Protokoll der Sitzung vom 07.11.2018

Deshalb unterstützen wir es auch in diesem Bereich, dass Akademikerinnen und Akademiker sich frühzeitig organisieren, und wir sehen auch, dass das natürlich zu Arbeitskämpfen an Universitäten führen kann, so wie das in Berlin der Fall war. Aber das ist die Lebenspraxis –

(Glocke)

und ich denke, man sollte auch frühzeitig mit der Botschaft beginnen – Herr Präsident, ich bin sofort fertig –: Ja, wir stehen dem gegenüber.

Aber ich sage Ihnen als Gästen auch, die Initiative dazu muss von organisierten Studenten und ihren Gewerkschaften ausgehen. Insofern sehe ich den Ball erst einmal auch bei Ihnen im Garten liegen und ich wünsche mir, dass wir zu einem Spiel kommen, aber zunächst sind Sie an der Reihe. – Danke schön!

(Beifall SPD)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Bergmann.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Studentische Hilfskräfte leisten einen wertvollen Beitrag an den Hochschulen unseres Landes. Sie sind im Alltag der Hochschule wesentlicher Teil, der zum Funktionieren des Ganzen beiträgt. Sie führen Tutorien durch, recherchieren für Forschungsprojekte und lesen Aufsätze oder Bücherkorrekturen und vieles mehr. Daher ist es gut, einmal darüber nachzudenken, ob Anerkennung und Wertschätzung stimmen.

Anlass für den Antrag der Fraktion DIE LINKE ist der erfolgreiche Streit der Gewerkschaften in Berlin für einen Tarifvertrag für studentische Hilfskräfte. Dort gibt es seit dem 1. Juli 2018 bis 1. Januar 2022 eine Lohnerhöhung auf 10,98 Euro bis 12,96 Euro. Die Fraktion DIE LINKE fände es fair, wenn Bremen nachzöge.

Entlohnung ist ein wichtiger Gradmesser, wenn es um Anerkennung und Wertschätzung geht. Entlohnung allein ist aber eine verkürzte Perspektive. Würde es allein oder vorwiegend um den Verdienst gehen, wäre eine Tätigkeit in der Wirtschaft wohl von vornherein die attraktivere und bei aktuellem Fachkräftemangel ja auch leicht zu finden. Wer beschäftigt nicht gern einen Studenten oder eine Studentin? Trotzdem entscheiden sich viele Studentinnen und Studenten für einen wissenschaftlichen Hilfsjob an der Universität. Warum ist das so? Nun, wir finden auf der einen Seite der Waagschale die Arbeitsleistung der Studenten und auf der anderen Seite vielerlei, zum Beispiel einen Lebenslauf, der durch eine Referenz als wissenschaftliche Hilfskraft aufpoliert wird. Bei Personalern ist das immer ein Zeichen von Engagement und wird äußerst positiv bewertet.

Die Erfahrung einer Tätigkeit als wissenschaftliche Hilfskraft ist für spätere Universitäts- und Forschungskarrieren ein Muss und nebenbei kann der oder die Betroffene gleich herausfinden, ob eine Karriere als Wissenschaftler oder Wissenschaftlerin das ist, was er oder sie machen möchte. Es ist ein Vorteil im Vergleich mit anderen Zuverdienstmöglichkeiten in der Industrie, dass wissenschaftliche Hilfskräfte im Allgemeinen direkt an der Hochschule arbeiten können und in keine andere Infrastruktur oder Unternehmenskultur eintauchen müssen und auch keine weiten Fahrwege haben, meistens jedenfalls. Dadurch kann man auch schnell zwischendurch eine Vorlesung besuchen. Wissenschaftliche Hilfskräfte lernen auch einen Teil der Studienorganisation, der Studienverwaltung, der Struktur der Universität kennen, und zwar aus der Perspektive eines Mitarbeiters. Dieses Wissen ist als zukünftige Wissenschaftlerin oder Wissenschaftler, aber auch für die Zeit des Studiums von hohem Nutzen.

Aufgrund der Möglichkeit, fachliche Netzwerke aufzubauen, Kontakte zu knüpfen, Einblicke in die Hochschulabläufe zu erhalten, ist der Übergang zu einer Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter oder wissenschaftliche Mitarbeiterin leichter möglich. Und es ist auch leicht möglich, realistische Informationen über Doktorandenstellen zu erhalten. In der Tätigkeit als wissenschaftliche Hilfskraft ist, und das wiegt schwer, das Primat des Studiums auch anerkannt. Es gilt auch in Bezug auf die Verträge mit Studenten als gesetzt, dass die erste Aufgabe ist, das Studium voranzubringen. Entsprechend sind die Präsenz- und Zeitanforderungen an das Studium angepasst, was einem wirtschaftlichen Betrieb eigentlich auch egal sein kann. Natürlich gehört auf diese Seite der Waagschale, von der ich gesprochen habe, auch die Möglichkeit, sich neben dem BAföG, dem Kredit und / oder dem elterlichen Zuschuss noch etwas dazuzuverdienen.

