Protokoll der Sitzung vom 08.05.2003

Oder: Herr Arendt von den Sozialausschüssen fordert ein höheres Reformtempo. Das ist sehr gut. Im nächsten Satz sagt er dann, die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes auf höchstens 18 Monate zu verkürzen, lehne er allerdings ab.

Ein letztes Beispiel zu den Subventionen: Nachdem Herr Koch mit Herrn Steinbrück diesen Vorschlag gemacht hatte, sagte der CDU-Vize Jürgen Rüttgers einem Magazin: „Die Methode Rasenmäher ist ein Zeichen politischer Schwäche.“ Weiter sagte er: „Das ist, als fräße der Bauer in seiner Not die Saatkartoffeln und wunderte sich dann, dass er im nächsten Jahr Hunger hat.“

Lassen Sie uns doch aufhören mit der Vorstellung, dass eine Partei schwierige Punkte diskutiert und die andere Partei überhaupt keine Probleme hat.

Herr Jung, ich gebe Ihnen ausdrücklich Recht:Wir stehen in der Tat vor einer ausgesprochen schwierigen Situation. Diese existiert nicht deshalb, weil jetzt fünf Jahre die SPD regiert oder weil vorher 16 Jahre die CDU regiert hat.Wir sind in eine schwierige Situation hineingekommen, weil über Jahrzehnte – unabhängig von der Farbe der Parteibücher – erkennbare Entwicklungen weder in den Ländern noch beim Bund wahrgenommen worden sind.

Es war einfacher, zu sagen, wir werden einen Zuwachs verteilen, der möglicherweise damals schon nicht mehr da war, als den harten Weg von Reformen zu gehen. Dieser Bundesregierung kann man viel vorwerfen. Eines kann man ihr in der Tat nicht vorwerfen: Sie hat schwierigste Probleme angefasst und schlägt unpopuläre Maßnahmen vor, die zu Diskussionen in der Sozialdemokratischen Partei führen. Diese Diskussionen laufen, mit dem JuniParteitag werden sie beendet sein. Diese Regierung hatte den Mut, diese unpopulären Maßnahmen vorzulegen. Ich stelle fest, dass der Herr Ministerpräsident und Ihre Par

tei in Hessen diesen Mut nur dann haben, wenn es um Berlin geht.

(Beifall bei der SPD)

Aber wenn wir über Hessen reden, fehlen jegliche Vorstellungen.

Herr Kollege Walter, darf ich Sie bitten, langsam zum Ende zu kommen?

Es ist ein Hohn, dass der hiesige Wirtschaftsminister auf den demographischen Wandel und die Verschuldung hinweist.Wir haben Ihnen allein im letzten Jahr die 2 Milliarden c zusätzlichen Schulden vorgehalten.Von Ihrer Seite kam kein einziger Vorschlag,wie Sie diese Situation in unserem Lande, in dem Sie mit absoluter Mehrheit regieren, ändern wollen.

Abschließend stelle ich fest: Die Union betreibt in diesem Landtag eine Politik nach dem Motto „im Bund müsste man mal“, und in Hessen gibt sie keine Antworten. Wir haben hier keinen Ministerpräsidenten, wir haben einen „Müsste-mal-Präsidenten“.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. – Das Wort hat Herr Kollege Boddenberg, CDU.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Walter hat darauf hingewiesen, dass wir in allen Parteien in diesen Tagen über sehr grundsätzliche Fragen zu diskutieren haben.

(Norbert Schmitt (SPD): Das ist gut so!)

Der Hinweis ist richtig, dass gerade die großen Parteien an vielen Stellen Diskussionsbedarf haben.

(Jürgen Walter (SPD): Ja!)

Herr Walter, eines unterscheidet die Christlich-Demokratische Union von den Sozialdemokraten fundamental.Bei Ihnen findet ein prinzipieller Streit statt, ein ideologischer Grundsatzstreit. Bei der CDU wird in vielen Detailfragen diskutiert.

(Lachen bei der SPD)

Aber wir haben eine sehr klare Haltung zu den Grundsätzen.

(Zuruf von der SPD)

Der Minister hat zu den grundsätzlichen Zielsetzungen moderner Politik im 21. Jahrhundert klare Aussagen gemacht.Wir haben diese nicht nur formuliert, sondern sind auch dabei, sie umzusetzen,

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

und zwar nicht nur im Bundesrat, sondern auch im Bundesland Hessen.

