Protokoll der Sitzung vom 05.10.2011

Außerdem ist unstrittig, dass wir in Deutschland in den vergangenen Jahren Wesentliches im Tierschutz getan haben. Das gilt sowohl für die Bundesebene als auch für die Landesebene. Wir haben nicht nur den Tierschutz in das Grundgesetz aufgenommen, sondern dem auch Taten folgen lassen. Das waren Taten, die hinsichtlich des Tierschutzes höchste Standards gesetzt haben. So schützt unser Tierschutzgesetz das Wohl des Tieres so gut und so konsequent wie in kaum einem anderen Land. Als Stichworte seien die Legehennenverordnung, das Zirkuszentralregister oder die Abschaffung des Schenkelbrandes bei Pferden genannt.

Auch hier hat sich in Hessen einiges getan. Als nahezu einziges Bundesland verfügt Hessen über eine Landestierschutzbeauftragte. Sie setzt sich für grundsätzliche Verbesserungen im Tierschutz ein. Sie hält durch Stellungnahme und Beratungsgespräche die Einrichtungen des Landes auf dem Laufenden.

Infolgedessen stelle ich fest, dass Hessen für eine Vielzahl anderer Bundesländer ein Vorbild ist. Dann frage ich mich jetzt aber erst recht: Warum sollen wir die über Jahre erarbeiteten Verbesserungen im Tierschutz durch unnötige Bürokratievermehrung beeinträchtigen? – Denn genau das und nichts anderes wäre die Folge des von den GRÜNEN geforderten Klagerechts im Tierschutz.

Die Position der CDU-Fraktion zum Klagerecht habe ich bereits während der vergangenen Plenarsitzungsrunde als Reaktion auf den von der SPD-Fraktion eingebrachten Gesetzentwurf ausführlich dargelegt. Anstatt dass die GRÜNEN aus unseren eingebrachten Vorschlägen lernen, machen sie es mit diesem Gesetzentwurf nicht besser. Lassen Sie mich das im Folgenden kurz darlegen.

Während der Gesetzentwurf der SPD-Fraktion nur vorsieht, Vereinen ein Klagerecht einzuräumen, fordern die GRÜNEN eine Klagebefugnis für alle Organisationen, Verbände und Stiftungen. Damit nicht genug: Es soll auch jedes noch so kleine private Vorhaben vor Gericht gezogen werden können. Denn die Begrenzung auf gewerblich, also professionell, handelnde Akteure soll wegfallen.

Wo würde uns das Ganze hinführen?

(Ursula Hammann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Tierschutz ist nicht teilbar!)

Jede Hundehütte, die eine Privatperson im Garten aufstellt, könnte von jedem Verband gerichtlich angefochten werden.

(Ursula Hammann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Das stimmt gar nicht! Sie haben den Gesetzentwurf nicht gelesen!)

Ob ein solcher Aufwand von den Behörden und Gerichten überhaupt noch getragen werden könnte, müsste zunächst intensiv geprüft werden.

Ich möchte Sie also nochmals fragen: Ist dieses ganze Mehr an Bürokratie wirklich notwendig? – Eines ist noch viel wichtiger: Würden der erhöhte Belastungsaufwand und die erhöhte Belastung der Gerichte überhaupt zum erhofften Ziel führen und zu einem Mehr an Tierschutz beitragen?

(Ursula Hammann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Dann schauen Sie einmal nach Bremen!)

Unsere Antwort lautet hierzu klar und deutlich Nein. In vielen Fällen würden die Klagen die rechtsstaatlichen Verfahren lediglich massiv in die Länge ziehen. Doch eine Verbesserung des Tierschutzes kann man von einer Ausweitung der Klagebefugnisse kaum erwarten, vor allen Dingen nicht in der vorgestellten Form.

Zu guter Letzt möchte ich auch noch einmal meine Enttäuschung darüber bekunden, wie sehr Sie unsere Institutionen und die Menschen an und für sich unterschätzen. Offensichtlich halten Sie unsere Behörden für unfähig und sehen sie nicht in der Lage, über die Einhaltung der Standards bei Bau und Betrieb zu wachen. Doch das wird den stetigen Anstrengungen der Behörden im Tierschutz keineswegs gerecht.

Ihr Klagerecht wäre ein Angriff auf den konsequenten Einsatz unserer Genehmigungsbehörden. Ich kann Ihnen versichern, dass unsere Behörden nur nach intensiver Prüfung eine Genehmigung für den Bau eines Stalls erteilen. Wofür dann noch ein Klagerecht?

