Protokoll der Sitzung vom 27.09.2012

Dann hat man ihr aber 340 Millionen € aus dem Kommunalen Finanzausgleich vorenthalten und ihr eine Mindestverordnung im, wie wir jetzt hören, Gegenwert von 180 Millionen € aufgedrückt. Dafür hat sich der Herr Landesminister verklagen lassen und eine krachende Niederlage erfahren. Jetzt muss nachverhandelt werden. Den Kommunen sind damit 180 Millionen € vorenthalten worden.

Dazu kommen fehlende Investitionsmittel im Jahr 2012, worüber wir auch schon einmal gesprochen haben. Sie ha

ben bis zum Jahr 2011 viele Mittel zur Verfügung gestellt; denn das waren Bundesmittel, die Sie freundlicherweise weitergegeben haben. Als es im Jahr 2012 darauf ankam, adäquate Landesmittel zur Verfügung zu stellen, haben Sie die Situation verschlafen, und jetzt schieben Sie zum Jahr 2013 hurtig einen nach. Das ist dringend notwendig. Aber Sie haben bei den Kommunen für ein finanzielles Loch gesorgt, das es ihnen unmöglich macht, die Situation bei der Kinderbetreuung schnell zu verbessern. Das ist der große Fehler. Sie haben die Situation jahrelang verpennt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Ich wiederhole: Wir haben einen Krippengipfel gefordert, und wir fordern ihn jetzt erneut, weil wir glauben, dass es für die Kommunen unbedingt notwendig ist, dass man mit ihnen gemeinsam darüber spricht: mit den Vertretern des Städtetags und mit den Vertretern des Landkreistags. Wir müssen uns gemeinsam an einen Tisch setzen und uns überlegen, wie die Situation zu retten ist. Wir wissen auch um den Fachkräftemangel. Noch immer fehlen über 3.000 Erzieherinnen und Erzieher in diesem Land. Sie fehlen den Kommunen, wenn es darum geht, neue Plätze zu schaffen.

Es gibt – wenn ich das so einmal sagen darf – ein weiteres Relikt aus der Zeit der „Schwarzen Romantik“: In Frankfurt wird gerade die Ausstellung „Schwarze Romantik“ eröffnet. Morgen gehe ich einmal hin und schaue mir an, ob der Sozialminister Grüttner dort untergebracht ist.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es ist doch romantisch, zu behaupten, dieses Land verausgabe sich förmlich. Das ist doch überhaupt nicht wahr. Die Landesmittel, die Sie zur Verfügung gestellt haben, waren immer weit unterdurchschnittlich. Den Fachkräftemangel – die fehlenden Erzieherinnen und Erzieher – haben Sie nicht angepackt. Wenn Sie weiter so agieren, gefährden Sie den Rechtsanspruch. Das ist eine schlafmützige Politik. Ich wundere mich schon nicht mehr darüber, dass Kolleginnen und Kollegen aus anderen Bundesländern sagen: Mittlerweile führt ihr eine Schnecke im Staatswappen und nicht mehr den Löwen.

Das ist von dieser CDU/FDP-Landesregierung zu verantworten. Dabei haben wir Ihnen mehrfach prognostiziert, dass Ihnen die Investitionsmittel und das Engagement fehlen, um für mehr Erzieherinnen und Erzieher zu sorgen, und dass Sie die Kommunen bei der Schaffung von Betreuungsplätzen für Kinder unter drei Jahren alleingelassen haben. Genau vor diesem Dilemma stehen wir jetzt. Genau das haben Sie zu verantworten.

Die Antworten auf diese Große Anfrage ergeben in Teilen genau dieses Bild. Dafür, meine sehr verehrten Damen und Herren, tragen Sie die Verantwortung. Wenn Sie keine größere Geschwindigkeit an den Tag legen und hier nur immer wieder Ihre Sonntagsreden halten, werden Sie den Kommunen und damit den Eltern nicht helfen. Das werden die Leidtragenden sein. Sie brauchen heute dringend Betreuungsplätze. Sie sind kein Garant dafür.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat Herr Staatsminister Grüttner.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich leide nicht unter mangelndem Selbstbewusstsein.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Nein, das ist wahr!)

Aber dass ich im Städel ausgestellt werde, kann nur den GRÜNEN einfallen, weniger mir. Sie brauchen nur zu wissen, welche Ausstellungen dort eigentlich stattfinden und welchen Inhalt sie haben. Das wissen Sie nicht.

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Doch, das wissen wir!)

Genauso ist es um Ihr Wissen über die Kinderbetreuung in Hessen bestellt: Sie wissen es nicht.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Eine solche Aneinanderreihung von Unterstellungen, Polemiken und Aussagen, die Ihr Nichtwissen deutlich machen, wie im letzten Redebeitrag des Abg. Bocklet habe ich selten gehört. Dieser gipfelte in dem Satz, in Hessen sei die Betreuungssituation für Kinder so dramatisch wie noch nie.