Im Bundestagswahlkampf des letzten Jahres haben viele Wirtschaftspolitiker, aber auch viele Sachverständige immer wieder die Frage aufgeworfen, ob wir eigentlich ein Erkenntnisproblem oder ein Umsetzungsproblem hätten. Vielfach war die Rede davon, wir hätten ein Umsetzungsproblem.Das stimmt für weite Teile der Gesellschaft,aber nicht für die Sozialdemokraten, denn die haben nach wie vor ein Erkenntnisproblem.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Denn wie anders soll ich es deuten, wenn der wirtschaftspolitische Sprecher bei der Frage der Arbeitsmarktsituation vor dem Hintergrund der gestern veröffentlichten Zahlen, die das katastrophalste Szenario der Nachkriegsgeschichte deutlich gemacht haben, von „Aufschwung am Arbeitsmarkt“ spricht?

Meine Damen und Herren, wie soll ich es denn deuten, wenn die Vorsitzende der hessischen SPD in diesen Tagen wieder alle aus dem letzten Jahrhundert stammenden ideologischen Prinzipien und Ideen der Sozialdemokraten aus der Schublade holt?

(Zurufe von der SPD)

Der Herausforderer des letzten Landtagswahlkampfes hat es am Ende eingesehen, aber mit der neuen Vorsitzenden sind diese alten Ideologien wieder eingekehrt.

(Zurufe von der SPD)

Die Spitze des Eisberges ist die Formulierung der Landesvorsitzenden beim Landesparteitag der Sozialdemokraten, die SPD Hessen befinde sich programmatisch in einer komfortablen Situation.

(Andrea Ypsilanti (SPD): So ist es!)

Und das vor dem Hintergrund der – wie Sie es sagen – allgemein anerkannten Sichtweise, dass wir in der tiefsten Krise der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland stecken.

(Zurufe von der SPD)

Herr Kollege Boddenberg, würden Sie langsam zum Schluss kommen?

Letzte Bemerkung. Hier hat der Minister – wie ich finde, zu Recht – auf die Problematik hingewiesen. Der Bundeskanzler hat in diesen Tagen das Problem, dass er die Geister, die er rief, nicht mehr eingefangen bekommen hat.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Wer über zwei Bundestagswahlen und in der ersten Legislaturperiode immer wieder Klientelpolitik betreibt, wer in seinen eigenen Reihen drei Viertel der Bundestagsabgeordneten mit gewerkschaftlichem Hintergrund oder Mitgliedschaft weiß,

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sagen Sie etwas zu den Handwerkern!)

der hat am Ende, selbst wenn er das Erkenntnisproblem überwindet – Sie sagen, am 1. Juni sei das alles in trockenen Tüchern –, dann wieder ein Umsetzungsproblem.

(Jürgen Walter (SPD): So macht das eine demokratische Partei!)

Deswegen schließe ich mich dem an, was hier vom Vorsitzenden der CDU-Fraktion gesagt worden ist: Das beste Konjunkturprogramm für diese Republik wäre ein Regierungswechsel. – Aber Sie werden sich noch die nächsten drei Jahre von Woche zu Woche durchhangeln. Das ist das Problem, vor dem dieses Land leider wahrscheinlich auch die nächsten drei Jahre stehen wird. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank. – Die nächste Wortmeldung ist von Frau Kollegin Schulz-Asche, Fraktion der GRÜNEN.

(Gerhard Bökel (SPD): Die hat euch gestern schon gewarnt!)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Freie Rede – Sie haben gut aufgepasst.

Als ich am Sonntag, wie Sie alle, Frau Merkel und Herrn Stoiber vor die Presse treten sah, und Frau Stoiber – Frau Merkel – –

(Frank Gotthardt (CDU): Frau Stoiber, jawohl!)

Ja, schwesterlich sind sie ja vor die Kamera getreten. Entschuldigen Sie mir den Versprecher.

Als Frau Merkel sagte, sie hätten sich so einfach geeinigt, da habe ich mir gedacht: „Super, Frau Merkel!“, und habe mir sofort das Papier geholt, das da beschlossen wurde.