das ist der Beweis dafür, dass Bremen Schlusslicht ist. Es wundert mich insofern, weil Sie doch eigentlich, Frau Vogt – –. Wenn ich mir Ihr wirtschafts- und arbeitsmarktpolitisches Programm ansehe, dann erkenne ich doch, wie sehr Sie versuchen, sich an die Regierungsfähigkeit oder Mitregierungsfähigkeit heranzurobben. Deswegen wundern mich dann solche Diskussionsbeiträge immer, aber damit auch genug.
Völlig klar ist, dass diese Region ihre Schieflage gegenüber anderen Regionen nicht über Transferleistungen verändern wird, sondern nur darüber, dass die Wirtschafts- und damit die Einkommenskraft der Region gestärkt wird. Das ist ein zentraler Wählerauftrag für die SPD. Wir werden es auch weiter als unsere zentrale Aufgabe auffassen, und das hat in den letzten Jahren gut geklappt.
Starke Betriebe, hohes Angebot an Arbeitsplätzen, qualifizierte Arbeitnehmer, selbstbewusste Arbeitnehmer, die sich Tarifverträge mit guter Bezahlung erkämpfen und gute Bildung in einem lebenswerten Umfeld! Das gehört dazu.
Wir haben 43 000 Arbeitsplätze in den letzten zehn Jahren, 6 000 davon in Bremerhaven geschaffen, das müssten sie auch in Bremerhaven ein wenig gemerkt haben. Zu der Debatte, ob die Menschen dann immer auch in Bremen wohnen, waren wir eben schon gekommen und setzen das auch fort. Wirtschaftspolitik hat dabei geholfen, die Kernbereiche zu entwickeln durch Investitionen in Fläche, in Wissenschaft, in wissensintensive Dienstleistungen, in Verkehrsanbindungen, insbesondere auch in Bremerhaven, ich denke einmal an das Thema Containerhafen, in der Logistik sowie im Handel durch Infrastrukturinvestitionen.
Übrigens haben wir damit auch dazu beigetragen, dass die Quote der Frauen in Beschäftigung gesteigert wurde, wenngleich völlig richtig ist, dass die Quote der Beschäftigung von Frauen in den Kernbereichen, in denen sehr gut verdient wird, nach wie vor zu wünschen übrig lässt und deutlich gestärkt werden müsste.
Wir bekennen uns sehr klar zu den industriellen Kernbereichen, die wir haben: Luft und Raumfahrt, Auto, maritime Wirtschaft, Nahrung und Genuss, Handel und Logistik, Wind, und wir wissen, dass das ergänzt werden muss durch Investitionen in wissensorientierte Dienstleistungen, Tourismus sowie attraktive Innenstädte. Alles muss dazu beitragen, dass Bremen den Strukturwandel, den wir erfolgreich in den letzten Jahren, in den letzten Jahrzehnten beschritten haben, auch weitergeht. Danach muss sich Wirtschaftspolitik ausrichten, dazu muss sowohl Politik beitragen als auch der Wirtschaft entsprechende Entscheidungshilfen bieten. Das werden wir weiter stärken, davon bin ich fest überzeugt.
Die starken wirtschaftlichen Strukturen Bremens, die sich verändern werden und müssen, sind jedoch auch weitere Anziehungspunkte für 42 Prozent Einpendler, die nach Bremen kommen und die am Feierabend ihr Einkommen in die Umlandgemeinden tragen. Ich hatte vorhin die Zahlen der Entwicklungen in den Umlandgemeinden genannt. Das ist weder zukunftsweisend noch letztlich ökologisch. Man könnte ja darüber nachdenken, dass man wie im Barock oder wann das war, anfangend vielleicht beim öffentlichen Dienst, die Residenzpflicht wieder einführt; also jeder, der im öffentlichen Dienst eine Beschäftigung findet, muss innerhalb der Landesgrenzen wohnen.
Ich vermute auch, das ist verfassungsrechtlich schwierig. Wenn das nicht geht, dann müssen wir doch alle gemeinsam dazu beitragen, dass Bremen und Bremerhaven ein Anziehungspunkt für das Wohnen von gut verdienenden Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern werden. Da haben wir Defizite, das wissen wir. Aufgrund dessen diskutieren wir doch auch über Wohnungsbau. Deswegen war doch die Debatte über die Rennbahn gestern so gespenstisch, weil sie eben verhindert, dass wir attraktiven Wohnraum anbieten können für die gut verdienenden Menschen, die sich heute in Weyhe bei Andreas Bovenschulte oder in Achim oder sonst wo vielleicht ein Häuschen bauen wollen.
