Protokoll der Sitzung vom 04.03.2009

Ich komme zu meiner letzten Bemerkung. Ich wäre gespannt darauf, was der Kollege Al-Wazir von hier aus sagen würde, wenn folgendes Szenario eintreten würde, das möglicherweise eintreten kann. Das ist gar nicht so unwahrscheinlich. Das ist nämlich der Fall, wenn das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig eine Entscheidung trifft, die besagt, dass es sich gegen politische Entscheidungen bei Rechtsfragen ausspricht. Nichts anderes hat der Hof in Kassel gemacht. Der Hof in Kassel hat gesagt – Herr Kollege Posch hat das eben sehr diplomatisch umschrieben; ich darf gerade als Abgeordneter reden, deswegen sage ich das ein bisschen anders –: Egal, was Fachrecht ist, ein Landesparlament – das ist die erste Gewalt – kann dieses Fachrecht aus besonderen landespolitischen Gründen heraus aushebeln.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich glaube, wir als die Mitglieder der ersten Gewalt des Landes sollten uns überlegen, ob diese Rechtssprechung für uns wirklich klug ist oder ob wir nicht die Balance of Power weiterhin im Rechtsstaat haben wollen und die erste Gewalt demnach nicht alles bestimmt, sondern die dritte Gewalt auch etwas bestimmt. Hier geht es um mehr als nur um die Frage des Nachflugverbots am Flughafen Rhein-Main. Hier geht es um eine neue Abwägung der Balance zwischen der ersten, der zweiten und der dritten Gewalt.

Ich merke, dass Sie das gerade bei den GRÜNEN diskutieren. Was meinen Sie denn, was geschieht, wenn das Bundesverwaltungsgericht zu dem Ergebnis kommt, dass diese Balance so bleiben soll, wie sie jetzt ist? Das hätte zur Folge, dass die Kasseler Ideen nicht weiter richtig wären.

Stellt sich dann Herr Kollege Al-Wazir hierhin und sagt: „Ich habe unrecht gehabt“? Lieber Herr Kollege Al-Wazir, hören Sie doch mit Ihrer Überheblichkeit auf.Tun Sie doch nicht so, als ob die Entscheidung aus Kassel jetzt schon feststehen würde. Nehmen Sie doch zur Kenntnis, dass das nicht nur in der Rechtswissenschaft, sondern auch in der Rechtspolitik – ich sage ganz bewusst: in der Staatspolitik – streitig verhandelt wird,weil es damit zu einem neuen Verhältnis zwischen den Gewalten käme.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie haben gemeint, Sie könnten das hier in kabaresker Art abarbeiten. Ich finde, das ist des Themas nicht würdig. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Das Wort hat Herr Abg. Schäfer-Gümbel.

Herr Präsident! Es ist gut, dass jetzt der Abg. Hahn und nicht der Justizminister Hahn gesprochen hat. Denn die Art und Weise, wie Sie gerade zuvor über die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs gesprochen haben, wäre für einen Justizminister sicherlich ganz unangemessen gewesen.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN – Lachen des Abg. Jörg-Uwe Hahn (FDP))

Herr Hahn, ich will die drei Fragestellungen, um die es hier geht, noch einmal auseinandersortieren.

Die Erste betrifft sozusagen die politische Grundauseinandersetzung, die bei dieser Debatte auch wieder eine

Rolle spielt. Ich bin Ihnen für den Hinweis sehr dankbar, dass es hier aus CDU, SPD und FDP eine Mehrheit gibt, die den Ausbau befürwortet. Die bleibt auch bestehen. Diese, den Ausbau befürwortende Mehrheit, hat in der Vergangenheit immer wieder erklärt, dass sie den Ausbau will – Sie haben eben zu Recht ein paar der Argumente angeführt – und dass dies unter den im Rahmen der Mediation festgelegten Bedingungen geschehen soll. Denn wir alle wissen, dass die Region Frankfurt und RheinMain hoch belastet ist und dass das Thema Ausbau des Frankfurter Flughafens emotional hoch belastet ist. Deswegen wurde der Weg der Mediation gegangen.

