Wir wollen in Deutschland die Preise beim Bäcker und beim Fleischer nicht auch noch nach dem Einkommen staffeln. Das wäre einfach nicht sinnvoll.
Ich komme zu meinem letzten Punkt. Ich bin überrascht, dass Sie heute noch einmal dieses Thema so mutig, wie Sie es gerade hier gemacht haben, vorantreiben. Neben der Tatsache, dass der Parteivorsitzende der Sozialdemokratie zurzeit außer sich selbst jeden, der in irgendeiner Form Politik macht, beschimpft, hat er auch angekündigt, er würde in Deutschland eine Unterschriftenkampagne durchführen, um die Einführung der von CDU und FDP vorgesehenen Prämie zu stoppen. Jetzt liegen die letzten Zahlen vor. Herr Kollege Spies, ich erwarte von Ihnen, dass, wenn das falsch ist, Sie mich korrigieren, aber bitte mit Nachweis.
Es ist so, dass er gesagt hat, er habe – ich bitte, jetzt zuzuhören – schon 60.000 Unterschriften gesammelt. Das heißt, die SPD hat es immerhin geschafft, in den letzten Monaten 10 % ihrer Mitglieder zu überzeugen. Herr Kollege Dr. Spies, Glückwunsch. 10 % der eigenen Mitglieder haben sich an der Unterschriftenkampagne der SPD beteiligt.
Sie glauben doch nicht ernsthaft, dass Sie die Menschen dieses Landes überzeugen können, wenn sich nur ein Zehntel Ihrer Mitglieder an einer solchen Kampagne beteiligt.
Da müssen Sie selbst lachen. Das kann ich auch gut verstehen. Herr Kollege Dr. Spies, das ist abenteuerlich. Ich hoffe, Sie bringen das nächste Mal einen etwas substanziierteren Antrag ein. Darauf freue ich mich. Den debattiere ich dann auch gerne.
Aber sorgen Sie erst einmal dafür, dass auch Sie unterschreiben. Das wäre sinnvoll. Dann wären es schon 60.001 Unterschriften. – Vielen Dank.
Herr Kollege Rentsch, vielen Dank. – Auf der Besuchertribüne begrüße ich ganz herzlich Herrn Bürgermeister Mustafa Demir aus Fatih. Das ist Teil Istanbuls. Er befindet sich in Begleitung des Herrn Oberbürgermeisters Müller. Herzlich willkommen.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bewundere die Unkompliziertheit der SPD-Fraktion bei einem so komplexen Thema. Herr Rentsch hat schon darauf hingewiesen. Politiker verschiedener Generationen und verschiedener politischer Färbungen haben verzweifelt versucht, das Gesundheitssystem in den Griff zu bekommen.
Ohne dass irgendetwas auf dem Tisch liegt, soll die Diskussion gleich eingegrenzt werden, indem gesagt wird: Das geht schon einmal gar nicht.– Ich finde,das ist der falsche Ansatz. Mich stört an der gesamten Diskussion um die Gesundheitsreform immer wieder, dass wir da mit der Ausgabenseite anfangen. Ich finde, wir müssten die Diskussion damit anfangen, zu fragen, was nötig ist.
Wir müssten einmal über die Qualität des Gesundheitssystems reden. Wir müssen zunächst einmal einfach zur Kenntnis nehmen, dass mit den Konzepten, wie sie bisher diskutiert wurden, die Sache sehr schwer zu erschlagen sein wird. Wir haben einen wachsenden demografischen Wandel. Die Menschen werden älter. Das bedeutet, dass sie überproportional mehr Kosten auslösen werden, auch wenn sie länger gesund bleiben, bevor sie dann krank und alt sind. Das Positive daran ist ja, dass Menschen heute alt und gesund sind. Trotzdem wird das aber über die lange Dauer des Lebens mehr Geld kosten.
Zweitens.Wir haben deutliche und großartige Fortschritte in der Medizin, in der Medizintechnik und in der Pharma
Drittens. Wir haben eine Neubewertung des Themas Gesundheit. Gesundheit ist inzwischen zu einer Frage des Lifestyles geworden. Auch da gibt es zusätzliche Kostentreiber.
Es ist in Deutschland viel zu lange versucht worden, diese objektiv vorhandenen Kostenerhöhungen zu dämpfen, über die wir eigentlich froh sein sollten, weil sie unsere Chancen in der Zukunft als Menschen insgesamt positiver erscheinen lassen. Diese Chancen für die Zukunft werden verringert, indem permanent versucht wird, eine Politik der Kostendämpfung und des Zusammenklaubens von Beträgen zu machen.
Das hat dazu geführt, dass wir bei vielen Fragestellungen des Gesundheitswesens inzwischen erhebliche Diskussionen und Frustrationen haben. Zum Beispiel ist der Beruf Landarzt nicht mehr so attraktiv. In den Krankenhäusern haben wir das Problem, dass das Personal entsprechend zur Verfügung gestellt werden muss. Wenn die Patienten in Arztpraxen sind, fragen sie sich, ob sie wirklich das beste Medikament bekommen oder das Medikament, das noch finanziert wird.
Ich glaube, wir müssen da ein bisschen anders vorgehen. Wir müssen den Mut haben, zu sagen: Liebe Bürgerinnen und Bürger, Gesundheit wird in Deutschland künftig mehr Geld kosten, als es in der Vergangenheit der Fall war.
Das bedeutet, dass hinsichtlich der 10,5 % am Bruttosozialprodukt, die in Deutschland für Gesundheit ausgegeben werden, nicht das letzte Wort gesprochen sein wird.
