Denn auf diese Weise kann man jegliche Verschuldungsgrenze spielend überschreiten. Ganz abgesehen davon, dass der Erlös bei der Wohnstadt auch um 28,7 % unter dem Ansatz gelegen hat.Das ist auch kein großes Wunder, wenn man sich ansieht, wie alt die Gutachten waren, auf denen die ursprüngliche Schätzung beruht hat. Nein, wir sehen deutlich,dass hier Fehlplanungen stattgefunden haben, die teilweise bewusste Schönfärberei gewesen sind. Es gab nicht den geringsten Versuch, den zusätzlichen Bedarf oder aber die ausfallenden Einnahmen durch Einsparmaßnahmen auszugleichen.
Die lapidare Formulierung: „Wir können nicht mehr sparen“, ist in dieser Form weder glaubwürdig noch richtig.
Es ist nicht allein das Problem, dass Fehlschätzungen vorkommen, sondern dass diese Fehlschätzungen 2005 fortgesetzt werden. Ich will das Beispiel der Studiengebühren anführen. Da hat sich der Minister ganz erheblich verrechnet, wie man meinen sollte.
Man könnte der Ansicht sein, dass er für das Jahr 2005 schlau geworden sei und andere Positionen ansetzt. Aber was macht er? Er geht von 10 auf 16 Millionen c. Er erhöht den Ansatz für Studiengebühren im kommenden Jahr um 60 %. – Herzlichen Glückwunsch. Das ist eine tolle Schätzung. Ich glaube, im nächsten Nachtrag haben wir die Korrektur gemeinsam durchzuführen.
Legen wir einmal die Postulate Klarheit,Wahrheit, Kontinuität an den Haushalt an.Dann stelle ich fest:keine Klarheit, wenig Wahrheit und Kontinuität vor allem beim Schönrechnen. Meine Damen und Herren, das reicht für einen Landeshaushalt nicht aus.
Wir haben nicht allein zu bemängeln, dass die Verfassungsgrenze überschritten wird, sondern auch die stoische Gelassenheit und Unbekümmertheit, mit der die Überschreitung hingenommen wird.
Lassen Sie mich dazu aus der eben bereits genannten Gesetzesbegründung zitieren. Unter der Überschrift: „Steuerausfälle rechtfertigen Erhöhung der Nettokreditaufnahme“ auf Seite 6 der Vorlage heißt es:
Angesichts der mit der „Operation sichere Zukunft“ durchgeführten Konsolidierungsmaßnahmen sowie der damaligen konjunkturellen Entwicklung steht die Überschreitung der Kredithöchstgrenze jedoch im Einklang mit Art. 141 Satz 1 der Hessischen Verfassung.
Man hält die jetzige Überschreitung der Kredithöchstgrenze aufgrund der damaligen konjunkturellen Situation für gerechtfertigt. Meine Damen und Herren, das ist eine ganz interessante Auslegung.
Irgendwann ist die Konjunktur schlecht, und dann kann ich in den Folgejahren fortwährend immer wieder über die Grenze hinausgehen. Das Ganze halten Sie auch noch für rechtens.
Innerlich – das ist das eigentlich Erschreckende – hat sich der Finanzminister längst von der Vorstellung befreit, die Verfassungsgrenze einhalten zu müssen. Er hat im Grunde das Ziel des verschuldungsfreien Haushalts aufgegeben. Nicht umsonst ist es im Finanzplan gar nicht mehr ausgewiesen. Das ist das eigentliche Problem, über das wir hier reden, jenseits aller Zahlenvorstellungen, jenseits einzelner Ansätze, über die wir zu sprechen haben.
Sehen wir uns doch einmal an, in welcher Situation wir uns befinden. Ich will die Rede nicht zu lang machen, weil wir im Laufe dieses schönen, sehr langen ausführlichen letzten Plenums in diesem hohen Hause dreimal über den Haushalt zu reden haben. In diesem Jahr planen der Finanzminister und die Landesregierung eine Nettoneuverschuldung von 1,8 Milliarden c.Wir haben gestern Abend die neuen Korrekturen erhalten. Diese 1,8 Milliarden c, geteilt durch die Tage des Jahres 2004, heißen nichts anderes, als dass wir an jedem Tag dieses Jahres 5 Millionen c neue Schulden machen. Das bedeutet: Während der fünf Tage, die wir hier zusammen sind, hat sich der Schuldenstand des Landes Hessen um 25 Millionen c erhöht, nach alter Rechnung um fast 50 Millionen DM. Wenn wir allerdings bereit sind, dies zu akzeptieren, dann müssen wir diesen Haushalt toll finden.
Eine ungebremste Fortsetzung dieser Verschuldungspolitik in den nächsten 25 Jahren würde im Jahr 2030 zu einem Schuldenstand von dann 65,8 Milliarden c führen.