Diese Menschen wollen wir nach Bremen haben, und deswegen müssen wir eine Stadt entwickeln, die Räume hat für Zuzug mit Lebensqualität, mit Kultur, mit Sportflächen, mit Platz für die Familien,
Ich komme zum Schluss! Ich glaube, für uns ist entscheidend, die Frage zu diskutieren, da knüpfe ich ein bisschen da an, was Herr Röwekamp gesagt hat: Erreichen wir so etwas wie einen gesellschaftlichen Konsens über die Fragen, wo sich Bremen wirklich entwickeln muss? Ist man kompromissfähig in der Frage, wie sich wirtschaftliche Interessen, wirtschaftliche Herausforderungen und Einzelinteressen entwickeln? Die Region ist als Transferleistungsempfänger nicht lebensfähig. Das kann für uns kein Ziel sein.
Gestatten Sie mir einen abschließenden Satz, anknüpfend an den Gedanken, den Wilhelm Kaisen früher immer geäußert hat in Bremen, sozusagen das Bündnis von Kaufmannschaft und Arbeiterschaft.
Das ist so ein bisschen die Sprache der Fünfzigerjahre, die ist nicht mehr aktuell, aber ich glaube, dass wir in der Region Elemente davon gerade unter Globalisierungsbedingungen neu mobilisieren müssen. Es wird nur gehen in einem Bündnis von Bevölkerung, von Management, von Beschäftigten, mit Unternehmensverbänden, mit Gewerkschaften die Bereiche herauszusuchen, in denen wir im Bereich von Wirtschaftspolitik und damit auch Folgen von Arbeitsmarktpolitik expansionsfähig sind oder etwas gemeinsam machen können und wo wir dann auch in der Stadt den Konsens herstellen müssen. – Herzlichen Dank!
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich wollte ursprünglich noch einmal auf die Einpendler zu sprechen kommen, aber ich habe eine andere Auffassung als Dieter Reinken, der sagte, man sollte die Würde des Hauses lieber nicht noch einmal damit belasten, dass man auf den Redebeitrag von Herrn Tassis eingeht. Ich finde, genau an diesem Tag, dem 8. Mai, kann man das nicht unkommentiert stehen lassen, meine Damen und Herren!
Herr Tassis, ich hatte das Gefühl, dass Sie den Tag der Befreiung in Frage stellen oder historisch verklären. Sie bezeichnen den Tag als den Tag der militärischen Niederlage. Es ist der Tag der Befreiung von nationalsozialistischer Herrschaft, von Diktatur, von Völkermord an Millionen von Menschen und von dem Grauen des Krieges. Es ist der Tag, und deswegen bin ich dem Kollegen Röwekamp dankbar, dass er das zum Anlass genommen hat, es ist der Tag, an dem wir aufgerufen sind, uns für die Demokratie stark zu machen. Und das konnte ich bei Ihnen wahrlich nicht heraushören, Herr Tassis!
Das, was Sie gemacht haben, ist, uns heute allen zu zeigen, was das wahre Gesicht der AfD ist. Sie ist keine Protestpartei. Was Sie an den Tag gelegt haben ist für mich nicht mehr Rechtspopulismus, für mich ist das, was Sie hier von sich geben schon ultrarechts.
Jetzt versuche ich, tief durchzuatmen und zu der eigentlichen Sache zu kommen. Wir haben jetzt länger diskutiert, wer im Land Bremen, in Bremen und in Bremerhaven wie viel verdient. Es ist so, dass bei der Berechnung des Durchschnittseinkommens alle Extreme berücksichtigt werden, von extrem viel verdient bis hin zu wenig verdient und Arbeitslosigkeit. Deswegen kann man nicht alle gleich setzen. Das hatte ich vorhin schon gesagt. Wir sind eine Industriestadt, und es gibt viele Menschen, die richtig gut und auch über dem Durchschnitt verdienen. Das ist so. Deshalb lockt das viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus dem Umland an.
Wenn ich mir anschaue, woher die Kolleginnen und Kollegen von meines Mannes kommen, der in einem großen Betrieb arbeitet, dann sind das ganz viele, die nicht dahin gezogen, aus Bremen weggezogen sind, sondern die dort schon immer gewohnt haben. In Osterholz-Scharmbeck, in Ritterhude, in Weyhe, in Oldenburg, in Hude, sogar in Cloppenburg. Sie pendeln von Cloppenburg jeden Tag herein, weil sie dort schon immer gewohnt haben. Deswegen ist das, was Dieter Reinken gerade gesagt hat, so wichtig: Schaffen wir es, Menschen, die gut verdienen, an den Standort zu binden? Aus diesem Grund ist auch die Frage in Zusammenhang mit den Studierenden so wichtig. Wir sind eine Studentenstadt, und das ist gut so, meine Damen und Herren.
