An manchen Stellen fragt man sich aus unserer Sicht schon: Wo bleibt eigentlich die menschliche Behandlung im Vollzug? Die Landesregierung sieht z. B. einen Anspruch der Gefangenen auf Besuch in einem zeitlichen Umfang von lediglich einer Stunde pro Monat vor. „Mindestens“ steht im Gesetz.Aber das ist das, worauf sich der Gefangene berufen kann: „mindestens eine Stunde im Monat“.Man wird verstehen können,dass in einer Stunde pro Monat Kontakte nach draußen in keiner Weise aufrechterhalten werden können. Eine Eingliederung wird hierdurch aus unserer Sicht unnötig erschwert.
Die SPD-Fraktion schlägt in ihrem Gesetzentwurf immerhin zwei Stunden vor.Auch hier verweise ich auf die Stellungnahme des Kommissariats der Katholischen Bischöfe, die in unserer Anhörung vorgeschlagen hatten: zwei Stunden Besuchszeit in der Woche – in der Woche, nicht im Monat. Wir haben in unserem Änderungsantrag immerhin gesagt: „vier Stunden pro Monat“. Aber auch das haben Sie abgelehnt. Die eine Stunde, die nach wie vor in Ihrem Gesetzentwurf steht, halten wir für zu wenig.
Im Gegensatz zur SPD kritisieren wir auch das generelle Verbot für Gefangene, Pakete mit Nahrungs- und Genussmitteln zu empfangen. Denn natürlich sind die Pakete von draußen nach wie vor geeignet, die Lebensführung in der Anstalt zu erleichtern und die Beziehungen zu Außenstehenden aufrechtzuerhalten. Das war die Begründung, weshalb das in das Strafvollzugsgesetz des Bundes hineingekommen ist. Es gibt inzwischen zwar umfangreiche Einkaufsmöglichkeiten in den Vollzugsanstalten. Aber da kann man sich möglicherweise eben nur das vor Ort gegebene Angebot besorgen und vielleicht nicht gerade das, was man gerne haben möchte, den Lieblingskuchen oder sonst irgendetwas.
Deswegen haben wir uns der Forderung vieler Sachverständiger angeschlossen, die Möglichkeit aufrechtzuerhalten, ein Paket empfangen zu können – trotz der auch von uns gesehenen Möglichkeit des Missbrauchs. – Jetzt könnt ihr applaudieren.
Wir haben noch eine ganze Reihe von anderen Kritikpunkten. Ich habe diese in der ersten und in der zweiten Lesung und auch im Ausschuss dargelegt. Daran hat sich zwischenzeitlich in der dritten Lesung nichts geändert. Wir werden also weiterhin den Gesetzentwurf der Landesregierung ablehnen und, wie angekündigt, uns bei demjenigen der SPD-Fraktion enthalten. – Danke schön.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich darf zu Beginn feststellen: Wir schaffen heute die Grundlage für ein neues und modernes Strafvollzugsgesetz.Wir schaffen
Ganz nebenbei: Wieder einmal bewusst – das war in den letzten Lesungen genauso – ist bei den Oppositionsfraktionen das Thema Untersuchungshaft hinten heruntergefallen. Ich kann das in zweierlei Art und Weise werten. Entweder es interessiert Sie nicht, oder unser Gesetzentwurf, der Gesetzentwurf der Landesregierung, ist an dieser Stelle so gut, dass Sie ihm einfach nur zustimmen können. Das wollen Sie hier aber nicht sagen. Von daher nehme ich das in zweiter Hinsicht entgegen.
Meine Damen und Herren, richtig ist:Wir stellen das Gebot der Eingliederung und die Sicherheit der Bevölkerung auf eine Stufe. Das sagen wir zur Offenheit und Ehrlichkeit ganz vorneweg in unserem Gesetzentwurf. Dafür haben wir in den Anhörungen – da kann man geteilter Meinung sein – auch Lob bekommen.Aber das gehört zur Ehrlichkeit des Themas hinzu.
