Protokoll der Sitzung vom 25.01.2005

Herr Riege, ich bin schon wieder überrascht, und zwar nicht nur über den Antrag Ihrer Fraktion, sondern auch darüber, dass Sie Ihre Anträge jetzt offensichtlich zusammen mit Herrn Posch zu Papier bringen.Allerdings glaube ich das nicht so richtig.Herr Posch wird nachher sicherlich dazu etwas sagen.

Die Wirtschaftspolitik ist eines der originärsten politischen Felder der CDU Deutschlands.

(Lachen bei Abgeordneten der SPD – Zuruf von der SPD: Nicht mehr!)

Das gilt seit Ludwig Erhard. Das gilt auch und gerade für diese Landesregierung. Da wir aber gerade schon bei dem Thema sind, wie die Wirtschaftspolitik zu definieren ist, möchte ich dazu sagen: Wir setzen auf die Kraft der Unternehmen. Wir setzen auf die unternehmerische Risikobereitschaft. Wir setzen darauf, dass die Menschen in den wirtschaftlichen Prozessen Freiheit haben wollen.

Falls Sie noch irgendein Ergebnis brauchen, was eine solche Politik bewirken kann, dann sollten Sie sich die aktuellen Daten anschauen. Auch für dieses Jahr prognostizieren die Wirtschaftsinstitute für Hessen ein Wirtschaftswachstum, das um 0,4 Prozentpunkte über dem der Bundesrepublik Deutschland liegen soll. Der Vorwurf, die letzte Statistik, die wir vorlegen würden, basiere auf dem Jahre 1997, stimmt also nicht. Vielmehr haben Sie hier wieder nur einen Teil vorgetragen, der auf einer Momentaufnahme aus früheren Jahren basiert.

Diese Landesregierung und dieser Wirtschaftsminister führen mit Sicherheit dieses Bundesland innerhalb eines absehbaren Zeitraums von der Nummer zwei zur Nummer eins. Dass dies geschieht, habe ich an mehreren Beispielen bewiesen. Das geschieht auch schon in diesem Jahr. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Als nächster Redner hat in der Debatte Herr Abg.Denzin für die Fraktion der FDP das Wort.

(Norbert Schmitt (SPD): Nummer eins beim Schuldenmachen!)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Kollege Boddenberg, Norbert Blüm, der allerdings nicht mehr ganz aktuell ist, Herr Seehofer, der noch etwas aktueller ist, und Ihre Bundesvorsitzende, all diese Personen lassen bei den Worten grüßen, die Sie eben gesagt haben.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Zu den Zeiten, als wir unter dem alles überlappenden Helmut Kohl

(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

eine Koalition hatten, die insgesamt auch erfolgreich gearbeitet hat,hatten wir in diesem Bereich die größten Probleme mit der CDU. Mit der hessischen CDU hatten wir, Gott sei Dank,nicht annähernd diese Probleme.Das muss ich Ihnen auch dazu sagen. Allerdings hat die hessische CDU in der Wirtschaftspolitik nicht mehr annähernd den Erfolg, wie wir ihn in der Zeit von 1999 bis 2003 hatten.

(Beifall der Abg. Nicola Beer (FDP) und Jürgen Walter (SPD))

Wenn wir über Wirtschaftspolitik reden, dann sollten wir zunächst einmal auf das ökonomische Prinzip zu sprechen kommen. Für diejenigen, die vergessen haben, was das ökonomische Prinzip ist, oder das vielleicht auch noch nie wussten, möchte ich sagen: Es bedeutet, dass man mit gegebenen Mitteln den größtmöglichen Erfolg erzielt oder ein vorgegebenes Ziel mit dem geringstmöglichen Mitteleinsatz erreicht.

(Beifall bei der FDP)

In Vorbereitung dieser Debatte habe ich mir noch einmal die Diskussion angesehen, die Ende November 2004 zum Einzelplan 07 geführt wurde. Da wurde eine Wirtschaftspolitik diskutiert und zelebriert, an die mit allem anderen als mit ökonomischen Mitteln herangegangen ist.

(Beifall bei der FDP)

Wir haben eben zwei fast wortgleiche Reden wie in dieser November-Debatte gehört. Ich habe mir das Plenarprotokoll letzte Nacht noch einmal durchgelesen und habe mir angeguckt, was damals vorgetragen wurde. Damals war ich noch nicht so fit, wie ich es heute wieder bin, und noch nicht in der Lage, hinter dem Rednerpult zu stehen. Ich weiß nicht, was das soll. Haben Sie alle viel zu viel Zeit? Haben wir unter den etwas über 80 Tagesordnungspunkten, die in der Tagesordnung ausgedruckt sind, so viele unwichtige, dass wir es uns leisten können, innerhalb von zwei Monaten zu auf jeden Fall inhaltlich absolut gleichen Themen mit fast wortgleichen Beiträgen hier eine Debatte zu führen?