Es ist gut, dass viele junge Menschen nach Bremen kommen, um hier zu studieren, aber sie verdienen in der Zeit nicht viel. Das wird in das Pro-Kopf-Einkommen hineingerechnet. Deswegen, das ist das, was mein Kollege Robert Bücking immer predigt, müssen wir ein Interesse haben, dass von den vielen gut ausgebildeten Studentinnen und Studenten mehr in Bremen bleiben.
Wir haben ein Stadt- und Landphänomen. Viele Langzeitarbeitslose wohnen eher in Großstädten, weil es hier Infrastruktur gibt. Auch das fließt in diese Statistiken hinein, aber Herr Röwekamp, und da bin ich ganz bei Dieter Reinken, wenn wir über die Flächen reden, und Sie haben mich gerade gezielt noch einmal auf die Flächen angesprochen, dann ist es so, dass Bremen und Bremerhaven Städte mit begrenzten Flächen sind. Wir sind das kleinste Bundesland, und da kommen unterschiedliche Konkurrenzen zusammen, nämlich der Anspruch Bauen, der Anspruch Gewerbeflächen und der Anspruch der Menschen, die hier leben, nach hoher Wohnqualität und damit Naherholung und Grünflächen.
Diese ganzen Flächen konkurrieren miteinander. Wenn wir Gewerbeflächen entwickeln und uns dann ansehen, wie viele Menschen auf diesen Gewerbeflächen arbeiten: Es werden große eingeschossige Hallen gebaut, in denen wenige Menschen arbeiten. Man muss entweder anfangen zu erwägen in die Höhe zu bauen, damit man mehr Effizienz hat, oder zu überlegen, welches Gewerbe siedeln wir eigentlich an, kann man dieses Gewerbe veredeln? Kann man es schaffen, dass mehr Menschen auf diesen begrenzten Flächen arbeiten? Deswegen stimme ich Dieter Reinken absolut zu.
Sie können sich nicht hinstellen und mit einem vorwurfsvollen Blick in unsere grüne Richtung sehen, nach dem Motto, ihr wollt ja keine Flächen ausweisen und gleichzeitig gestern eine Debatte über eine große Fläche von 34 Hektar, die Galopprennbahn, führen, die sich als eine gute Baufläche, sie soll ja zur Hälfte bebaut werden, eignet, und sagen, nein, damit darf man gar nichts machen. Das passt einfach nicht zusammen. – Herzlichen Dank!
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Erlauben Sie mir zunächst noch einmal ein, zwei Worte zum 8. Mai 1945 zu sagen, dem man, wie ich finde, mit dem Begriff Tag der Befreiung nicht ganz gerecht wird. In der Tat haben die Deutschen das damals zu einem großen Teil gar nicht als Befreiung gesehen. Ich habe neulich einen Artikel zu der Geschichte, eine Umfrage aus dem Jahr 1949 gelesen. Da haben auf die Frage, finden Sie es richtig, dass Juden, Osteuropäer und Behinderte in Konzentrationslagern vernichtet wurden, um die Interessen des deutschen Volkes zu schützen, fast 40 Prozent mit ja geantwortet.
Das heißt, dass die Geschichte des Nationalsozialismus nicht am 8. Mai 1945 zu Ende ist, sondern menschenverachtendes Denken, Rassismus und die Bereitschaft zu Kulturbrüchen sind weit hineingetragen worden in die Geschichte der beiden deutschen Staaten, auch weit über die vierziger Jahre hinaus. Wir haben in den fünfziger und sechziger Jahren, ich bin in den siebziger Jahren zur Schule gegangen, immer noch damit zu tun gehabt. Es gibt kein Datum, an dem das aufgehört hat, wir müssen immer wachsam bleiben.
Wir haben auch andere Menschenrechtsverletzungen in der deutschen Geschichte gehabt, und jetzt komme ich einmal auf diese sozialistische, geradezu Kühnert’sche Idee der Residenzpflicht. Eine solche Residenzpflicht hat es gegeben in Deutschland, nämlich in der DDR. Die Menschen machen das nicht mit, die lassen sich nicht zwingen, die gehen weg. Die SED, die sich nach der Umbenennung und Fusion heute DIE LINKE nennt, hat vor etwas mehr als dreißig Jahren Menschen erschießen lassen, wenn sie dieser Residenzpflicht nicht nachkommen wollten.
