Protokoll der Sitzung vom 28.02.2013

(Günter Rudolph (SPD): Wie viele Tage? – Angela Dorn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Oh!)

Da können Sie ruhig „Oh!“ rufen, Frau Kollegin Dorn. – Da wird intensiv und am einzelnen Schülerschicksal, am Wohl des Schülers orientiert genau nach diesen Aspekten, nicht nur nach Notendurchschnitt, sondern als pädagogische Entscheidung, darum gerungen: Kann derjenige vielleicht doch aus pädagogischen Gründen versetzt werden – was möglich ist –, oder ist es für ihn nicht besser, diese Klasse zu wiederholen? Wir haben manchmal bis zu zwei Stunden über Einzelfälle diskutiert. Das ist gut, das ist richtig und wichtig. Das ist die Arbeit der hessischen Lehrerinnen und Lehrer, und die lassen wir nicht durch solche Schwarz-Weiß-Debatten von Ihnen diskreditieren, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Hans-Jürgen Irmer (CDU): Sie haben doch noch nie vor einer Klasse gestanden!)

Individuelle Förderung ist in der Tat mehr als nur eine Worthülse. Das wird an Hessens Schulen praktiziert. Wir geben den Schulen die Möglichkeit und die Freiheit über die selbstständige Schule, die individuelle Förderung in Hessen zu leben und auszubauen. Ich nenne als Beispiel ei

ner sehr gelungenen selbstständigen Schule die Alexandervon-Humboldt-Schule in Lauterbach. Dort gibt es ein Förderkonzept, ein Nachhilfekonzept, wo ältere Schüler jüngeren Schülern helfen, die in einigen Fächern leichte Probleme haben.

(Lebhafte Zurufe zwischen Abg. Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und Abg. Holger Bellino (CDU) – Glockenzeichen der Präsidentin)

Sie haben es geschafft, die Quote der Klassenwiederholungen signifikant zu reduzieren. Ich finde, das ist ein gelungenes Beispiel für eine selbstständige Schule,

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN), zu Abg. Holger Bellino (CDU) gewandt: Gehen Sie doch raus! – Gegenruf des Abg. Holger Bellino (CDU) – Glockenzeichen der Präsidentin)

für pädagogische Konzepte, wie wir sie uns vorstellen, für individuelle Förderung und für die selbstständige Schule als pädagogischen Innovationsmotor in diesem Land. Wir wollen, dass das nicht nur an dieser Schule so bleibt. Wir wollen, dass das an möglichst vielen Schulen in Hessen durchgeführt wird. Deswegen wollen wir auch, dass die selbstständige Schule und die individuelle Förderung ausgeweitet werden, damit mehr Schulen die Möglichkeit bekommen, nach solchen Grundsätzen zu arbeiten. Das ist gut so, und das zeigt, selbstständige Schule in Hessen ist ein Erfolgsmodell.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Ich bin schon verwundert: In dieser Woche war ein großer Artikel von Jan Friedmann im „Spiegel“, in dem unter anderem die Haltung der SPD zur Bildungspolitik beschrieben wurde. Da wurde richtigerweise gesagt: Wenn die SPD so weitermacht, treibt sie Deutschland in einen neuen Schulkampf.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Ich glaube, das ist in der Tat so, wie das Echo von besorgten Bürger in unserem Land zeigt, das auch in unserer Fraktion aufschlägt: Ihr wollt doch nicht auch diesen Blödsinn mitmachen und dieses wichtige Instrument abschaffen?

Wo es bei Ihnen hingeht, haben wir gesehen. Der Artikel ist überschrieben mit: „Nur das Abitur zählt“. Sie haben nur von den Gymnasien gesprochen, kein Wort von den Hauptschulen, den Realschulen, den Gesamtschulen und den Mittelstufenschulen in diesem Land.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Das zeigt, Sie haben ein reines Elitedenken bei sich in der SPD, alles andere existiert für Sie nicht. Das ist nicht unser Weg. Für uns zählen alle Schulen in Hessen. Wir werden die gute Arbeit, die dort geleistet wird, weiterhin unterstützen.

Es wird immer mit Statistiken um sich geworfen, auch in der gestrigen Debatte. Wenn ich noch an die wirklich schlimmen Zeiten zurückdenke, als Rot-Grün dieses Land regiert hat – Kollege Wagner sagt jetzt immer „ermöglichen“ statt „verordnen“ –, kann ich nur sagen: Ich wäre damals beinahe von der Zwangsförderschule betroffen gewesen, einer sehr tollen Entwicklung – –

(Dr. Norbert Herr (CDU): Sehr richtig!)

Sie müssen zum Ende kommen, Herr Kollege.

Ich komme zum Ende. – Wir kommen aus der zweiten Liga unter Rot-Grün. Aber wir werden nicht stoppen, bis wir Hessen in der Bildungspolitik in die Champions League geführt haben.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Danke schön, Herr Döweling. – Herr Kollege Schork hat sich noch einmal für 28 Sekunden zu Wort gemeldet. Bitte schön, Herr Kollege.

(Günter Rudolph (SPD): In der Aktuellen Stunde kann man das nicht!)

Es ist die Restredezeit. – Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Wagner, ich habe mich noch einmal zu Wort gemeldet, um eines richtigzustellen. Ich habe mit meinem Zwischenruf in keinster Weise die Arbeit der integrierten Gesamtschulen infrage gestellt.

