Protokoll der Sitzung vom 23.03.2004

Ich bitte um Zustimmung zu dem Gesetzentwurf nach Art. 103 Abs. 2 der Verfassung des Landes Hessen. – Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, vereinbart war, dass wir den Punkt ohne Aussprache behandeln wollen. Wünscht dennoch jemand eine Aussprache? – Das ist nicht der Fall. Damit ist die erste Lesung erfolgt.

Wir überweisen den Gesetzentwurf zur Vorbereitung der zweiten Lesung an den Haushaltsausschuss.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, auf der Tribüne hat der Botschafter der Republik Bulgarien, Seine Exzel

lenz Herr Apostoloff, Platz genommen. Ich heiße Sie ganz herzlich willkommen.

(Allgemeiner Beifall)

Ich freue mich auf unser Gespräch und wünsche Ihnen bei Ihren weiteren Gesprächen mit dem Oberbürgermeister und der Landesregierung alles Gute und bei der Plenarsitzung viel Spaß.Vielen Dank, dass Sie hier sind.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 3 auf.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Den hatten wir gerade! Zweimal Lotto ist ein bisschen viel!)

Entschuldigung. – Tagesordnungspunkt 4:

Erste Lesung des Gesetzentwurfs der Landesregierung für ein Gesetz zu dem Staatsvertrag zum Lotteriewesen in Deutschland – Drucks. 16/2051 –

Zur Einbringung hat Herr Minister Bouffier das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich bringe für die Landesregierung das Zustimmungsgesetz zu dem Staatsvertrag zum Lotteriewesen generell in Deutschland ein.

Die Ministerpräsidentenkonferenz hat im Hinblick auf höchst unterschiedliche Rechtsprechungen in den einzelnen Bundesländern vor längerer Zeit Veranlassung gesehen, eine Arbeitsgruppe der verschiedenen Bundesländer und des Bundes einzusetzen, um möglichst zu gemeinsamen Entscheidungskriterien für die Zulassung neuer oder veränderter Lotterien zu kommen. Die Ministerpräsidenten der Länder haben diesem Staatsvertrag auf ihrer Jahreskonferenz vom 12. bis 14. November 2003 in München zugestimmt und ihn zwischenzeitlich auch alle unterzeichnet. Der Landtag hat nun darüber zu beraten und zu beschließen.

Worum geht es im Kern? In diesem Staatsvertrag soll zum einen das ordnungspolitische Anliegen geregelt werden, dass das Lotteriewesens an sich eine Angelegenheit ist, die staatspolitisch nicht grenzenlos erwünscht ist, sondern in bestimmten Regeln gehalten werden muss. Zum Zweiten sollen übermäßige Spielanreize verhindert werden. Zum Dritten sollen diese Lotterien nicht für private oder gewerbliche Gewinnzwecke eingesetzt werden. Darüber hinaus muss es darum gehen – das liegt auf der Hand –, dass diese Lotterien ordnungsgemäß und nach nachvollziehbaren Regeln ablaufen; Stichwort: Lotterie irgendwo in der Karibik, Geld weg. Ist der Gewinn gesichert? Von großer Bedeutung für uns ist – auch das ein Ziel des Staatsvertrags –, dass ein erheblicher Teil der Einnahmen der jeweiligen Lotterie in dem jeweiligen Land verbleibt bzw. dort verwandt wird. Das sind die wesentlichen Kriterien, die sich als Zielsetzungen aus diesem Staatsvertrag ergeben.

Des Weiteren ist bei diesem Staatsvertrag die europarechtliche Rechtsprechung berücksichtigt, die es zwischenzeitlich gegeben hat. Das betrifft die Frage, inwieweit aus der Dienstleistungsfreiheit gegebenenfalls folgt, dass bestimmte ordnungsrechtliche Einschränkungen für den Lotteriebetrieb nicht mehr möglich oder doch gegeben sind. Der Staatsvertrag hält daran fest, dass eine schrankenlose Zulassung von Lotterien europarechtlich nicht gefordert ist. Er kommt im Gegenteil zu dem Ergebnis, dass nach wie vor bestimmte Voraussetzungen er

füllt sein müssen. Wir werden das im Ausschuss vertiefen können.

Lassen Sie mich noch auf zwei Gesichtspunkte hinweisen. Dieser Staatsvertrag bindet zukünftig alle Veranstalter, egal von welcher Seite. Er schreibt sehr restriktive Einzelvoraussetzungen vor, die ein Veranstalter erfüllen muss. Besondere Bedeutung hat – das ist eine heftig diskutierte Überlegung gewesen –, dass nach diesem Staatsvertrag Lotterieveranstaltungen, die privatwirtschaftlichen oder gewerblichen Erwerbszwecken dienen, künftig nicht zulässig sind.Andersherum ausgedrückt:Es geht in aller Regel nur dann, wenn zumindest Gemeinnützigkeit vorliegt und die gemeinnützigen Zwecke auch bestätigt werden. Das ist in der Regel eine gemeinnützige, eine mildtätige oder eine kirchliche Organisation.