Es ist also deutlich, dass von der Beschäftigung der studentischen Hilfskräfte nicht nur die Hochschulen, sondern auch die Studentinnen und Studenten vielfältig profitieren. Es ist eine Win-win-Situation.

(Beifall FDP)

Lassen Sie mich in dem Zusammenhang noch auf etwas hinweisen, und zwar auf die Hochschulautonomie. Hochschulautonomie ist ein hohes Gut. Auch im Bereich Personal ist es für Hochschulen wichtig, von staatlicher Einflussnahme unabhängig zu sein. Nur so haben Hochschulen die nötige

Handlungsfreiheit, Flexibilität und Planungssicherheit, um im globalisierten Wettbewerb dauerhaft bestehen zu können, und bislang leisten sie hier in Bremen auch gute Arbeit.

Auf die Themen der Entlohnung an sich und Finanzierung werde ich in meinem zweiten Teil noch eingehen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall FDP)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Grobien.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Gäste! Beschäftigungsbedingungen für studentische Hilfskräfte, ein Dringlichkeitsantrag der Fraktion DIE LINKE von Ende Oktober titelt die Drucksache, die wir hier heute an prominenter Stelle debattieren.

Zunächst Glückwunsch an die Kollegin Miriam Strunge, mit welcher Beharrlichkeit sie dieses Thema für ihre Fraktion immer wieder in das Parlament bringt.

(Beifall DIE LINKE)

In fast jedem Jahr eine Kleine Anfrage, dann die Große Anfrage im Mai und nun die Antwort des Senats auf die 33 wirklich detaillierten Fragen und natürlich die Konsequenz daraus, der Dringlichkeitsantrag mit der Aufforderung an den Senat, den Stundenlohn für studentische Hilfskräfte zum Januar 2019 auf 12,50 Euro zu erhöhen und in Verhandlung für einen eigenständigen Tarifvertrag einzutreten. Um es direkt vorwegzunehmen, wir, die Fraktion der CDU, werden Ihren Antrag bei allem Verständnis für die berechtigten Forderungen für gute Beschäftigungsverhältnisse ablehnen.

Aber zur Begründung noch einige Ausführungen: Bildung und Wissenschaft sind in Deutschland in erster Linie nach wie vor Ländersache. Da unterscheiden sich der institutionelle Aufbau und die Beschäftigungskategorien der Beschäftigten in den Bundesländern teilweise erheblich. Im Bremischen Hochschulgesetz heißt es in § 27 zu studentischen Hilfskräften – ich zitiere: „Neben dem Studium haben sie die Aufgabe, Studierende durch Tutorien in ihrem Studium zu unterstützen oder Dienstleistungen in Forschung, künstlerischen Entwicklungsvorhaben und Lehre zu erbringen, die zugleich der eigenen Ausbildung dienen sollen.“ Eine eigene Personalkategorie für studentische Hilfskräfte ist im Bremischen Hochschulgesetz nicht vorgesehen.

Die Verträge von studentischen Hilfskräften, die in der Regel befristet sind, orientieren sich dabei an der gesetzlichen Grundlage des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes. Die Große Anfrage der Fraktion DIE LINKE geht sehr detailliert auf die Entwicklung der Vergütungen an den einzelnen Hochschulen in den letzten zehn Jahren, die Befristungen, die Entlohnungen und Arbeitsbedingungen ein und es liegt natürlich auch in der Natur der Sache und der Programmatik der Fraktion DIE LINKE, dass die Antworten in eine Forderung nach einer ordentlichen Erhöhung und einem eigenständigen Tarifvertrag münden.

(Abgeordnete Vogt [DIE LINKE]: Genau!)

