Protokoll der Sitzung vom 08.05.2019

Das ist die Debatte von nachher. Da das aber ja im direkten Zusammenhang mit am Ende Einkommenszuwächsen steht, muss man das auch erwähnen, denn nirgendwo ist die Rendite für Geld, das aus öffentlichen Mitteln eingesetzt wird, so hoch wie bei der Bildung. Wenn man in dem Bereich das Geld einsetzt, kann man am Ende den Menschen ein Einkommen, ein selbstbestimmtes Leben ermöglichen, und das generiert sogar noch Steuereinnahmen, Herr Fecker.

(Beifall FDP)

Das heißt, wir müssen – –. Der Senat hat das ja mittlerweile erkannt, nicht umsonst gibt es ja in Bremen eine Ausbildungsgarantie. Für uns ist wichtig,

dass es eine Ausbildungsfähigkeitsgarantie gibt für jeden, der die Schule hier in Bremen und Bremerhaven verlässt.

(Beifall FDP)

Wir müssen auf der einen Seite dazu gelangen, dass diejenigen, die von unseren Schuhen kommen, auch die Lehrstellen besetzen. Im Moment ist es ja so, dass es die aus dem Umland mehrheitlich sind. Mehr als die Hälfte der Lehrstellen werden mit niedersächsischen Absolventen von Schulen besetzt. Wir haben auf der anderen Seite eine Wirtschaftspolitik, die das Wirtschaftswachstum in diesem Land nicht fördert, sondern das Wirtschaftswachstum findet statt aufgrund der hohen guten Konjunkturvorlage bundesweit. Bremen und Bremerhaven profitieren davon am wenigsten, zumindest, was die westdeutschen Bundesländer angeht.

Auch hier braucht es ein Umdenken. Wir müssen wettbewerbsfähige Rahmenbedingungen schaffen. Wir müssen die Unternehmen, die hier am Standort sind, halten. Wir müssen auch mit ihnen einen vernünftigen Willkommensumgang pflegen. Ich glaube, das ist schon das Erste, worüber hier die Wirtschaft immer wieder sich beklagt. Wir haben kein wirtschaftsfreundliches Klima in Bremerhaven, und das muss sich ändern.

(Beifall FDP)

Ich glaube, insgesamt kann es so nicht weitergehen. Es gibt noch viele weitere Effekte. Den Wohnungsbau hat Frau Vogt angesprochen, aber ich glaube, die Kernpunkte sind diese zwei. Wenn es da keinen Wechsel gibt, dann werden wir auch weiter mit geringen Einkommenszuwächsen oder auch in Bremerhaven – –. Das finde ich ja das Schlimmste daran, dass wir in Bremerhaven einen Einkommensverlust, einen realen Einkommensverlust haben. Wenn wir uns dann in der Nachbarschaft von Baden-Baden bewegen, dann kann ich auch sagen, es ist mir ziemlich egal, wie das in Baden-Baden sich bewegt, denn das Durchschnittseinkommen in Baden-Baden ist ein völlig anderes als in Bremerhaven.

Insofern sind wir da tatsächlich unter den letzten drei Städten in der Bundesrepublik, und das darf so nicht weitergehen. Daran müssen wir etwas ändern. Dafür muss sich die Politik ändern. Ich hoffe, am 26. Mai ist es dann soweit, dass es hier tatsächlich einen echten, klaren Politikwechsel gibt. Wir sind bereit, unseren Teil dazu beizutragen. – Vielen Dank!

(Beifall FDP)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Dr. Schaefer.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Hilz, ich bin Ihnen erst einmal dankbar, dass Sie nach dem Redebeitrag von Herrn Timke diese, ich finde, doch sehr rechtspopulistische Debatte,

(Abgeordneter Timke [BIW]: Da haben Sie mir nicht zugehört, Frau Schaefer!)

bei der alle Zuwanderer wieder Schuld an der Misere sind,

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD)

auf eine Analyse, die ich im Detail nicht wirklich ganz teile, aber zumindest wieder auf eine sachliche Ebene gebracht haben. Ich finde oder möchte erst einmal mit einer positiven Nachricht anfangen, weil Bremen ist für mich das Land der Kontroversen.

Was ist positiv? Wir lesen, und das attestiert auch noch einmal die Arbeitnehmerkammer in ihrem Bericht, dass die Wirtschaft in Bremen wächst und dass auch die Beschäftigungszahl zunimmt. Wenn man sich die Zahlen vom Juni 2018 ansieht, dann ist die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätze stetig gestiegen. Sie lag bei 330 000 Beschäftigten. Wer profitiert davon? Das sind vor allen Dingen Beschäftigte in der Logistik aber auch in den Lehr- und Erziehungsberufen, und man nimmt eine Dynamik gerade in Informatikberufen wahr. Das ist erst einmal eine gute Nachricht für Bremen.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD)

Land der Kontroverse: Es gibt sehr viele Wohlhabende in Bremen. Wir haben eine hohe Dichte an Millionären, das ist aber die Ausnahme. Wir haben aber, und das ist der Dissens zu Ihnen, Frau Vogt, weil Sie gesagt haben, alle Beschäftigten in Bremen verdienen nicht gut. Das ist nicht so.