(Beifall bei Abgeordneten der FDP)

Ich habe an der Plenarsitzungsrunde im November 2004 nicht teilgenommen.Deshalb kann ich hier vielleicht noch etwas befreiter sprechen.

Lassen Sie mich zunächst auf den Antrag der CDU-Fraktion eingehen. Herr Boddenberg, zu Ihren Ausführungen werde ich noch einiges anderes sagen.Aber Ihre erste Bewertung teile ich. Es gibt in den letzten zwei bzw. zweieinhalb Jahren zu wenig partielle Erfolge zu feiern. Lieber Herr Kollege Boddenberg, gerade die Wirtschaftspolitik muss doch nach vorne gerichtet sein. Bei den Weichenstellungen, über die wir heute diskutieren, werden wir, wenn sie denn so gestellt werden, vielleicht in fünf Jahren die ersten Ergebnisse sehen. Das zeigt doch, wie schief all diese Debatten geführt werden, die sich immer nur mit den Ergebnissen von gestern und den Vorwürfen befassen, was vorgestern nicht geschehen sei.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP)

Hier in Hessen gab es eine einzige Ausnahme. Das reichte über diesen engen Bereich hinaus. Herr Boddenberg, da haben Sie nämlich Recht. Wenn wir nur über die Wirt

schaftspolitik reden, dann ist dieser Bereich zu stark fokussiert, also viel zu sehr verengt. Eine gute Wirtschaftspolitik ist das Ergebnis einer insgesamt guten Politik.Man kann Wirtschaftspolitik nicht als eine eigenständige Disziplin isoliert für sich sehen. Das gilt auch dann, wenn man die Infrastrukturpolitik noch hinzunimmt. Denn natürlich gehört die Bildungspolitik auch dazu. Natürlich gehören der Zustand und die Leistungsfähigkeit unserer Hochschulen dazu.Natürlich gehören alle anderen gesetzlichen Rahmenbedingungen genauso dazu.

Es geht also nicht nur um die Rahmenbedingungen, die für das enge Feld der Wirtschaft gemacht wurden, also die Wettbewerbsregeln. Natürlich gehört auch das Ambiente dazu, wie es etwa am Finanzplatz Frankfurt gegeben ist. Natürlich gehört dazu, dass die Menschen sich wohl fühlen. Natürlich gehört das Kulturangebot dazu. Ich meine, wir müssen bei diesem Thema das Feld ein Stück weit öffnen und zu einer interdisziplinären Betrachtung kommen. Wir dürfen nicht so tun, also könnten wir durch eine wirtschaftspolitische Debatte die Zukunft Hessens schönoder weniger schönreden oder die wirtschaftliche Situation verbessern oder verschlechtern.

(Beifall bei der FDP)

Ich will den vorherigen Gedanken jetzt wieder aufgreifen. Das ist uns einmal gelungen. 1999 konnten wir in der Koalition zusammen mit der CDU in Hessen eine Aufbruchstimmung erwecken.Wir haben die Lähmung, die es während der rot-grünen Politik in den Jahren 1995 bis 1999 gegeben hat, beseitigt. Wir haben in diesem Land eine Aufbruchstimmung geweckt. Die Ergebnisse dieser Politik konnte man sehr schnell erkennen.

(Beifall des Abg. Jörg-Uwe Hahn (FDP))

Das zeigt, wie sehr der wirtschaftliche Erfolg in einem Land natürlich auch von der gesamten Stimmungslage abhängig ist und wie sehr er von den Erwartungen abhängt, welche Rahmenbedingungen die Politik in einem Land schafft. Ich habe allerdings jetzt die Befürchtung, dass wir wieder mehr einer Lähmung entgegengehen. Denn von einer Aufbruchsstimmung ist in diesem Land nicht mehr annähernd das zu spüren, was wir 1999 gespürt haben.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD)

Den Inhalt des Antrags der CDU-Fraktion werte ich ähnlich wie Herr Kollege Frankenberger. Ich muss sagen: Das ist schon erstaunlich. – Ich habe mir handschriftlich über den Antragstext geschrieben: bescheidene Ansprüche. Meine Damen und Herren, Sie formulieren darin bescheidene Ansprüche,die unter dem von Ihnen gewählten Motto laufen: Hessens Wirtschaft entwickelt sich überdurchschnittlich.– Ich lasse jetzt einmal den ersten Absatz aus. Das ist ein Absatz, in dem der Hessische Landtag etwas begrüßen soll. Einen solchen Absatz gibt es immer. Im zweiten Absatz steht dann aber:

Der Landtag stellt fest, dass sich die wirtschaftliche Entwicklung Hessens überdurchschnittlich von der gesamtdeutschen Entwicklung abhebt. Das Wirtschaftswachstum in 2004 lag 0,3 Prozentpunkte über dem Bundesdurchschnitt.