In Bremen aber, wo es keinen separaten Tarifvertrag gibt, haben wir einen sogenannten Rahmenkodex, eine bremische Besonderheit. Dieser Rahmenkodex nennt sich „Vertragssituationen und Rahmenbedingungen von Beschäftigungen an den staatlichen Bremischen Hochschulen“. Das ist eine Vereinbarung, die unter großer, breiter Beteiligung der Personalräte, der Gewerkschaften und der Arbeitnehmerkammer erst vor zwei Jahren unterzeichnet wurde. Durch diesen Rahmenkodex wurden umfängliche Vereinbarungen zur Transparenz und Verlässlichkeit für die Studierenden geschaffen, sodass auch der Senat keine Notwendigkeit für einen eigenständigen Tarifvertrag für studentische Hilfskräfte vorsieht. Einen solchen, wir hörten es schon, eigenständigen Tarifvertrag gibt es allerdings bisher auch wirklich nur in Berlin.

Nun sind gute und faire Löhne in Zeiten schwindender Tarifbindung ein zunehmend wichtiges Thema, was sich politisch ja auch in der Einführung des gesetzlichen Mindestlohns widerspiegelt. Wer einer Vollzeitbeschäftigung nachgeht, der soll auch davon leben können, meine Damen und Herren!

Hier beginnt es aber dann schon ein bisschen schwierig zu werden; denn das Wesen einer studentischen Hilfskraft und dem damit verbundenen Job ist nicht dazu gedacht, dass man davon leben können soll.

(Abgeordnete Vogt [DIE LINKE]: Aber die Studen- ten!)

Und wie man aus der Antwort des Senats auch sehr gut entnehmen kann, sind derartige Stellen nicht als Dauerbeschäftigungsverhältnisse konzipiert. Man kann das an dem Stundenkontingent sehen, wenn jemand zum Beispiel für nur zwei Wochen ein Tutorium leitet, dann ist es ganz klar, dass er

von der Entlohnung nicht leben kann. Das ist nun einmal auch nicht der Sinn und das Wesen eines studentischen Hilfsjobs. Auch wenn meine Studientage ein bisschen zurückliegen, kann ich mich noch sehr gut daran erinnern, wie beliebt diese Jobs waren, brachten sie doch exzellente Kontakte zu den sonst häufig so unnahbaren Professoren, vertiefte Einblicke in die Forschung und Anknüpfungspunkte für den späteren persönlichen, beruflichen Weg.

Pauschale Urteile über die Situation der studentischen Hilfskräfte sind allein deswegen schon schwer zu fällen, weil sie, und auch das haben wir schon gehört, in die Autonomie der Hochschulen und Hochschullehrer fallen. Deswegen mag es im Einzelnen natürlich auch Missstände und Probleme geben, aber dem grundlegend kritischen Unterton der Großen Anfrage schließe ich mich ausdrücklich nicht an. Ich glaube vielmehr, dass Jobs für Hilfswillige eine tolle Möglichkeit für Studentinnen und Studenten sind und ich vertraue da auch sehr auf unsere Hochschulen.

(Glocke)

Ich bin sofort fertig. – Dem Regelungseifer der Fraktion DIE LINKE kann ich ehrlicherweise so gar nichts abgewinnen. Man merkt, es ist Wahlkampf und auch in Sachen Mindestlohn fängt der Überbietungswettbewerb bereits an. Der Bürgermeister hat sich ja kürzlich bereits für zwölf Euro ausgesprochen und die Fraktion DIE LINKE legt noch einmal 50 Cent oben darauf.

(Abgeordneter Röwekamp (CDU]: Ich bin für 13 Euro!)

Meine Damen und Herren, die ständige Mindestlohnkommission der Bundesregierung hat in ihrer Sitzung im Juni einstimmig empfohlen, den gesetzlichen Mindestlohn im Januar 2019 von derzeit 8,84 Euro auf 9,19 Euro und ab dem 1. Januar 2020 auf 9,35 Euro je Arbeitsstunde anzuheben. Diese Empfehlung nehmen wir als Fraktion der CDU so zur Kenntnis, und wenn dieser so gefolgt wird, sprechen wir uns natürlich auch dafür aus, –

(Glocke)

dass die studentischen Hilfskräfte das hier in Bremen erhalten. Aber ansonsten haben wir an der Hochschule dringendere Probleme als dieses. – Vielen Dank!

(Beifall CDU)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Dr. Müller.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Gäste! Eigentlich ist schon alles gesagt, –

(Abgeordnete Böschen [SPD]: Noch nicht von je- dem!)

und zwar von beiden Seiten, und wir sitzen nicht wirklich zwischen den Stühlen. Ich will deswegen noch einmal vor allem den Fokus auf die zwei Seiten einer Medaille legen, was den Hilfskraftjob von Studierenden angeht.

