Protokoll der Sitzung vom 15.12.2004

das auch zum Konglomerat der SPD gehörte, bei dem der Geschäftsführer und Chefredakteur des Blattes per Arbeitsvertrag zur Parteitreue verdonnert wurde. Ich möchte Ihnen gerne die Passage vorlesen – Herr Präsident, mit Ihrer Genehmigung –, die in dem Arbeitsvertrag enthalten war:

Dem Geschäftsführer ist bekannt, dass der Gesellschafter Deutsche Druck- und Verlagsgesellschaft mbH (dd_vg) der SPD nahe steht. Daraus ergibt sich für den Geschäftsführer die Verpflichtung, die sich aus dem Verhältnis ergebende grundsätzliche Haltung sowohl in seiner Arbeit als auch insbesondere bei der Vertretung der Gesellschaft in der Öffentlichkeit zu respektieren.

(Beifall bei der CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das hat mit Pressefreiheit nichts zu tun, sondern das ist ein eindeutiger Ukas, mit dem ein Geschäftsführer und Chefredakteur dazu verdonnert wird, eine Parteilinie zu vertreten. Da ist es mehr als recht und billig und hat nicht nur mit wirtschaftlichen Beteiligungsverhältnissen zu tun, sondern mit politischen Interessenslagen, dass eine solche Zeitung in die Situation gebracht wird, dass sie veröffentlichen muss, wer wirklich hinter dieser Zeitung steht.

(Beifall bei der CDU – Priska Hinz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN): Das gilt doch grundsätzlich!)

Ich akzeptiere, dass die SPD an dieser Stelle Nebelkerzen wirft. Ich akzeptiere aber nicht, dass die GRÜNEN sich an dieser Stelle am Werfen von Nebelkerzen beteiligen. Sie müssen irgendwann einmal erklären, warum Sie das tun; denn es ist völlig unverständlich.

Wir halten den Zustand,wie er in Hamburg nachgewiesen ist und wie er bei der „Frankfurter Rundschau“ möglich ist, für unappetitlich und inakzeptabel. Wir werden alles dafür tun, dass dieser Zustand dadurch geheilt wird, dass eine Kennzeichnungspflicht im Pressegesetz herbeigeführt wird.

(Beifall bei der CDU)

Wie weit die Geschmacklosigkeit geht, will ich Ihnen an einem Beispiel sagen. Die „Frankfurter Rundschau“ hat bis zum heutigen Tag mit Ausnahme einer Ausgabe,die sie dann kassiert hat, weil es angeblich einen Druckfehler gab, die Unterzeile „Unabhängige Tageszeitung“.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, eine Zeitung, die zu 90 % einer Partei gehört, erfrecht sich, in ihrer Unterzeile den Titel „Unabhängige Tageszeitung“ zu führen. Eine größere Irreführung des Lesers kann es überhaupt nicht geben. Wir sind Gott sei Dank in der Situation, dass über die streitige Diskussion, die wir hier führen, mittlerweile die Mehrheit der Bevölkerung eine Ahnung davon hat, was hinter der „Frankfurter Rundschau“ steht.

Herr Hoff, Sie müssen zum Schluss kommen. Die Redezeit ist abgelaufen.

Ich komme sofort zum Schluss, Herr Präsident. – Wir werden dafür sorgen, dass die Transparenz hergestellt wird.

Letzter Satz. Meine Damen und Herren von der Sozialdemokratischen Partei, Sie haben selbst den ersten Stein geworfen. Sie waren an Radio FFH über eine Klaus Lage GbR beteiligt. Wer so verschleierte Beteiligungsverhältnisse eingeht, der zeigt, dass er etwas zu verbergen hat. Wir werden dafür sorgen, dass dieses Verbergen ein Ende hat. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Lebhafter Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Hoff. – Herr Hahn, Sie haben das Wort für die FDP-Fraktion.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube,es ist wichtig,damit unsere Gäste erfahren, worüber wir uns hier unterhalten, darzustellen, worum es geht.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Dafür haben wir gerade auf Sie gewartet!)

Mit den Stimmen von CDU und FDP hat der Hauptausschuss des Hessischen Landtags Folgendes beschlossen:

Die Landesregierung wird aufgefordert, zu prüfen, welche Maßnahmen geeignet wären, um zu gewährleisten, dass künftig die unmittelbare oder mittelbare kapitalmäßige Beteiligung politischer Parteien an Printmedien für den Leser unmittelbar erkennbar ist.

Das ist die Beschlusslage des Hauptausschusses. Das werden wir auch heute so beschließen.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU – Reinhard Kahl (SPD): Lesen Sie einmal die Beschlussvorlage des Innenausschusses vor!)

