Protokoll der Sitzung vom 20.11.2013

offensichtlich. Die Spenderzahlen sinken dramatisch. Nach Auskunft der Deutschen Stiftung Organtransplantation haben sich im Jahr 2013 nur noch 750 Menschen entschieden, ihre Organe nach ihrem Tod zu spenden. Das sind 15 % weniger, und das finden wir dramatisch.

Was heißt das? Für die Menschen auf den Wartelisten bedeutet das vor allem eines: längere Wartezeiten. Derzeit warten – der Kollege Bartelt hat es schon gesagt – rund 11.000 bis 12.000 Kranke auf ein geeignetes Organ. Ich glaube, wir alle hier im Hause finden das dramatisch. Deshalb sind alle – Mediziner, Krankenhäuser, Transplantationszentren, die DSO und auch die Politik – gefordert, das Vertrauen der Menschen in die Transplantationsmedizin wiederzugewinnen.

Es wäre wünschenswert, wenn auch die neuen Regelungen in diesem hessischen Ausführungsgesetz mit dazu beitragen, dass die Zahl der Menschen, die einen Organspendeausweis mit sich führen, wieder ansteigt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Dr. Frank Blechschmidt (FDP))

Das ist ein äußerst wichtiges, tief greifendes und alle Menschen betreffendes Thema. Dieses Ausführungsgesetz ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wird diesem Gesetzentwurf deshalb zustimmen. – Ich danke Ihnen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke, Herr Bocklet. – Für die FDP-Fraktion hat sich Herr Kollege Rock zu Wort gemeldet.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Heute stimmen wir über das Transplantationsgesetz ab. Herr Kollege Bocklet hat eben schon einiges dazu gesagt. Ich möchte die Debatte nicht zu sehr ausdehnen, will aber doch sagen: Göttingen, Regensburg, München, Leipzig – das sind vier Namen, die Menschenleben kosten. Denn nach diesen Skandalen ist die Bereitschaft der Bevölkerung massiv eingebrochen, sich weiterhin der Organspende zuzuwenden.

Das Gesetz, das wir heute beschließen, wird nicht maßgeblich dazu beitragen, das Vertrauen zurückzugewinnen, sondern es wird ein Schritt sein, solche Verfehlungen möglichst zu verhindern.

Herr Dr. Bartelt hat aufgezählt, was in diesem Gesetzentwurf geregelt wird. Einen oder zwei Punkte hat er dabei nicht genannt. Das eine ist das Thema strafrechtliche Verfolgung, die jetzt möglich ist; das andere ist die Transparenz, die auch sehr wichtig ist, und die klare Zuweisung von Verantwortung.

Leider ist das notwendig geworden. Es ist schade, dass ein solches Gesetz beschlossen werden muss. Die Verantwortung der Menschen für das Leben ist groß. Sie ist Ärzten auferlegt. Es ist schade, dass es da doch schwarze Schafe gegeben hat.

Wir hoffen, das ist ein kleiner Schritt dahin, dass so etwas nicht mehr vorkommt. Wir hoffen, dass durch das Werben für die Bereitschaft zur Organspende, das alle Fraktionen

hier verbindet, dieser Eindruck wieder relativiert werden kann.

Ganz persönlich möchte ich auch sagen: Ich bin sehr froh, dass bei diesem Thema im Landtag stets große Einhelligkeit bestand. Bei allen Veranstaltungen, die ich als sozialpolitischer Sprecher besucht habe, haben wir uns gemeinsam dafür eingesetzt und, zusammen mit dem Minister, dafür geworben, dass hier wieder eine größere Bereitschaft entsteht.

Diese schwierige Aufgabe wird nochmals erschwert, wenn ich an Göttingen, Regensburg, München und Leipzig denke, aber als FDP-Fraktion werden wir weiter daran arbeiten und uns dafür einsetzen. Natürlich werden wir diesen Gesetzentwurf unterstützen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Vielen Dank, Herr Rock. – Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Für die Landesregierung wird jetzt Herr Staatsminister Grüttner sprechen. Herr Staatsminister Grüttner, Sie haben das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte mich für die konstruktive Auseinandersetzung mit dem Thema und für die Empfehlung des Sozialpolitischen Ausschusses, den Gesetzentwurf unverändert anzunehmen, ausdrücklich bedanken.

In der Aussprache ist heute Morgen noch einmal zum Ausdruck gekommen, dass der Hessische Landtag den Wert der Organspende, die Notwendigkeit, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen, und die ernsthaften Bemühungen, dafür Sorge zu tragen, dass das Spenden von Organen zunehmend zu einer Selbstverständlichkeit wird, fraktionsübergreifend sieht.

