Protokoll der Sitzung vom 07.11.2018

(Dagegen SPD, CDU, Bündnis 90/Die Grünen, FDP, BIW, Abgeordneter Patrick Öztürk [SPD, frak- tionslos], Abgeordneter Schäfer [LKR], Abgeord- nete Wendland [parteilos])

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) lehnt den Antrag ab.

Wir treten jetzt in die Mittagspause ein.

Ich unterbreche die Sitzung bis 14.45 Uhr.

(Unterbrechung der Sitzung 13.09 Uhr)

Vizepräsident Imhoff eröffnet die Sitzung wieder um 14.45 Uhr.

Die unterbrochene Sitzung der Bürgerschaft (Landtag) ist wieder eröffnet.

Auf der Besuchertribüne begrüße ich recht herzlich eine Gruppe der IPA, International Police Association, einen Orientierungskurs des Paritätischen Bildungswerkes und eine Studierendengruppe „Initiative für einen studentischen Tarifvertrag“.

Seien Sie herzlich willkommen!

(Beifall)

Wir setzen die Tagesordnung fort.

Beschäftigungssituation der studentischen Hilfskräfte Große Anfrage der Fraktion DIE LINKE vom 29. Mai 2018 (Drucksache 19/1680)

Dazu

Mitteilung des Senats vom 21. August 2018 (Drucksache 19/1782)

Hiermit verbinden wir:

Beschäftigungsbedingungen für studentische Hilfskräfte verbessern und Tarifvertrag verhandeln Antrag der Fraktion DIE LINKE vom 30. Oktober 2018 (Drucksache 19/1885)

Dazu als Vertreter des Senats Herr Staatsrat Kück.

Die gemeinsame Beratung ist eröffnet.

Als erste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Strunge.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren, liebe Gäste! Wir diskutieren heute in der Bürgerschaft über die Arbeitsbedingungen und die Bezahlung von studentischen Hilfskräften. Derzeit gibt es rund

1 700 studentische Hilfskräfte im Land Bremen. Das ist wahrscheinlich die größte Gruppe im öffentlichen Sektor ohne einen Tarifvertrag. Wir haben deshalb eine Große Anfrage zur Beschäftigungssituation von studentischen Hilfskräften gestellt. Die Antwort auf die Anfrage zeigt, dass der Senat keinen besonderen Handlungsbedarf an dieser Stelle sieht, so als sei hier alles in Ordnung. Das steht jedoch im deutlichen Widerspruch zu dem Protest, den wir gerade vor der Bürgerschaft erlebt haben. Es steht im Widerspruch zu der Forderung nach besserer Bezahlung und besseren Arbeitsbedingungen.

(Beifall DIE LINKE)

Der Senat verweist nur auf die anstehende bundesgesetzliche Erhöhung des Mindestlohns. Er sieht keine – Zitat – „Notwendigkeit für tarifliche Regelungen“. Für uns ist diese Antwort mehr als ernüchternd und sie verkennt den dringenden Handlungsbedarf.

(Beifall DIE LINKE)

Sie verkennt auch, dass sich die studentischen Hilfskräfte organisieren und dass sie nicht mehr bereit sind, die schlechte Bezahlung und die schlechten Arbeitsbedingungen hinzunehmen.

(Beifall DIE LINKE)

Seit 2003 sind die Stundenlöhne kaum gestiegen. Sie waren geringer als die Inflation und wir müssen hier also von einem Reallohnverlust sprechen und das, obwohl die studentischen Hilfskräfte eine wichtige Säule im Hochschulbetrieb darstellen. Ein laufender Hochschulbetrieb ohne studentische Hilfskräfte ist schlicht nicht vorstellbar. Gerade sagte einer der Protestierenden vor der Bürgerschaft: „Ohne uns stehen die Hochschulen still.“ Wir erwarten deshalb eine angemessene Bezahlung der studentischen Hilfskräfte.