In der Tat hat die SPD-Landtagsfraktion in der Vergangenheit immer wieder gesagt: Das Fundament der neuen Landebahn wird nicht so sehr der Beton, sondern vielmehr das Vertrauen in das eingeschlagene Verfahren sein.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Das ist die politische Auseinandersetzung. Da ist die Welt ziemlich gut sortiert.

Danach gab es eine Entscheidung der Planfeststellungsbehörde. Herr Rentsch hat vorhin zu Recht darauf hingewiesen – auch wir haben das immer wieder gesagt –: Es gibt in der Tat sozusagen eine politische Debatte, und es gibt eine Entscheidung der Planfeststellungsbehörde. – Die Planfeststellungsbehörde hat gesagt, 17 Nachtflüge seien zulässig. Dazu gab es eine Reihe Klagen, die jetzt in einem Eilverfahren zu einer Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs geführt haben.

Herr Hahn, der entscheidende Punkt ist – deswegen ist die Setzung, die Sie eben gemacht haben, nicht ganz richtig – –

(Zuruf: Es geht um den Sofortvollzug!)

Entschuldigung, es geht aber um die Frage, wo der Verwaltungsgerichtshof in der Begründung sagt, welche Probleme er sieht. Der VGH sagt etwas sehr klar, und zwar mit einer überraschenden Begründungslinie. Das will ich ausdrücklich einräumen. Deswegen sind wir natürlich gespannt, zu erfahren, was das Gericht in Leipzig am Ende des Tages damit gemacht haben wird.

Der VGH sagt in seiner Entscheidung: Ja, aber das Nachtflugverbot ist in der Form, wie es gemacht wurde, so wahrscheinlich nicht haltbar. – Herr Hahn, dazu gibt es zwei Begründungslinien.

Erstens gibt es beispielsweise eine Entscheidung des Hessischen Landtags über den Landesentwicklungsplan.Herr Posch hat zu Recht auf das Spannungsverhältnis hingewiesen.Wir haben die Entscheidung über den Landesentwicklungsplan nicht nur aus Jux und Tollerei und als Beschäftigungstherapie für die Mitglieder des Hessischen Landtags getroffen.Vielmehr haben wir das gemacht,weil wir sehr wohl sagen wollten: Es gibt einen Weg, den wir, die Mitglieder des Parlaments, eingeschlagen sehen wollen.

Wir haben damals nach einer sehr heftigen oder sehr interessanten Debatte mit Juristen entschieden, dass wir die Vorgaben des Mediationsergebnisses nicht in den Landesentwicklungsplan schreiben können, weil damit unter Umständen eine Bindung für die Planfeststellungsbehörde besteht,die in dieser Form zur Nichtigkeit führen kann. Deswegen haben wir es damals nicht getan. Der VGH sagt:Das ist auch nicht nur Jux und Tollerei,sondern das ist ein gewichtiges Argument.

Herr Hahn, jetzt kommt der zweite Punkt, den Sie eben unterschlagen haben, der für das Gericht auch relevant war und der wahrscheinlich die Setzungen in dem weiteren Verfahren beeinflussen wird. Da kommt wieder Politik ins Spiel, dass nämlich die Fraport als Antragsteller gesagt hat: Wir wollen das Nachtflugverbot. – Das war ursprünglich eine Entscheidung, ein Antrag der Fraport, die natürlich auch politisch beeinflusst war.

Die Frage, die wir in der Anhörung aufgerufen haben, war: In welcher Weise kann sich die Planfeststellungsbehörde vom Antrag des Antragstellers absetzen? – Damit das zu Protokoll noch einmal gesagt ist – der Antragsteller Fraport hat gesagt:Wir wollen das Mediationsergebnis umsetzen.

(Günter Rudolph (SPD): So ist es!)

Da ist der entscheidende Punkt, wie viel freien Raum anschließend das Gericht hat – auch in der Wechselwirkung in der Entscheidung über den Landesentwicklungsplan. Und das ist drittens der Punkt, um den Sie sich herummogeln.

Das habe ich vorhin sehr zugespitzt formuliert, und ich kann es jetzt Gott sei Dank ein bisschen ausformulieren. Die entscheidende Frage ist, ob Sie auch im Interesse des Antragstellers Fraport, der genau so beantragt hat, diesem im weiteren Verfahren den Rücken stärken oder nicht. Die Unklarheit Ihres Standpunkts ist der Punkt, der im Moment die Menschen irritiert.