Da ist es mir schon sehr viel lieber, mich auf eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem einzulassen, was der Kollege Merz gesagt hat. Das fand ich ausgesprochen spannend und interessant. Ich meine, das muss man an dieser Stelle festhalten.

Kollege Merz hat gesagt, es gehe nicht um die Infragestellung der Wahlfreiheit. Es gehe nicht darum, ob das Betreuungsgeld als ein Anreiz oder auch als ein finanzielles Äquivalent für Familien, die ihre Kinder zu Hause betreuen, oder der Ausbau von Kinderbetreuungseinrichtungen infrage gestellt wird. Es geht an dieser Stelle nach Auffassung der SPD um eine familienpolitische Prioritätensetzung, und Herr Merz meint, dass das Betreuungsgeld an dieser Stelle eine falsche Priorität hat. Darüber unterhalte ich mich mit Ihnen, weil damit implizit gemeint ist, dass das Betreuungsgeld einen Wert an sich hat.

(Gerhard Merz (SPD): Nein!)

Das heißt, Sie stellen das Betreuungsgeld nur im Hinblick auf die finanzpolitische Priorität infrage, nicht aber wegen des Inhalts. Ich finde, das sollten wir festhalten.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Das ist eine weitgehende Interpretation, die ich nicht für zulässig halte!)

Dass Sie das in der heutigen Debatte gesagt haben, finde ich ausgesprochen spannend. Man muss immer überlegen, was man sagt.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Das stimmt!)

Das vermisse ich bei Ihnen an manchen Stellen in der Tat.

Herr Merz, es ist auch so, dass Sie manche Dinge einfach nicht lesen können. Sie erklären an dieser Stelle, eine Quote von 39 % sei jetzt das Ausbauziel. Das wurde relativ deutlich beklatscht. Wenn Sie allerdings die Antwort auf die Große Anfrage einmal richtig lesen – ich komme noch darauf zu sprechen –, werden Sie sehen, dass wir in den Vorbemerkungen dargelegt haben, wie viele Plätze wir fördern und welche Mittel zur Verfügung stehen.

Sie lesen dort auch, dass aufgrund der Einigung über den Fiskalpakt zwischen Bund und Ländern nunmehr weitere

Mittel nach Hessen fließen. Wir erwarten 45 Millionen €, und wir bekommen im Übrigen auch fast 45 Millionen €. Die Antwort auf die Große Anfrage datiert nämlich vom 27. Juli. Sie werden auch lesen, dass wir in Hessen mit diesen Mitteln und mit den vorhandenen Landesmitteln in der Lage sind, eine Förderung vorzunehmen, die als Ausbauziel eine Quote von 39 % beinhaltet.

Aber Sie lesen an keiner Stelle, es gebe eine Vereinbarung zwischen Bund und Ländern, wonach nunmehr als Ausbauziel eine Quote von 39 % gilt.

(Gerhard Merz (SPD): Ich habe doch gar nichts gesagt!)

Doch, Sie haben gesagt, Bund und Länder hätten sich auf eine Quote von 39 % geeinigt, und das würde jetzt auch für Hessen gelten. Das stimmt nicht. Vielmehr gilt nach wie vor die Quote von 35 %, die auf dem Krippengipfel 2007 vereinbart worden sind. Im Übrigen ist bei dieser Vereinbarung nie von einer Drittellösung die Rede gewesen. Dass das manchmal so interpretiert wird, ist klar.

Um das einmal darzustellen: Die Mittel, die über den Fiskalpakt zur Verfügung gestellt werden, fließen zum überwiegenden Teil nach Nordrhein-Westfalen, weil die dortige rot-grüne Landesregierung bei der Schaffung von U-3-Plätzen meilenweit hinterherhinkt. Sie greifen die meisten Mittel ab, weil sie schlicht und einfach schlechter sind als alle anderen. Aber wir haben an dieser Stelle von Rot-Grün auch nichts anderes zu erwarten.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Unter dem Aspekt des Rechtsanspruchs setze ich mich mit Ihnen auch gern über die Kindergärten auseinander. Herr Kollege Merz, darin stimme ich mit Ihnen überein: Der Rechtsanspruch ist ein zentraler Punkt. Der Rechtsanspruch gilt nach wie vor für alle Bereiche. Er gilt auch für die unter Dreijährigen. Deswegen kann es das, was Sie hier unterstellt haben, indem Sie die unter Dreijährigen gegen die über Dreijährigen ausgespielt haben, gar nicht geben. Der Rechtsanspruch gilt nämlich auch für die unter Dreijährigen, und wir müssen das garantieren.