Wir debattieren heute über eine besondere Art des Einflusses auf Printmedien. Das ist der Einfluss von politischen Parteien. Ich glaube, jeder in diesem Raum und jeder, der die Geschichte unseres Landes kennt – ich unterstelle,jeder in diesem Raum kennt die Geschichte unseres Landes –, weiß, dass es nichts Schlimmeres gibt als politischen Einfluss auf Medien. Da die Väter und Mütter des Grundgesetzes das noch sehr gut in Erinnerung hatten, haben sie in Art. 21 des Grundgesetzes geschrieben:

Die Parteien wirken bei der politischen Willensbildung des Volkes mit. Ihre Gründung ist frei. Ihre innere Ordnung muss demokratischen Grundsätzen entsprechen. Sie müssen über die Herkunft und Verwendung ihrer Mittel sowie über ihr Vermögen öffentlich Rechenschaft geben.

Das ist Art. 21 Abs. 1 der deutschen Verfassung.

Nach Auffassung der FDP-Fraktion nicht nur in diesem Hause, sondern der FDP-Fraktionen in allen deutschen Bundesländern und im Deutschen Bundestag heißt diese Formulierung, dass es schlicht verfassungswidrig ist, dass Parteien Beteiligungen an Medien in diesem Lande haben.

(Beifall bei der FDP und des Abg. Klaus Dietz (CDU))

Parteien haben Rechte aus Art. 21 Abs. 1. Es ist gut so, dass sie diese Rechte haben. Sie haben auf der anderen Seite aber auch Pflichten aus Art. 21 Abs. 1. Das heißt, dass sie nicht mit illegitimen Mitteln Einfluss auf die politische Willensbildung nehmen. Natürlich wollen die Sozialdemokraten mit ihrem Printmonopol Einfluss auf die politische Willensbildung nehmen.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Wenn es den Sozialdemokraten darum ginge, Geld zu verdienen mit ihren Beteiligungen – ich nehme den Zwischenruf auf, den Herr Kollege Boddenberg eben gemacht hat –, dann hätten sie vor einem halben Jahr ihr ganzes Geld in Fraport-Aktien angelegt. Dann hätten sie erstens etwas Gutes getan und zum Zweiten einen irren Gewinn eingestrichen. Nein, sie sind mit diesem Geld in die „Frankfurter Rundschau“ eingestiegen. Das haben sie doch nicht getan, um Geld zu verdienen. Mein sehr verehrter Herr Kollege Siebel von den Roten und meine sehr verehrte Kollegin Hinz von den GRÜNEN, erzählen Sie uns bitte keine Märchen. Sie sind in die „Frankfurter Rundschau“ eingetreten, um ein Blatt zu retten, von dem Sie meinen, dass es in der parteipolitischen Auseinandersetzung in Zukunft für Sie wichtig ist.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU – Zuruf der Abg. Priska Hinz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN))

Dagegen haben wir Liberalen etwas. Das ist ein untaugliches Mittel im parteipolitischen Kampf. Die Medien sollen unabhängig bleiben oder wieder unabhängig werden. Aber es kann nicht sein, dass eine Zeitung, die bisher unabhängig war – die „Frankfurter Rundschau“ war aufgrund des Stiftungsmodells unabhängig –, nunmehr in dem großen dd_vg-Konzern Unterschlupf findet mit den Folgen, die der Kollege Hoff hier vorgetragen hat.

Ich sage nur: schöne Grüße an die Sozialdemokraten. Guckt doch bitte, was in Hamburg gerade abgeht. Es gibt Strafverfahren gegen eine Zeitung, die zu diesem Konzern gehört, unter anderem auch, weil politischer Einfluss genommen worden ist, unter anderem, weil man schlicht die Auflagenstärke falsch angegeben hat, um damit mehr Geld abzuzocken.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir Liberalen diskutieren gerne mit Ihnen auch über die Frage, ob die Hugenbergs dieser Welt – Frau Hinz, darauf haben Sie in Ihrer Rede abgestellt – auch zu lokalisieren sind.Das können wir gerne tun.Aber noch schlimmer sind die Parteien, die Medien haben und diese Medien zur parteipolitischen Auseinandersetzung nutzen. Das geht gerade überhaupt nicht.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU – Priska Hinz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Dann müssten Sie doch unserem Antrag zustimmen!)

Das ist ein gravierender Unterschied. Ich habe auf Art. 21 Grundgesetz hingewiesen. Als Parteien haben wir, sei es bei den Vermögen oder bei den Spenden, auf andere Spielregeln zu achten.