(Abgeordnete Vogt [DIE LINKE]: Das habe ich so nicht gesagt!)

Es gibt ganz viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit einem sehr guten Einkommen, und das ist gerade im Industriesektor der Fall. Wir sind die sechstgrößte Industriestadt und in der Industrie

verdient man sehr gut. Deswegen gibt es Arbeitnehmer, die sehr viel verdienen, und das ist auch eine gute Nachricht.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Dann gibt es allerdings auch, das ist die Sonnenseite, wie immer eine Schattenseite. Das ist vor allen Dingen die große Spreizung. Wir haben viele prekär Beschäftigte, wir haben eine hohe Leiharbeitsquote, wir haben eine hohe Anzahl an Langzeitarbeitslosen, wir haben unfreiwillige Teilzeit und in einigen Bereichen dominieren die Niedriglöhne. Wenn man sich ansieht, was sagt diese Studie aus? Die WSI-Studie hat die Pro-Kopf-Einkommen in den Fokus genommen, und das ist zum Teil wenig aussagekräftig.

Sie hat das Pro-Kopf-Einkommen von 401 Kreisen und kreisfreien Städten verglichen. Da liest man, Starnberg hat mit 34 987 Euro das höchste ProKopf-Einkommen. Matthias Güldner wies mich vorhin noch einmal darauf: Ja, der thailändische König wohnt dort, und natürlich geht das auch in diese Statistik ein, im Übrigen genauso die Studierenden, die wenig verdienen, also eine Studentenstadt schneidet bei einem Pro-Kopf-Einkommen meistens schlechter ab

(Abgeordnete Dr. Müller [Bündnis 90/Die Grünen]: Richtig!)

als andere Städte, genau wie alle Arbeitslosen auch zum Pro-Kopf-Einkommen hinzugerechnet werden. Ein Pro-Kopf-Einkommen, ein Durchschnittseinkommen hat alle Extreme in sich. Schlusslicht bei der Studie ist Gelsenkirchen mit 16 203 Euro. Bremen liegt mit 21 327 Euro im mittleren aber im unteren mittleren Bereich. Das sagt erst einmal nur die Studie aus, und das sagt wenig aus, finde ich.

Wenn man sich jetzt zum Beispiel den Lohnzuwachs in Bremen ansieht, dann sieht man, die Löhne wachsen. Auch das ist unterschiedlich. Während in der Industrie die Löhne um 7,4 Prozent gewachsen sind, das sind die Gutverdienenden, sind die im Dienstleistungssektor nur um 1,7 Prozent gestiegen. Also, ich finde, auch wenn ich das ProKopf-Einkommen als die Einheit schon kritisiere, weil sie wenig aussagt, kann man trotzdem aus der Studie viel lernen.

Erst einmal, was lernt man? Wer sind die Gewinner? Das sind in der Regel die Männer, gerade in der Industrie. Sie verdienen gut. Wer sind dann entsprechend die Verlierer oder Verliererrinnen

müsste man eher sagen? Es sind die Frauen. Da kann man sich einmal den Gender Pay Gap ansehen, der mit 23 Prozent in Bremen, im Land Bremen, immer noch der höchste im Bundesdurchschnitt ist. Wenn ich vorhin auch gesagt habe, was fließt alles ein: Es werden ja nur Bremen und Bremerhaven angeschaut, und es ist in der Tat so, und das haben meine Vorredner zu Recht auch gesagt, dass die Situation in Bremerhaven noch sehr viel schwieriger ist als in Bremen.

Wenn man sich aber die Region ansehen würde, dann würde man auch eines sehen, nämlich, dass die Menschen, die in Bremen gut verdienen oft im Umland wohnen. Das ist ein Problem. In Bremerhaven gibt es sehr viele, die an der Hochschule, in den Instituten arbeiten, in der Lebensmittelindustrie und ganz oft im Umland wohnen oder sogar in Bremen.

(Zuruf Abgeordneter Prof. Dr. Hilz [FDP])

Sie haben die große Pendelproblematik. Das geht natürlich in die Statistik in Bremerhaven ein. Man kann da gut verdienen, aber viele wohnen dort nicht. Das Gleiche gilt aber auch für Bremen. Man kann hier gut verdienen und das ist auch immer diese Debatte um Bauland. Wir wollen die gut Verdienenden auch in Bremen halten, also müssen wir auch zusehen, dass gerade Familien hier Bauland und bezahlbaren Wohnraum finden, damit sie nicht ins Umland ziehen.

