Herr Präsident, meine Damen und Herren! Beste Genesungswünsche auch von meiner Fraktion an die Sozialministerin. Gestatten Sie mir trotzdem eine Vorbemerkung.
Mit der „Operation düstere Zukunft“ haben die Sozialministerin und die Landesregierung auch – und zwar nicht zu knapp – in der Ausbildungsförderung des Landes gekürzt. Das ist für die Jugendlichen in Hessen bitter. Die Lücke zwischen Ausbildungsplatzsuchenden und Ausbildungsplätzen ist immer noch extrem.Wir haben vorhin in der Regierungsbefragung darüber diskutiert.
Frau Kollegin Oppermann, vor diesem Hintergrund war Ihre Intervention zur Frage der Ausbildungsplatzumlage relativ absurd.
Meine Damen und Herren, der Mangel an Ausbildungsplätzen in Hessen ist Realität. Auch wenn die Landesregierung versucht, uns für dumm zu verkaufen: Die erhöhten Ansätze für Ausbildung im Sozialministerium sind le
diglich auf eine Umressortierung aus dem Wirtschaftsministerium zurückzuführen, nicht etwa auf eine Erhöhung der Mittel. Die Landesregierung hat auch bei der Altenpflegeausbildung gekürzt, bei der Aus- und Weiterbildung für nichtärztliche Heilberufe, und zwar um 50 %.
Auch in der Ausbildung für Krankenpflege und Krankenpflegehilfe herrscht derzeit immer noch einiges Chaos. Vor kurzem haben wir hier festgestellt, dass die Landesregierung noch nicht einmal über valide Zahlen verfügt. Meine Damen und Herren, und das alles in Bereichen, die aufgrund des demographischen Wandels in der Zukunft eine besondere Rolle spielen werden. Stattdessen lesen wir seit Beginn des Jahres Überschriften wie „Hessens Sozialministerium verwehrt Pflegeschulen“ und „PTASchule vor dem Aus“.
In Kassel standen 141 Auszubildende durch die Landeskürzung vor dem Aus. Ihre Ausbildung konnte nur durch die Umschichtung aus EU-Mitteln gerettet werden. Wir können deswegen feststellen: Diese Landesregierung ist kein verlässlicher Partner mehr, nicht für die Auszubildenden – die Schülerinnen und Schüler –
und nicht für Institutionen in Hessen,die ausbilden.Somit haben wir hier eine weitere Etappe im Rückzug der Landesregierung aus der gestaltenden Sozialpolitik. Deswegen ist es folgerichtig, wie es der Gesetzentwurf der SPD vorschlägt, dass der Ministerin sozusagen die Zuständigkeit entzogen wird. Wenn die Apothekenkammer bereit ist, sich zu engagieren und in die Weiterbildung einzubringen, dann kann man das nur begrüßen.
Es geht letztendlich nur darum,Ausbildungsplätze in Hessen langfristig zu sichern und nicht dem sozialen Kahlschlag der CDU auszuliefern.
Wenn es stimmt, dass sich die Apothekerkammer bereits freiwillig in der Ausbildung engagiert und Wohlwollen für diese Gesetzesänderung signalisiert, dann kann man das nur begrüßen.Aber es ist fatal, dass sich das Land aus dieser Verantwortung zurückgezogen hat. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich freue mich, dass das Plenum bei diesem wichtigen Punkt so „voll“ besetzt ist. Aber das Thema ist schon etwas wichtiger,als es die Besetzung des Hauses wiedergibt. Als ich den Gesetzentwurf gelesen habe, habe ich erst gedacht, ich hätte mich in der Zeile geirrt: „Nicht erforderlich oder sinnvoll“ stand unter „Befristung“. Ich hatte das eigentlich schon zum Inhalt des Gesetzentwurfes gerechnet, aber es ging um die Befristung.
Ich will für die Zuschauer in diesem Haus kurz eine Einleitung machen, worum es geht. Es geht darum, dass sich die pharmazeutisch-technischen Assistenten – PTA genannt – zurzeit in einem Bildungssystem bewegen, wo sie an Privatschulen ausgebildet werden. Das Land hat diese Privatschulen in den vergangenen Jahren mit Zuschüssen von insgesamt 929.000 c unterstützt und diese Zuschüsse im Rahmen des Sparpaketes auf 538.000 c gesenkt. Ich glaube, dieser Status wird von allen Kolleginnen und Kollegen erst einmal so akzeptiert. Das hat dazu geführt, dass diese Privatschulen in große Probleme geraten sind. Das Land hat daraufhin eine Initiative gestartet und hat Mittel aus dem Europäischen Sozialfonds akquiriert, die diese Kürzung bis zum Jahre 2007 ausgleichen. Das ist zwischen den Beteiligten Konsens.