Das Ausführungsgesetz zum Transplantationsgesetz bietet dafür Ansatzpunkte. Ich will, um Wiederholungen zu vermeiden, nur noch auf einen Gesichtspunkt hinweisen, von dem ich glaube, dass er eine ganz wesentliche Rolle spielt – und daher in dem Gesetzentwurf enthalten ist –, nämlich auf die ausführlichen Gespräche, die die Transplantationsbeauftragten mit Angehörigen führen sollen, um diesen schon zu einem sehr frühen Zeitpunkt die Möglichkeit zu geben, sich mit dieser Frage auseinanderzusetzen, sich vorzubereiten, sodass sie, wenn der Hirntod bei einem Patienten tatsächlich eingetreten ist, unverzüglich eine Entscheidung treffen können. Dazu ist es aber notwendig, dass die Angehörigen vorbereitet und in diesen Gesprächen mitgenommen werden. Den Transplantationsbeauftragten die Pflicht aufzuerlegen, solche Gespräche zu führen, wird nach meiner festen Überzeugung dazu führen, dass in Zukunft mehr Spenderorgane zur Verfügung stehen.

Weil wir alle die Entwicklung, den Rückgang der Zahl der Organspenden, mit großer Sorge betrachten – Herr Rock hat eben darauf hingewiesen, welche Gründe dafür mitverantwortlich waren –, will ich meine Rede zumindest mit einem positiven Satz beenden. Auch wenn die Zahl der Organspenden zurückgegangen ist, hat die Zahl derer zugenommen, die einen Organspendeausweis haben. Wenn wir zu diesem Thema eine konstruktive Diskussion führen,

dann wird auch in Zukunft die Zahl der Organspenden steigen, genauso wie die Zahl derjenigen gestiegen ist, die einen Organspendeausweis mit sich führen. In dem Sinne ist dieser Gesetzentwurf auch ein Beitrag dazu, einen Weg aufzuzeigen, wie die Zahl der Organspenden erhöht werden kann. Daran muss uns allen gelegen sein.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Vielen Dank, Herr Staatsminister Grüttner. – Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Wir sind damit am Ende der Aussprache zur zweiten Lesung des Gesetzentwurfs der Landesregierung für ein Zweites Gesetz zur Änderung des Hessischen Gesetzes zur Ausführung des Transplantationsgesetzes.

Wir kommen zur Abstimmung. Wer möchte diesem Gesetzentwurf in zweiter Lesung zustimmen? – Gibt es Gegenstimmen? – Gibt es Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist der Gesetzentwurf einstimmig angenommen. Der Gesetzentwurf ist damit zum Gesetz erhoben.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 16 auf:

Antrag der Fraktion DIE LINKE betreffend Fracking über Hessische Bergverordnung verbieten – Drucks. 18/7654 –

Zu diesem Tagesordnungspunkt hat sich Frau Kollegin Schott zu Wort gemeldet.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Einsatz von Fracking bei der Aufsuchung und Gewinnung von Erdöl und Erdgas beeinträchtigt und gefährdet Boden, Grundwasser und Luft bereits bei normalem Betrieb, auch ohne Störfälle. Wenn das Trinkwasser im Fall einer Störung verseucht werden sollte, hält es sich nicht an Landesgrenzen. Deshalb brauchen wir ein bundesweites, besser noch ein europaweites Verbot dieser Art von Erdgas- und Erdölförderung.

(Beifall bei der LINKEN)

Solange solche bundesweiten und europäischen Gesetze fehlen, müssen die bestehenden rechtlichen Möglichkeiten auf der Landesebene genutzt werden. Deshalb fordern wir, Fracking im Rahmen der Hessischen Bergverordnung generell zu untersagen. Das ist auch möglich.

(Beifall bei der LINKEN)

In § 55 Bundesberggesetz – „Zulassung des Betriebsplanes“ – heißt es:

Die Zulassung eines Betriebsplanes im Sinne des § 52 ist zu erteilen, wenn …

9. gemeinschädliche Einwirkungen der Aufsuchung oder Gewinnung nicht zu erwarten sind …

In § 66 Bundesberggesetz heißt es:

Zum Schutze der Beschäftigten und Dritter vor Gefahren im Betrieb und zur Wahrung der in § 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 bis 13 und Abs. 2 bezeichneten Rechtsgüter und Belange kann durch Rechtsverordnung … bestimmt werden,

1. dass Einrichtungen der in § 2 Abs. 1 Nr. 3 genannten Art hinsichtlich

a) des Standortes und

b) der Errichtung, Ausstattung, Unterhaltung und des Betriebes

bestimmten Anforderungen genügen müssen …

Der Teufel liegt hier freilich – wie häufig – im Detail. Die Verordnungsermächtigung des § 66 Bundesberggesetz ist nach ihrem Wortlaut, nach der aus der Gesetzgebungsbegründung ersichtlichen Intention und nach der diesbezüglichen Kommentarliteratur nicht dafür gedacht, bergbauliche Tätigkeiten „über Gebühr“ zu behindern oder zu erschweren. „Über Gebühr“ meint: aus der Sicht des bergbaufreundlichen Gesetzgebers. Dieser wollte die Möglichkeit der Beschränkung bergbaulicher Tätigkeiten restriktiv gehandhabt wissen, dass diese insbesondere nur in Bezug auf konkrete, greifbare Gefahrenlagen im Einzelfall ausgelöst wird.