Das gehört zur Wahrheit hinzu. Würde man sich die Region anschauen, würde es auch schon einmal besser aussehen. Was kann man jetzt tun, Blick nach vorn richten: Wenn wir feststellen, die großen Verliererinnen sind die Frauen, dann heißt das, wir müssen die Frauen mehr in der Arbeitswelt fördern.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Die Erwerbsquote von Frauen in Bremen liegt unter dem Durchschnitt. Das kann uns nicht zufriedenstellen. Wir wollen mehr Frauen in Führungspositionen. Wir müssen die Frauen in den Fokus der Arbeitsmarktpolitik rücken. Wir müssen die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessern, das heißt auch gerade, die Betreuungsmöglichkeiten ausbauen. Denn nur, wenn das Kind im Kindergarten gut betreut ist, aber auch Ganztagsschulausbau ist für uns deswegen wichtig, können Frauen überhaupt einer Ausbildung und einer beruflichen Tätigkeit nachgehen.

Wir müssen die Tarifbindung stärken. Das ist auch etwas, was man feststellt, was auch die Arbeitnehmerkammer noch einmal dokumentiert hat: Die Tarifbindungen gehen in Bremen zurück. Nur noch 38 Prozent der Beschäftigten haben einen Branchentarifvertrag, nur noch 17 Prozent haben einen Haustarifvertrag. Das heißt, wir brauchen allgemeinverbindliche Tarifverträge. Da müssen wir den Fokus hinlegen.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Dann hatte ich aufgezählt, was auch ein Problem ist: Wir haben viele prekär Beschäftigte. Es gibt in Deutschland, und das geht nicht in – –.

(Abgeordnete Vogt [DIE LINKE]: Wie viele Frauen arbeiten in sozialen Berufen?)

Frau Vogt, ich habe Ihnen auch ganz geduldig zugehört. Es gibt in Deutschland das Phänomen Working Poor, dass die Menschen, die arbeiten gehen, nicht von ihrem Lohn, von ihrem Verdienst leben können. Das ist etwas, gegen das wir angehen müssen. Das haben wir auch gerade, nämlich mit dem Landesmindestlohn, den wir erhöhen, damit die Menschen, die arbeiten, auch davon leben können. Wer arbeitet, muss davon leben können. Das gilt dann im Übrigen auch im Alter. Alles, was wir im Arbeitsleben nicht erwirtschaftet haben, das rächt sich später im Alter.

Auch das ist wieder ein Frauenthema, weil gerade Frauen von der Altersarmut besonders betroffen sind. Arbeitsmarktpolitik ist nicht nur Rentenpolitik, es ist auch Frauenpolitik. Was ist der Schlüssel gegen Armut? Herr Hilz, darauf sind Sie eingegangen, es ist eine gute Bildung, es ist eine gute Ausbildung, es ist eine Qualifizierung, eine Weiterqualifizierung und eine Weiterbildung. Deswegen ist der Bereich extrem wichtig, gerade auch in Bremen.

Wir brauchen mehr Ausbildungsplätze. Wir haben ein sinkendes Ausbildungsengagement, und deswegen müssen wir da dringend etwas tun. Wir müssen die Betriebe dabei unterstützen, wieder mehr Menschen auszubilden, meine Damen und Herren.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Deswegen komme ich zu dem Fazit, dass die WSIStudie mit ihrem Pro-Kopf-Einkommen uns erst einmal wenig sagt, wenig Neues auch gebracht

hat. Es hat aber angeregt, heute über Arbeitsmarktpolitik zu reden. Deswegen sehen wir auf der einen Seite mit mehr Beschäftigten, mit gut bezahlten Beschäftigten, mit einem Wirtschaftswachstum, dass es erst einmal eine gute Tendenz auf dem Arbeitsmarkt gibt. Es zeigt aber auch: Wir können uns jetzt überhaupt nicht darauf ausruhen, sondern wir müssen noch ganz viel anpacken. Wir müssen mehr ausbilden, wir müssen aber vor allen Dingen auch die Frauen unterstützen. – Herzlichen Dank!

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Reinken.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Gestern oder vor ein paar Tagen bin ich als ausscheidender Abgeordneter gefragt worden, was ich denn nicht vermissen würde, wenn ich nicht mehr in der Bürgerschaft bin. Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen, nach den ersten zwei Wortbeiträgen, die ich heute gehört habe, ist es genau das, was ich nicht vermissen werde,

(Beifall SPD)