(Priska Hinz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Dann müssten Sie unserem Antrag zustimmen!)

Deshalb steht die FDP-Fraktion in diesem Hause – nicht nur in diesem Haus, sondern in allen deutschen Bundesländern und im Bundestag – hinter der Aussage:Es ist ver

fassungswidrig und muss verboten werden, dass Parteien in irgendeiner Art und Weise wirtschaftlichen Einfluss auf Printmedien und andere Medien haben. – Aus diesem Grund sollte die Landesregierung das tun, was der Hauptausschuss von ihr erwartet. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP – Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Vielen Dank, Herr Hahn. – Für die Landesregierung spricht nun Herr Staatsminister Bouffier.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Debatte, um die es hier geht, hat nach dem Kauf der „Frankfurter Rundschau“ durch ein der SPD gehörendes Unternehmen noch einmal öffentliche Aufmerksamkeit gefunden. Für die Landesregierung erkläre ich, dass wir, wenn ein solcher Beschluss gefasst wird, diese Prüfung natürlich vornehmen werden.Wir sitzen an dieser Arbeit.

Die Sache ist nicht ganz so einfach. Wir haben hier ein Konglomerat von Grundrechten,die gegeneinander abzuwägen sind.Das ist die juristische Seite;Herr Hahn hat darauf hingewiesen. Das Parteienprivileg ist in Art. 21 Grundgesetz verankert. Dort steht sinngemäß, dass die Parteien an der Willensbildung des Volkes mitzuwirken haben. Es gehört nicht zu ihren Pflichtaufgaben, Zeitungen zu unterhalten. Es steht aber auch nicht darin, dass sie es nicht dürfen.Wir müssen dort einen Mittelweg finden.

Wir müssen Art. 14 Grundgesetz – Kapital- und Eigentumsverhältnisse – und Art. 5 Grundgesetz – Meinungsund Pressefreiheit – beachten.Es ist also nicht einfach.Ich erinnere daran, dass wir schon einmal eine ähnliche Debatte geführt haben. Das ist in der jetzigen Debatte allerdings nicht erwähnt worden. Es ging nämlich um die Beteiligung der SPD an Radio FFH. Die wenigsten Leute wissen, dass wir die gleiche Debatte geführt haben, als es um die Novellierung des Privatrundfunkgesetzes in Hessen ging.

Damals wurde in diesem Hause darüber gestritten, ob politische Parteien an Radio FFH beteiligt werden dürfen oder nicht. Die Mehrheit in diesem Haus hat entschieden, dass das nicht mehr so sein sollte. Soweit ich mich erinnere, haben die Sozialdemokraten dann angekündigt, sie wollten dagegen klagen. Ich kenne den Klagestand nicht. Aber im Ergebnis ist die Auffassung der Mehrheit des Hessischen Landtags, dass sich die Parteien weder dort noch an anderen privaten Rundfunkanbietern in Hessen beteiligen sollten. Im Zusammenhang mit Radio FFH ist dies also bereits diskutiert worden.

Ich möchte zwei Gründe dafür anbringen, warum diese Entwicklung aus Sicht der Landesregierung bedenklich ist. Ich möchte keine Diskussion über Pressekonzentration führen. Aber es ist sicher zutreffend, dass derjenige, der versucht, das Wechselspiel zwischen Meinungsfreiheit und Parteienprivileg etwas differenzierter zu betrachten, Sorge haben muss, wenn eine Partei in Deutschland einen Pressekonzern so aufzieht, wie es die Sozialdemokratische Partei tut.

(Beifall bei der CDU)

Keine andere Partei besitzt auch nur ansatzweise ein solches Konglomerat. Das hat etwas mit Meinungsfreiheit zu

tun. Ich erinnere an die Debatten in den Siebziger- und in den Achtzigerjahren, als besonders die Sozialdemokraten der Ansicht waren, sie müssten die Pressefreiheit gegenüber den Kapitalkonzentrationen im Pressewesen verteidigen. Aus der Sicht der Eigentümer waren das Angriffe. Das muss aber auch heute gelten.

Herr Kollege Hoff hat Recht. Wenn eine Partei eine Zeitung besitzt, sollte sie dies auch deutlich kenntlich machen. Das gilt gerade, wenn diese Zeitung als normale Tageszeitung herausgegeben wird.

(Beifall bei der CDU)

Dann weiß der Leser, woran er ist. Der Leser kann sagen: „Ich halte das für richtig oder für falsch“; aber er weiß, was er hat. Das finde ich vernünftig.