Protokoll der Sitzung vom 20.12.2005

Wenn ich mir die Haushaltsrechnung 2003 anschaue,dann muss ich feststellen – wenn ich die Diskussion, die wir eben geführt haben, ins Kalkül ziehe –: Wir hatten im Haushalt 2000 eine Steuerdeckungsquote aus eigenen Einnahmen von über 80 %.Wir haben damals 14,91 Milliarden c eingenommen. Im Jahre 2003 hatten wir eine Steuerdeckungsquote von noch 69,6 %. Das waren 13,3 Milliarden c – innerhalb von drei Jahren 1,6 Milliarden c weniger.

Wenn ich mir dann anschaue, mit wie viel Geld wir den Haushalt gefahren haben, muss ich sagen:Wir haben trotz der schwierigen Finanzlage immer noch einen passablen Abschluss hingelegt. Die Zahlen kann man nicht oft genug wiederholen, weil sie besonders einprägsam sind.Wir hatten im Jahre 2000 einen Landesanteil in Höhe von 1,15 Milliarden c an der Körperschaftsteuer. Ich gehe nur vom Landesanteil aus, denn diese Mittel bleiben effektiv bei uns.Wir haben im Jahr 2002 einen großen Einbruch erlebt.Über die Gründe brauche ich hier nicht zu reden.Damals haben wir 165 Millionen c zurückzahlen müssen. Wir haben also ein Minus von 165 Millionen c gemacht.

Das hat sich im Jahre 2003 Gott sei Dank ein wenig verbessert. Wir sind auf plus 312 Millionen c gekommen. Nichtsdestoweniger fehlen uns im Saldo 893 Millionen c gegenüber den Einnahmen des Jahres 2000.Vergleiche ich die Einnahmen aus der Körperschaftsteuer mit denen des Jahres 1999, steigt die Deckungslücke auf 1,18 Milliarden c. Diese Summe fehlt uns aufgrund einer Entscheidung der damaligen Bundesregierung. Das hat uns zurückgeworfen. Das konnten wir auch bei bester Haushaltstechnik nicht auffangen.

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Keine Schärfe!)

Herr Weinmeister, Ihre Redezeit ist abgelaufen.

Meine Damen und Herren, das waren nur einige wenige Beispiele dafür, wie schwierig der Haushalt 2003 zu fahren war. Wir werden der Landesregierung Entlastung erteilen.

(Beifall bei der CDU)

Danke, Herr Weinmeister. – Frau Gottschalck, ich darf Ihnen für die SPD-Fraktion das Wort geben.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben heute die Haushaltsrechnung 2003 und die Bemerkungen des Rechnungshofs zu bewerten.Wir springen in diesen Haushalt, nachdem wir eben den Nachtragshaushalt 2005 behandelt haben.

2003 war für Sie – wie Herr Weinmeister sagte – das Jahr der „sicheren Zukunft“, meine Fraktion sagt, es war das Jahr der „düsteren Zukunft“.

(Beifall bei der SPD)

2003 war das Jahr, in dem die soziale Kälte in Hessen einzog. 2003 war das Jahr, als Roland Koch und die CDUFraktion ihr Weltbild mit dem Rotstift durchsetzten. Vor diesem Hintergrund wird es Sie nicht verwundern, dass wir der Entlastung der Landesregierung nicht zustimmen können. 2003 war ein Jahr, in dem soziale Einrichtungen ums Überleben kämpfen mussten, anderenorts aber durch lässige, teilweise auch nachlässige Organisationsabläufe in Ämtern und Ministerien Geld verschwendet wurde – Geld, das bei anderen Projekten dringend fehlte.

(Beifall bei der SPD)

Meine Fraktion ist daher dem Hessischen Rechnungshof sehr dankbar, dass gewissenhaft und beharrlich geprüft wird, Fehlentwicklungen aufgedeckt und immer auch konstruktive Anregungen gegeben werden.Ein herzliches Dankeschön dafür Ihnen,Herr Prof.Eibelshäuser,und Ihren Kollegen.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der FDP)

Lassen Sie mich wegen der Kürze der Redezeit nur einige „Highlights“ – im negativen Sinne – aufzeigen. Obwohl Ausgabereste erhebliche Risiken für die nachfolgenden Haushalte bergen, gab es im Jahr 2003 wiederum Ausgabereste in Höhe von über 325 Millionen c. Der „Gipfel“ ist, dass in zwei Fällen – mit einem Finanzierungsvolumen von immerhin knapp 1 Million c – die Genehmigung des Finanzministeriums noch fehlte. Herr Weimar, da müssen Sie sich schon fragen lassen: Hält man Sie nicht für kompetent, nimmt man Sie nicht ernst, oder denkt man gar, das ist Ihnen völlig egal? Keine der drei Varianten ist besonders ehrenvoll.