Freilich gilt aber: Was der Gesetzgeber ursprünglich einmal wollte und was aufgrund seiner Formulierung heute möglich ist, muss nicht das Gleiche sein. Die Ermittlung des gesetzgeberischen Willens ist nur eine – und zudem eine untergeordnete – Methode der Gesetzesauslegung, die zudem überhaupt erst dann zurate zu ziehen ist, wenn der Wortlaut eines Gesetzes Zweifel am Verständnis und an der Anwendbarkeit einer Norm lässt. Ist dies nicht der Fall, so ist ein Gesetz der Aussage entsprechend anwendbar, selbst wenn man positive Kenntnis davon hat, dass der Gesetzgeber das so nicht im Sinne gehabt hat und auch nicht wollte.

Die Frage ist nun, ob § 66 Bundesberggesetz eindeutig zulässt, dass auf Landesebene über die Bergverordnung substanzielle Reglementierungen bergbaulicher Aktivitäten getätigt werden. § 66 Bundesberggesetz regelt ja zum Teil sehr dezidiert, was Gegenstand einer solchen Verordnung sein kann, und das allermeiste davon betrifft Aspekte der innerbetrieblichen Arbeitssicherheit oder sonstige Konflikte und Problemlagen, die für die Intention des Ausschlusses bestimmter Abbauverfahren oder Bergbaustandorte schwerlich nutzbar gemacht werden können.

Die genereller gefasste Formulierung in § 66 Nr. 1 Bundesberggesetz lässt aber gerade standortbezogene Reglementierungen zu. Daran kann man zweifellos anknüpfen, wenn und soweit man sich zu einer der Zulassungsvoraussetzung bezüglich § 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 bis 13 und Abs. 2 Bundesberggesetz verhalten möchte. Es bleibt in Bezug auf die bergbaubedingten Beeinträchtigungen und Gefahren von Schutzgütern außerhalb des Abbaubetriebes letztlich eindeutig die Formulierung in § 55 Abs. 1 Nr. 9 Bundesberggesetz, in der von „gemeinschädlichen Einwirkungen“ die Rede ist.

Zurück zu § 55 Abs. 1 Nr. 9 Bundesberggesetz. Wir sind davon überzeugt, dass es im Sinne des Bundesgesetzgebers und somit im Rahmen des Erlasses einer Verordnung nach § 66 Bundesberggesetz auch dem Landesgesetzgeber möglich ist, den Begriff „gemeinschädliche Einwirkungen“ näher zu definieren. Wenn und soweit dies geschieht und in sich schlüssig argumentiert wird, wird dies auch einer gerichtlichen Überprüfung standhalten. Insoweit kann über die Hessische Bergverordnung eine entsprechende Reglementierung praktiziert werden.

Insbesondere bei dem besonders zu schützenden Gut Grundwasser, dessen Gefährdung durch Fracking nicht auszuschließen ist, wird das Bestehen einer Gemeinschädlichkeit deutlich. Bei einer Bevölkerungsdichte, wie wir sie in Hessen haben, bei der Belastung des Grundwassers, wie sie – unter anderem durch K+S – in ganz Nordhessen schon gegeben ist, und angesichts der Ballungsraumprobleme, wie sie sich im Hessischen Ried widerspiegeln, können wir uns an dieser Stelle keine Experimente leisten. Wir müssen die Spielräume nutzen. Wir müssen jetzt handeln. Wir müssen deshalb jetzt damit beginnen, Fracking in Hessen zu verbieten.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Frau Schott. Ich nehme an, Sie waren am Ende Ihrer Rede. Fünf Minuten sind auch um. Ich danke Ihnen. – Herr Sürmann, Sie sind der nächste Redner. Herr Sürmann spricht für die FDP-Fraktion.

Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Fracking bedeutet, zu versuchen, Gesteinsschichten in einer Tiefe zwischen 2.000 und 4.500 bis 5.000 m mithilfe einer Flüssigkeit aufzuweiten, um dort lagerndes Gas ausströmen zu lassen und fördern zu können.

In einer Tiefe zwischen 2.000 und 5.000 m – das wissen wir, und das wissen alle, die schon einmal Erdkunde gehabt haben – finden wir eine sehr warme Gesteinsschicht vor, in der Schwefel und andere Umweltgifte massig vorhanden sind. Das heißt, alles, was wir dort unten an „menschlichem“ Gemisch hineinspritzen, kann nicht so giftig sein, wie das, was dort unten ist. Das wissen wir alle von Vulkanausbrüchen und dem Hervortreten von tiefen Erdschichten. Im Übrigen wird Fracking auch schon dann gemacht, wenn Geothermie wie bei uns im Oberrheintal, insbesondere im Bereich Groß-Gerau, schon erfolgt ist. Dort wird auch Fracking gemacht, weil auch dort die Gesteinsschichten aufgespalten werden müssen, damit die Wärme eben entweichen kann.