Protokoll der Sitzung vom 23.03.2004

Herr Präsident,meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der jetzt vorliegende Staatsvertrag geht auf einen Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz aus dem Jahre 2001 zurück. Knapp zweieinhalb Jahre später haben wir nun über unsere Zustimmung zu dem Staatsvertrag zu entscheiden.

Ich denke, der Ansatz ist nachvollziehbar, den natürlichen Spieltrieb des Menschen zu begrenzen, kommerziellen Auswüchsen entgegenzuwirken – das ist nicht zu beanstanden – und zu versuchen, unter den 16 Bundesländern möglichst einheitliche Regelungen zu verabreden. Sonst haben wir in der Bundesrepublik einen Wildwuchs, den trotz des föderalen Aufbaus Deutschlands niemand ernsthaft wollen kann. Deshalb sind die grundsätzlichen Zielsetzungen zu begrüßen, insbesondere auch das Bemühen, die vielfältigen bundes- und landesrechtlichen Regelungen in einem Staatsvertrag zusammenzuführen. Ich denke, das ist unstrittig.

Herr Innenminister, wir können im Moment noch nicht abschließend beurteilen, ob die Festlegung in § 3 Bestand haben kann, wo Sie – Stichwort: Umweltlotterie – eigentlich eine Abschottung betreiben wollen. Ich denke, das müssen wir auch unter rechtlichen Aspekten bewerten.Ist es der richtige Weg, zu sagen, man will das nicht? Ist es der richtige Weg, eine solche Regelung einzuführen? Was dahinter steckt,wissen wir.Wenn ich an der Stelle den Markt öffne, dann nehme ich anderen Institutionen und Einrichtungen etwas weg. Ich nenne das Stichwort Sport und andere Förderbereiche.

Es hilft aber nichts: Wenn wir uns dagegen nicht wehren können, dann macht es eher Sinn, das gestaltend zu begleiten.Deshalb müssen wir das im Ausschuss unter rechtlichen Aspekten bewerten. Hält diese Regelung einer möglichen verfassungsrechtlichen Überprüfung stand? Die sozialdemokratische Fraktion hat wenig Interesse, das Lotteriewesen relativ weit zu öffnen, weil wir schon dafür sind, dass die Sportverbände und die anderen Organisationen, die zurzeit von den Einnahmen profitieren und eine gute Arbeit leisten, in Zukunft nicht weniger Geld bekommen. Gleichwohl gilt der Ansatz, ehrenamtliche Tätigkeit zu belohnen, auch im Umweltschutz. Das ist ein Argument, das wir ernst nehmen müssen. Deshalb ist die Frage, ob eine solche Regelung einer verfassungsgerichtlichen Überprüfung standhalten kann. Das ist für uns eine zentrale Frage, die mit darüber entscheidet, ob wir dem Staatsvertrag zustimmen können.

Ich denke, eine Anhörung zu diesem Thema im Ausschuss würde Sinn machen.Wir müssen diese Frage klären.Auch davon hängt nämlich unsere Zustimmung ab.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat der Kollege Hahn für die Fraktion der FDP.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Es ist schon alles gesagt,nur nicht von der FDPFraktion. Deshalb will ich es sehr kurz machen.

Wir sind für diesen Staatsvertrag in der Form, wie er zwischen den Ministerpräsidenten und Landesregierungen ausgehandelt worden ist. Wir stehen als FDP-Fraktion auch zu dem § 3 Abs. 3 in der vorliegenden Form, die eben vom Kollege Al-Wazir sehr kritisiert worden ist und zu der Kollege Rudolph Bedenken angemeldet hat.

Wir haben in der letzten Legislaturperiode gemeinsam mit Ihnen, Herr Kollege Innenminister, die Lotterieverordnung und das Änderungsgesetz verabschiedet.Wir haben das bewusst getan, weil wir keine Einschränkung bei den Finanzmitteln,insbesondere für die Sportjugend,aber auch für den Denkmalschutz und andere Destinatäre, haben wollten. Aus diesem Grunde sind wir politisch für diese Bestimmung.

Der Kollege Rudolph hat aber Recht, wenn er sagt, dass diese Bestimmung rechtliche überprüft werden muss, da sich die Entscheidung des VGH immerhin auf eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs bezieht. Wir können nicht einfach darüber hinwegschludern. Das müssen wir in aller Ernsthaftigkeit im Ausschuss beraten.