(Beifall bei der SPD)

Auch im Jahre 2003 wurde die Verschuldungsgrenze der Verfassung überschritten,und zwar um 519,9 Millionen c. Hessen fiel im Ländervergleich auf Platz zehn zurück.Die

Pro-Kopf-Verschuldung erreichte 4.600 c. In einem Zehnjahresvergleich bedeutet das eine dramatische Steigerung um 63 %.

(Beifall bei der SPD)

Beim Staatlichen Umweltamt des RP Darmstadt genießt man offensichtlich Narrenfreiheit. Der Hof hat acht Baumaßnahmen geprüft und alle diese Maßnahmen beanstandet. Bei keiner wurde das vorgeschriebene Bautagebuch geführt. Baustraßen wurden als besondere Leistung ausgeschrieben und aufwendig ausgebaut. Hier hätte man nach Berechnungen des Hofes rund 1,3 Millionen c sparen können.

(Reinhard Kahl (SPD): Das ist viel Geld!)

Die Kosten für einen Bauauftrag schnellten von 920.000 c auf 1,3 Millionen c, weil mangelhaft ausgeschrieben und überwacht wurde.Bei den Deichverteidigungswegen wurden Gutachten nicht berücksichtigt, und es wurde die teure Bauweise gewählt. Man kann darüber diskutieren, aber der Hof rechnet bei den noch zu bauenden Wegen mit Einsparungen in Höhe von 4 Millionen c. Ich denke, diese Mittel brauchen wir ganz dringend.

Beim RPU gibt es sechs Ingenieure.Trotzdem wurden alle Leistungen an Externe vergeben.Vergaberichtlinien wurden nicht eingehalten. Das Ministerium hat Abhilfe versprochen.Gleichwohl – jetzt zitiere ich den Rechnungshof – hat das RPU für die Jahre 2004 und 2005 wiederum demselben Büro Ingenieurleistungen übertragen. Das ist doch ein Stück weit Narrenfreiheit.

Auch bei der Festsetzung von Verspätungszuschlägen durch die Finanzämter gab es nicht gerade Glanzleistungen.Auch hier wurde nachlässig gearbeitet. Der Hof rechnet mit Einnahmeausfällen in Höhe von 7,4 Millionen c. Herr Minister, da müssen Sie noch mal ran, dafür müssen Sie noch einmal arbeiten. Dieses Geld brauchen wir dringend.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, abschließend will ich hier nicht verhehlen, dass die Ministerien in vielen Fällen signalisiert haben, den Bemerkungen des Rechnungshofs folgen zu wollen. Dazu kann ich jedoch nur sagen: Die Worte höre ich wohl, allein mir fehlt der Glaube.

Frau Kollegin, Sie müssen zum Schluss kommen.

Herr Vorsitzender,das tue ich.– Daher darf ich Ihnen versichern, dass wir die reale Umsetzung sehr genau im Auge behalten und auch die kommenden Haushaltsjahre konstruktiv, aber kritisch begleiten werden.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Vielen Dank. – Frau Kollegin Gottschalck, das war Ihre erste Rede im Hessischen Landtag. Herzlichen Glückwunsch dazu.

(Allgemeiner Beifall)

Herr Kaufmann, Sie haben als Nächster das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Im letzten Jahr war es noch ein Beinahe, diesmal ist es ein Gerade-noch – nämlich dass wir die Entlastungsentscheidung noch im alten Jahr schaffen. Im vorigen Jahr mussten wir es auf den Januar vertagen, d. h. in diesem Jahr 2005 haben wir das Thema Entlastung der Landesregierung zweimal,für zwei Folgejahre,abzuhandeln.In diesem Jahr haben wir es noch rechtzeitig geschafft, und ich denke, wir sollten uns weiter vornehmen, den Termin möglichst noch weiter vorzurücken. Es ist bereits angesprochen worden, auch vom Kollegen Weinmeister, dass wir durch die Vorarbeit des Rechnungshofs dafür eine durchaus gute Basis haben.Wenn wir uns – wie dieses Mal – bei der Beratung zusammenraufen und sie relativ zügig durchziehen, kann man das erreichen. Eigentlich ist es auch sinnvoll, die Entlastung und die Beurteilung eines Haushaltsverlaufs vorzunehmen, ehe wir den übernächsten Haushalt hier beraten und beschließen.