Die Anfrage der Fraktion DIE LINKE, finde ich, hat uns natürlich noch einmal mit der Antwort des Senats ordentlich vor Augen geführt, um welche Sphären es sich da eigentlich handelt, wie viele Möglichkeiten von studentischen Hilfskraftjobs es gibt, und vor allem auch, in welchem Stundenumfang die jeweils so stattfinden. Diesen Überblick zu haben, das war jetzt schon auch noch einmal sehr hilfreich. Nachdem wir so viele Debatten zu Beschäftigungsbedingungen an den Hochschulen geführt haben, finde ich es auch nicht ungewöhnlich, dass wir jetzt auch noch einmal über die Beschäftigungsverhältnisse von studentischen Hilfskräften sprechen. Wobei ich in der Tat, ähnlich wie die Kollegin Grobien, den unterschwelligen Tonfall der Dauerkritik nicht teile.

Fakt ist allerdings – das sage ich jetzt einmal als eine Frau, die etliche studentische Hilfskräfte in ihrem beruflichem Leben hatte und sie nicht ausgebeutet hat –, dass ohne die engagierten studentischen Hilfskräfte an den Hochschulen tatsächlich extrem viele Aufgaben nur schlecht bis gar nicht durchgeführt werden könnten. Das fängt bei der Erstsemesterbetreuung an, geht über Tutorien, Laborarbeiten in den Naturwissenschaften bis hin zu den hoch gelobten, auch hier im Hause, drittmittelfinanzierten Forschungsprojekten, die ohne studentische Hilfskräfte und deren Rechercheleistungen nicht durchführbar wären. Also ja, eine ganz tragende Säule sind diese engagierten jungen Menschen, die neben ihrem Studium, ich betone, neben ihrem Studium mit einer Hilfstätigkeit die Forschungsleistungen und die Lehrleistungen an den Hochschulen befruchten. Das war die eine Seite der Medaille.

Die andere Seite der Medaille ist, es sind hoch attraktive Jobs. Die sind schlecht bezahlt. Da komme

ich später noch darauf, da brauchen wir uns nicht darüber streiten, das ist so, sie sind zu niedrig bezahlt und das schon länger, aber es sind hoch attraktive Jobs. Aus welchen Gründen? Weil sie besser als jeder andere mit dem Studium vereinbar sind. Im besten Falle hat man in einem seinem Studium nahen Fach dann auch einen Hilfskraftvertrag und von daher sehr gute Verbindungen mit dem Studium. Man muss nicht nachts arbeiten gehen, in der Regel.

Dann, Frau Grobien und auch Frau Bergmann haben es lang und, wie ich finde, auch sehr schön dargestellt, die Einblicke in die akademische Arbeit und all das, was man im klassischen Studium, in diesen Seminarbesuchen, ja nicht lernen kann. Wie sind die Arbeitsabläufe, bevor ein Seminar stattfindet? Was gehört da alles dazu? Wie sind die Abläufe, damit im Labor überhaupt ein Experiment stattfinden kann? Das sind doch wirklich herausragende Einblicke, die Studierende zusätzlich zu ihrem Studium erwerben. Die sind ganz wichtig, weil wir im Grunde ja keine ordentliche Lehrausbildung für später Lehrende haben. Studierende lernen, wie Methodik funktioniert, wenn sie Tutorien anbieten. Sie erwerben erste Lehrerfahrungen und können wirklich frühzeitig abschätzen, ob das etwas für sie ist, denn nicht jeder spricht gern vor einer bestimmten Anzahl von Menschen. Das ist die andere Seite der Medaille, also die zwei Seiten einer Medaille.

Und, ich will es noch einmal betonen, es ist schon gesagt worden, diese Nebentätigkeiten, diese studentischen Hilfskrafttätigkeiten sind keine Jobs, von denen man leben können soll.

(Abgeordnete Vogt [DIE LINKE]: Das müssen aber viele!)

Nein – Entschuldigung, aber so viele studentische Hilfskraftjobs kann man gar nicht annehmen, dass man davon leben kann. Dann kann man nicht studieren. – Genau. Aber das oberste Ziel ist ja immer noch, in einer Regelstudienzeit plus ein Semester ein Studium zu absolvieren und nicht um vier Semester zu verlängern mit studentischen Hilfskraftjobs. Die sind zu schlecht bezahlt, das habe ich ja schon gesagt, und dahin komme ich auch gleich noch. Ich wollte nur noch einmal sagen, die Befristungsdebatte, dass die Verträge jetzt zwei, drei Jahren dauern müssen, da gehe ich so nicht mit.