(Beifall bei der CDU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Im Gegenteil, ich erkenne die Leistungen der integrierten Gesamtschulen ausdrücklich an. Mein Zwischenruf hat sich auf Ihre Bemerkung bezogen, dass an den integrierten Gesamtschulen Sitzenbleiben nicht möglich sei. Sie wissen genauso gut wie ich

Herr Kollege Schork, die Zeit ist zu Ende.

ich bringe den Satz noch zu Ende –, dass in der neuen Jahrgangsstufe die Eingruppierung in die entsprechenden Leistungskurse an den integrierten Gesamtschulen neu überdacht und neu geregelt wird. Das ist der entscheidende Unterschied. Auch dort findet eine Leistungskontrolle statt.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Schork. – Herr Kollege Rudolph, Sie haben sich zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin! Ich möchte nur auf § 32 Abs. 8 der Geschäftsordnung verweisen:

Ein Mitglied des Landtags kann in der Aktuellen Stunde nur einmal das Wort erhalten...

Das ist eindeutig, auch wenn die Redezeit nicht ausgeschöpft ist. Ich wollte nur den freundlichen Hinweis geben. Wir haben uns auch schon einmal fraktionsübergreifend auf andere Zeiten verabredet, aber ich wollte fairerweise nur darauf hinweisen.

Ich fasse das jetzt nicht als Kritik auf, sondern als Hinweis und weise Sie auf den Gebrauch hin, den wir die ganzen Jahre über pflegen. Das heißt, wenn die Redezeit noch nicht ausgeschöpft ist, kann man sie sehr wohl noch ausschöpfen. – Danke schön.

Damit sind wir am Ende dieser Aktuellen Stunde. – Entschuldigung, jetzt wären wir ein bisschen schneller zu Ende gekommen. Aber selbstverständlich hat die Landesregierung noch das Rederecht. Bitte schön, Herr Prof. Lorz, Sie haben das Wort.

(Dr. Frank Blechschmidt (FDP): Er war auch die ganze Zeit da!)

Eben, jetzt muss es sich auch lohnen. – Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Sitzenbleiben ist nicht schön. Ich glaube, zumindest das können wir in diesem Hohen Hause unwidersprochen feststellen.

(Gerhard Merz (SPD): Es kann auch eine wertvolle Erfahrung sein! – Zuruf des Abg. Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Darüber sollten wir uns in der Mittagspause unterhalten. – Es beinhaltet sehr oft eine Erfahrung des Scheiterns. Es ist eine Niederlage, mit der man fertig werden muss. Man hat das Klassenziel nicht erreicht. Daher ist es niemandem zu wünschen und nach Möglichkeit zu vermeiden.

Aber diese Möglichkeiten zur Vermeidung werden auch heute schon allenthalben genutzt. Meine Damen und Herren, haben wir doch ein bisschen Vertrauen in unsere Pädagoginnen und Pädagogen, die sich tagaus, tagein unter zum Teil wirklich schwierigen Bedingungen an unseren Schulen abmühen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Ich kenne keine Lehrerin und keinen Lehrer – Herr Kollege Döweling hat das dankenswerterweise aus eigener Erfahrung illustriert –, die mit diesem Instrument der Nichtversetzung leichthändig umgehen würden oder denen es Freude machen würde, einen ihrer Schüler sitzen bleiben zu lassen.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Sehr richtig, genau so ist es!)

Es ist für alle eine pädagogische Maßnahme, die sie nur als Ultima Ratio in Betracht ziehen, wo sich jede Klassenkonferenz bei der Zeugnisausgabe sehr genau überlegt, ob es nicht noch irgendwo eine sinnvolle, Erfolg versprechende Fördermaßnahme gibt, mit der man im jeweiligen Einzelfall weiterkommt.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Zuruf von der CDU: Wer noch nie in der Versetzungskonferenz war, kann das schlecht beurteilen! – Gerhard Merz (SPD): Es hat doch niemand bestritten, dass es so ist!)

Das zu unterstützen ist auch die politische Linie dieser Landesregierung. Wir setzen auf präventive Maßnahmen, wir setzen auf individuelle Förderung, und wir wollen die Konsequenz der Nichtversetzung so weit wie möglich unnötig machen. Wir kommen auf diesem Weg auch voran. Wir haben die Wiederholerquote in den letzten Jahren signifikant gesenkt. Wir wollen noch weiter vorankommen, und wir arbeiten dafür auch an weiteren Konzepten.

Aber ich will auch darauf hinweisen, was wir schon alles tun, was diesem Ziel zugutekommt. Das sind keine leeren Worthülsen, Frau Kollegin Habermann. Das ist alles schon auf dem Weg. Ich könnte auf unsere 60 Millionen € Integrationsmittel verweisen, die beispielsweise in Institutionen wie Vorlaufkurse fließen, was die Nichtversetzungsquote in der Grundschule signifikant reduziert hat. Ich könnte auf das Ganztagsschulprogramm verweisen. Über den Sozialindex bei der Lehrerversorgung haben wir gestern schon ausgiebig gesprochen. Ich könnte die Osterferiencamps nennen,

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Die die abschaffen wollen!)

Förderstunden in der Grundschule, Programme wie OloV, SchuB, KomPo 7, damit wir auch die Haupt- und Realschulen und den Übergang zu den beruflichen Schulen einbeziehen. Es ist nur der Blick auf die Uhr, der mich jetzt dazu bringt, bei dieser exemplarischen Aufzählung stehen zu bleiben.

Wir haben schon jetzt jede Menge Möglichkeiten und Maßnahmen, auch im Rahmen der selbstständigen Schule.

(Dr. Rolf Müller (Gelnhausen) (CDU): Sehr richtig!)