Protokoll der Sitzung vom 04.05.2007

(Beifall bei der FDP)

Aber die FDP-Fraktion schließt sich den Stellungnahmen der zahlreichen Sachverständigen in der schriftlichen Anhörung an, die erklärt haben, dass Ihrem Gesetzentwurf aus rechtspolitischen und verfassungspolitischen Gründen nicht gefolgt werden soll. Dort wird sehr deutlich dargestellt, dass Ihr Gesetzentwurf eben keine Rechtssicherheit schafft, sondern dass von den Regelungen, die Sie bezüglich der Unterschriftenlisten getroffen haben, eine nicht hinnehmbare Rechtsunsicherheit ausgeht und dass Sie zu dem mit diesem Verfahren keine hinreichende Gewähr für die Ernsthaftigkeit der Stimmabgabe bieten.

Herr Kollege Dr. Jürgens, Sie können meines Erachtens nicht in Abrede stellen, dass es bei einer Stimmabgabe – wie haben Sie das eben gesagt? – zwischen Bäckereibesuch und Friseurbesuch zu Beeinflussungen kommen kann. Ich habe in den Fußgängerzonen unserer Städte schon oft solche Unterschriftenstände gesehen und weiß, dass die Personen, die dort stehen, mit den Leuten, die vorbeikommen, teilweise recht geschickt umgehen. Das heißt,Sie können eine Beeinflussung an dieser Stelle nicht ausschließen. Noch einmal:Wir reden darüber, eine Klage einzureichen, durch die ein Gesetz zu Fall gebracht werden soll.

(Beifall bei der FDP)

Herr Dr. Jürgens, spätestens an dieser Stelle sollten Sie darüber nachdenken. Auch was die Eigenhändigkeit der Stimmabgabe betrifft, können Sie einen Missbrauch nicht ausschließen.Das hat die Anhörung deutlich gezeigt.Frau Kollegin Hofmann war wenigstens so fair, dies einzuräumen. Sie können die Authentizität einer Unterschrift am Stand nicht überprüfen.

Das heißt, Sie haben landesweit das Problem, dass Sie erstens vermeiden müssen, dass es Mehrfachstimmabgaben gibt. Man darf nämlich nicht nur am Wohnort unterschreiben, sondern kann sich überall im Land in solche Listen eintragen. Zweitens müssten Sie verhindern können, dass sich Leute in diese Listen eintragen, die gar keine Stimmberechtigung haben. Drittens müssten Sie verhindern,dass plötzlich – durch falsche Unterschriften – nicht existierende Personen eingetragen werden. Das leistet Ihr Gesetzentwurf nicht.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Doch!)

Frau Kollegin Hofmann, auch § 267 StGB ist dabei keine Hilfe. Wenn jemand an einem Infostand völlig unbeobachtet eine Unterschrift fälscht, wie wollen Sie den Betreffenden nachher verfolgen? Sie wissen doch gar nicht, wer die Unterschrift gefälscht hat.

Nein, für uns bleibt es dabei: Wir unterstützen nach wie vor das Recht, eine Popularklage beim Staatsgerichtshof einzureichen. Aber die Erleichterung, die hier von den GRÜNEN gefordert wird,ist nicht notwendig.Aus rechtspolitischen und aus verfassungspolitischen Gründen ist sie sogar gefährlich. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Frau Kollegin Beer. – Nächster Redner ist Herr Kollege Beuth, CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte noch einmal unsere Auffassung bekräftigen, dass wir das herausragende Recht der Popularklage, das in der Hessischen Verfassung verankert ist, nicht dem Populismus, der in dem durchscheint, was hier vorgetragen worden ist, opfern wollen. Wir, die CDU-Fraktion, wollen dieses herausragende Recht nicht aushöhlen.

(Beifall bei der CDU)

In Art. 131 der Hessischen Verfassung ist das Gruppenantragsrecht für eine Verfassungsklage festgeschrieben. Herr Kollege Dr.Jürgens,wir achten das,auch wenn Sie in Ihren Redebeiträgen etwas anderes unterstellt haben.

Ich möchte noch einmal auf etwas zurückkommen, was auch in der Anhörung deutlich geworden ist. Es gibt kein Gebot,die Ausformung des Gruppenantragsrechts zu verändern.Vielmehr reicht das, was wir im Staatsgerichtshofgesetz und in der Hessischen Verfassung festgeschrieben haben, völlig aus, um das verfassungsmäßige Recht der Bürgerinnen und Bürger,eine Popularklage einzureichen, zu gewährleisten. Das reicht schlicht und ergreifend aus. Deswegen sind wir zu dem Ergebnis gekommen, dass wir Ihrem Gesetzentwurf nicht zustimmen können.