Die Vereinigten Staaten von Amerika brechen nicht zusammen, obwohl der Anteil am Bruttosozialprodukt 15,3 % beträgt.Trotzdem haben 45 Millionen Amerikanerinnen und Amerikaner keine Krankenversicherung.
Wir müssen da mehr Geld ausgeben.Wir müssen die Gesellschaft bei diesem Prozess insgesamt mitnehmen. Ich glaube, dass es da keine einfachen Antworten gibt. Vielmehr müssen wir dabei das gesamte Spektrum der Finanzierung im Auge haben.
Ich sage das jetzt gleich, damit ich nachher nicht den Vorwurf erhalte, ich hätte die unpopulären Themen nicht angesprochen. Dazu gehört auch die Kostenbeteiligung der Patientinnen und Patienten. Auch die muss stattfinden. Denn wenn jemand anders als der Patient steuert,wie viel Gesundheit er bekommt, wird das unfreiheitlich. Deswegen muss ich den Patienten an seine Gesundheit erinnern. Auch das wird das Gesundheitssystem übrigens nicht zum Zusammenbruch bringen.
Inzwischen werden über 12 % des gesamten Gesundheitswesens durch die Patienten direkt bezahlt. Das sind 33 Milliarden c, ohne dass das zum großen Volksaufstand geführt hat.Auch das muss man sich klarmachen.
Natürlich geht das nicht ohne staatlichen Zuschuss. Herr Rentsch hat das schon zu Recht gesagt. Denn über Mittel aus dem Aufkommen aus den Steuern werden die Solidarität und die Gerechtigkeit herbeigeführt.
Vielleicht müssen wir auch darüber nachdenken, ob wir im sozialen Sicherungssystem die Schwerpunkte richtig gesetzt haben.Wir wenden 54 Milliarden c für die Altersversorgung auf, aber nur 16 Milliarden c für die Versorgung der Kranken. Es ist zu fragen, wo der solidarische Aspekt vielleicht stärker sein müsste und wo der Staat vielleicht mehr ausgleichen müsste. Das ist eine spannende Frage.
Ich glaube, dass wir nicht ohne die Gesundheitsprämie auskommen werden. Das muss aber in der richtigen Größenordnung geschehen.Die kann das aber nicht alleine finanzieren. Eine deutsche Bürgerin oder ein deutscher Bürger gibt ungefähr 3.700 c bis 3.800 c im Jahr für Gesundheit aus. Das kann man natürlich nicht über eine Gesundheitsprämie finanzieren. Das liegt ja auf der Hand. Aber ein Teilbetrag davon, vielleicht die demografische Komponente –
Herr Minister Banzer, entschuldigen Sie ganz kurz. – Ich habe es jetzt mit mehreren zarten Glockenschlägen versucht, anzudeuten. Es ist wieder extrem laut im Saal. Ich darf Sie noch einmal bitten,hier Ruhe einkehren zu lassen und dem Minister in seinen Ausführungen zuzuhören. Herzlichen Dank.
Wenn wir über Kostensteigerungen reden – die Kosten werden schneller ansteigen als das Bruttosozialprodukt und schneller als Löhne und Gehälter. Wenn deswegen die Finanzierung von Gesundheit nur an Arbeitgeberund Arbeitnehmerbeiträge gebunden wird, dann kommt eine Belastung in diesem Bereich, die die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft gefährden wird.
Wir bekommen außerdem auch eine Gerechtigkeitsfrage, weil es – auch das hat mit Demografie zu tun – immer weniger Menschen geben wird, die arbeiten, und immer mehr Menschen, die in einem wohlverdienten Ruhestand sind. Dann sollen die einen für die anderen die steigenden Kosten mitfinanzieren. Das geht einfach nicht gut. Deswegen ist mir das „Augen zu und weiter so!“ auf jeden Fall die falsche Antwort. Die steht mir zu deutlich in Ihrem Antrag.
Deswegen empfehle ich dringend, sich nicht zu voreilig festzulegen und lieber davon auszugehen, dass sämtliche Finanzierungsstrukturen – übrigens gehören auch Effizienzsteigerungen dazu – für die Finanzierung der Gesundheit gebraucht werden und auf keines dieser Elemente verzichtet werden kann. Das ist dann sozial und solidarisch ausgewogen hinzubekommen, wenn von jedem so viel an akzeptiertem Finanzierungsanteil genommen wird, wie diese Gesellschaft in der Diskussion, die vor uns liegt, bereit ist zu zahlen.
Es ist aber enorm wichtig, dass diese Gesellschaft aufhört, Angst vor der Zukunft in der Weise zu haben, dass sie Angst hat, Gesundheit von morgen zu finanzieren, sondern dass sie endlich begreift, dass das eine gewaltige
Vielen Dank, Herr Banzer. – Mir liegen nun keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit sind wir am Ende der Aussprache.
Es wird vorgeschlagen, die beiden eben besprochenen Anträge zur weiteren Beratung an den Ausschuss für Familie und Gesundheit zu überweisen. – Das machen wir so, da kein Widerspruch kommt.
Hier ist mir von der Fraktion der LINKEN signalisiert worden, dass sie gerne über die Petition Nr. 596/18 getrennt abstimmen würde. – Ich sehe keinen Widerspruch, dann verfahren wir so. Ich lasse zunächst über die Beschlussempfehlung zu der Petition Nr. 596/18 abstimmen. Wer dieser die Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – CDU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Bei Enthaltung der LINKEN ist diese Beschlussempfehlung angenommen.
Jetzt komme ich zu dem Rest der Beschlussempfehlungen zu Petitionen.Wer diesen die Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist das gesamte Haus. Damit sind diese Beschlussempfehlungen angenommen.