Es lag also um 0,3 Prozentpunkte über dem Bundesdurchschnitt. Da sind Länder dabei, die von wirtschaftspolitischen „Koryphäen“ regiert werden. Da sind auch strukturschwache Länder wie Meck-Pomm dabei. Da sind Länder dabei, die von so „Koryphäen“ wie Frau Simonis regiert werden.Da ist ein strukturschwaches Land wie das

Saarland dabei.All diese Länder tragen zu diesem Durchschnitt bei. Hessen liegt also 0,3 Prozentpunkte über diesem Bundesdurchschnitt. Sie bejubeln das als einen riesigen Erfolg. In der Tat wäre angesichts dieser Aussage Bescheidenheit angebracht. Das gilt aber nicht für den Anspruch, den Sie dann im weiteren Antragstext formulieren.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD)

Sprache ist herrlich, Sprache offenbart einiges. Sie stellen fest, „dass Hessen nach wie vor die höchste Wirtschaftskraft je Einwohner...hat“.Natürlich haben wir die.„Nach wie vor“ heißt, Sie verteidigen sich. Sie sagen quasi: Obwohl wir regieren, haben wir immer noch die höchste Wirtschaftskraft. – Das kann doch nicht wahr sein.

(Heiterkeit und Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

„Der Landtag nimmt erfreut zur Kenntnis, dass Hessen den dritten Platz bei der Anzahl von Patenten einnimmt.“ Meine Damen und Herren, das ist mir zu anspruchslos.

(Heiterkeit bei der FDP und der SPD)

Hier sind wir bei dem Thema. Herr Boddenberg, Sie haben es eben angesprochen. Wir können uns auf den einzelnen Feldern streiten. Wir können uns auch über das Vorgehen streiten. Sie haben die Nanotechnologie angesprochen, haben es aber völlig falsch verstanden.Wir wollen sie nicht an allen Forschungsstätten in Hessen abschalten, sondern wir wollen eine Schwerpunktsetzung da, wo es in die Anwendung übergeht.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Alle anderen Institute haben Sie bisher auch nicht besonders beleuchtet bzw. besonders gefördert. Das heißt, was sich bisher getan hat, hat sich aus sich selbst heraus entwickelt, und das ist gut so. Aber jetzt kommen wir an ein paar Schnittstellen dahin, wo wir sagen, im internationalen Wettkampf geraten wir in eine Schieflage, wenn wir nichts tun. Um hier mithalten zu können, müssen wir etwas tun. Das können wir nicht durch dezentrales Kleckern, sondern das werden wir nur dann schaffen, wenn wir an einer Schnittstelle, wo wir im Übergang von Forschung zu Anwendung am weitesten sind, gezielt fördern. Hören Sie einmal in den Hessischen Rundfunk hinein. Der macht im Moment eine hervorragende Sendereihe, hat gerade heute Morgen einen einschlägigen Bericht über Marburg gebracht.Sie sollten sich einmal vor Ort darum kümmern und nicht nur zu einem Kongress einladen und die Ergebnisse von dort mitbringen.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Meine Damen und Herren, wir kennen doch unsere schwierige Situation in der industriellen Fertigung: Lohnkosten und Lohnnebenkosten sind angesprochen, gesetzliche Rahmenbedingungen können wir in Hessen nicht verändern. Herr Boddenberg, die Situation bei Opel haben Sie genau so angesprochen, wie ich sie sehe. Da kommen Vereinbarungen zwischen Betriebsrat und Geschäftsleitung zur Zurücknahme von Sonderleistungen zustande, die beide Seiten in der Vergangenheit über die Tarifverträge hinaus draufgelegt hatten.

(Beifall bei der FDP)

Sie kommen deshalb dahin, weil sie in Zukunft konzerninterne Ausschreibungen für die Auftragslage an ihren Standorten, an ihren Arbeitsplätzen haben und jetzt fest

stellen müssen, dass man bei Saab um 20 bis 30 % billiger produzieren kann, auf die Lohnkosten bezogen, als in Rüsselsheim.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP):Das ist aber in Schweden!)

Dieses Thema ist kein Hessen-Thema, das wissen wir alle. Aber dieses Thema können wir natürlich nicht ausblenden,liebe Freunde von der SPD und den GRÜNEN,wenn wir über hessische Politik reden.Wir können es auch nicht ausblenden,wenn Sie hier Erwartungen äußern – zu Ihrem Antrag komme ich gleich in einigen Schwerpunkten –, die schlicht und einfach schon deshalb nicht erfüllt werden können, weil genau Sie, die diese Anträge stellen und die wie Herr Frankenberger Forderungen in den Raum stellen, dies auf Bundesebene mit einer völlig gegenläufigen Gesetzgebung konterkarieren, bzw. mit der Unfähigkeit, eine gegenläufige Gesetzgebung so zu reformieren, dass wir wieder mithalten können.