Protokoll der Sitzung vom 20.10.2011

Frau Umweltministerin.

Herr Abg. Schmitt, das Standortzwischenlager Biblis wurde vom Bundesamt für Strahlenschutz nach § 6 Atomgesetz zur Aufbewahrung der Kernbrennstoffe, also der bestrahlten Brennelemente, genehmigt. Die Genehmigung des Standortzwischenlagers ist auf 40 Jahre, beginnend ab der ersten Einlagerung der Behälter, befristet. Für den Standort Biblis gilt die Genehmigung nach dem Atomrecht bis zum Jahr 2046.

Der Kreisausschuss des Landkreises Bergstraße hat mit Datum 16. Februar 2004 der RWE Power AG eine Baugenehmigung für die Errichtung und Nutzung eines Brennelementezwischenlagers mit folgender Nebenbestimmung erteilt – jetzt folgt die Nebenbestimmung –:

Die Nutzungsdauer des Bauwerks zur Aufbewahrung von Kernbrennstoffen in Form von bestrahlten Brennelementen wird bis zum Zeitpunkt der endgültigen Stilllegung der Kernreaktoren des Kraftwerks Biblis befristet (§ 70 Abs. 3 Satz 2 HBO alte Fassung).

Gegen die Befristung der Nutzungsdauer des Bauwerks wurde von der RWE Power AG bereits im Jahr 2004 Widerspruch eingelegt. Das Verfahren wurde damals in beiderseitigem Einvernehmen ausgesetzt. Es wurde im Mai 2011 wieder aufgenommen.

Der Kreisausschuss des Landkreises Bergstraße als Baubehörde hat dem Regierungspräsidium Darmstadt den Widerspruch zur Entscheidung vorgelegt. In seiner Entscheidung vom 30. August 2011 stellt das Regierungspräsidium Darmstadt fest, dass der Widerspruch der RWE Power AG zulässig und begründet ist. Es fordert den Kreisausschuss des Landkreises Bergstraße auf, dem Widerspruch abzuhelfen und die angefochtene Befristung aufzuheben.

Mit Schreiben vom 28. September 2011 teilt der Kreisausschuss des Kreises Bergstraße mit, dass er an seiner Rechtsauffassung und der in der Nebenbestimmung aufgenommenen Befristung festhält. Die Landesregierung teilt die Rechtsauffassung des Regierungspräsidiums Darmstadt. Sie geht davon aus, dass der Regierungspräsident in Darmstadt dem Widerspruch der RWE Power AG abhelfen und die Befristung der Baugenehmigung aufheben wird.

Vielen Dank. – Herr Kollege Schmitt.

Das heißt, es gibt eine klare Stellungnahme der Landesregierung, dass sie sich zu dem Zwischenlager bekennt und dass RWE über die Stilllegung hinaus die Castoren dort zwischenlagern kann.

Frau Ministerin.

Ich wiederhole das, was ich gerade eben gesagt habe: Die Landesregierung teilt die Rechtsauffassung des Regierungspräsidiums. Die Landesregierung geht davon aus, dass das Regierungspräsidium Darmstadt dem Widerspruch der RWE Power AG abhelfen und die Befristung der Baugenehmigung aufheben wird. Das ist das, was ich gerade eben erklärt habe.

Jetzt haben wir noch zwei Zusatzfragen.

Ist der Landesregierung bekannt, ob die freien Lagerkapazitäten im Atomkraftwerk Biblis von anderen Atomkraftwerksbetreibern genutzt werden sollen?

Frau Ministerin.

Dazu kann ich Ihnen keine Aussage machen. Mir ist zurzeit nichts bekannt.

Danke schön.

(Wortmeldung des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Du hast schon zwei Zusatzfragen gestellt.

(Zuruf: Nein!)

Dann müssen Sie sich aber einigen, wer zuerst fragen will.

Frau Ministerin, ist Ihnen bekannt, dass Landrat Wilkes in der „Frankfurter Rundschau“ vom 11. November 2011 so zitiert wird: „Über diese Fragen soll nicht ein Sachbearbeiter im Regierungspräsidium entscheiden, das muss auf höchster politischer Ebene geschehen“? Wie bewerten Sie diese Aussage?

Frau Ministerin.

Ich kann die Aussage des Landrates in einer Zeitung vom 11. November 2011 nicht kommentieren, weil ich die Aussage des Landrats in dieser Zeitung nicht gelesen habe.

Wir kommen zur letzten Zusatzfrage. Herr Kollege Schmitt.

Wenn sich die Rechtsauffassung des Landkreises durchsetzen würde und rechtmäßig wäre, wo könnten denn dann die Castoren gelagert werden? Könnte das in der Villa des Vorstandsvorsitzenden der RWE oder in Ihrem Kartoffelkeller geschehen? Welche Vorstellungen hat die Landesregierung dazu?

Frau Ministerin.

Ich habe Ihnen gerade eben die Rechtsauffassung der Landesregierung dargelegt. Ich habe Ihnen gesagt, dass wir davon ausgehen, dass dem Widerspruch Abhilfe geleistet werden wird. Insofern stellt sich für uns die Frage in

dieser Form, wie Sie sie eben gestellt haben – das war nicht ganz sachlich, sondern eher polemisch –, nicht.

Danke sehr. – Es folgt Frage 563 des Herrn Abg. Landau.

Ich frage die Landesregierung:

Wie bewertet sie, in Bezug auf Hessen, die dem Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung vor einiger Zeit durch ein Expertengremium vorgelegten Empfehlungen zur Weiterentwicklung des Nationalen Radverkehrsplans (NRVP)?