Dass wir den Wiedereingliederungsauftrag ernst nehmen, zeigen wir dadurch – ich habe es im ersten Teil der Sitzung schon einmal gesagt –, dass wir Stellen schaffen, und zwar allein 20 Stellen für Bewährungshelfer,vier Stellen für Sozialarbeiter, zwei Stellen für Psychologen und noch eine weitere Lehrerstelle. Denn es ist uns wichtig, dass die Inhaftierten eine gute Chance zur Wiedereingliederung bekommen. Dafür geben wir alles, was wir geben können.
Diese Chance müssen sich die Inhaftierten natürlich selbst erarbeiten. Die kann man ihnen nicht schenken. Aber wir wollen das Beste geben, damit sie die besten Chancen haben, das zu verwirklichen.
Wir werden ein neues Übergangsmanagement schaffen, wie wir es vor einigen Jahren bereits im Jugendstrafvollzugsgesetz geschaffen haben. Das dient nicht nur der Wiedereingliederung der Inhaftierten, sondern auch auf Dauer der Sicherheit der Bevölkerung. Damit haben wir wieder ein Ziel erreicht, das allen zugutekommt.
Wir schreiben die Einzelunterbringung fest, ein moderner wichtiger Grundsatz, und wir schreiben den geschlossenen Vollzug als Regelvollzug fest. Herr Dr. Jürgens, wir haben uns hier bereits mehrfach darüber ausgetauscht: Die Realität ist – das wurde in der Anhörung bestätigt –: Der geschlossene Vollzug ist die Regel. Der offene Vollzug ist auch unter der bisher geltenden Rechtslage statistisch die absolute Ausnahme. Das wurde uns von allen Praktikern bestätigt. Von daher ist es richtig, dass wir das nun so in das Gesetz hineinschreiben.
Die Untersuchungshaft habe ich eben angesprochen. Ich kann feststellen:Wir hatten das Jugendstrafvollzugsgesetz vor einigen Jahren, und es hat sich als modernes Gesetz erwiesen. Es wurde von allen Fachleuten gelobt, und es wird bis zum heutigen Tag gelobt. Von daher können wir feststellen,dass wir hier zwei neue,sehr moderne und gute Gesetze beschließen werden.
Zum Abschluss möchte ich noch ganz kurz einige Worte zum Thema Sicherungsverwahrung sagen, denn auch das war Thema der Anhörung, der Diskussion und der zweiten Lesung des Gesetzentwurfs der Landesregierung. Genau von diesem Pult aus habe ich vor knapp vier Wochen, wie es Herr Paulus sagte, schon einmal dasselbe ausgeführt: Wir haben uns, wohl wissend und vor dem Hintergrund der momentanen rechtlichen Situation, dazu ent
schlossen, die Sicherungsverwahrung erst einmal in diesem Gesetz zu belassen, mit allen anderen Bundesländern und der Bundesregierung in Ruhe zu schauen, was wir in Zukunft wie regeln können, und zwar möglichst einheitlich in allen 16 Bundesländern. Dann werden wir dazu sicherlich unser eigenes Gesetz machen.
Aber dazu besteht heute keine Eile. Ich glaube, Frau Kollegin Wallmann hat vorhin einmal ausgeführt, wie es ist, wenn man mit Eile arbeitet: Wenn es nicht gründlich genug ist, dann geht es nach hinten los.Von daher ist die Gefahr dann umso größer,eine verfassungswidrige Regelung zu haben, nur weil man jetzt noch schnell einmal etwas über das Knie brechen muss. Ich werbe daher abschließend um die Zustimmung zum Gesetzentwurf der Landesregierung. Er ist klar und deutlich der bessere.