(Zuruf der Abg. Marjana Schott (DIE LINKE))

Sie waren auf kommunalpolitischer Ebene durchaus verantwortlich und haben es miterlebt, als es um die Umsetzung des Rechtsanspruchs auf einen Kindergartenplatz ging. Ich habe das auch mitbekommen. Sie wissen, welche Anstrengungen wir unternommen haben. Ich weiß auch noch, dass es unterschiedliche Konstellationen gab, je nach den Mehrheiten im Landtag. Die Mitglieder der damaligen Opposition haben gesagt, es werde wahrscheinlich schwierig, das umzusetzen, die Landesmittel reichten nicht dazu aus. Sie haben also das Lamento, das Sie hier permanent vortragen, von den Redebeiträgen der damaligen Oppositionsmitglieder abgeschrieben.

Im Ergebnis ist der Rechtsanspruch verwirklicht worden. Er wird auch für die unter Dreijährigen verwirklicht werden. Er wird nicht an jedem Tag an jeder Stelle umzusetzen sein; dieses Ziel war auch nicht vereinbart. Vielmehr wird es einen sukzessiven Ausbau geben, und es wird für diejenigen, die einen Rechtsanspruch einklagen, ein Betreuungsplatz zur Verfügung gestellt werden.

Außerdem wissen Sie, dass Sie, wenn Sie heute einen Kindergartenplatz auf der Grundlage Ihres Rechtsan

spruchs einklagen, Anspruch auf eine Betreuung von fünf Stunden haben. Das wollen wir im U-3-Bereich nicht. Wir wollen schon eine entsprechende Flexibilisierung haben und denjenigen, die auf Betreuung angewiesen sind, die entsprechende Möglichkeit geben.

Herr Minister, gestatten Sie Zwischenfragen?

Nein. – Deswegen ist es richtig, sehr differenziert darauf zu achten, wie man damit umgeht. Insofern muss ich an dieser Stelle einfach sagen: Lesen Sie die Antworten doch bitte schön richtig. – Das gilt auch für Herrn Kollegen Bocklet, der will die ja nicht richtig lesen, sondern immer wieder das gleiche Lamento, die gleiche Rede halten. Deswegen müssen wir es ihm immer wieder erklären und ihm die Zahlen sagen: 39 % sind 58.000 Plätze, 52.000 Plätze sind – – Lesen Sie die Antwort auf die Frage Nr. 3 der Großen Anfrage. Dann sehen Sie, dass es 52.360 Plätze sind, die zur Verfügung stehen müssen, damit die Vereinbarung des Krippengipfels erfüllt ist.

Am 27. Juli haben 46.590 Plätze zur Verfügung gestanden. Es fehlten noch 5.800. Wir sind in der Zwischenzeit deutlich weiter, weil die Antwort vom 27. Juli datiert. Mit den nächsten Investitionen, die wir auch aus Landesmitteln finanzieren, werden wir diese Zahl erreichen. Dann gilt schlicht und einfach: Lesen und verstehen Sie, und unterstellen Sie nicht, denn Fragestellungen, gegründet auf Unterstellungen, trüben Ihr Wahrnehmungsvermögen, und dann haben Sie keine Chance, irgendetwas aufzunehmen und zu verstehen. Sie beleidigen an dieser Stelle im Grunde genommen die Intelligenz von vielen, weil Sie permanent die gleichen falschen Sachen wiederholen. Das reicht dann an einer gewissen Stelle irgendwann einmal.

(Günter Rudolph (SPD): Sie reichen uns schon länger! – Gegenrufe von der CDU – Anhaltende Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten)

Herr Kollege Bocklet, Sie von den GRÜNEN sind die Einzigen, die das aufgegriffen haben.

(Marcus Bocklet (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Warum wurden dann viele Fragen nicht beantwortet?)

Dann kommt jetzt auch die Klage, warum viele Fragen dieser Großen Anfrage nicht beantwortet werden konnten. Das kann ich Ihnen relativ einfach sagen: Diese Fragen konnten nicht beantwortet werden, weil die Beantwortung einzig und allein in die kommunale Zuständigkeit fällt. Das fällt dann auf den Fragesteller zurück, weil der Fragesteller entweder nicht die Kompetenz, nicht das Wissen, nicht das Verständnis oder nicht das Wollen gehabt hat, Fragen so zu formulieren, dass sie von der Landesregierung beantwortet werden können. Wenn uns die Kommunen keine Antworten geben, dann können wir sie auch nicht weiterleiten. Das ist relativ einfach.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Insofern muss ich an dieser Stelle noch einmal sagen: Kinderbetreuung liegt in der originären Zuständigkeit der hessischen Kommunen. Sie unterliegt der kommunalen Selbstverwaltung. Deswegen ist es auch richtig, dass wir