Darüber hinaus gehen wir davon aus – das ist für Hessen von großer Bedeutung –, dass für gewerbliche Spielevermittler besondere Voraussetzungen gegeben sind. Das Zustimmungsgesetz enthält insbesondere eine Anzeigepflicht für diesen Personenkreis, wer in Hessen als gewerblicher Spielevermittler tätig sein will.Wir halten dies für unverzichtbar. Der Hessische Verwaltungsgerichtshof hat bisher in einer Eilentscheidung eine andere Position eingenommen. Wir sind zuversichtlich, dass im Hauptsacheverfahren ein anderes Ergebnis herauskommt. Wir halten es nicht für richtig, dass gewerbliche Spielevermittler für Spiele und Lotterien, die z. B. in Großbritannien oder wo auch immer ausgespielt werden, hier auf dem Markt tätig sind, von den Erträgen im Lande nichts verbleibt und im Übrigen hier auch nicht im Einzelnen nachvollzogen werden kann, nach welchen Regeln dieses Spiel geht.

Darüber hinaus gibt es eine ganze Reihe von Detailregelungen, von denen ich glaube, dass sie in den Ausschussberatungen vertieft werden können und sollen. Im Übrigen bitte ich den Landtag, wie zu dem Tagesordnungspunkt zuvor, auch diesem Staatsvertrag seine Zustimmung zu erteilen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Staatsminister. – Das Wort hat Herr Abg.Rhein für die Fraktion der CDU.Es ist eine Redezeit von fünf Minuten vereinbart.

(Zuruf der Abg. Sarah Sorge (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Das ist aber nicht sehr nett, liebe Kollegin Sorge.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Meine Fraktion hat mich als begeisterten Keno-Spieler ausersehen, zu diesem Tagesordnungspunkt zu reden.Wir begrüßen den von den Ministerpräsidenten der Länder erarbeiteten Staatsvertrag zum Lotteriewesen, den die Landesregierung dem Landtag vorgelegt hat, und wir werden dem entsprechenden Gesetzentwurf die Zustimmung erteilen.

(Beifall bei der CDU)

Wir halten den Staatsvertrag für richtig und für wichtig, weil er das erste Mal für die Bundesländer eine einheitliche Rechtsgrundlage und damit Klarheit und Rechtssicherheit auf diesem Gebiet schafft. Wir unterstützen und

tragen auch mit die in den §§ 3 und 4 von der Landesregierung vorgenommene und nach dem Staatsvertrag mögliche und zulässige Abweichung bzw. Ergänzung des Staatsvertrages. Das betrifft die 25-%-Regelung, das Gewinnsparen, aber insbesondere das hinreichende öffentliche Bedürfnis als Genehmigungsvoraussetzung.

Ich halte die Grundsatzentscheidung in § 8 des Staatsvertrages, dass künftig keine kommerziellen Lotterien stattfinden, für ordnungspolitisch genau den richtigen Weg. Veranstalter einer Lotterie kann nur sein, wer gemeinnützig, mildtätig oder eine kirchliche Körperschaft ist. Es ist schon klar, dass die vom Institut der deutschen Wirtschaft ermittelte Summe der Spielerträge in Höhe von rund 5 Milliarden DM Begehrlichkeiten privater Anbieter hervorruft. Doch eines steht fest: Das Lotteriegeschäft ist insbesondere auch wegen der damit verbundenen Gefahren keine Ware, die frei auf dem Markt gehandelt werden kann.

Deswegen sage ich unmissverständlich: Beim Angebot des Glücksspiels ist es unabdingbar, dass der Staat den Vorrang hat. Dafür gibt es auch klare und nachvollziehbare Begründungen. Es ist die ordnungsrechtliche Aufgabe, ich möchte sogar sagen, die ordnungsrechtliche Pflicht der Länder,dafür zu sorgen,dass – das ist ein etwas umständliches Wort – der natürliche Spieltrieb von Menschen, der ruinös sein kann, der aber auch für öffentliche Haushalte verheerende Folgen haben kann, in geordnete und überwachte Bahnen gelenkt wird und dass ein Ausweichen auf nicht erlaubtes Glücksspiel verhindert wird.

(Beifall bei der CDU)

Das gilt insbesondere für die Kollegen Beuth und Weinmeister. Kollege Beuth hat heute viel Geld beim erlaubten Glücksspiel verloren. Deshalb habe ich diese Bemerkung hier eingefügt.

Ich will keine Missverständnisse aufkommen lassen. Deshalb sage ich deutlich: Der Staat betreibt Lotterien in allererster Linie deswegen, um ihre gesellschaftlichen und auch gesundheitlichen Auswirkungen, die ganz erheblich sein können, besser kontrollieren zu können. Im Vordergrund steht nicht die Haushaltssanierung, aber es gehört selbstverständlich auch zur Wahrheit, dass wir insbesondere die Bedürfnisfeststellung vornehmen wollen – die im Ausführungsgesetz des Landes Hessen enthalten ist –, weil damit sichergestellt ist,dass nicht private Gewinne an die Stelle von Erträgen treten, die in die gesellschaftliche Aufgabenerledigung zurückfließen. Es ist auch klar, dass die öffentlichen Haushalte noch trüber aussehen würden, wenn wir diese zusätzlichen Millioneneinnahmen nicht hätten.