Die SPD will nun auf eine Rückfrage bei der Landesapothekerkammer gehört haben, dass sich die Landesapothekerkammer mit den Apotheken finanziell beteiligen will. Sie hat daraufhin einen Gesetzentwurf gemacht, der relativ kurz besagt:
Die Landesapothekerkammer fördert und unterstützt die Ausbildung in den vollschulisch ausgebildeten Berufen, deren Absolventen überwiegend in Apotheken beschäftigt werden.
Herr Dr. Spies, erstens habe ich hier drei Seiten der Landesapothekerkammer vorliegen,dass die Landesapothekerkammer nicht beabsichtigt, sich in größerem Umfang finanziell für einen längeren Zeitraum binden zu lassen.
Zweitens. Der Gesetzentwurf ist fachlich-handwerklich schlecht, weil die Formulierung „fördert und unterstützt die Ausbildung“ – in welchem Umfang? – nichts Konkretes ist. Wie immer. Man kann fördern und unterstützen. Das kann bedeuten, dass man ideell unterstützt oder durch Zur-Verfügung-Stellung von Räumlichkeiten. Was wollen Sie genau? Das haben Sie im Gesetzentwurf nicht gesagt. In Ihrer Rede ist es gerade klar geworden. Sie wollen eine finanzielle Unterstützung.
Ich sage Ihnen ganz ehrlich, ich kann nicht akzeptieren, dass wir den Staat aus seiner Verantwortung entlassen, in diesem Bereich eine staatliche Unterstützung sicherzustellen. Wenn es diese Bereitschaft gegeben hätte, hätte ich noch mit mir diskutieren lassen.Ob man das allerdings gesetzlich lösen muss, weiß ich überhaupt nicht. Ich glaube nicht, dass eine gesetzliche Lösung der richtige Weg sein kann. Als Liberale haben wir eine grundsätzliche Einstellung, wenn es darum geht, die Wirtschaft – das geht vom Apotheker bis zum Ökobauern, um das vorneweg zu sagen – noch weiter für staatliche Aufgaben in Anspruch zu nehmen.Alle diese Unternehmen zahlen in diesem Land Steuern und haben auch Ansprüche gegenüber dem Staat. Diese Ansprüche können wir nicht zusätzlich auf sie abdrücken und ihnen noch sagen: Ihr zahlt zwar viel, ihr habt sehr viele Belastungen, aber zusätzlich müsst ihr das noch sicherstellen. – Ich glaube, das geht an der Realität vorbei.Diese zusätzliche Belastung wird die FDP nicht unterstützen.
Die zweite Sache ist meiner Meinung nach inhaltlich falsch. Das können wir im Ausschuss diskutieren. Es ist nicht so, dass alle PTAs im Apothekenbereich bleiben. Viele wandern in die Pharmaindustrie ab.Dann muss man fragen, ob man nicht eigentlich auch die Pharmaindustrie daran beteiligen müsste. Ich kann mir vorstellen, dass Sie so etwas überlegt haben, weil es immer schön ist, irgend
Unsere Quintessenz ist:Wir werden dieser Wegnahme der staatlichen Verantwortung nicht zustimmen. Wir werden nicht zustimmen, dass wir die Wirtschaft in Deutschland weiter belasten, auch wenn es jetzt hier nur die Apotheken betrifft. Wir warnen davor, dem Staat immer weitere Möglichkeiten einzuräumen, um die Bürgergesellschaft komplett abzuwürgen, denn der Staat in seiner ganzen krakenartigen Ausformung übernimmt viele Aufgaben. Diese Aufgaben führen in vielen Bereichen dazu, dass Bürger kein eigenes Engagement mehr bringen. Ich glaube, dass es nicht gut ist, immer nur staatliche Lösungswege in solchen Bereichen zu suchen. Man sollte ein bisschen schauen, ob nicht auch Freiwilligkeit möglich ist. Vielleicht kann man sich mit der Apothekerkammer einigen. Vielleicht wäre das ein Weg. – Ich lasse gerne die Zwischenfrage von Herrn Dr. Spies zu.
Lieber Herr Rentsch, würden Sie mir zustimmen, dass es eine Vermehrung des Freiheitsgrades, des bürgerschaftlichen Engagements ist, wenn man Bürgern eine bestimmte Tätigkeit zugesteht, wie es durch diesen Gesetzentwurf stattfindet, statt sie – wie es derzeit der Fall ist – zu unterbinden?
Lieber Herr Dr. Spies, ich will das zurückgeben. Ich habe zuerst gedacht, es ist eine Fangfrage, als Sie mit „lieb“ angefangen haben, aber ich glaube, es war ernst gemeint.
