Protokoll der Sitzung vom 14.12.2004

Dass Sie jetzt beginnen, die noch benötigten landeseigenen Gebäude zu verkaufen und zurückzumieten, ist nicht ohne eine gewisse Pikanterie. Herr Milde hat gerade von dem Geschäft schlechthin gesprochen. Aber vor kurzem haben Sie uns noch ausführlich dargelegt, dass ein Kauf der Staatskanzlei wegen der zurzeit günstigen Zinsen mit Sicherheit vorteilhafter sei als eine Anmietung des Gebäudes. Die Höhe der Zinsen hat sich zwischen dem Kauf der „Rose“ und dem Verkauf des Behördenzentrums an der Gutleutstraße nicht verändert. Im Finanzministerium wird aber so argumentiert, wie es dem Minister gerade passt.

(Beifall bei der SPD)

Diese mangelnde Stringenz kennzeichnet auch den vorgelegten Landeshaushalt. In der Einführung auf Seite 5 wird von Ihnen festgehalten – bei der Einbringung des Nachtragshaushalts in erster Lesung wurde das von Ihnen auch so vorgetragen –,dass die mit der „Operation sichere Zukunft“ verbundenen Entlastungen, einschließlich der Lenkungswirkung bei den Langzeitstudenten, erreicht worden sind. Herr Milde hat das gerade bestätigt.

Auf derselben Seite, zwei Absätze höher, werden aber Mindereinnahmen bei den Langzeitstudenten und Verwaltungskosten für die Studierenden in einer Höhe von 15,5 Millionen c festgestellt.Herr Finanzminister Weimar und Herr Milde, was gilt denn nun? Haben Sie darauf gehofft, dass die Studiengebühren die gelobte Lenkungswirkung nicht entfalten und ein paar Euro mehr im Landeshaushalt hängen bleiben? Oder haben Sie, umgekehrt, an die Lenkungswirkung geglaubt und einfach ein paar Luftnummern in den Haushalt gesetzt?

Ähnliches gilt für das Wirtschaftswachstum. Es wird angepriesen, statt mit 2 % nur mit 1 % geplant zu haben. Tatsächlich hat das Wirtschaftswachstum in Hessen Ende des Jahres über 2 % zugelegt. Bei der Wichtigkeit, die Sie gemeinhin dem Wirtschaftswachstum zumessen, müssten das doch satte Pfründe sein, aus denen man problemlos den Nachtragshaushalt bestreiten könnte.Allein die Dividende Ihrer Fehlprognose erschließt sich nicht.

(Beifall bei der SPD)

Es ist fast überflüssig,zu sagen,dass es in diesem Haushalt keine Haushaltsreste mehr gibt. Wie selbstverständlich wurden keine richtigen Bewirtschaftungsregelungen eingeführt, keine Nachsteuerung vorgenommen, obgleich schon im Mai eine Steuerschätzung vorlag,die,wie wir der Begründung auf Seite 2 entnehmen können, für Hessen ein Minderergebnis von etwa 200 Millionen c prognostizierte. Herr Finanzminister, ich kann Ihr Finanzgebaren folgendermaßen zusammenfassen: Ihre Haushalte sind mittlerweile schon im Ansatz verfassungswidrig, die Neuverschuldung wird im Laufe des Jahres trotzdem höher als geplant,statt Gegenmaßnahmen folgt am Ende des Jahres

der Nachtragshaushalt. Mit anderen Worten: Ist der Ruf erst ruiniert, lebt und verschuldet es sich gänzlich ungeniert.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Ich darf zitieren:

Ihre Annahmen über die Ausgaben sind regelmäßig zu niedrig angesetzt, Ihre Annahmen über die Einnahmen regelmäßig zu hoch. Die Vorlage eines Nachtragshaushalts für das Jahr 2004 wegen massiver Ausgabenüberschreitungen wird von der Ausnahme zur Regel.... Das ist vor dem Hintergrund der Generationengerechtigkeit die asozialste Politik, die in Deutschland jemals gemacht wurde.

Herr Finanzminister, das sind nicht meine Worte, das sind die Worte Ihres Parteikollegen Friedrich Merz. Sie lassen an Wahrheit nichts zu wünschen übrig.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das, was Sie hier in Hessen betreiben, wird von Ihren eigenen Parteikollegen auf Bundesebene als asoziale Politik bezeichnet. – So viel zu den Bewertungen Ihrer eigenen Leute.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nun lassen Sie mich zum Ende noch einmal zu Ihrer eigentlichen und ständigen Begründung Ihrer Haushaltsmisere kommen. Dass es in Hessen ein Ausgabenproblem gibt, werden Sie sicherlich niemals zugeben. Alle von Ihnen getätigten Ausgaben sind ganz automatisch kein Problem, sondern eine Notwendigkeit. Auf diese Art und Weise haben Sie vier Jahre lang aus dem Vollen geschöpft. Nun bedauern Sie, dass das Geld weg ist. Ich komme also zu Ihrem Lieblingsthema: „Wer ist schuld an allem?“ – Klare Antwort: die rot-grüne Bundesregierung.