Meine Damen und Herren, lassen Sie uns die Feinheiten im Ausschuss beraten. Im Grundsatz trägt die CDU-Fraktion den Gesetzentwurf mit.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort hat der Abg.Al-Wazir für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir als Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sagen ausdrücklich, dass wir uns der Begründung für den

Abschluss dieses Staatsvertrags grundsätzlich anschließen. Die Ministerpräsidenten haben sich nämlich zusammengesetzt und gesagt, dass sie einen Staatsvertrag auf den Weg bringen wollen, der sicherstellt, dass ein Missbrauch des Lotteriewesens zu privaten oder gewerblichen Gewinnzwecken ausgeschlossen wird.Wir glauben, dass Lotterien und Gewinnspiele aus guten Gründen einer gewissen Regelung bedürfen.

Herr Innenminister, wir haben mit dem Gesetzentwurf, den Sie hier vorgelegt haben, allerdings ein schwerwiegendes Problem. Sie kennen die Debatte. Der Gesetzentwurf, den Sie vorgelegt haben, besagt in § 1, dass dem Staatsvertrag zum Lotteriewesen in Deutschland zugestimmt wird. Dem können wir noch zustimmen. Dann aber kommen Paragraphen, die Abweichungen enthalten. Ich zitiere § 3 Abs. 3:

Eine neue auf längere Dauer geplante Lotterie darf auch nicht genehmigt werden, wenn für ihre Veranstaltung trotz des vorhandenen Angebots zugelassener Glücksspiele kein hinreichendes öffentliches Bedürfnis besteht. Für die Beurteilung des hinreichenden öffentlichen Bedürfnisses bleiben der Zweck der Veranstaltung und die vorgesehene Verwendung des Zweckertrags außer Betracht.

Wir interpretieren das folgendermaßen: Das ist der Versuch, die schon in die Lotterieverordnung und in das alte Gesetz aufgenommene Lex Umweltlotterie auch hier wieder einzuführen.Herr Innenminister,hierzu sagen wir, dass wir es für falsch halten, eine solche Lotterie, die weder Gewinnzwecken noch privaten Zwecken dient, sondern als gemeinnützige Lotterie geplant ist, von vornherein durch derartige Tricks auszuschließen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deshalb werden wir uns auch im Ausschuss sehr vertieft mit der Frage beschäftigen müssen, wie weit eine Abschottung, die aus guten Gründen und in bestimmtem Maße notwendig ist, gehen kann.

Sie kennen einen zweiten Sachverhalt, nämlich das Urteil des VGH, das vor kurzem ergangen ist. Der VGH sagt: Das staatliche Monopol bei Lotterie und Glücksspiel hat eine einzige Begründung und Legitimation, nämlich den Spieltrieb nicht noch zusätzlich anzuheizen, sondern ihn in bestimmte Bahnen zu lenken.Es stellt sich die Frage,ob man auf der einen Seite neue Spiele erfinden darf, z. B. Oddset und Keno, um den Umsatz der Lotteriegesellschaft hochzuhalten und den staatlichen Anteil abzuschöpfen, der noch höher als die Summe ist, die an gemeinnützige Einrichtungen ausgeschüttet wird, z. B. an den Landessportbund und andere, auf der anderen Seite aber Lotterien, die es in anderen Bundesländern schon gibt – ich denke an die Umwelt- und Soziallotterie „Unsere Welt“ unter dem Dach von West-Lotto in NordrheinWestfalen –, die einen ausschließlich gemeinnützigen Zweck haben, bei denen man seinen Einsatz quasi zur Hälfte spendet und nur mit dem Rest am Glücksspiel teilnimmt, ausschließen kann.

Dazu sagen wir: Nein, das geht nicht.Wir hoffen, dass sich die anderen drei Fraktionen unserer Meinung anschließen, unter anderem auch deshalb, weil Sie durch Ihre Verweigerungshaltung, was die Umweltlotterie angeht, auf Dauer das System der Lotterien insgesamt infrage stellen, wenn Sie auf der einen Seite neue Spiele erfinden, z. B. Oddset und Keno, aber auf der anderen Seite abschotten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deswegen hoffen wir auch hier auf Ihre Einsicht. Es wäre schade, wenn das Ganze am Ende nur aufgrund von Gerichtsverfahren entschieden würde. Wie die ausgehen, sind wir uns sehr sicher. Vielleicht würden aber im Schlepptau eines solchen Gerichtsverfahrens Leute in das Lotteriewesen eindringen, die wir dort nicht haben wollen. Deshalb werden wir noch einmal sehr vertieft über die Frage diskutieren müssen, ob die Lex Umweltlotterie im hessischen Lotterierecht bestehen bleiben sollte oder nicht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nächster Redner, Kollege Rudolph, SPD-Fraktion.

Herr Präsident,meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der jetzt vorliegende Staatsvertrag geht auf einen Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz aus dem Jahre 2001 zurück. Knapp zweieinhalb Jahre später haben wir nun über unsere Zustimmung zu dem Staatsvertrag zu entscheiden.