Wenn ich den Ministerpräsidenten frage, ob er bereit ist, im weiteren Verfahren darauf einzuwirken, dass das Mediationsergebnis noch umgesetzt wird, lautet seine Antwort darauf: Nein. – Das ist der Punkt, an dem Vertrauen gebrochen wird, weil sich offensichtlich die Union – ich frage, wie sich die FDP in diesem Punkt positioniert – von der Grundlinie, die wir hier gemeinsam beschlossen haben, verabschiedet. Zu dieser Frage haben Sie heute hier erneut keine Position bezogen. Das ist der entscheidende und auch enttäuschende Punkt. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Zu einer Kurzintervention erteile ich Herrn Abg. Rentsch das Wort.

Herr Kollege Schäfer-Gümbel, das lasse ich aus zwei Gründen so nicht stehen.

(Zurufe von der SPD: Oh!)

Wissen Sie, wenn man beobachtet hat, was die GRÜNEN gerade gesagt haben, dann kann man das zur Kenntnis nehmen. Das ist okay. Das ist nicht meine Position. Ich halte das für völlig falsch. Aber es ist in Ordnung. Aber dass die Sozialdemokraten unter Schäfer-Gümbel nicht nur als Fraktionsvorsitzendem, sondern auch als Landesvorsitzendem bei diesen Äußerungen klatschen, ist abenteuerlich. Das ist mittlerweile nur noch Schäfer-GümbelYpsilanti-SPD.Das hätte es unter Lothar Klemm und Jürgen Walter nicht gegeben. Das ist so.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Zurufe von der SPD: Oh!)

Ich sage das, was ich vor zwei Wochen an diesem Pult gesagt habe: Ich vermisse Jürgen Walter mit seiner Fachkompetenz in dieser Debatte.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Er hat nicht immer hundertprozentig unsere Meinung vertreten.Aber er hat juristisch sehr sorgfältig seine Position für die Sozialdemokratie an diesem Pult vertreten. Meine Damen und Herren, das ist qualitativ ein Unterschied gewesen.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Sagen Sie doch einmal in der Sache, wo Sie widersprechen! – Fortgesetzte Zurufe von der SPD)

Ich will Ihnen noch etwas zu der Aussage sagen,die Sie gerade über das Eilverfahren des Verwaltungsgerichtshofs in Kassel getroffen haben: In dem Eilverfahren hat der Verwaltungsgerichtshof gesagt, dass der § 29b Abs. 1 Satz 2, wonach die Planfeststellungsbehörde verpflichtet ist, auf die Nachtruhe der Bevölkerung in besonderem Maße Rücksicht zu nehmen, durch den Landesentwicklungsplan verstärkt wird. Das ist eine luftverkehrsrechtliche Vorschrift, die durch den Landesentwicklungsplan verstärkt wird. Dieser Landesentwicklungsplan ist von diesem Parlament gefasst worden, damals aber mit dem Wissen, dass es eine obergerichtliche Rechtsprechung gibt, die die Bedeutung des Landesentwicklungsplans nicht so weit fasst, wie es der VGH im Nebensatz der Eilentscheidung festgelegt hat.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Das habe ich eben gesagt!)

Jetzt müssen Sie überlegen: Sie fordern eigentlich – das ist das, was Sie unterstellen – aufgrund dieser Eilentscheidung, in der Sie sich mit dem bestätigt fühlen, was Sie die ganze Zeit gesagt haben

(Günter Rudolph (SPD): Das ist ja auch richtig, das müssen Sie zugeben!)

Herr Kollege Rudolph, es war klar, dass Sie natürlich sofort versuchen, auch sich selbst ein bisschen Luft zu verschaffen; das ist auch in Ordnung –,

Herr Kollege, Sie müssen sich beeilen. Die zwei Minuten sind abgelaufen.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Ich möchte gerne einmal sehen, wo der Widerspruch ist!)

dass diese Eilentscheidung letztendlich die Grundlage dafür wäre, dass jetzt die Genehmigungsbehörde eine Veränderung vornehmen soll.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Entschuldigung, das habe ich überhaupt nicht gesagt! Sie müssen zuhören!)

Meine Damen und Herren, diese Rechtsposition ist völlig abstrus.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Herr Kollege, das ist jetzt – –