(Beifall DIE LINKE)

Wir sind auch der Überzeugung, dass die Hochschulen als öffentlicher Betrieb eine Vorbildfunktion für faire Arbeitsbedingungen haben. Deshalb fordern wir eine deutliche Erhöhung des Stundenlohns auf 12,50 Euro für die studentischen Hilfskräfte, meine Damen und Herren!

(Beifall DIE LINKE)

Aber bei der Bezahlung hören die Beschwerden nicht auf. Die studentischen Hilfskräfte haben es satt, dass es überhaupt keine Planbarkeit für ihre Tätigkeit gibt, dass sie mit absoluten Kurzzeitverträgen eingesetzt werden. Manche Verträge haben eine Vertragslaufzeit von zwei Monaten, andere von vier Monaten, Vertragslaufzeiten von sechs Monaten oder länger sind so selten, dass bei den Studierenden, die heute vor der Bürgerschaft waren, niemand jemanden kennt, der einen so lang laufenden Vertrag hat. Man kann also mit den Einkünften als studentische Hilfskraft nicht sicher planen. Wenn man aber dringend diese Einkünfte zur Sicherung des Lebensunterhaltes braucht, dann kann die Nichtplanbarkeit zu enormen Unsicherheiten führen, oder letztendlich entscheiden sich viele dann für einen anderen Job außerhalb der Hochschule, weil das Geld dann sicherer und es mehr Geld ist, das am Ende auf dem Tisch liegt.

Wir finden, das kann nicht sein. In Berlin zeigt sich, dass es auch nicht so sein muss, denn dort erhalten studentische Hilfskräfte in der Regel Verträge mit einer Mindestlaufzeit von zwei Jahren. Wir finden, dieses Thema muss in Tarifverhandlungen aufgenommen werden, und deshalb fordern wir den Senat auf, jetzt in Tarifverhandlungen einzusteigen und die zusätzlichen finanziellen Mittel für die Lohnerhöhung der studentischen Hilfskräfte kurzfristig aus dem laufenden Haushalt zur Verfügung zu stellen und im Wissenschaftsplan 2025 mitzudenken und finanziell abzusichern.

(Beifall DIE LINKE)

Ich will Ihnen auch noch einmal darstellen, welche Folgen die geringe Vergütung von studentischen Hilfskräften und die fehlende Planbarkeit hinsichtlich der Dauer in der Praxis haben: Wer richtig wenig Geld zur Verfügung hat, der überlegt sich nämlich dreimal, ob er für 8,84 Euro arbeiten geht oder ob er dann doch lieber im Supermarkt aushilft. Eine junge Frau hat mir gerade gesagt, beim Babysitten verdiene sie leider wesentlich mehr. Das hat überhaupt keinen Bezug zum Studium und wir finden, es ist Aufgabe von Politik und Hochschulen, dass die Arbeitsbedingungen von studentischen Hilfskräften so attraktiv sind, dass sie nicht nur für eine bestimmte Gruppe gelten, dass nicht nur eine bestimmte Gruppe sich diese Tätigkeiten leisten kann, sondern dass jeder und jede, der Interesse am wissenschaftlichen Arbeiten hat, dieses auch umsetzen kann.

(Beifall DIE LINKE)

Was ich sonst noch sagen möchte, sage ich in der zweiten Runde. – Herzlichen Dank!

(Beifall DIE LINKE)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Gottschalk.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Gäste! Arbeit sollte fair entlohnt und die Arbeitenden fair beschäftigt werden. Das gilt gerade auch für studentische Hilfskräfte. Ich finde es deshalb richtig und angemessen, dass wir uns hier mit der Frage befassen, ob und wie diese Bedingungen erfüllt sind. Ich danke deshalb auch Miriam Strunge, dass sie diese Fragen hier in die Debatte gebracht hat. Denn wir sollten eines sehen: Wir sind gerade hier in dem Plenum immer sehr stolz, sehr froh, dass Wissenschaft und Forschung in Bremen Pluspunkte sind und dass wir hier Ausstrahlung über die Landesgrenzen hinaus haben. Wir sollten dabei sehen, dass Lehre und Forschung ohne die studentischen Hilfskräfte nicht diese Qualität haben würde.

