Protokoll der Sitzung vom 06.10.2006

Herr Minister, darf ich Sie freundlich darauf hinweisen, dass die vereinbarte Redezeit für die Fraktionen abgelaufen ist?

Tja, okay.

(Allgemeine Heiterkeit – Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, ich will mich daran halten. Ich hatte eingangs gesagt:Alle Facetten dieses Themas sind in so kurzer Zeit wirklich nicht zu behandeln. – Deshalb bleibe ich dabei: Es wird in Hessen keinen allgemeinen Abschiebestopp geben. Den halte ich für unverantwortlich. Ihn kann ernsthaft niemand wollen. Ich werde weiter dafür arbeiten, dass wir eine Bleiberechtsregelung für die Menschen bekommen, wie ich es eben versucht habe zu beschreiben. Ich bin nicht ohne Hoffnung. Aber ich sage: die erste Sitzung am kommenden Montag – alles andere ist bisher Absichtserklärung.

Letzte Bemerkung, Herr Kollege Rentsch, zu Ihnen. Sie haben zwei Dinge miteinander verknüpft, die eigentlich miteinander nichts zu tun haben.

(Florian Rentsch (FDP): Das kann nicht sein!)

Doch. Sie haben darauf hingewiesen, Deutschland brauche eine geregelte Zuwanderung. Das war der dritte Teil. Darüber kann man eine eigene Debatte führen.

Worum es hier geht, ist nicht das Problem neuer Zuwanderung. Hier geht es um die Frage, wie wir in einem schwierigen Problemkreis, der sich nicht in einem Satz lösen lässt, einen vernünftigen Weg finden, wie wir auf der einen Seite das Gesetz beachten, aber auf der anderen Seite Menschen nicht für ihr Verhalten belohnen, das in unserem Land nach meiner Überzeugung nicht belohnt werden darf, und gleichzeitig so humanitär handeln, dass wir hier geborene Kinder – gegebenenfalls gut integriert, teilweise auch nicht, das ist auch die Wahrheit – so hierbehalten können, dass sie einen eigenen sicheren Aufenthalt haben, sich die Menschen in unserem Land nicht überfordert fühlen und die, die hier sind, eine Basis für eine gedeihliche gemeinsame gesellschaftliche Entwicklung finden.

Daran arbeiten wir. Ich bin zuversichtlich.Wenn Sie mich dabei unterstützen, bedanke ich mich.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Innenminister. – Herr Dr. Jürgens und Herr Rentsch haben sich zu Kurzinterventionen gemeldet. Zunächst hat Herr Dr. Jürgens das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich habe mich zu einer Kurzintervention gemeldet, weil ich eine Frage habe,die als Zwischenfrage nicht zugelassen wurde. Ich möchte sie trotzdem stellen, weil sie mir wichtig zu sein scheint.

Herr Innenminister, Sie haben darauf hingewiesen, dass vor allem denjenigen ein Bleiberecht zukommen wird, die ihren Lebensunterhalt selbst sicherstellen können. Das ist eine Frage, die uns auch in der Härtefallkommission gelegentlich umtreibt und in der Härtefallverordnung nach meinem Dafürhalten nicht hinreichend geregelt ist: Was passiert eigentlich mit denjenigen, die aufgrund einer Krankheit, einer Behinderung oder ihres hohen Alters nicht in der Lage sind, zu arbeiten? Sie arbeiten nicht, nicht weil sie es nicht wollen oder keine Arbeit finden, sondern weil sie aufgrund von gesundheitlichen Beeinträchtigungen nicht in der Lage dazu sind.

Es geht z. B. um einen jungen Mann, der im Alter von vier Jahren hierher gekommen ist, unter vielen psychischen Belastungen und Problemen leidet, inzwischen erheblich psychisch erkrankt ist, sich seit Jahren in der Psychiatrie befindet und im Alter von Mitte 20 von einer Abschiebung bedroht ist.Er kann aufgrund seiner psychischen Erkrankung nicht arbeiten.

