Dann rufe ich den Tagesordnungspunkt 64 – eine weitere Aktuelle Stunde – auf und weise darauf hin, dass wir am Ende der Aussprache über diese Aktuelle Stunde den Dringlichen Entschließungsantrag der SPD-Fraktion sofort und ohne Aussprache abstimmen werden.
Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend eine Aktuelle Stunde (Obskure Entscheidungen der Landesregierung bei der Umsetzung von Hartz IV in Hessen) – Drucks. 16/2749 –
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es gibt manchmal schöne Zufälle. Ich kann direkt nach der Sozialministerin zu diesem Punkt reden. Was Sie wieder an Sprechblasen verbreitet haben – wenn man genau hinguckt –: „Schwerpunkt Arbeitsmarktpolitik“ dieser Landesregierung. Seit dem Beschluss des Vermittlungsausschusses im Juli dieses Jahres ist es Ihre Aufgabe, die Umsetzung von Hartz IV in Hessen zu organisieren. Wenn man guckt, was Sie gemacht haben, dann stellt man fest, seit diesem Zeitpunkt herrscht in der Arbeitsmarktpolitik dieser Landesregierung nur noch Chaos.
Deswegen bin ich froh, dass ich direkt anschließen kann. Zwischen Wunsch und Wirklichkeit liegen bei Ihnen Welten.
Zu spät bringen Sie ein Ausführungsgesetz ein, das überhaupt nur noch durch das Entgegenkommen der Opposi
tion rechtzeitig zum 1. Januar verabschiedet werden könnte. Seit Monaten vernachlässigt die Sozialministerin die Kommunen und Städte, die nicht am Optionsmodell teilnehmen. Das ist nicht irgendwer. Dazu gehören Kassel, Frankfurt, Offenbach, Darmstadt, vier von sechs mittelhessischen und vier von sechs nordhessischen Kommunen, also die Mehrheit der Kommunen.
Meine Damen und Herren, im September ging das Chaos erst richtig los. Der Fraktionsvorsitzende der CDU fordert BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und die SPD auf, einem Vorschaltgesetz zuzustimmen, das noch nicht einmal vorliegt. Dann wird der eingebrachte Entwurf wieder zurückgezogen. Zur Anmerkung: Mit diesem Entwurf hätten theoretisch mehr Kommunen am Optionsmodell als geplant teilnehmen können. Wenige Tage später, am Dienstag,den 14.September,wird dem Kreis Groß-Gerau telefonisch mitgeteilt, er könne nicht optieren. Am folgenden Tag macht die Sozialministerin eine Pressekonferenz, auf der sie sagt, alle 14 Kommunen und Städte könnten optieren, also auch Groß-Gerau.
Meine Damen und Herren, auf dieser Pressekonferenz fragt ein Journalist die Ministerin, warum sie sich eigentlich so sicher sei. Daraufhin antwortet mitnichten die Sozialministerin, sondern Regierungssprecher Metz – warum auch immer er anstelle der Fachministerin antworten muss –:
Wir stehen in Kontakt mit allen anderen Staatskanzleien und Fachabteilungen in den Ministerien. Von daher können wir sicher sein.
Dieser Satz des Regierungssprechers galt genau bis zum 27. September, als klar wurde, dass Groß-Gerau die Option nicht wird ziehen können.
Seit Wochen wird dem Landtag, aber auch den beteiligten Kommunen die Begründung verweigert, wie die Rangfolge auf der Liste, die die Landesregierung zusammengestellt hat, zustande gekommen ist. Zur Aufstellung dieser Rangfolge ist das Ministerium nach § 6 Abs. 3 SGB II verpflichtet. Wie wird z. B. – ich nenne wegen der Kürze der Zeit nur Beispiele – das Vorhandensein oder das Fehlen einer kommunalen Beschäftigungsgesellschaft bewertet?
Warum ist die erfolgreiche Teilnahme an dem Modellversuch „Kommunalisierung sozialer Hilfen“, wie sie beim Landkreis Groß-Gerau stattgefunden hat, offensichtlich für die Bewertung nicht von Bedeutung? Ist für die Festlegung der Rangfolge das betonte Auftreten eines Landrats in der Staatskanzlei entscheidend gewesen? Wir wissen das nicht. Aber die Sozialministerin weiß es. Sie verweigert aber die Aussage zu diesem Thema.
Frau Ministerin, ich fordere Sie erneut auf: Sorgen Sie endlich für Transparenz. – Das würde auch im Interesse der optierenden Kommunen geschehen, die über ihre Stärken und Schwächen im Dunkeln gelassen werden.Wir fordern die Offenlegung dieser Unterlagen.