Fazit: Der politische Wille, der hinter dem Staatsvertrag und auch hinter der Einschränkung in § 3 Abs. 3 steht, wird von der FDP-Fraktion in diesem Haus geteilt. Wir müssen es aber rechtlich korrekt machen. Dafür ist diese Anhörung notwendig. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit ist die erste Lesung durchgeführt.

Vereinbarungsgemäß überweisen wir diesen Gesetzentwurf dem Innenausschuss. Widerspricht dem jemand? – Dann ist dies so beschlossen. Dort wird die zweite Lesung vorbereitet.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 5 auf:

Erste Lesung des Gesetzentwurfs der Fraktion der SPD für ein Gesetz zur Änderung des Hessischen Gesetzes über die Berufsvertretungen, die Berufsausübung, die Weiterbildung und die Berufsgerichtsbarkeit der Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte, Apotheker, Psychologischen Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten (Heilberufsgesetz) – Drucks. 16/2054 –

Das Wort zur Einbringung hat Herr Kollege Spies für die SPD-Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es tut auch mir Leid, dass der Titel dieses Gesetzes länger ist als die Änderung,die wir vorschlagen.Aber im wirklichen Leben ist das manchmal so.

Es ist noch gar nicht lange her, einige Wochen, da veröffentlichte die Stiftung Warentest eine Untersuchung über die Beratungsqualität in Apotheken. Das Ergebnis war, gelinde gesagt, niederschmetternd. Glücklicherweise können wir feststellen: Es handelte sich nicht um hessische Apotheken. Die Untersuchung war an anderer Stelle durchgeführt worden. Wir sind fest davon überzeugt, in Hessen hätte das bestimmt anders ausgesehen. Aber es gibt zu denken.

(Rafael Reißer (CDU):Wem?)

Was ist die Ausgangslage bei der Aus- und Fortbildung der pharmazeutisch-technischen Assistenten? Dieser Beruf wurde seinerzeit geschaffen, um die Arzneimittelversorgung in Ermangelung einer hinreichenden Anzahl von Apothekerinnen und Apothekern sicherzustellen. Während der Aufgabenbereich der Helferinnen in Apotheken auf kaufmännische Tätigkeiten beschränkt ist, wurde so eine Art kleiner Apotheker geschaffen.

Folgerichtig sind die Absolventen der hessischen Schulen zu etwa 90 % in Apotheken beschäftigt und machen dort regelmäßig etwa die Hälfte des Personals aus. Das hat einen einfachen Grund. Im Gegensatz zu den Helferinnen dürfen sie Arzneimittel ausgeben. Entsprechend groß ist das Interesse an diesen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.

Entsprechend hoch müssen auch die Qualitätsanforderungen an Aus- und Fortbildung sein. Gerade für Letztere gibt es in Hessen niemanden, der dafür eigentlich zuständig wäre.

Meine Damen und Herren, die Qualität der Beratung ist genau das,was den Apotheker – – Ich finde es jetzt schade, dass die zuständige Ministerin nicht im Saal ist.

Ich darf Sie kurz unterbrechen – danke für den Hinweis: Frau Kollegin Lautenschläger hat sich krankheitsbedingt bei mir entschuldigt.

Dann wollen wir ihr gute Besserung wünschen.

Vielen Dank, ich gebe es weiter.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Soll sie jetzt in die Apotheke gehen?)

Nein, in Hessen haben wir da noch keine Sorgen. – Meine Damen und Herren, genau das ist der Unterschied zwischen dem Apotheker und dem Einzelhändler: Der Apotheker ist deshalb in vielfältiger Weise privilegiert, weil er eine umfassende und kompetente Beratung und Unterstützung geben soll.Sonst könnte man alle Pharmazeutika

auch einfach im Supermarkt verkaufen; das würde möglicherweise den Kosten im Gesundheitswesen gut tun.

Das macht deutlich, wie wichtig die Aufgabe sowie die Aus- und Fortbildung aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Apotheken ist. Die geeignete Stelle, um sich darum zu kümmern, ist ohne jeden Zweifel die dafür bestimmte öffentlich-rechtliche Einrichtung, nämlich die Apothekerkammer.