Das sind die Fälle, die uns in der Härtefallkommission immer wieder beschäftigen und auf die Sie weder in Hessen noch in der Härtefallregelung, die Sie auf Bundesebene anstreben, eine hinreichende Antwort gefunden haben.

Ich möchte einen zweiten Aspekt ansprechen. Sie haben das Beispiel der Familie eines Betroffenen erwähnt, der nach Holland – oder sonst wohin – ausgereist ist. All das ist schön und gut. Uns treibt aber vielfach die Frage um, inwieweit wir die Kinder, die hier geboren sind und die sicherlich weder sich die Duldung erschlichen noch unter falschen Voraussetzungen Asylverfahren betrieben haben, für die Verfehlungen ihrer Eltern in Sippenhaft nehmen können.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das ist eine spannende Frage.Wie können wir sie aus dem Land, das sie als Heimat empfinden, vertreiben? Gleichwohl wissen wir, dass es Verfehlungen der Eltern gibt. Aber dass wir die Verfehlungen der Eltern den Kindern anlasten und sie dafür haften lassen, sollte uns alle nachdenklich machen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Jürgens. – Nun hat sich Herr Rentsch zu einer Kurzintervention gemeldet.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Minister,ich habe mich noch einmal zu Wort ge

meldet, weil Sie einen wunden Punkt bei der CDU angesprochen haben, nämlich die Frage, ob Deutschland ein Zuwanderungsland ist oder nicht. Diese Frage hat in den letzten Jahren zu einigen Zerwürfnissen in Ihrer Partei geführt, und ich hätte mich auch gewundert, wenn wir heute das Bekenntnis gehört hätten, Deutschland sei ein Zuwanderungsland.

Dabei lässt sich das auf eine ganz einfache Formel bringen:Wenn Sie vorher die Zuwanderung regeln, haben Sie nachher keine Probleme. Darum geht es.

(Beifall bei der FDP)

Das Land – auch die CDU-Fraktion – muss endlich den Mut haben, dieses Thema zu regeln. Die Wahrheit zu verdrängen und die Realitäten nicht anzuerkennen hilft in dieser Frage nicht weiter. Deutschland wird in naher Zukunft ein Zuwanderungsgesetz bekommen – spätestens wenn die FDP für diesen Bereich wieder Verantwortung trägt. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Rentsch. – Jetzt hat sich der Herr Innenminister noch einmal zu Wort gemeldet.Bitte schön.

Herr Kollege Rentsch, ich will es kurz machen. Ich biete Ihnen an, an anderer Stelle ausführlicher darüber zu sprechen. Das ist eine Illusion, die die FDP pflegen möge. Es ist trotzdem falsch. Die Masse der Menschen, die zurzeit in unser Land kommt, gelangt mithilfe von Schleppern hierher. Über die, um die wir gemeinsam ringen, also die am besten Ausgebildeten, braucht sich doch niemand zu streiten. Wir müssen sie sogar einladen, damit sie kommen. Deshalb war ich für die alte Greencardregelung nie zu haben. Sie war falsch. Diese Leute müssen wir wirklich aufnehmen.

Aber das ist nicht unser Problem. Unser Problem ist, dass die Masse der Menschen, über die wir uns auch hier streiten, in unser Land gekommen ist, weil sie sich für sich und ihre Familie eine bessere Zukunft erhofft. Das werfe ich ihnen nicht vor. Aber auch das ist die Wahrheit: Wer glaubt, über eine Steuerung im Segment der am besten Ausgebildeten das Problem der Armutswanderung bekämpfen zu können, ist ein Illusionist. Deshalb ist das aus meiner Sicht falsch.

Nächster Punkt. Was Behinderungen und die Belastung durch Krankheit anbetrifft, so sage ich Ihnen, ich setze mich dafür ein, dass diese Menschen bleiben können. Da gibt es Grenzen. Das gilt genauso für ältere Menschen.

Aber ich will auch ganz klar sagen: Die Kinder teilen das Schicksal der Eltern. Diesen Grundsatz kann ich nicht aufgeben. Wenn ich ihn aufgebe, führt das dazu, dass Eltern alles, aber auch wirklich alles unternehmen können: straffällig werden, den Staat betrügen und den Staat ausnutzen. Über all das sollen wir dann hinweggehen, weil in der Zwischenzeit unschuldige Kinder geboren worden sind?

