass die Koalition jetzt einigen unserer Antragspunkte auch zustimmen möchte, aber ich möchte doch bitten, dass Sie erklären, wie Sie zum Beispiel die Operation Sophia und andere Dinge ersetzen wollen, denen Sie ja so nicht zustimmen möchten. – Danke!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Fraktionen von SPD, CDU, Bündnis 90/Die Grünen und DIE LINKE legen uns heute zwei Anträge zur Seenotrettung vor. Es besteht bei allen Mitgliedern dieses Hauses Einigkeit darüber, dass alles getan werden muss, um das Sterben von Migranten auf dem Mittelmeer zu beenden.
Strittig sind die Wege, wie dieses Ziel am besten erreicht werden kann. Für die Gruppe Bürger in Wut ist klar, dass es zuerst darum gehen muss, die Flüchtlinge davon abzuhalten, diesen gefährlichen Weg über das Mittelmeer zu wagen. Denn damit begibt man sich nicht nur in die Hände skrupelloser Schlepperbanden, sondern riskiert das eigene Leben, und jeder Flüchtling, der auf seiner Reise zu uns stirbt, ist einer zu viel.
Will man Zuwanderungswillige davon abhalten, sich auf die gefährliche Reise nach Europa zu begeben, dann kann die Lösung nicht lauten, aus Migranten mittels Einwanderungsrecht legale Zuwanderer zu machen. Zunächst einmal stellt sich die Frage, warum Flüchtlinge aus Afrika überhaupt Zuflucht in Europa finden wollen. Im Übrigen ist die Vorstellung, man könnte die illegale Migration steuern und begrenzen, indem man legale Zugangswege nach Europa öffnet, schlicht eine Farce, denn illegale Einwanderungswillige werden auch künftig versuchen, auf illegalen Wegen nach Europa zu gelangen.
Genau diesen Einwand hat der damalige Bundesinnenminister Thomas de Maizière geltend gemacht. Tatsächlich nimmt der Migrationsdruck mittel- bis langfristig sogar zu. Je mehr Angehörige einer bestimmten Nationalität im Auswandererstaat leben, desto mehr ziehen aus dem Herkunftsland nach. Familienangehörige, Freunde, Bekannte oder einfach nur Menschen, die dem (Er- folgs-) Beispiel ihrer Landsleute folgen.
Wer das Sterben auf dem Mittelmeer beenden und den kriminellen Schlepperbanden das Handwerk legen will, ohne Europa durch Zuwanderung zu überfordern, der muss andere Wege gehen. Die Bürger in Wut plädieren bereits seit Jahren dafür, Aufnahmezentren in Nordafrika zu schaffen. In diese Einrichtungen sind alle Migranten zu verbringen, die auf dem Mittelmeer gerettet wurden oder es an die Küsten Europas geschafft haben.
Nach Prüfung ihres Asylantrags werden Menschen, die vor Krieg oder Verfolgung geflohen sind, als echte Schutzsuchende sicher in heimatnahe Flüchtlingscamps nach dem Modell Refugee Cities untergebracht, die unter Aufsicht der UNO stehen. Dort sollen sie ein selbstbestimmtes Leben führen können, einschließlich der Möglichkeit, einer Arbeitstätigkeit nachzugehen und auch Bildung zu erwerben.
Asylberechtigte, die aufgrund ihrer besonderen Lebensumstände besonders verletzlich sind, zum Beispiel Kranke oder Waisen werden im Rahmen von Resettlement-Programmen nach Europa geholt und dort auf Basis freiwilliger Zusagen in den Mitgliedstaaten verteilt. Migranten ohne Schutzanspruch sind direkt aus den Aufnahmezentren in ihre Heimatländer zurückzuführen.
Dazu müssen mit den Regierungen der fraglichen Staaten verbindliche Rücknahmeabkommen vereinbart werden, wie es ja bereits geschieht. So sieht eine vernünftige Lösung des Migrationsproblems aus, auf die sich die Bemühungen der Europäischen Union fokussieren sollten. Die vom Europäischen Rat Ende Juni beschlossenen regionalen Ausschiffungsplattformen sind ein erster Schritt in die richtige Richtung, den es nun umzusetzen gilt. Übergeordnet muss es darum gehen, das internationale Flüchtlingsrecht zu reformieren, das den Migrationsherausforderungen des 21. Jahrhunderts nicht mehr gerecht wird.
Sicherlich muss auch eine verstärkte wirtschaftliche Zusammenarbeit mit den Staaten Afrikas dazu beitragen, den Migrationsdruck auf Europa zu verringern. Dieser Effekt wird sich aber allenfalls erst auf lange Sicht einstellen. Kurz- bis mittelfristig ist dagegen mit mehr Zuwanderung zu rechnen. Wenn der Wohlstand in den Gesellschaften der Dritten Welt steigt, sind Menschen in der Lage, ihre illegale Auswanderung nach Europa zu finanzieren.
Wirtschaftliche Hilfe ist also keine Alternative zu einer konsequenten Sicherung der europäischen Außengrenzen. Es handelt sich vielmehr um zwei Seiten derselben Medaille. Man darf sich auch nichts vormachen. Wirtschaftlich schwache Länder können nicht durch Hilfen von außen entwickelt werden. Den notwendigen sozioökonomischen Umbau müssen die betroffenen Staaten im Wesentlichen selbst von innen leisten.
der demographischen Entwicklung auf dem Kontinent, dessen Bevölkerung sich nach Prognosen der UNO bis zur Jahrhundertwende auf etwa 4,3 Milliarden Menschen vervierfachen soll. Von Normalität sind wir in Deutschland noch weit entfernt. 2011, dem letzten Jahr vor Beginn der ersten Flüchtlingswelle, die ab Herbst 2012 einsetzte, wurden bei uns knapp 53 300 Asylanträge gestellt. 2017 war es mit rund 223 000 mehr als viermal so viel.
Für eine Entwarnung ist es also noch zu früh. Was wir brauchen, sind nachhaltige pragmatische Lösungen. Politische Schnellschüsse helfen ebenso wenig weiter wie ideologischer Dogmatismus, egal aus welcher Ecke er kommt. Als Quintessenz meiner Ausführungen lehnen wir, die Gruppe Bürger in Wut, die Anträge der Fraktionen SPD und Bündnis 90/Die Grünen und DIE LINKEN deswegen ab. – Vielen Dank für ihre Aufmerksamkeit!
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kollegen, liebe Frau Görgü-Phillip! Sie haben mich vorhin daran erinnert, dass ich selbst ein verhinderter Migrant bin, und ich gebe das zu. Migration kann eine Lösung sein für persönliche Lebenskonzepte. Sie kann auf individueller Ebene Sinn machen und die Menschen weiterbringen. Ich bleibe aber dabei, Migration halte ich für keinen Lösungsansatz für globale Probleme. Globale Verwerfungen, globalen Probleme lassen sich angesichts der schieren Zahl der Menschen, die von diesen globalen Problemen betroffen sind, durch Migration schlecht lösen.
Ich weiß nicht, wie das Ihnen gegangen ist. Als ich eben durch die Reihe der Demonstranten hier ins Haus gekommen bin, habe ich mich gefragt: Worum geht es eigentlich? Geht es um Seenotrettung? Geht es um Ertrunkene? Oder geht es um etwas ganz anderes? Da standen nämlich Leute mit einem Jackett an, und da stand: Open border, please. Frau Leonidakis hatte in ihrer Rede mehrfach den Begriff Grenzabschottung verwendet. Also, um was geht es jetzt? Geht es jetzt um Ertrunkene, die gerettet werden müssen? Oder geht es um die Frage: Möchten wir möglichst viele Migranten nach Europa holen?
Ich tue jetzt im ersten Teil einmal so, als geht es hier wirklich um die Ertrunkenen, als geht es hier
wirklich um Seenotrettung. Es gibt verschiedene Theorien über Pull- und Push-Faktoren, und ob sich das Ertrinken von Bootsflüchtlingen vermeiden ließe, wenn man Bootsfahrten per se unterbindet. Und da gibt es in der Tat ein paar historische Versuche oder Beispiele, die da unternommen wurden. Unter anderem will ich einen anführen: Das Land Australien, das im September 2001 eine Politik verabschiedet hatte, die es vollkommen untersagt hatte, per Boot das Land zu betreten.
Jeder, der per Boot nach Australien kam, wurde postwendend zurückgeschickt mit dem Ergebnis, dass überhaupt niemand mehr kam. Dann hat die Labour-Regierung in Australien wieder eine Wahl gewonnen, bis 2013 diese Politik ausgesetzt und hat gesagt, wir wollen human sein, wir wollen es den Geflüchteten ermöglichen, nach Australien zu kommen.
In der Folge ist die Zahl der Bootsflüchtlinge geradezu explodiert, die Zahl der Boote, die nach Australien gekommen sind, ist explodiert. Es sind 1 200 Ertrunkene aktenkundig in der Zeit, die Australier reden von 1 200 Labour-Toten. Die Administration, die darauf folgte, Tony Abbott im Jahr 2013, hat wiederum für eine Nulltoleranz-Politik, was die Bootsflüchtlinge angeht, gesorgt, mit dem Ergebnis, dass heute niemand mehr bei dem Versuch stirbt, per Boot Australien zu erreichen.
Ich will als Beispiel auch mit einem aktuellen Bezug Spanien anführen. Spanien hatte, und da können sich vielleicht die Wenigsten daran erinnern, noch vor der aktuellen Migrationskrise 2006 das Problem, dass sehr viele Bootsmigranten von Marokko aus auf die kanarischen Inseln gefahren sind. Vielleicht erinnern Sie sich an die Fernsehbilder, als an den Hotelstränden die Schlauchboote landeten. Die Kanarischen Inseln sind von Marokko nicht ganz weit weg. 2006 sind 3 200 illegale Einwanderer von Marokko aus nach Spanien auf die Kanarischen Inseln eingereist.