Gegenfrage:Wer blockiert im Bundesrat jeden Ansatz zur Einnahmeverbesserung der öffentlichen Haushalte? Wer hat das Steuervergünstigungsabbaugesetz blockiert? Wer erklärt die Eigenheimzulage für unantastbar und das Firmenwagenprivileg für sakrosankt? Wo vor allen Dingen bleiben Ihre eigenen Alternativen und Gegenvorschläge im Bundesrat, um zur Einnahmeverbesserung und zu einem höheren Steuervolumen zu kommen? – Fehlanzeige, Herr Ministerpräsident, Fehlanzeige, Herr Finanzminister.

Wie sehen die Vorschläge der CDU auf Bundesebene aus? Da werden die Steuern so stark abgesenkt, dass man aus einer nicht so starken Absenkung noch die nötigen Milliarden für eine diffuse Kopfpauschale hervorzaubern kann.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren von der Union, darin steckt auch noch ein Denkfehler. Wenn man nämlich durch Steuersenkungen zu höheren Steuereinnahmen kommt, dann müsste für die Finanzierung der fehlenden Milliarden für die Kopfpauschale der von Ihren Berliner Freunden geplante Steuersatz nicht um 3 % weniger abgesenkt werden, sondern um weitere 3 % abgesenkt werden.

Herr Finanzminister, Sie haben zwar bei der Einbringung des Nachtragshaushaltes gesagt, Sie seien pessimistisch und setzten auf den September 2006. Ich kann Ihnen nur raten:Vergessen Sie das. – Rot-Grün macht zwar nicht al

les richtig, aber für Ihre Berliner Oppositionstruppe gibt es nur ein Wort: absolut regierungsunfähig.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Weimar,ich möchte mir auch gar nicht ausmalen,wie Ihre Haushalte unter einer Kanzlerin Merkel und einem Bundesfinanzminister Roland Koch aussehen würden. Hören Sie deswegen auf, die Verantwortung aus Wiesbaden wegzuschieben. Sie können es letztlich drehen und wenden, wie Sie wollen, man muss nur in den Nachtragshaushalt schauen: Die gesunkene Finanzkraft Hessens spiegelt sich mittlerweile auch in geringeren Zahlungen in den Länderfinanzausgleich von über 270 Millionen c und höheren Einnahmen aus dem Umsatzsteueranteil von fast 110 Millionen c wider. Das spart dem Land zwar fast 400 Millionen c, aber das heißt natürlich auch, dass Hessen unter Ihrer Regierung zunehmend an Boden verliert.

Da die anderen Bundesländer Teil der gleichen Bundesrepublik und damit genauso betroffen von der Bundespolitik sind wie Hessen, liegen die Ursachen ganz offensichtlich hier. Das lässt sich nicht länger kaschieren. Der vorliegende Nachtragshaushalt, den wir natürlich ablehnen werden, ist der in Zahlen gegossene Beleg Ihrer verfehlten Politik.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat der Abg. Roland von Hunnius für die FDPFraktion.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir unterhalten uns in diesem Plenum dreimal über den Haushalt. Da fällt es den Haushaltssprechern natürlich nicht ganz leicht, die Debatte kurzweilig zu gestalten.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Man bemüht sich!)

Das ist umso schwieriger, als die Fakten, über die wir zu reden haben, bedauerlicherweise wenig Anlass für Kurzweil bieten.Der Nachtragshaushalt für das Jahr 2004 kann nicht besser sein als der Haushalt 2004.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Könnte schön!)

Da wir den Haushalt 2004 schon abgelehnt haben, wird es beim Nachtragshaushalt auch keine Möglichkeit geben, sich eines anderen Urteils zu befleißigen.

(Zuruf des Abg. Frank Gotthardt (CDU))

Es rächen sich falsche Angaben, zu hohe Einnahmeschätzungen, und es rächt sich eines ganz besonders: die Konzeptlosigkeit der Finanzpolitik in Hessen.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Nun will ich gleich – dann wird die linke Seite nicht mehr klatschen – dazu sagen, dass die Bundespolitik ein Katastrophenjahr hinter sich hat, ein Katastrophenjahr einer völlig verfehlten Wirtschafts- und Finanzpolitik.