(Beifall SPD)

Schauen wir uns die Bedingungen an: Es ist so, dass im Land Bremen studentische Hilfskräfte entsprechend dem Mindestlohn entlohnt werden, 8,84 Euro pro Stunde. Wenn wir uns vergleichen, werden wir feststellen, dass wir damit ungefähr einen Euro unter den Empfehlungen der Höchstgrenze der Tarifgemeinschaft der Länder liegen. Wir liegen im Vergleich zu anderen Bundesländern deutlich am unteren Tabellenende, was die Landesrichtung angeht.

Dieser Abstand ist noch größer, das muss man sehen, wenn man betrachtet, wie eine Differenzierung aussieht, also wie studentische Hilfskräfte entlohnt werden, wenn sie bereits einen Abschluss als Bachelor oder einen Master haben. Dieser Bereich wird an vielen anderen Universitäten, in anderen Ländern differenziert. Hier in Bremen ist das so nicht, so dass die Abstände noch größer sind.

Wenn wir nach Berlin schauen, Frau Strunge hat darauf hingewiesen, haben wir dort andere Verhältnisse, dort wird Tarifvertrag praktiziert, dort werden ab 1. Januar 2019 12,50 Euro bezahlt. Das ist der Spitzenwert in der Bundesrepublik, das ist deutlich höher. Die Fragen an uns sind natürlich: Wie bewerten wir das? Wie sehen wir die weitere Entwicklung? Ich persönlich glaube, dass wir vor

dem Hintergrund der finanziellen Situation Bremens und unserer Befürchtungen, wie wir einen Haushalt hinbekommen, der die Konsolidierungslinie einhält, dass wir vor dem Hintergrund eines Haushaltsnotlagelandes in der Tat gesagt haben: Wir halten eine Entlohnung entsprechend dem Mindestlohn für vertretbar.

Ich denke aber, dass wir auch darüber nachzudenken haben, ob wir im Unterschied zu anderen Ländern auf diesem Niveau bleiben wollen oder spätestens im Jahr 2020 auch andere Zahlen im Raum stehen können. Es ist bekannt, dass wir seitens der SPD für einen höheren Mindestlohn sind und uns auch dafür ausgesprochen haben, dass wir uns auch vorstellen können, beim Landesmindestlohn vorzugehen. Das wäre dann kein Automatismus der Anbindung. In Hamburg sehen wir, der Landesmindestlohn ist höher, aber die Entlohnung der studentischen Hilfskräfte ist dort ausgeklammert. Aber wir werden uns mit der Frage sicherlich beschäftigen müssen.

Was ich für wichtig halte, ist auf jeden Fall, dass wir auch künftig daran gehen und die Entlohnung bei den studentischen Hilfskräften differenzieren, je nachdem, ob ein Abschluss vorliegt oder nicht. Wenn man sich die deutsche Landschaft in diesem Bereich anschaut, liegen die Unterschiede im Schnitt bei rund 1,50 Euro, 1,60 Euro pro Stunde. Ich denke, das wird auch eine Marke sein, mit der wir uns hier auseinandersetzen müssen und sollten.

Der dritte Punkt: Tarifvertrag für studentische Hilfskräfte. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich sage Ihnen, seitens der SPD finden wir die Idee eines Tarifvertrags für studentische Hilfskräfte positiv. Wir sind auch bereit, das zu unterstützen und dazu beizutragen, damit ein solcher etabliert wird. Wir machen das aus einer grundsätzlichen Haltung heraus, dass wir sagen: Wir wollen, dass der gewerkschaftliche Organisierungsgrad hier in Deutschland wieder steigt. Wir sehen ja, welche Folgen das hat, wenn bei den Gewerkschaften ein Organisationsgrad immer weiter abbröckelt.

(Glocke)

Deshalb unterstützen wir es auch in diesem Bereich, dass Akademikerinnen und Akademiker sich frühzeitig organisieren, und wir sehen auch, dass das natürlich zu Arbeitskämpfen an Universitäten führen kann, so wie das in Berlin der Fall war. Aber das ist die Lebenspraxis –