Frau Lautenschläger, Sie haben die Umsetzung dieses Optionsmodells mit Ihrer eigenen politischen Zukunft verbunden. Bisher haben Sie nur Chaos produziert. Wir werden Ihnen im Interesse aller Kommunen und aller Langzeitarbeitslosen dieses Landes genau auf die Finger schauen. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch wenn wir nicht von Anfang an der Frage nachgegangen sind, ob wir das Optionsmodell in dieser Form haben wollen, haben wir uns doch alle relativ übereinstimmend während der Plenarsitzungsrunde im September 2004 darüber gefreut, dass in Hessen die 14 Kommunen, die sich bereit erklärt hatten, auf der Grundlage des Optionsmodells die Option zu ziehen, in die Lage versetzt werden sollten, die Option auch ziehen zu können.
Heute müssen wir darüber diskutieren, dass die Situation entstanden ist, dass eine Kommune, nämlich der Landkreis Groß-Gerau, an der Umsetzung des Optionsmodells nicht mehr teilnehmen kann. Das ist eine Situation, mit der wir Landespolitiker uns beschäftigen müssen. Wir müssen uns allein auch deshalb damit beschäftigen, weil wir, die Mitglieder der FDP in diesem Land, genauso wie die Kollegen der Union, ein großes Interesse daran hatten, dass alle Kommunen Deutschlands die Möglichkeit erhalten zu optieren.
Frau Kollegin Schulz-Asche, wir haben das in der Ausschusssitzung schon sehr ausführlich diskutiert. Bei diesem Punkt bin ich nicht Ihrer Meinung. Wenn wir den Vorschlägen der FDP und der CDU dazu gefolgt wären, wäre überhaupt nicht die Situation entstanden, dass wir heute darüber reden müssen.
Denn wir haben dazu immer gesagt: Geben Sie doch den Kommunen in Deutschland, die optieren wollen, die Chance, die Option zu ziehen. – Die Lösung, die wir dann erarbeitet haben, derzufolge 69 Kommunen in Deutschland optieren können, stellt einen Kompromiss dar. Wir haben diesen Kompromiss für nicht weit gehend genug gehalten.Aber es war immerhin ein Kompromiss, der unseren Vorstellungen in einigen Bereichen entgegenkam.
Frau Fuhrmann ist jetzt leider gerade nicht da. Ich will das an dieser Stelle noch einmal erwähnen, denn das kann man nicht oft genug sagen: Frau Fuhrmann hat im Frühjahr dieses Jahres behauptet,es wäre doch völlig gleich,ob die Kommunen optieren oder eine Arbeitsgemeinschaft bilden würden. Sie sagte, das würde überhaupt keine Rolle spielen. Ich muss dazu an dieser Stelle feststellen, dass es nicht nur so ist, dass die Bundesregierung im Bundesrat und im Vermittlungsausschuss völlig anders verhandelt hat. Es ist nicht nur so, dass es zu einem völlig anderen Verhandlungsergebnis gekommen ist.Nein,es ergeben sich auch völlig andere Strukturen, je nachdem, ob eine Kommune optiert und die Arbeitsvermittlung komplett alleine übernimmt oder ob sie mit der Bundesagentur für Arbeit eine Arbeitsgemeinschaft bildet.
Wer diesen Unterschied nicht erkennt, muss hinsichtlich der Arbeitsmarktpolitik sicherlich noch einige Nachhilfestunden nehmen.
Zweitens. Es besteht jetzt die Situation – das ist auch der Anlass für diese Aktuelle Stunde –, dass eine Kommune nicht mit dabei ist.Das ist der Landkreis Groß-Gerau.Dabei geht es jetzt um die Frage, wie die Reihenfolge zustande gekommen ist. Wir hatten zu dieser Frage in der Ausschusssitzung eine sehr hitzige Debatte. Wie Sie wissen,läuft derzeit ein Gerichtsverfahren,das der Landkreis Groß-Gerau gegen die Bundesrepublik Deutschland angestrengt hat und zu dem das Land Hessen beigeladen worden ist. Ich teile in diesem Punkt die Meinung der Sozialministerin, die gesagt hat: Solange dieses Verfahren nicht abgeschlossen ist, ist es schwierig, Unterlagen herauszugeben, die Bestandteil des Verfahrens sind. – Herr Kollege Schäfer-Gümbel hat dazu während der Ausschusssitzung folgendes sehr Schönes gesagt: Natürlich besteht eines der ureigensten Kontrollrechte des Parlaments darin, zu schauen, auf welchen Grundlagen eine Regierung ihre Entscheidungen aufbaut.
(Beifall bei der FDP und der Abg. Jürgen May (SPD) und Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))
Frau Ministerin,es ist deshalb auch völlig klar,dass wir Liberale sagen: Die Grundlage, die Sie für dieses Ranking mit, wenn ich es richtig weiß, den fünf Kriterien, hatten, wollen wir sehen. Denn es ist natürlich schon ein Unterschied, ob ich sage, jedes Kriterium geht gleich, mit 20 %, in die Bewertung ein, oder ob ich sage: Einzelne Kriterien stechen deutlich hervor und sind mehr wert als andere.