Frau Kollegin Hofmann, Sie haben gesagt, Sie hätten zu Ihrem Gesetzentwurf einige Stellungnahmen bekommen, und so ganz positiv waren die auch nicht. Von daher wird es Sie nicht überraschen, dass wir uns bei Ihrem Gesetzentwurf – da wir unseren sowieso für den besseren halten – nicht enthalten werden, wie es die GRÜNEN machen, sondern dass wir ihn ablehnen werden. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Kollege Honka. – Nächster Redner ist Herr Kollege Dr.Wilken für die Fraktion DIE LINKE.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Paulus hat uns hier vor wenigen Minuten noch einmal in Erinnerung gerufen, wie lange dieser Prozess denn jetzt war bis zu der heutigen dritten bzw. beim SPD-Entwurf zweiten Lesung.Herr Paulus,wir haben doch alle gerade wieder in den Reden festgestellt, was die Regierungsfraktionen in diesem Prozess gelernt haben, nämlich nichts, null Komma nichts.
Sie operieren noch immer mit den gleichen Argumenten, mit denen sie schon vor Monaten hier gestanden haben, obwohl sie im Rechtsausschuss mehrfach – auch schon bei der zweiten Lesung des Gesetzentwurf der Landesregierung – zurückgewiesen worden sind.
Lassen Sie mich auch noch einmal ganz deutlich sagen: Es hat von uns niemand bestritten, dass faktisch, also in der Realität, der Regelvollzug der geschlossene Vollzug ist. Aber lassen Sie mich auch noch einmal daran erinnern, was eigentlich Aufgabe eines Gesetzgebers ist,nämlich etwas normativ zu regeln und nicht das, was Realität ist, einfach nachzuvollziehen.
Meine Damen und Herren, ich habe bereits im Rechtsausschuss deutlich gemacht, dass meine Fraktion dem Gesetzentwurf der SPD zustimmen wird, weil wir in ihm eine ganz wesentliche Facette dessen erkennen,was notwendig ist zu regeln,nämlich dass es in Hessen weiterhin einen offenen Vollzug in dem Sinne geben wird, dass wir die Resozialisierung von Gefangenen als gleichrangiges Ziel hochhalten, weil nur so in unserem Lande Prävention möglich ist.
Ziel des Vollzugs muss es sein, Gefangene in die Lage zu versetzen, künftig ein Leben in sozialer Verantwortung und ohne Straftaten zu führen, schlichtweg die Vorbereitung auf die Freiheit.Alles andere – das sage nicht nur ich, sondern alle kriminologischen Forschungen und alle Forschungen zur Prävention – wird ein böses Ende nehmen und wird vor allen Dingen teuer und schmerzhaft für die Opfer werden. Dazu gehört selbstverständlich weiterhin, dass wir für die Eingliederung Besuchszeiten brauchen, die soziale Kontakte stärken und Isolation vermeiden.All das berücksichtigt der Gesetzentwurf der Landesregierung in vollkommen unzureichender Weise. Auch hier sage ich noch einmal: Das wird auf mittlere Sicht schlicht und ergreifend nur teuer und gefährlich.
Ich könnte die anderen Facetten, die uns in den letzten Monaten in der Diskussion begleitet haben – das gilt für die Arbeit als zentrales Mittel der Wiedereingliederung usw. –, noch einmal wiederholen. Das will ich aber nicht. Ich möchte zusammenfassend einfach nur sagen: Heute beerdigt ein FDP-Minister eine liberale Tradition, die uns in den Siebzigerjahren des letzten Jahrhunderts zu einem fortschrittlichen Gesetz im Strafvollzug geführt hat.
Das ist beim derzeitigen Zustand der FDP nur folgerichtig;nur für das Land ist es schlecht.Wenn Herr Honka von der CDU uns jetzt auch noch ankündigt, dass das die Zukunft und die Moderne unseres Landes ausmachen werde, kann ich nur sagen: Gute Nacht, Hessen. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Kollege Dr.Wilken. – Für die Landesregierung hat Herr Justizminister Hahn das Wort.