Ich glaube, dem muss man nicht viel hinzufügen. Man könnte einwenden: Es wird nicht immer so bleiben. Es wird aber so bleiben, wenn nichts geändert wird. Die Landesregierung ändert bedauerlicherweise nichts.
Bei einem realistischen durchschnittlichen Zinssatz von 5 % würde dies bedeuten, dass das Land Hessen im Jahr 2030 statt 1,4 Milliarden wie in diesem Jahr dann unfassbare 3,3 Milliarden c nur an Zinsen zahlen müsste.
Nun kommen Sie mir bitte nicht damit, dass der Zinssatz weniger als 5 % beträgt. Das mag das vielleicht etwas relativieren. Aber das Faktum bleibt, dass wir in eine ungebremste Verschuldungspolitik hineinlaufen und dass bedauerlicherweise keine Strategie erkennbar ist,dies zu beenden.
Der Haushalt 2004 war ein Haushalt ohne Perspektive. Der Nachtragshaushalt 2004 ist ein Haushalt der Resignation, leider kein Haushalt der Einsicht. Deswegen werden wir diesen Haushalt ablehnen. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich denke, nach den Ausflügen in meine privaten Vermögensverhältnisse kann man jetzt wieder über den Landeshaushalt reden. Ich will nur noch zu Protokoll ergänzen: Ich habe auch noch zwei Fahrräder, die im Moment nicht aufgepumpt sind, weil es sich vom Wetter her nicht besonders anbietet.
Ich merke, dass ich schon wieder die Fantasie beflügelt habe. Damit ist der Sinn und Zweck meiner Rede bereits erfüllt.
Meine Damen und Herren, wie ich bereits bei der Einbringungsrede zum Nachtrag am 23.11. vorgetragen habe, haben wir die Ausgaben absolut im Griff.
Trotz erheblicher Kostensteigerungen, wie z. B. beim Wohngeld,beim Maßregelvollzug,trotz des Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes und anderem mehr, was uns durch gesetzliche Maßnahmen und durch Entwicklungen, die bundesweit eingetreten sind, eine Menge Geld gekostet hat – allein beim Wohngeld zusätzlich 45 Millionen c –, steigen die bereinigten Gesamtausgaben ohne LFA nur ganz extrem geringfügig an. Ich sage dazu, dass ich Hoffnungen habe, dass wir insgesamt gesehen beim Abschluss des Haushaltes von keiner Ausgabensteigerung ausgehen müssen. Meine Damen und Herren, wir können jetzt schon sagen: Die „Operation sichere Zukunft“ war ein voller Erfolg.
Insoweit relativiert sich auch das, was hier hinsichtlich der Fähigkeit und des Willens dieser Landesregierung gesagt wird, zu sparen. Meine Damen und Herren, das hat sich voriges Jahr im Dezember noch ein bisschen anders von der verehrlichen Opposition angehört: dass wir das Land kaputtsparen würden, dass wir es ruinieren,
(Minister Dr. Christean Wagner: Richtig! – Frank- Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sparen tun Sie gar nicht!)
dass wir auf dem Rücken der Mitarbeiter die Sanierung des Haushalts betreiben. Das ist noch kein Jahr her, und schon gilt das alles nicht mehr.Meine Damen und Herren, wir haben über 500 Millionen c im Landeshaushalt strukturell eingespart. Darüber hinaus haben wir die Ziele der Veräußerungserlöse erreicht, was ebenfalls bestritten worden ist. Von daher können wir sagen, dass genau dies bei uns in besten Händen ist.
Meine Damen und Herren, die Steuereinnahmen haben sich in der Zwischenzeit wieder drastisch verschlechtert – damit das auch klar ist, weil das immer von der verehrlichen Opposition so vorgetragen wird –:seit Juli 2004 verändert. Bis einschließlich Juli hatten wir noch positive Ergebnisse bei den Steuereinnahmen – ich hatte das hier vorgetragen –: plus 369 Millionen c gegenüber dem 2003 erwarteten Ist. Da war überhaupt nicht damit zu rechnen, dass die Situation eintritt, in der wir jetzt sind. Das zeigt auch,bei allen Auseinandersetzungen,die hier immer wieder geführt werden, dass die Dinge im Grundsatz kaum noch kalkulierbar sind.
Ich will wenigstens ganz kurz auf zwei, drei Punkte eingehen in der Hoffnung, dass sie in der Sache aufgenommen werden. Mit den 11,2 Milliarden c im Nachtragshaushalt, die aus den bei uns verbleibenden Steuereinnahmen stammen, liegen wir um ca. 200 Millionen c unter den Einnahmen des Jahres 1998. Wir nähern uns langsam der Einnahmegrenze des Jahres 1996.