Darüber hinaus wissen auch Sie, dass wir die Frage, wie die Optionen regional verteilt werden sollen, für sehr schwierig halten. Das ist natürlich eine Frage, die man unterschiedlich beurteilen kann. Sicherlich ist es das gute Recht dieses Parlaments, wissen zu wollen, wie diese Rangliste zustande gekommen ist und auf welchen Kriterien wie viel Last ruht,also wie Sie die einzelnen Kriterien bewertet haben.
(Beifall bei der FDP und der Abg. Frank-Peter Kaufmann und Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))
Ich glaube, es ist ein völlig normaler Vorgang, dass das Parlament sagt:Wir wollen die Unterlagen einsehen. – Ich sage aber auch: Ich bezweifle nicht, dass Sie die Liste nach Recht und Gesetz aufgestellt haben. – Es ist völlig klar, dass ich nicht bezweifle, dass das nach Recht und Gesetz erfolgt ist und dass es zu keiner politischen Einmischung gekommen ist. Solange ich nichts Gegenteiliges dazu gehört habe, ist das für mich relativ unbestritten. Aber ich glaube auch:Wer kein schlechtes Gewissen hat, kann dem Parlament diese Unterlagen auch vorlegen. Das sollten Sie tun. – Vielen Dank.
(Beifall bei der FDP und der Abg. Thorsten Schä- fer-Gümbel (SPD) und Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Rentsch, Sie haben gesagt, wir hätten uns im Hessischen Landtag über das gute Ergebnis für das Land Hessen gefreut, nämlich darüber, dass etwa die Hälfte der Kommunen die Zuständigkeit entsprechend der in dem Hartz-IV-Gesetz vorgesehenen Regelung erhalten werden.
Herr Rentsch, ich bin mir da nicht ganz so sicher. Bei Gelegenheit würde ich gerne auch einmal die Abgeordneten von Rot und Grün fragen, ob sie sich darüber gefreut haben, denn damit könnte man das eine oder andere erklären, was in heutigen Debatte gesagt wurde. Ich bringe es nämlich nach wie vor nicht so ganz überein:Ausgerechnet diejenigen,die auf bundespolitischer Ebene mit allen Mitteln versucht haben, zu verhindern, dass die Kommunen die Option erhalten,sind jetzt diejenigen,die fordern,dass auch die letzte Kommune, nämlich die 14., dabei Berücksichtigung findet.
(Beifall bei der CDU – Zurufe der Abg. Kordula Schulz-Asche und Frank-Peter Kaufmann (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN))
Das passt nicht zusammen. Frau Schulz-Asche, Herr Kollege Kaufmann, Folgendes haben ich Ihnen schon während der Ausschusssitzung gesagt: Wenn ich das als eine Vorabbestätigung dafür werten darf, dass die CDU mit dem Ziehen der Option den deutlich besseren Weg geht, dann nehme nicht nur ich, sondern dann nimmt sicherlich auch die Öffentlichkeit das mit einigem Interesse zur Kenntnis.
Wir haben auf Bundesebene einen Kompromiss erreichen können, der leider nur 69 Kommunen die Möglichkeit eröffnet – Herr Rentsch hatte das schon angesprochen –, sich um die Arbeitsmarktpolitik vor Ort zu kümmern. Ursprünglich war vorgesehen,dass davon fünf in Hessen sein sollten. Das heißt, von den 26 Kommunen in Hessen konnten sich zunächst nur fünf einigermaßen sicher sein, dabei zu sein. Da die Vertreter der Kommunen schon länger miteinander zu tun haben und auch schon länger über diese Angelegenheit miteinander gesprochen haben, wussten einige, dass ihre Kommune ziemlich sicher bei diesen fünf dabei sein würde.
Fünf Kommunen konnten sich also sicher sein,dass sie am Ende würden optieren können. Frau Kollegin SchulzAsche, dass daraus dann 13 Kommunen wurden, hätte bis Mitte September 2004 niemand erwartet. Die Tatsache, dass es leider nur 13 und nicht 14 Kommunen geworden sind,hat ausschließlich damit zu tun,dass es eine Meldung gab, derzufolge bundesweit 69 Kommunen nach Berlin gemeldet worden seien. Daraus konnten wir selbstverständlich den Schluss ziehen, dass für Hessen am Ende 14 Kommunen das Recht zum Optieren erhalten würden.Ich glaube, dafür, dass in Mecklenburg-Vorpommern ein Landkreis gegen die eigene Landesregierung geklagt hat, können Sie nun wirklich jeden, aber nicht die Hessische Sozialministerin oder sogar die Landesregierung verantwortlich machen.
(Beifall der Abg. Gottfried Milde (Griesheim) und Anne Oppermann (CDU) – Zuruf des Abg. FrankPeter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))