Ich will gerne zugeben, dass das aktuelle Problem im Zusammenhang mit der „Operation düstere Zukunft“ entstanden ist – als das Land Hessen beschloss, seinen Finanzierungsanteil an der Schule für pharmazeutisch-technische Assistenten deutlich zurückzufahren. „Deutlich“ heißt: um ein Drittel.

Die Schule erkundigte sich, ob denn die Apothekerkammer nun willens sei, diese Unterstützung ihrerseits zu gewähren. Die Antwort war: Bedauerlicherweise sei man dazu nicht in der Lage, weil diese Aufgabe im Aufgabenkatalog des Heilberufsgesetzes nicht vorgesehen ist.

Meine Damen und Herren,dem kann abgeholfen werden. Gesetze sind dazu da, den Menschen zu nützen, und nicht, sie zu behindern.

(Beifall bei der SPD)

Deshalb möchten wir mit dieser Novelle der Landesapothekerkammer die Chance eröffnen, ihre Aufgaben noch erfolgreicher auszuüben. Dass sich die Nutznießer einer Ausbildung – wie hier die Apotheker – möglicherweise auch an den Kosten beteiligen, ist nun wirklich kein unsinniger Gedanke, sondern ständige Praxis in allen Feldern der dualen Ausbildung.Aus- und Fortbildung in den Heilberufen ist eine Daueraufgabe, der sich verantwortliche Landespolitik ständig neu stellen muss. Mit unserem vorgelegten Gesetzentwurf wird dazu ein Beitrag geleistet. Wir bitten um Überweisung an den Sozialausschuss und hoffen auf breite Zustimmung in diesem Hause. – Danke.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat Frau Kollegin Oppermann für die Fraktion der CDU.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Kollege Spies, Ihr Gesetzentwurf zielt ganz klar auf die Einführung der Ausbildungsabgabe durch die Hintertür ab.

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN):Was? – Weiterer Widerspruch bei der SPD)

Ja, ja, der hessischen SPD ist anscheinend die Initiative aller – also auch der SPD-geführten – Bundesländer gegen die Ausbildungsplatzabgabe entgangen. Eine Ausbildungsplatzabgabe wird nicht zu mehr, sondern zu weniger Ausbildungsplätzen führen.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Sind Sie sicher, dass Sie beim richtigen Tagesordnungspunkt sind? – Zuruf der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))

Ja, ja, hören Sie nur zu. Dies ist die erste Anmerkung zu Ihrem Gesetzentwurf.

Die zweite. Wie Ihnen bekannt sein dürfte, sind alle – ich betone: a l l e – Apothekerinnen und Apotheker Pflichtmitglied bei der Landesapothekerkammer – egal,ob sie in einer Apotheke beschäftigt sind, in der Pharmaindustrie oder sonst irgendwo in der freien Wirtschaft. Das heißt also, alle wären durch ihre Pflichtbeiträge an der Finanzierung zur Ausbildung der PTAs beteiligt.

Rechtlich gesehen scheint das nicht ganz unproblematisch zu sein, zumal die Landesapothekerkammer keinerlei Einwirkungsmöglichkeiten auf Strukturen und Kosten der PTA-Schulen hat.

Frau Kollegin, gestatten Sie Zwischenfragen?

Ich will das bitte zu Ende führen.

Ein dritter und letzter Aspekt: Unausgegoren ist Ihr Antrag auch bei der Frage, wo die PTAs beschäftigt sind. Es sind nämlich nicht alle pharmazeutisch-technischen Assistenten, wie Sie eben gesagt haben, Herr Spies, in Apotheken beschäftigt. Viele sind beispielsweise in der pharmazeutischen Industrie oder bei den Krankenkassen tätig. Folgerichtig müssten Sie dann aber auch dort anklopfen. Dann aber sind wir wieder am Beginn meiner Ausführungen, bei der Ausbildungsplatzabgabe durch die Hintertür.

Dazu sage ich Ihnen ein klares und entschiedenes „Mit uns nicht“. Die Ausbildungsplatzabgabe ist Gift für das wirtschaftliche Wachstum. Sie ist eine Bestrafung für diejenigen, die Ausbildungsplätze anbieten, aber keine Lehrlinge finden. Zentralistische Planungen und Zwangsabgaben ohne ökonomischen Sinn und Verstand sind das Markenzeichen der SPD. – Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU)