Meine Damen und Herren, die FDP fordert eine völlige Umstellung der Kriterien für die Bewertung und Bemessung der Kreditaufnahme des Staates. Sie will sie in Zukunft an den Maastricht-Kriterien orientieren, offensichtlich ohne zu wissen, was dies quantitativ bedeuten würde. Denn andernfalls werden die Punkte 1 und 2 im Antrag überflüssig. Das sind sie wohl auch, denn in der Pressekonferenz am 23. März, als der Antrag vorgestellt wurde, wurden genau die Zahlen genannt,nach denen der Antrag jetzt fragt.
Herr Kollege von Hunnius, um dies zu überprüfen, müsste man keinen Plenarantrag stellen, sondern man könnte dem Finanzminister einen Brief schreiben oder äußerstenfalls einen Berichtsantrag einreichen und sich im Haushaltsausschuss einen Bericht geben lassen. Die erste Hälfte Ihres Antrags verdient also genau die Qualifizierung, die Sie, Herr Kollege von Hunnius, gestern dem CDU-Antrag zum Länderfinanzausgleich haben angedeihen lassen:
„War wohl nichts.“ Das sage ich auch in dem Wissen, dass die von der FDP präsentierten Zahlen falsch sind, weil es hierauf auch gar nicht ankommt.
Betrachten wir die zwei übrigen Antragsteile, auf die es zumindest Ihnen ankommt. Die FDP will einen Maastricht-Bericht, in dem die tatsächliche Verschuldung des Landes nach den Kriterien von Maastricht dargestellt werden sollen. Sie will schließlich – wir haben es gehört – die Maastricht-Kriterien als Vorgabe in das Grundgesetz und die Länderverfassungen als Regel für die Kreditbegrenzung einfügen. Meine Damen und Herren, dass dabei erkennbar übersehen wird, als wie wenig hilfreich sich die Maastricht-Kriterien bisher bei der wirksamen Begrenzung der Staatsverschuldung erwiesen haben,
scheint die FDP nicht zu stören. Man kann doch nicht außer Acht lassen, dass mit dem Namen Maastricht im Zusammenhang mit Verschuldung allerhöchstens ein zahnloser Tiger verbunden ist, wenn er nicht zwischenzeitlich sogar zum Bettvorleger wurde.
Meine Damen und Herren, wir alle haben es doch noch in allerbester Erinnerung, wie die Verhandlungen z. B. zwischen Deutschland oder Frankreich einerseits und der EU-Kommission andererseits verlaufen sind.
Da kam und kommt es zu einer undurchschaubaren Interpretation der Maastricht-Kriterien und der dort definierten Sanktionen, sodass diese alles Mögliche, aber gewiss keine geeigneten Vorgaben für die Verschuldungsgrenze des Landeshaushalts darstellen können. Das liegt zum einen an der grundsätzlichen Biegsamkeit der Kriterien bei der Handhabung durch den Ministerrat,und zum anderen – das halten wir für das Wichtigere – machen die Maastricht-Kriterien überhaupt keine inhaltlichen Vorgaben für die Verschuldung.
Da sind die Mütter und Väter der Hessischen Verfassung doch sehr viel weiser gewesen als die Staats- und Regierungschefs in Maastricht.
Denn auch wenn es altmodisch formuliert ist, die Verschuldung des Staates an den Zweck der damit verbundenen Finanzierung, nämlich den der „werbenden Ausgaben“ zu binden, weist dies auf jeden Fall in die richtige Richtung.
Der Grundgedanke, sich nur dann zu verschulden, wenn durch die aus den Krediten finanzierten Investitionen zusätzliche Einnahmen erzeugt werden, mit denen dann Zinsen und Tilgung geleistet werden, ist finanzwirtschaftlich völlig in Ordnung. Die Verfassung nennt dies – ich sagte es bereits – die „werbenden Ausgaben“. Die Betriebswirtschaft von heute nennt dies – ich bitte den Kollegen Al-Wazir um Verzeihung – Return on Investment, abgekürzt ROI. Hintergrund der Investition ist immer die Schaffung einer Voraussetzung für zusätzliche Einnahmen. Dass dies im Bereich der öffentlichen Hände nicht immer der Fall war, spricht noch nicht gegen die Bindung, sondern allerhöchstens gegen die Art der Handhabung durch die Politik.
Meine Damen und Herren, damit sind wir am entscheidenden Punkt. Was wir brauchen, ist keine akademische Debatte darüber, welche Kriterien die Kreditaufnahme der öffentlichen Hände begrenzen sollten, sondern wir brauchen die klare Zielsetzung der öffentlichen Finanzwirtschaft, dass die Finanzwirtschaft nachhaltig sein muss. Dazu gehört an allererster Stelle,dass wir nur Kredite aufnehmen dürfen,die die kommende Generation zumindest teilweise mitbezahlen muss, wenn wir damit Vermögen schaffen, das auch in Zukunft, also auch von denen, die sie mitbezahlen müssen,tatsächlich genutzt werden kann und auch Erträge bringt. Genau diese Regel meint die Formulierung in unserer Verfassung. Leider ist nicht nur in der jüngeren Vergangenheit, aber da besonders, im Lande Hessen in dramatischer Weise dagegen verstoßen worden.
Meine Damen und Herren, die Begrenzung der Neuverschuldung ist eigentlich ein falsch gesetztes Thema. Jedem, der sich die Entwicklung der Verschuldung der öffentlichen Hände in Hessen und anderswo anschaut, drängt sich doch auf, dass es um einen Abbau von Schulden und nicht um ihre weitere Anhäufung gehen muss.
Damit sage ich nicht,dass eine Kreditaufnahme für die öffentlichen Hände grundsätzlich ausgeschlossen sein sollte. Das wäre weder realistisch noch finanzwirtschaftlich richtig.Aber wir müssen doch sehr viel präziser als bisher um den richtigen Investitionsbegriff streiten, Herr Kollege Rentsch.
Ich nenne ein Beispiel. Stellen wir uns den Bau eines Bürgerhauses, kreditfinanziert, vor. Nach den gültigen Regeln ist das der übliche Weg. Doch ist es wirklich eine werbende Ausgabe, d. h., kommt demselben Haushalt, der durch die Kredite belastet ist, später auch eine Mehreinnahme zugute, mit der mindestens der Kapitaldienst geleistet werden könnte? Die vielen erfahrenen Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker im Raum wissen es genau: Es ist dann, wie es so schön heißt, eine Investition, die erhebliche Folgekosten, aber keine relevanten Folgeeinnahmen produziert. – Ich spreche mich damit nicht generell gegen den Bau von Bürgerhäusern oder ähnlichen Vorhaben aus. Ich frage an diesem Beispiel nur, ob es berechtigt ist, hierfür Kredite auch noch von der folgenden Generation bezahlen zu lassen, die sowieso, ohne dass sie einen Einfluss auf die Entscheidung hatte, zumindest auch für die Folgekosten aufkommen muss.
Meine Damen und Herren, ein mögliches Gegenbeispiel sind die Kosten einer guten Ausbildung, die die öffentlichen Hände sicherlich zu relevanten Teilen bezahlen. Sie sind nach dem bisherigen Verständnis keine Investitionen, obwohl doch gerade ein solcher Mitteleinsatz durch höhere Wertschöpfung qualifizierter Fachkräfte allemal zurückfließt. Mit anderen Worten: Nicht die Orientierung an einem Bruchteil des Bruttoinlandsproduktes kann eine sinnvolle Bewertung einer Kreditfinanzierung leisten, sondern nur eine Prüfung der Frage, inwieweit die eingesetzten Mittel Mehrwert induzieren und künftig Einnahmen generieren. Damit wird klar, dass Ihr Antrag auch in seinem letzten Punkt nicht zielführend ist.
Da wir aus jüngerer Vergangenheit eine überbordende Verschuldung des Landeshaushalts haben, sollte unsere größte Sorge nicht sein, wie wir künftige Kreditfinanzierung eingrenzen, sondern dass wir den Schuldenberg abtragen. Keine Fraktion, keine Mehrheit wird das von heute auf morgen können. Aber solange die Haushaltsplanung von Jahr zu Jahr, wie wir es bis in die Gegenwart feststellen müssen, steigende Kreditsummen aufweist, sind wir ganz gewiss auf dem falschen Weg. Da tröstet auch nicht der Jubel der Herren Weimar und Milde, die schon Hosianna rufen, wenn im Haushaltsvollzug die zum Ausgleich benötigte Kreditsumme sich auch nur etwas verringert.