(Beifall bei der CDU)

Das ist für diese Kinder schlimm.Aber es ist im Interesse der Staatsräson für mich unverzichtbar, dass der Grundsatz gilt: Kinder kann man nicht völlig von dem Verhalten ihrer Eltern abkoppeln, nach dem Motto: Die Eltern können machen, was sie wollen, Hauptsache, sie haben hier Kinder geboren, und damit ist alles in Ordnung. – Das ist eine Position,die man nicht ernsthaft vertreten kann,auch wenn das im Einzelfall für die Kinder bitter ist. Aber das ist für mich eine Frage der Staatsräson.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Innenminister. – Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit kommen wir zunächst zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Bleiberecht,Drucks.16/5907. Es wurde beantragt, über die Punkte einzeln abzustimmen. Wenn dem nicht widersprochen wird, verfahren wir so. – Herr Kaufmann, zur Geschäftsordnung.

Frau Präsidentin, das ist völlig richtig. Ich beantrage hier noch einmal – vorhin habe ich es nur oben getan –, über die einzelnen Punkte getrennt abzustimmen. Das war der Stand der Debatte und aus den einzelnen Wortmeldungen zu entnehmen.

Dagegen erhebt sich kein Widerspruch. Dann verfahren wir so. Wir stimmen über die einzelnen Punkte getrennt ab.

Ich lasse zunächst über Punkt 1 des Antrags abstimmen. Wer diesem seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind alle Fraktionen dieses Hauses. Damit ist dieser Punkt angenommen.

Wer Punkt 2 die Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind ebenfalls alle Fraktionen dieses Hauses. Damit ist dieser Punkt angenommen.

Wer Punkt 3 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Die Gegenstimmen kommen von CDU und FDP. Damit ist dieser Punkt abgelehnt.

Wer Punkt 4 die Zustimmung geben möchte, den bitte ich nun um das Handzeichen. – Das sind ebenfalls SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Gegenstimmen? – Das sind CDU und FDP. Damit ist auch dieser Punkt abgelehnt.

Wer Punkt 5 die Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Gegenstimmen? – CDU und FDP. Damit ist auch dieser Punkt abgelehnt.

Die Antwort auf die Große Anfrage betreffend Umsetzung des Aufenthaltsgesetzes in Hessen, Drucks. 16/5815 zu Drucks. 16/5300, ist besprochen worden.

Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 9:

Erste Lesung des Gesetzentwurfs der Landesregierung für ein Siebentes Gesetz zur Änderung des Hessischen Sparkassengesetzes (HSpG) – Drucks. 16/6067 –

in Verbindung damit Tagesordnungspunkt 11:

Erste Lesung des Gesetzentwurfs der Fraktion der FDP für ein Gesetz zur Änderung des Hessischen Sparkassengesetzes – Drucks. 16/6069 –

dazu Tagesordnungspunkt 24:

Antrag der Fraktion der SPD betreffend Zukunft der Hessischen Sparkassen sichern, Zusammenarbeit mit Partnerland Thüringen nicht weiter beschädigen – Drucks. 16/5769 –

Die vereinbarte Redezeit beträgt 15 Minuten pro Fraktion. Zur Einbringung des Gesetzentwurfs der Landesregierung hat Herr Dr. Riehl das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Hessische Landtag wird sich heute und in naher Zukunft mit vier Gesetzeswerken beschäftigen, die das Sparkassenwesen in Hessen und darüber hinaus betreffen. Heute stehen der Entwurf für ein Gesetz zur Änderung des Hessischen Sparkassengesetzes, der Entwurf für ein LTH-Gesetz und der dazugehörige Staatsvertrag mit Thüringen auf der Tagesordnung. Ich darf ankündigen, dass wir uns in diesem Jahr im Landtag ebenfalls noch mit dem sogenannten Umwandlungsgesetz für die Frankfurter Sparkasse befassen werden.