Ich glaube nicht, dass es ein Stück mehr Bürgergesellschaft ist, was Sie fordern. Ich bin als Liberaler der Auffassung, etwas, was sich möglicherweise freiwillig organisieren lässt – das haben Sie noch nicht ausgetestet –, muss nicht gesetzlich organisiert werden. Wir können darüber diskutieren, was wir an Möglichkeiten haben. Ich sehe im Bereich der Freiwilligkeit einige Möglichkeiten. – Danke schön.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin Herrn Kollegen Rentsch sehr dankbar für die sachliche Zusammenfassung dessen, was Ausgangspunkt
dieser Debatte ist. Er hat darauf hingewiesen, dass wir gemeinsam mit den Schulen an einer Lösung für die Übergangszeit arbeiten. Allerdings haben Sie auf die „Operation sichere Zukunft“ hingewiesen, die zu einer Reduzierung der Zuschüsse für diese Schulen geführt hat.
Die Hessen stehen trotzdem nicht ganz so schlecht da, wie Sie das gelegentlich hier ausführen.Wir haben uns bei anderen umgehört, wie es dort geregelt ist. Elf von 16 Ländern haben bisher geantwortet. Danach ist es in vielen Ländern so wie bei uns. Wo die Schulen an Krankenhäuser angebunden sind, werden die Kosten für die Ausbildung über den Pflegesatz finanziert.In allen anderen Ländern, mit Ausnahme von Nordrhein-Westfalen – die beschränken sich auf die PTAs –, wird an staatlich anerkannten Ausbildungsstätten ansonsten keine Förderung durch die Länder vorgenommen. Wir nehmen immerhin noch eine vor. Wir müssten zunächst froh sein und es gemeinsam begrüßen, dass dies trotz angespannter Haushaltslage immer noch möglich ist.
Nun weisen Sie auf das Problem hin. Ihr Lösungsweg ist es, durch eine Ergänzung des Heilberufsgesetzes die Landesapothekerkammer zu verpflichten, die Ausbildung in diesen vollschulisch ausgebildeten Berufen, deren Absolventen dann überwiegend in den Apotheken arbeiten und beschäftigt werden sollen,zu fördern und zu unterstützen. Gemeint ist ein deutlicher finanzieller Beitrag der Apothekenkammer und damit aller Mitglieder der Kammer – egal, ob sie nachher von der Ausbildung profitieren oder nicht.
Der Hinweis der Kollegin Oppermann, dass dieses mit einer Ausbildungsplatzumlage vergleichbar sein kann, kommt durchaus richtig in die Debatte. Sie wissen, dass wir früher erhebliche Probleme und rechtliche Auseinandersetzung mit der alten Form der Finanzierung der Altenpflegeausbildung hatten, die nicht dazu geführt hat, dass wir besonders viele Altenpflegeauszubildende in Hessen hatten, sondern eher sehr wenige. Wir hatten große Probleme, die Fachkräftequote zu erfüllen. Erst durch die Umstellung auf ein anderes,erfolgreicheres System ist es gelungen, die Quoten und die Absolventenzahlen zu steigern.
Ihr Gesetzentwurf ist auch handwerklich problematisch; denn es geht vollkommen fehl, wenn Sie den angeführten § 25 Nr. 12 des Heilberufsgesetzes als Grundlage nehmen wollen. Diese Vorschrift enthält nämlich eine Ermächtigungsgrundlage für die Berufsordnung, in der nach Nr. 12 ein ordnungsgemäßer Umgang mit Auszubildenden geregelt werden kann, aber nicht die Finanzierung. Diese Bestimmung stellt deshalb keine unmittelbare Grundlage für die Landesapothekerkammer Hessen dar, die Ausbildung zu übernehmen oder zu finanzieren.
Über die Bereitschaft hat Herr Rentsch ausgeführt. Ich kann es mir ersparen, darauf noch einmal einzugehen. Meine Damen und Herren, am Ende bleibt das, was Frau Oppermann gesagt hat.Es ist in einem kleinen Teilbereich wieder einmal der Versuch, eine Ausbildungsplatzabgabe einzuführen und damit staatlich geregelt Ausbildung zu finanzieren. Wir haben hier schon viele Debatten zu diesem Thema gehabt. Am Donnerstag werden wir erneut dazu reden. Sie wissen, dass nach Einschätzung der Landesregierung und der großen Mehrheit dieses Hauses Ausbildungsplatzabgaben dazu führen, dass man am Ende weniger Ausbildungsplätze und nicht mehr Ausbildungsplätze hat. Das wird auch hier der Fall sein. Deshalb
halten wir den Weg für falsch. Dass Sie uns in dieser Frage nicht vertrauen, leuchtet uns ein. Diese Hoffnung haben wir aufgegeben. Aber schauen Sie: 16 Bundesländer in Deutschland sind übereinstimmend, wie die Mehrheiten auch sein mögen, der Meinung, dass Ausbildungsplatzabgaben der falsche Weg sind. Das meint auch der völlig unverdächtige Zeuge Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement.
Deshalb meine herzlich Bitte: Folgen Sie Wolfgang Clement. Folgen Sie allen 16 Bundesländern, und vergessen Sie diese Idee. Sie wird uns nicht zum Ziel führen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.Damit schließe ich die erste Lesung des Gesetzentwurfes der Fraktion der SPD zum Heilberufsgesetz, Drucks. 16/2054.