Herr Staatssekretär Saebisch.

Die Empfehlungen der von Bundesminister Dr. Ramsauer berufenen Expertinnen und Experten zur Weiterentwicklung des Nationalen Radverkehrsplans wurden im Rahmen der Verkehrsministerkonferenz am 5. und 6. Oktober 2011 in Köln vorgestellt. Vor dem Hintergrund der steigenden Bedeutung des Radverkehrs für die Alltagsmobilität und den Klimaschutz begrüßt die Landesregierung das Bekenntnis des Bundes zu einer aktiven Rolle bei der Förderung des Radverkehrs und die geplante Fortschreibung des Nationalen Radverkehrsplans. Wie in den Empfehlungen dargelegt, sollte der Bund aus Sicht des Landes Hessen auch weiterhin eine wichtige Rolle insbesondere als Gesetzgeber, Baulastträger und Förderer bei der Unterstützung der Entwicklung der Fahrradmobilität in den Ländern spielen.

Die in den Empfehlungen als übergeordnetes Ziel bezeichneten Aussagen entsprechen den Festlegungen der Koalitionsvereinbarung. Dementsprechend hat das Fahrrad als gesundheitsförderndes und umweltschonendes Verkehrsmittel ein erhebliches Potenzial. Im Rahmen des Projektes „Mobilität 2050“, das Teil der Nachhaltigkeitsstrategie Hessens ist, wird derzeit dieses Potenzial mit dem Ziel untersucht, angepasste Strategien zur Erhöhung des Anteils des Radverkehrs zu entwickeln.

Ein weiteres Thema der Empfehlungen ist die Vernetzung mit anderen Verkehrsarten. Auch in Hessen wurde erkannt, wie wichtig dies als Element der Förderstrategie ist. Die Landesregierung unterstützt daher die regional aktiven Radforen Nord-, Süd- und Mittelhessen und ist in dem überregionalen Bund-Länder-Arbeitskreis Radverkehr vertreten. Die in den Empfehlungen enthaltenen Handlungsfelder Alltagsverkehr, Tourismus, Infrastruktur, Elektromobilität, Verkehrssicherheit, Multi- und Intermodalität, Kommunikation sowie die wissenschaftliche Begleitung entsprechen weitestgehend dem Verwaltungshandeln des Hessischen Ministeriums für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung in den Abteilungen Mobilität und Infrastruktur. Das Land Hessen wird sich daher engagiert und konstruktiv an dem Fortschreibungsprozess des Nationalen Radverkehrsplans beteiligen.

Vielen Dank. – Es wird jetzt eine Zusatzfrage gestellt werden.

Es ist sehr erfreulich, dass die Landesregierung den Radverkehr fördern will. Könnte sich die Landesregierung als Sofortmaßnahme vorstellen, die Fahrradabstellplätze im Landtag aus der hintersten Ecke, nur durch die Tiefgarage zu erreichen, in den Innenhof zu verlegen?

Frau Kollegin, das ist zwar eine Sache des Landtags, aber wenn der Staatssekretär dazu etwas sagen will, erteile ich ihm gerne das Wort.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD)

Frau Abgeordnete, die Landesregierung achtet die Landesverfassung. Dazu gehört die Gewaltenteilung. Deswegen ist es die Aufgabe des Landtags, darüber zu entscheiden, wo, wie und in welcher Form er seine Fahrradabstellplätze hat. Hier wird die Landesregierung keine Durchbrechung der Gewaltenteilung vornehmen wollen.

(Zurufe von der FDP: Sehr gut!)

Gut. Wir geben das an den Ältestenrat weiter. Ich bitte, das aufzunehmen.

Gibt es weitere Zusatzfragen? – Das ist nicht der Fall.

Ich rufe dann Frage 564 der Frau Abg. Schulz-Asche auf.

Ich frage die Landesregierung:

Welche Maßnahmen wird sie aufgrund der Feststellung der Heimaufsicht einleiten, dass jedes vierte Pflegeheim in Hessen die vorgeschriebene Mindestzahl an qualifiziertem Fachpersonal unterschreitet?

Herr Sozialminister.

Frau Abgeordnete, nach dem von Ihnen zitierten Jahresbericht der Hessischen Heimaufsicht erfüllen in der Altenpflege ca. 75 % der Einrichtungen die Fachkraftquote von 50 %. Ca. 21 % der Einrichtungen bewegen sich in dem Bereich zwischen 40 und 50 %. Damit erfüllen nahezu 96 % die Fachkraftquote.

Auch bei denjenigen, die momentan zwischen 40 und 50 % liegen, handelt es sich meistens nur um eine temporäre Unterschreitung. Diese Einrichtungen werden dann dahin gehend beraten, dass neue Kräfte einzustellen sind. Sie kommen dieser Beratung meist auch umgehend nach

oder befinden sich bereits auf dem Weg der Personalgewinnung; das wird entsprechend nachgeprüft.

Hinsichtlich der Einrichtungen, die eine Fachkraftquote unter 40 % haben – also die verbleibenden 4 % der Altenpflegeeinrichtungen –, erfolgt eine intensive Beratungstätigkeit bis hin zum Belegungsstopp. Die Heimaufsicht gibt diesen Einrichtungen konkrete Hinweise zur Verbesserung der Arbeitssituation, damit auch diese Einrichtungen Pflegekräfte dauerhaft gewinnen können. Heimaufsichtsrechtlich sind derzeit keine weiteren Maßnahmen erforderlich.