Meine Damen und Herren, insoweit werden sich die Mitglieder des Unterausschusses Staatshaushaltsrechnung – wie er früher hieß –

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Oh!)

oder mit seinem angeblich moderneren Namen „Finanzcontrolling“ – Herr Kollege Al-Wazir, es tut mir Leid, so heißt er offiziell – „und Verwaltungssteuerung“ weiterhin Mühe geben.

Ich bin gerade beim Dank. Herr Prof. Eibelshäuser, natürlich geht auch von meiner Fraktion der Dank an Sie.Er ist nicht nur ein Ritual, sondern hier in öffentlicher Sitzung ist es der richtige Ort und der richtige Zeitpunkt, dem Rechnungshof für seine Arbeit zu danken – Ihnen, Herr Präsident, den Direktorinnen und Direktoren und allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Dabei geht es um die Prüfungsarbeit, gleichermaßen aber auch um die Beratungsarbeit und letztendlich um die Bedeutung der Existenz des Hofes. Denn die Tatsache, dass da einer ist, der kommt und fragt – oder kommen kann und fragen kann –, bedeutet schon sehr viel für die Haushaltswirtschaft und ihren Vollzug.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)

Deswegen denke ich, man soll, muss und darf das an dieser Stelle auch herausheben.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, zur Entlastung gibt es natürlich auch Kritik an Einzelpunkten. Der Rechnungshof hat das an verschiedenen Stellen aufgezeigt. Das trifft natürlich Maßnahmen des Vollzugs, die jetzt bereits zurückliegen.

Bei dieser Gelegenheit möchte ich hervorheben, dass wir durch das neue Verfahren – in dem wir nicht nur die Beurteilung des Landtags abgeben, sondern zugleich auch noch eine, wenn Sie so wollen, Nachbesserungsfrist nennen oder sagen, es müssen mit dem Rechnungshof abzustimmende Maßnahmen erfolgen, und dies muss bis zu einem bestimmten Zeitpunkt erfüllt sein – sehr viel besser den Korrekturbedürfnissen nachkommen und sie erreichen,als wenn wir nur den Finger in die Wunde legen würden. Das ist ein positiver Weg. Ich darf sagen – auch die Opposition darf das gelegentlich –: Insgesamt ist der Eindruck, was die Administration und ihre Bereitschaft angeht, solche Fehler und Fehlentwicklungen zu korrigieren, durchaus gut. Das darf man auch einmal festhalten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, nicht gut – das wird in diesem Bericht auch deutlich, und darüber kann man nicht einfach hinwegsehen – ist der weiterhin laufende verantwortungslose Verschuldungskurs der Landesregierung.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Obwohl wir im vorvergangenen Tagesordnungspunkt heute über den Nachtragshaushalt geredet haben und es so klang, als ob die Welt plötzlich wieder in Ordnung wäre – da ging es nur darum, dass die Neuverschuldung, also das zusätzliche Aufhäufen, etwas langsamer wurde als ursprünglich befürchtet –, heißt das aber keineswegs, dass der Verschuldungskurs beendet ist.

Meine Damen und Herren, deshalb möchte ich mit zwei Zitaten aus dem Bericht nochmals deutlich machen, dass Hessen unter dieser Regierung damals – d. h. im Jahre 2003 – und nach wie vor nicht so gut dasteht, wie man sich bemüht, es uns immer vorzumachen.

Erstes Zitat, Punkt 6.3.6 aus dem Bericht:

War die wirtschaftliche Situation Hessens im Jahr 2002 noch dadurch gekennzeichnet, dass die gesamtwirtschaftlichen Indikatoren „Arbeitslosigkeit“ und „Wirtschaftswachstum“ einen im Bundesvergleich günstigeren Verlauf aufwiesen, haben sich im Jahr 2003 beide Kennzahlen deutlich verschlechtert.

Meine Damen und Herren, wenn man im Bundesvergleich herunterrutscht, dann ist das keine Angelegenheit, für die andere Schuld tragen, sondern dafür muss man selbst die Verantwortung übernehmen. Wir haben Ihnen das immer wieder vorgehalten – und wenn Sie es uns nicht glauben, dann glauben Sie es dem Rechnungshof.

Meine Damen und Herren, das zweite Zitat:

Im Lichte der künftigen wirtschaftlichen Entwicklung, insbesondere der Steuereinnahmen, werden Exekutive und Legislative zu überprüfen haben, ob mit den beschlossenen Maßnahmen mittel- bzw. langfristig das Konsolidierungsziel erreicht werden kann.Wenn es nicht zu einer Erholung auf der Einnahmenseite kommt