Warum gehen Leute weg? Die Leute gehen weg, weil die Bedingungen nicht mehr stimmen. Wir haben sowohl in Bremen als auch in Deutschland insgesamt ein Immigrationsproblem. Wir haben hier neulich über Medizin geredet, über die Idee, ob wir in Bremen einen Studiengang Medizin einführen sollen. Wussten Sie, dass zahlenmäßig 25 Prozent der Medizinstudentinnen und -studenten, also der Absolventen eines Medizinstudiums in Deutschland, 25 Prozent dieser Zahl jedes Jahr in andere Länder immigriert, um dort den Beruf des Arztes auszuüben, weil die Bezahlungs- und Abgabebedingungen in Deutschland so schlecht sind?
Ein Chefarzt in einem Krankenhaus in Deutschland verdient netto weniger als ein LKW-Fahrer für Walmart in den USA. Also, wer will die motivieren, hier zu bleiben?
Wir haben natürlich auch in Bremen ein Immigrationsproblem, weniger, dass die Leute hier hinein pendeln, weil die Arbeitsplätze da sind. Ja, wir haben eine starke Wirtschaft in Bremen. Ja, wir haben Arbeitsplätze dazugewonnen, das ist alles ganz gut. Aber die Leute gehen aktiv weg. Wenn Sie den Monitor der Hans-Böckler-Stiftung, die ist SPDnah, wenn Sie betrachten, was da in der letzten Woche an Migrationsbilanzen aus Städten und ländlichen Kreisen zu lesen war, da war auf der Deutschlandkarte, außer dem Ruhrgebiet, Bremen und Bremerhaven rot gemarkert.
Herr Kollege Schäfer, ich möchte Ihnen die Hilfestellung geben, dass Sie schon die Hälfte Ihrer Zeit herum haben und noch zum Thema sprechen möchten.
Gut, also die Leute gehen hier weg, zwischen 200 und 300 Personen pro 100 000 Einwohner, weil sie es hier einfach unattraktiv finden. Das Wanderungssaldo, Asyl und Einwanderung aus dem Ausland ausgenommen, ist in Bremen negativ, die Leute gehen aktiv weg, weil sie keine vernünftigen Schulen finden, weil die medizinische Versorgung schlechter ist, weil alle Rahmenbedingungen schlechter sind. Das ist das Ergebnis von siebzig Jahren SPD.
Um zu dem Thema Einkommen zu kommen: Natürlich hat sich das Einkommen der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten negativ entwickelt. Das hat drei Gründe. Das eine ist, dass das Einkommen in den letzten zwanzig, dreißig Jahren generell nicht so stark gestiegen ist, wie es vielleicht wünschenswert gewesen wäre. Das Zweite ist aber die Abgaben- und Steuerpolitik. Während die Steuerbelastung für die Unternehmen immer weiter gesenkt wurde, ist die Abgabenbelastung für sozialversicherungspflichtige Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer immer weiter gestiegen. Wir haben die Beitragsbemessungsgrenzen immer mit der Gehaltsentwicklung nach oben angepasst, die Stufen für die Steuerprogression aber nicht. Das heißt, Sie kommen kaufkraftbereinigt heute in den Genuss des Spitzensteuersatzes bei der Hälfte des Einkommens, das noch vor dreißig Jahren nötig
war. Wenn Sie das mit anderen umliegenden Ländern vergleichen, haben Sie mit dem gleichen Brutto erheblich weniger netto in Deutschland als in jedem beliebigen Nachbarland, außer vielleicht in Belgien.
Auch dazu gab es im Focus im letzten Artikel eine schöne Gegenüberstellung, da wurden Nettogehälter in Deutschland mit denen in Österreich verglichen. Ich habe das in einer früheren Rede hier schon einmal erwähnt, gerade im Bereich des Niedriglohnsektors oder der geringen Einkommen in der Höhe von 2 000 oder 3 000 Euro brutto im Monat haben Sie in Österreich über zehn Prozent mehr netto. Ganz nebenbei bekommen Sie auch eine Rente, von der Sie leben können und die Sie nicht in eine staatlich gesteuerte Altersarmut stürzt, weil Sie verpflichtet sind, Rentenversicherungsbeiträge zu zahlen in einem System, das wenig mehr als die Grundsicherung leistet.
Wir sind aufgefordert, bundesweit an unseren Steuer- und Abgabegesetzen fundamentale Reformen vorzunehmen, um Arbeit von Abgaben und Steuern zu entlasten. In Bremen sind wir aufgefordert, Bremen als Wohnort interessanter zu machen. Das sind die Klassiker, bei denen Rot-Grün versagt, das ist die Bildungspolitik, das Thema Gesundheitsversorgung, die in Bremen erheblich schlechter ist als im Umfeld und diese anderen Dinge.