Dies gilt umso mehr, wenn neben einer erheblichen Neuverschuldung in großem Maße Vermögenswerte verkauft und die Erlöse nicht zur Schuldentilgung, sondern für konsumtive Ausgaben verwendet werden. Auch dies ist, wie Sie wissen, eine aktuelle Praxis der Landesregierung.
Meine Damen und Herren, als ein Kriterium, ob man völlig überschuldet ist, gilt immer die Frage, wie es mit dem Primärsaldo aussieht, ob er sich positiv oder negativ dar
Schauen Sie auf die Daten des Haushaltes 2006 und berücksichtigen Sie dabei, dass wir im Augenblick in der für uns alle glücklichen Lage sind, dass wir eine Tiefzinsphase haben, von der wir alle hoffen müssen, dass sie noch möglichst lange anhält. Dann stellen Sie fest, dass unser Primärsaldo bereits jetzt knapp negativ ist. Das heißt, alle Kredite, die wir aufnehmen, benötigen wir zum Zahlen von Zinsen. Genau das ist der Absturz und das Gegenteil einer nachhaltigen Finanzpolitik.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Gottfried Milde (Griesheim) (CDU))
Deshalb wäre eine intensive Debatte über den finanzwirtschaftlichen Kurs des Landes ganz dringend nötig. Auch die völlig realitätsblinden Jubelarien à la Milde, die nur der Verschleierung der Wirklichkeit dienen sollen – wir werden es gleich wieder hören –, helfen keinen Schritt weiter. Nachdenklichkeit ist angesagt, und insoweit kann man der FDP für ihren inhaltlichen falschen Antrag zumindest deshalb dankbar sein, weil wenigstens das richtige Thema angesprochen wurde, wenn auch die Antwort in die falsche Richtung führt.
Damit ist immerhin ein Ansatz dafür gegeben, dass wir uns mit den inhaltlichen Aspekten und nicht nur mit den schwarzen Lobeshymnen befassen, die wir hier im Plenum erleben werden. Deshalb bin ich sehr dafür, dass wir im Haushaltsausschuss sehr intensiv darüber nachdenken werden.
Herr Kollege von Hunnius,meine Damen und Herren von der FDP-Fraktion, den Weg eines inhaltsleeren Kriteriums à la Maastricht zu gehen ist sicherlich der falsche Weg. Es wäre aus unserer Sicht schön, wenn alle Beteiligten, angefangen bei der Landesregierung bis hin zu den Abgeordneten in allen Fraktionen, z. B. die mittelfristige Finanzplanung des Landes ausnahmsweise einmal ernst nehmen und nicht weiterhin nonchalant als Märchenbuch abqualifizieren würden.
Denn natürlich bedarf es einiger planmäßiger Überlegungen, vor allem aber des politischen Willens, die hessische Finanzwirtschaft wieder in Ordnung zu bringen. Ausschließlich Weimars Stolz auf Punktlandungen und Steuereinnehmerglück bringen uns nicht weiter dahin, wo wir dringend hin müssen: zu einer nachhaltigen Finanzpolitik für unser Land. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Kaufmann, Sie haben von Nachdenklichkeit gesprochen. Ich muss sie leider in Ihrem Beitrag vermissen.Was Sie hier gebracht haben, ist pure Polemik.
Es ist eine Fortsetzung von Hacke rüber, Hacke nüber, du schimpfst mich wegen der Schulden, ich kann dir sagen, es war damals ganz anders. – Alles völlig unsinnig.
Herr Kollege Kaufmann, wir wissen doch, dass alle Landesregierungen in Hessen seit dem Krieg mit ihren jeweiligen Mehrheiten die Schulden aufgebaut haben. Das wissen wir hoffentlich. Das kann man nicht auf eine einzige Periode eingrenzen.
Insofern ist die immer wieder gern gebrachte Situation 2002 völlig unsinnig und hilft nicht weiter. Ich will mit Ihnen keine Schuldvorwürfe austauschen, sondern ich möchte eine Problemlösung herbeiführen. Herr Kollege Kaufmann, das ist wesentlich mehr, als Sie offenbar sich vorzustellen in der Lage sind.