Da wir ein solch einzigartiges Bürgerrecht in unserer Verfassung haben, ist auch eine besondere Aufmerksamkeit erforderlich, wenn wir uns darüber unterhalten. Eine besondere Seriosität im Umgang mit diesem Thema ist erforderlich. Herr Dr. Jürgens, diesen Anforderungen sind Sie in Ihrem Redebeitrag leider nicht gerecht geworden. Das möchte ich hier noch einmal deutlich machen.

(Beifall bei der CDU)

Wir wollen keine Klage haben, unter die nicht eine verbindliche Unterschrift gesetzt worden ist. Das ist bei einem Recht wie der Popularklage auch angemessen und richtig. Jeder Einzelne soll für eine solche Klage Verantwortung übernehmen. Ich finde, die Tatsache, dass die Unterschrift nicht irgendwann zwischen Einkauf und Friseurbesuch, sondern auf der Gemeindeverwaltung geleistet werden muss, verdeutlicht die Verantwortung.

Dass man hier eine gewisse Rechtssicherheit haben muss, ist schon angesprochen worden. Nun greife ich gern auf das Argument zurück,von dem Sie schon vermutet haben, dass es am Ende kommen würde: Eine Unterschrift, die auf der Gemeindeverwaltung geleistet wird, ist eine gewisse Gewähr dafür, dass sich der Betreffende ernsthaft mit dieser Thematik auseinandergesetzt hat und sich auch damit auseinandersetzen konnte. Es geht nicht darum, dass wir unterstellen – wie Sie es ausgedrückt haben –, die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes seien „Deppen“. Das möchte ich hier für die CDU-Fraktion in aller Form zurückweisen.

(Beifall bei der CDU)

Aber wir stehen bei der Ausformulierung von Bürgerrechten auch in der Pflicht, die Bürgerinnen und Bürger vor einer gewissen Überrumpelung zu schützen.Frau Kollegin Beer hat hier bereits die entsprechenden Ausführungen dazu gemacht.Wenn das speziell geschulte Personal, das an solchen Ständen steht, die Bürgerinnen und Bürger anspricht, ist nicht immer sichergestellt, dass es nicht zu einer Überrumpelung kommt.

Von einem mündigen Bürger kann man sogar erwarten – das spricht dagegen, dass wir die Bürgerinnen und Bürger für „Deppen“ halten –, dass er sich mit dem Inhalt und dem Sinn einer solchen Klage auseinandersetzt.Der mündige Bürger wird, wenn er es für richtig hält, selbstverständlich zur Gemeindeverwaltung gehen und die Klage mit dem Daruntersetzen seiner Unterschrift unterstützen. Ich finde, wir sollten bei der Popularklage darauf achten, dass bei der Antragstellung Zwang, Druck und unzulässige Beeinflussung außen vor bleiben. Die Hürde, die es hierbei gibt, ist zweifellos richtig.

Aber ich möchte noch einmal deutlich machen, dass es – entgegen dem, was Sie hier vorgetragen haben – in keiner Weise eine Beschränkung dieses Rechtes gibt. Es ist uns wichtig, dass an dieser Stelle noch einmal darzulegen.

Herr Dr. Jürgens hat vom politischen Kern des Problems gesprochen. Herr Dr. Jürgens, Sie haben uns unterstellt, dass wir ein Problem mit der direkten Demokratie hätten. Ich glaube eher, dass die Fraktion der GRÜNEN ein gestörtes Verhältnis zur repräsentativen Demokratie hat; denn sie mag das Studiengebührengesetz nicht akzeptieren.

(Beifall bei der CDU)

Da sind wir doch beim Kern der Frage. Es geht darum, dass es Ihnen offensichtlich nicht gelingt, die Menschen für die Unterschriften bei den Gemeindeverwaltungen zu

emotionalisieren, dass sie eine Klage gegen das Studienbeitragsgesetz einreichen. Das ist der wahre Kern dieser Veranstaltung hier.

(Zuruf der Abg. Tarek Al-Wazir und Dr. Andreas Jürgens (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Wir werden als CDU-Fraktion aus Respekt vor unserer Verfassung und aus Respekt vor der Popularklage Ihren Gesetzentwurf ablehnen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Beuth. – Nun hat sich für die Landesregierung Herr Justizminister Banzer zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich habe schon in der ersten Lesung gesagt, wie skeptisch ich bin. Wenn Gesetzentwürfe in aktuelle Zusammenhänge gestellt werden, dann muss man zweimal hinschauen, ob sie wirklich in der Lage sind, dauerhaft ein Problem oder nur eine tagespolitische Problemlage – in dem Fall offensichtlich die Unterschriftensammler zu unterstützen – zu lösen.