Gleichzeitig glauben wir an die Selbstverantwortung des Bürgers, der sich seiner Verpflichtung gegenüber seinen Mitgeschöpfen bewusst ist. Wir leben in einer Zeit, in der Tierschutz in Deutschland zu einem hohen Gut geworden ist. Tierschutz wird in den meisten Fällen nicht als Pflicht, sondern als Selbstverständlichkeit wahrgenommen, der man gerne nachkommt.

Setzen Sie Vertrauen in die Menschen. Denn wir wünschen uns doch gemeinsam, dass Tierschutz eine Selbstverständlichkeit ist. Daran sollten auch Sie glauben und dafür werben.

Uns ist natürlich bewusst, dass es immer Einzelfälle geben wird, die aus dem Rahmen fallen. Es wird Menschen geben, die gegen die von uns gesetzten Standards verstoßen wollen.

Herr Kollege Dietz, ich darf Sie bitten, zum Schluss Ihrer Rede zu kommen.

Zur Aufdeckung dieser Einzelfälle verfügen wir jedoch glücklicherweise über ein engmaschiges und zuverlässiges Kontrollsystem, mit dem die geltenden Standards überwacht werden und Fehlverhalten sanktioniert wird.

Folglich lautet mein Votum: Tierschutz sollte aus Überzeugung und freiwillig geschehen. Er sollte nicht erst unter Zwang und mit Gerichtsurteilen erfolgen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Dietz. – Nächster Redner ist Herr Kollege Sürmann für die FDP-Fraktion. Aber wenn

Sie Frau Pauly-Bender vorlassen möchten, können wir es gern auch so machen. – Frau Pauly-Bender für die SPDFraktion, bitte.

(Florian Rentsch (FDP): Ist das eine Freundlichkeit!)

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrten Damen und Herren! Der bereits in der vergangenen Plenarsitzung von der SPD-Landtagsfraktion eingebrachte Gesetzentwurf zur Verbandsklage für Tierschutzverbände ist bei den Betroffenen auf große Zustimmung gestoßen. Gespräche und schriftliche Reaktionen zeigen, dass der Zeitpunkt richtig war, die Initiative für die Tierschutzverbandsklage zu ergreifen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Beispielsweise erklärt die Vorsitzende des Bundesverbandes Menschen für Tierrechte am 22.09.2011:

Heute berät der... Hessische Landtag über den Gesetzentwurf der SPD-Fraktion zur Einführung der Tierschutzverbandsklage. Für den Bundesverband Menschen für Tierrechte ist dies ein herausragendes Ereignis.... Die Tierrechtler richten den dringenden Appell an die Landtagsabgeordneten, den Gesetzentwurf zu unterstützen.

Dementsprechend sieht die SPD-Fraktion dieses Hauses den heute vorgelegten Gesetzentwurf der GRÜNEN als Aufwertung unseres Vorstoßes aus dem September.

(Beifall bei der SPD)

Für die betroffenen Schutzinteressen der Tiere ist es hoffentlich ein gutes Zeichen, dass jetzt zwei Gesetzentwürfe vorliegen und die hessische Mitoppositionsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN nun mit uns dieselbe Intention verfolgt. Fraglos besser als kein Gesetzentwurf – wie in manch anderer Legislaturperiode – sind zwei Gesetzentwürfe zur Verbandsklage, insbesondere dann, wenn sie sich in der regulatorischen Stoßrichtung doch relativ nah sind.

Für die SPD-Fraktion will ich wiederholen, was für uns die Hauptsache an der Tierschutzverbandsklage auf Landesebene ist: Für einen Staat wie die Bundesrepublik Deutschland, der sich den Tierschutz zum Staatsziel gemacht hat, ist es ein nicht hinnehmbares Ungleichgewicht, wenn derzeit bei behördlichen Entscheidungen über die Nutzungen von Tieren nur einseitig gegen behördliche Tierschutzauflagen vor Gericht und durch die Instanzen gegangen werden kann, während für eine behördliche Tierschutzauflage zugunsten des Tierschutzes keinerlei Gerichtsschutz bestehen soll.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich frage in die Runde: Wer, wenn nicht ein seriöser Tierschutzverband, soll seine Stimme für die Rechte unserer Mitgeschöpfe erheben können? Das müssen Sie, meine Damen und Herren aus den Regierungsfraktionen, vor diesem Hause noch beantworten. Unser Appell an Sie: Wenn auch die Tierschutzbeauftragte des Landes die Verbandsklage für notwendig hält, können die vielen ehrenamtlichen Tierschützerinnen und Tierschützer erwarten, dass sich CDU und FDP endlich einen Ruck geben und die Tierschutzverbandsklage in Hessen unterstützen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, der Tierschutz braucht die Verbandsklage. Bisher können nur Tiernutzer gegen vermeintlich zu viel Tierschutz vor Gericht klagen, aber niemand darf stellvertretend für die Tiere die Einhaltung von Tierschutzvorschriften gerichtlich überprüfen lassen. Die Verbandsklage kann und soll eine gute entschlossene Tierschutzverwaltung des Staates nicht ersetzen; da sind wir bei Ihnen, Herr Dietz. Es gilt, die für den Vollzug des Bundestierschutzgesetzes zuständigen Behörden, ihre Fachkompetenz und Verwaltungskraft zu stärken – dazu gehören die Tierschutzbeauftragte und ihre Mitarbeiter, die Mitarbeiter der Regierungspräsidien und nicht zuletzt die Amtsveterinäre in der Fläche.