Nichts beschreibt die Dramatik so sehr wie die Tatsache, dass wir die zwischenzeitlich eingetretenen Steigerungen der Personalausgaben um 8 % auffangen müssen. Bei einem Haushaltsvolumen von 22 Milliarden c sind das 1,7 Milliarden c Mehrkosten allein bei den Personalausgaben, die aufgefangen werden müssen, während wir gleichzeitig Steuermindereinnahmen haben.
Unabhängig davon, dass die Opposition hier eine bestimmte Aufgabenstellung abzuarbeiten hat,weiß doch jeder,dass derartige Beträge in einem Landeshaushalt nicht mehr aufgefangen werden können – ganz abgesehen von den Auswirkungen der Gesetzesänderungen und sonstiger Dinge, die auf uns herniedergegangen sind, ohne dass wir uns dagegen wehren konnten.
Ich will Ihnen ein paar Beispiele nennen.Nach dem neuen Zerlegungsschlüssel für die Lohnsteuer müssen wir jetzt über 26 % der in Hessen eingenommen Lohnsteuer abführen. Bisher waren es 22 %. Da die Einnahmen im vierten Quartal nicht mehr zerlegt werden können, bedeutet das ein Minus von 140 Millionen c. Diese Mittel sind für uns zwar nicht dauerhaft verloren, weil die Spitzabrechnung noch erfolgt, aber haushaltsmäßig schlagen diese 140 Millionen c im vierten Quartal erst einmal zusätzlich zu Buche. Sie müssen also die hier genannten absoluten Zahlen in der Relation sehen, weil es nachgelagert zu einer Spitzabrechnung und zu einer Zerlegung kommt. Nach den strengen Regeln der Kameralistik fehlen uns aber zunächst einmal 140 Millionen c in der Kasse.
Die Einnahmen aus der veranlagten Einkommensteuer waren mit 415 Millionen c angesetzt gewesen. Sie werden am Jahresende voraussichtlich gerade einmal 110 Millionen c betragen. Das heißt, die Einnahmen aus der veranlagten Einkommensteuer gehen um 305 Millionen c zurück. Ich will in diesem Zusammenhang einen Hinweis darauf geben, was in unserem Land momentan passiert. Bei aller Schwarzweißmalerei muss man sehen, dass dieses Minus von 305 Millionen c eigentlich schon jenseits dessen liegt, was in einem Landeshaushalt üblicherweise aktuell eingespart werden kann. Sie erinnern sich, was in diesem Lande los war, als im Rahmen der „Operation sichere Zukunft“ Streichungen in einer Größenordnung von 500 Millionen c dargestellt wurden.Wenn Sie on top noch einmal 300 Millionen c einsparen wollen,dann wünsche ich Ihnen dabei gute Verrichtung.
Bei der veranlagten Körperschaftsteuer hatten wir Einnahmen in Höhe von 750 Millionen c veranschlagt. Zur Erinnerung: Dieser Betrag liegt weit unterhalb der Einnahmen, die wir in den Jahren 1998, 1999 und 2000 hatten, in den Jahren vor der großen Steuerreform. Mit Stand vom heutigen Tag wird prognostiziert, dass die Einnahmen aus der veranlagten Körperschaftsteuer auf 355 Millionen c zurückgehen. Das heißt, wir werden in dem Bereich fast 400 Millionen c weniger einnehmen.Wir haben in diesem Jahr aber fast 2 Milliarden c Körperschaftsteuern erstattet.
An der Stelle will ich einmal Folgendes zu bedenken geben. Ein steigendes Wirtschaftswachstum in unserem Land bedeutet nicht mehr automatisch, dass wir höhere
Steuereinnahmen haben. Wir haben in diesem Jahr in Deutschland zwar ein Wirtschaftswachstum, die Steuereinnahmen gehen aber trotzdem zurück. Das ist eines der entscheidenden Probleme und ein deutlicher Hinweis darauf, dass unser Steuersystem schlichtweg falsch strukturiert ist. Ich will Ihnen an der Stelle eine Information geben,der Sie vielleicht nachgehen wollen.In den 15 „alten“ EU-Staaten beträgt der Anteil der Unternehmensteuern am Bruttoinlandsprodukt 3,4 %. In Deutschland beträgt der Anteil nur ca. 1 %, obwohl wir im Schnitt doppelt so hohe Unternehmensteuern erheben wie die anderen EULänder. Wer daraus den Schluss zieht, wir müssten die Steuern erhöhen, dem kann ich an der Stelle nicht mehr folgen. In Wahrheit müssen wir, um wettbewerbsfähig zu bleiben, die Steuern senken. Das wird aber nicht akzeptiert. Das ist eines der entscheidenden Probleme in Deutschland.