Frau Präsidentin, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben lange beraten.Wir, die Regierungsfraktionen und die Landesregierung, haben gemeinsam aus einem guten Entwurf ein sehr gutes Gesetzesvorhaben gemacht. Ich sage ganz herzlichen Dank an die Unterstützer. Die Unterstützung hat natürlich im Justizministerium begonnen; der Abteilungsleiter ist hier und wird das seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sicherlich mitteilen. Ich bedanke mich für die fachlich sehr fundierte Arbeit, die mit den Regierungsfraktionen und ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern durchgeführt werden konnte. Man macht als Bundesland nicht regelmäßig ein Strafvollzugsgesetz. – Nein, es ist das erste Strafvollzugsgesetz, das überhaupt im Lande Hessen gemacht worden ist. Es ist das erste Untersuchungshaftgesetz, das im Lande Hessen vom Hessischen Landtag erarbeitet wurde und nunmehr in dritter Lesung verabschiedet wird.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist nicht nur ein guter Gesetzentwurf für Hessen, sondern es ist auch eine Vorlage für andere Bundesländer, die in den nächsten Monaten garantiert die eine oder andere Regel aus unserem sehr liberalen und modernen Strafvollzugsgesetz in ihre Rechtspraxis übernehmen werden.
Herr Minister, ganz kurz. – Nach dem Applaus möchte ich darum bitten, im Saal etwas mehr Ruhe einkehren zu lassen und den Ausführungen zu folgen.
Ich möchte die Zeit jetzt nicht mehr nutzen, weil es ganz offensichtlich etwas mit Beratungsresistenz zu tun hat, den Kollegen von der Opposition noch einmal zu erläutern, dass es sich um eine ideologisch motivierte Arbeit handelt, wenn sie uns das vorwerfen, was Sie meinen uns vorwerfen zu müssen.
Herr Minister, entschuldigen Sie noch einmal. – Aber ich verstehe überhaupt nicht,warum es hier im Saal gerade so laut ist. Ich möchte noch einmal darum bitten, dass Sie hier Ruhe einkehren lassen. Wir sind ganz normal in der Plenardebatte. Der Minister hat das Wort. Herzlichen Dank.
Frau Präsidentin, vielen Dank. – Ich will darauf hinweisen, dass es nur ideologisch motiviert sein kann, wenn diesem Gesetzentwurf vorgehalten wird, er berücksichtige die Regeln der Hessischen Verfassung nicht. Herr Kollege Dr. Jürgens, es tut schon weh, wenn man von Ihnen, wenn auch sehr ordentlich formuliert, zwischen den Zeilen den Vorwurf einfängt, dass wir der Norm unserer Verfassung widerstreben, in der steht, dass alle Gefangenen menschlich behandelt werden sollen. Herr Kollege Dr. Jürgens, ich habe das Gefühl, dass Sie da ein bisschen überdrehen, wenn Sie meinen, uns unterstellen zu müssen, dass mit diesem Gesetzentwurf die Regeln der Verfassung nicht beachtet würden. Herr Kollege Dr. Jürgens, in Hessen werden die Gefangenen menschlich behandelt.
Ich finde, da gebührt es sich auch nicht, sich einfach grinsend wieder hinzusetzen,sondern da gebührt es sich schon einmal, zu sagen: Da habe ich doch ein bisschen über die Grenze hinausgeschossen. – Sie sagen nämlich nichts anderes, als dass wir in Hessen ein Vollzugsgesetz auflegen würden, das nicht die Rechte der Gefangenen beinhalte.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, das beachten wir sehr wohl. Es gab nicht einen einzigen Verfassungsjuristen, der auch nur ansatzweise diese Unterstellung ausgesprochen hat.Herr Dr.Jürgens,seien Sie also Manns genug, diese Bemerkung mit Bedauern zurückzunehmen.