(Petra Fuhrmann (SPD): Ihre Politik ist eine Katastrophe!)

Eine Finanzpolitik, die ausschließlich negative Einflüsse auf das Land Hessen hatte. Das muss eindeutig festgestellt werden.

(Beifall bei der FDP)

Es muss aber ebenso festgestellt werden, dass der Bund nicht Maßstab für Hessen sein darf. Herr Kollege Milde, mich beruhigt es überhaupt nicht, dass die Schuldensteigerung des Bundes größer ist als die des Landes Hessen. 60 % draufzulegen gegenüber dem Ansatz ist für Hessen schlecht genug. Es ist überhaupt keine Ausrede, dass der Bund noch schlechter ist. Es muss hinzugefügt werden, dass viele Änderungen, die im Rahmen des Nachtragshaushalts erforderlich werden, hausgemachte Änderungen sind.

Ich kann mir nicht ersparen, darauf hinzuweisen, dass dabei zuerst die Studiengebühren zu nennen sind. Nehmen wir die Zahlen: 24 Millionen c waren angesetzt, damals von allen Experten für weit überhöht gehalten – aber sie blieben angesetzt. Im Nachtragshaushalt finden wir 9,5 Millionen c Einnahmen. Dabei handelt es sich um einen Schätzfehler von satten 41 %.

(Beifall bei der FDP)

Es ist schon aus dem Gesetz zur Änderung des Haushaltsplans zitiert worden, dass die Entlastungsziele einschließlich der erwünschten Lenkungswirkung bei den Langzeitstudierenden erreicht worden seien. Nun frage ich mich: Entweder waren die Entlastungsziele von vornherein im Visier, dann war der Ansatz zu hoch. Oder aber der Ansatz war glaubwürdig, aber aus Sicht der Landesregierung hat das Ziel nicht bestanden.

Ich habe mir erlaubt, im Haushaltsausschuss den Herrn Staatssekretär zu fragen, was von beidem denn nun stimme. Er hat mir geantwortet, beides sei richtig. Meine Damen und Herren, das ist auch ein Beispiel für hervorragende Haushaltspolitik. Es kann nicht beides richtig sein.Fakt ist:Man hat gesehen,das Ergebnis wird nicht erreicht, man hat überhöhte Ansätze eingesetzt und die anderen glauben gemacht, sie seien richtig.

Ein zweites Beispiel: Vertretungsunterricht. Der Ansatz lautete 23,566 Millionen c. Im Nachtrag werden 10 Millionen c draufgepackt. Das sind 42,4 %, um die dieser Ansatz falsch gewesen ist. Wir diskutieren hier sehr viel über PISA und Grundrechenarten, während das entsprechende Ministerium selber nicht in der Lage ist, den Bedarf festzustellen.

(Beifall bei der FDP)

Drittes Beispiel: Beteiligung an der Wohnstadt. Sie wissen, dass die FDP-Fraktion immer dafür eingetreten ist, im Wohnungsbau die Beteiligungen zu verselbstständigen. Das ist keine originäre Landesaufgabe, schon gar nicht im Jahr 2004.

(Beifall bei der FDP)

Wir haben aber zugleich gesagt, dass wir kein Verständnis dafür haben, dass die Wohnstadt an eine andere Beteiligung des Landes Hessen verkauft wird. Dafür sind 250 Millionen c eingeplant worden. Dieses In-sich-Geschäft bedeutet nichts anderes, als dass das Land Hessen ein Darlehen in Höhe von umgerechnet 100 Millionen c aufgenommen hat, 100 Millionen c Verschuldung, die nirgendwo erscheinen. Ich würde den Rechnungshof bitten, diesen Punkt zu überprüfen.

(Beifall bei der FDP)

Denn auf diese Weise kann man jegliche Verschuldungsgrenze spielend überschreiten. Ganz abgesehen davon, dass der Erlös bei der Wohnstadt auch um 28,7 % unter dem Ansatz gelegen hat.Das ist auch kein großes Wunder, wenn man sich ansieht, wie alt die Gutachten waren, auf denen die ursprüngliche Schätzung beruht hat. Nein, wir sehen deutlich,dass hier Fehlplanungen stattgefunden haben, die teilweise bewusste Schönfärberei gewesen sind. Es gab nicht den geringsten Versuch, den zusätzlichen Bedarf oder aber die ausfallenden Einnahmen durch Einsparmaßnahmen auszugleichen.