(Beifall bei der SPD)

Mit Bedacht will ich heute zu den tatsächlich nur sehr punktuellen Abweichungen der GRÜNEN zu dem von uns eingebrachten Gesetzentwurf nichts sagen. Liebe Kolleginnen und Kollegen der GRÜNEN-Fraktion: Bevor wir in der Ausschussarbeit auf Basis der verabredeten Anhörung an die Kür von erweiterten klageberechtigten und erleichterten Klagevoraussetzungen gehen, sollten wir sehen, dass wir in Hessen in dieser Legislaturperiode zu einem gemeinsamen Wollen aller Fraktionen kommen.

Sie kennen meine Meinung: Der Tierschutz ist ein Thema, das die Breite unserer Bevölkerung bewegt. Ich spreche gerne von einem Volksthema. Und gerade hier scheint es mir so zu sein, dass die Menschen von uns erwarten, dass wir im Konsens zu Fortschritten gelangen, die ein in Not befindliches Labortier, ein in Not befindliches Tier in einer Massenmastanlage oder auf dem Tiertransport möglichst noch zu Lebzeiten fühlen kann. Am Ende soll es doch ausschließlich um das Erreichen tierschutzverbessernder Schritte gehen, nicht um Einbringungsdenkmäler.

In diesem Sinne sehen wir der kommenden Diskussion im Fachausschuss mit großer Hoffnung und großem Interessen entgegen.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Pauly-Bender. – Jetzt spricht Herr Kollege Sürmann für die FDP-Fraktion.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben jetzt innerhalb von etwas mehr als vier Wochen zweimal fast den identischen Textentwurf eines Gesetzes für die Einführung eines Verbandsklagerechts bekommen. Es hat zum Ziel, dass anerkannte Tierschutzverbände – auf die Ausformungen gehe ich gleich noch einmal ein, da gibt es nämlich Unterschiede in Ihren Gesetzesentwürfen – ein Klagerecht gegen fast jedwedes Handeln der Veterinärbehörden bzw. des Ministeriums haben, wenn es Rechtsverordnungen und Verordnungen erlässt. Es werden großzügig Anhörungsrechte und Klagerechte dagegen eingeführt, ebenso ein weites Informationsrecht dieser Verbände durch die Behörde.

(Beifall des Abg. Florian Rentsch (FDP))

Beide Fraktionen haben auch in der Begründung ihrer Gesetzentwürfe ausgeführt, dass keine Verzögerungen zu befürchten seien, da die Ausübung der Mitwirkungsrechte

an Fristen gebunden sei. Wenn man den Gesetzentwurf daraufhin prüft – ich bin schon erstaunt und der Meinung des Kollegen Dietz, dass es nicht hilfreich ist, sich innerhalb von vier Wochen zweimal mit dem gleichen Thema zu beschäftigen, obwohl wir das erst in den Fachausschüssen bereden wollten –, was Sie dort alles hineingeschrieben haben, und Sie gleichzeitig sagen, es würde nicht zur Verzögerung von Verfahren kommen, dann passt das nicht zusammen.

Für alle tierschutzrelevanten Rechts- und Verwaltungsvorschriften, die etwa im Ministerium erlassen werden sollen, soll gelten: nach § 2 Abs. 1 in jedem Falle Vorlagepflicht, sonst gar nicht verabschiedbar.

Was machen wir denn die ganze Zeit? Bei jedem Gesetzentwurf, den wir einbringen, machen wir großartige Anhörungsverfahren, das ist auch gut so,

(Zuruf von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das ist doch Quatsch!)

und haben alle anerkannten Tierschutzverbände dabei und mit drin. Wenn wir dem Ministerium eine Ermächtigung geben, eine Verordnung zu erlassen, müssen wir sie doch nicht noch einmal hinterfragen. Das wäre wirklich doppelt gemoppelt.