Die Spanier haben das ganz still und leise gelöst. Da hat die EU gar nicht viel von mitbekommen. Was die Spanier gemacht haben: Sie haben ein bilaterales Abkommen mit Marokko geschlossen, das dafür sorgt, dass jeder, unabhängig von der Staatsbürgerschaft, der aus Marokko aus nach Spanien einreist, postwendend zurückgeschickt werden kann. Sie haben des Weiteren bilaterale Abkommen mit den dahinter liegenden Ländern Gambia, Senegal und so weiter geschlossen, wonach diese Länder ihre Migranten zurücknehmen müssen.
Sie haben die Guardia Civil in Marokko eingesetzt, um von vornherein zur verhindern, dass diese Bootsreisen angetreten werden mit dem Ergebnis, dass 2012, nachdem diese Maßnahme in Kraft war, nur noch 170 Menschen versucht haben, mit dem Boot über den Atlantik auf die Kanarischen Inseln zu kommen. Also auch hier ein großer Erfolg in der Verhinderung von Seenot.
Ich weiß, es wird hier über die italienische Zurückweisung geredet, wo man sagt, man kann doch Leute aus Seenot nicht nach Libyen zurückschicken. Ich weiß nicht, ob Sie sich daran erinnern können, dass auch das eine Geschichte hat. Es ist aktuell nicht das erste Mal, dass Italien Leute nach Libyen zurückschickt. 2009 haben sie das schon einmal gemacht hat. Da hat ein italienisches Schiff Bootsflüchtlinge im Mittelmeer vor Lampedusa aufgenommen, das waren 13 Eritreer und elf Somalier, und haben sie postwendend nach Libyen zurückgeschickt, woraufhin diese Zurückgeschickten den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte angerufen haben, und der Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte hat gesagt: Das durften die nicht.
Das durften die nicht. Sie hätten in Europa einen Asylantrag stellen können, und zwar nicht, weil sie in Europa gewesen sind, sondern weil sie auf einem Schiff unter europäischer Flagge waren. Das ist das, was wir heute vergessen. Das europäische Recht findet in diesem ganzen Rahmen überhaupt nur deshalb Anwendung, weil wir dort Schiffe unter europäischer Flagge einsetzen. Täten wir das nicht, würden dort Schiffe eingesetzt, die beispielsweise unter liberianischer Flagge fahren würden, stellte sich das Problem überhaupt nicht.
Eine Zurückweisung wäre juristisch ohne weiteres möglich und auch sinnvoll im Sinne des eben Ausgeführten, dass sie, wenn die Leute erkennen, dass sie null Chance haben, mit irregulären Bootsreisen über das Mittelmeer in das Land ihrer Träume zu kommen, diese Bootsreisen gar nicht erst antreten.
Zu dem zweiten Teil der Vermutung, dass es gar nicht um die Seenotrettung als solche geht, sondern darum, Einwanderung zu ermöglichen, Migration. Die Fraktion der CDU hat eben gesagt, es geht auch um die Bekämpfung der Fluchtursachen, um das zu verhindern. Ich möchte erinnern an Milton Friedmann, der schon in den Siebzigerjahren ausgeführt hat, dass man einen hervorragenden Sozialstaat haben kann. Man kann auch offene Grenzen haben. Aber ein hervorragender Sozialstaat und offene Grenzen zusammen, schließen
sich leider angesichts der sehr, sehr vielen Leute, die sich für diesen Sozialstaat interessieren, aus.
Wir können das in Afrika festmachen, es sind je nach Zahlen 50 oder 60 Millionen Menschen auf der Flucht. Es sind irrsinnig viele Menschen, die in Afrika keine Perspektiven haben, die nach Europa kommen werden. Und egal, wie sehr wir ihnen helfen möchten, es sind auf jeden Fall mehr, als wir aufnehmen können. Zu den Fluchtursachen:
Schade. Jetzt wollte ich noch etwas zu den Fluchtursachen sagen. Dann werde ich das wohl nicht tun können.
Zwei, drei Sätze: Die Fluchtursachen liegen nicht in der wirtschaftlichen und in der Bildungspolitik, die Fluchtursachen liegen schlicht und ergreifend in dem Missverhältnis zwischen Sterbezahlen und Geburtenzahlen.
In Afrika werden jeden Tag viermal mehr Menschen geboren, als dort sterben. Das bedeutet, dieser Bevölkerungsüberschuss ist so eklatant, dass ungefähr die Hälfte von denen überhaupt gar keine Perspektive hat, überhaupt gar keinen Zugang. Ich kenne das Argument, Bildung und wirtschaftlich Entwicklung helfen. Nur ganz kurz: Israel, ein hochgebildetes Land, vier Geburten auf einen Todesfall, Saudi-Arabien, ein sehr wohlhabendes Land, sechs Geburten auf einen Todesfall, Mexiko, Schwellenland, vier zu eins.