Ich glaube, dass es gefährlich ist, ein wichtiges verfassungsmäßiges Instrument zu nivellieren, indem wir den Zugang zu beliebig machen. Man muss sehr genau überlegen. Es geht nicht um plebiszitäre Elemente im Wege einer Volksabstimmung. Es soll nicht über das Gesetz abgestimmt werden, sondern die Bürgerinnen und Bürger Hessens werden zu Hüterinnen und Hütern der Verfassung berufen und sollen als Hüterinnen und Hüter der Verfassung entscheiden: Wir wollen dieses spezielle Gesetz von dir, Staatsgerichtshof, auf seine Verfassungsgemäßheit überprüft haben.

Das ist eine schwerwiegende Entscheidung. Ich glaube, dass diese Entscheidung wohl überlegt getroffen werden soll. Ich bin aus vielerlei Gründen sehr dafür, dass jeder genau überlegt, wann er eine Klage erhebt, und dass das nicht so nebenbei geschieht. Ich glaube, dass der Weg zu Gerichten nicht der erste Weg sein soll. Darin sind wir uns übrigens an vielen anderen Stellen, wo wir über Streitschlichtungsfälle reden, immer wieder einig – an dieser Stelle nicht. Hier soll der Weg nivelliert und eingeebnet werden.

Ich glaube, dass es gerade die Bedeutung dieses Verfassungsinstruments, das wir als einziges Bundesland Deutschlands haben – worauf wir auch stolz sein können –, verdient, dass wir es mit den entsprechenden Schutzmöglichkeiten ausstatten, wie das bisher geschehen ist. Es hat sich gezeigt, dass sich dieses Instrument bewährt hat. Zweimal hat es geklappt, dass es zu entsprechenden Popularklagen kam. Ich sehe keinen Grund, dieses Verfahren zu ändern.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Justizminister. – Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit sind wir am Ende der Aussprache angelangt. – Herr Wintermeyer, zur Geschäftsordnung.

Frau Präsidentin, vielleicht habe ich vorhin bei der Berichterstattung nicht richtig hingehört oder es nicht richtig verstanden. Ich würde Sie bitten, bevor wir in die Abstimmung eintreten, noch einmal die Beschlussempfehlung, über die wir abzustimmen haben,vorzulesen,sonst müsste es der Berichterstatter noch tun.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Wir stimmen eh über das Gesetz ab!)

Ich habe mit dem Herrn Kollegen Klein ohnehin abgeklärt, dass es im Protokoll richtig wiedergegeben wird.Wenn Sie darauf aber Wert legen, kann Herr Klein seine Leseübung gerne noch einmal vortragen. – Herr Klein, bitte.

(Nicola Beer (FDP): Den Teil unter A! – Axel Wintermeyer (CDU): Den Teil A!)

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Ich hoffe, es gibt vor der Mittagspause keine Irritationen mehr. Ich werde nur den Beschlussvorschlag noch einmal vortragen, der unter Punkt A aufgeführt ist.

Der Rechtsausschuss empfiehlt dem Plenum, den Gesetzentwurf in zweiter Lesung abzulehnen. – So lautet der Beschluss, und über den stimmen wir ab, denke ich.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Über den Gesetzentwurf abstimmen, nicht darüber! – Axel Wintermeyer (CDU): Trotzdem!)

Gut, jetzt haben wir das Protokoll korrigiert.

Ich trete in die Abstimmung ein. Wer dafür ist, den Gesetzentwurf in der zweiten Lesung anzunehmen, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind SPD und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN. Gegenstimmen? – CDU und FDP. Damit ist dieser Gesetzentwurf in der zweiten Lesung abgelehnt.

Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 13:

Zweite Lesung des Gesetzentwurfs der Landesregierung für ein Gesetz zur Änderung der Leistungen in dem mündlichen Teil der zweiten juristischen Staatsprüfung – Drucks. 16/7202 zu Drucks. 16/6802 –

Berichterstattung hat Herr Kollege Holler.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Rechtsausschuss empfiehlt dem Plenum, den Gesetzentwurf in zweiter Lesung unverändert anzunehmen.

Der Gesetzentwurf war dem Rechtsausschuss in der 123. Plenarsitzung am 1. Februar 2007 nach der ersten Lesung zur Vorbereitung der zweiten Lesung überwiesen worden. Der Rechtsausschuss hat hierzu am 14. März 2007 eine öffentliche mündliche Anhörung durchgeführt.