Protokoll der Sitzung vom 13.12.2011

Die Mitglieder der Fraktionen der CDU und der FDP sind im Sozialpolitischen Ausschuss inzwischen ohnehin zum Prinzip der Fundamentalablehnung übergegangen. Was immer die Opposition vorschlägt, wird aus Prinzip abgelehnt, auch wenn es richtig ist. Dafür findet sich ein Beispiel in dem Entwurf des Aktionsplans.

Noch im September 2011 hat die Mehrheit einen Antrag meiner Fraktion zur Umsetzung umfassender Barrierefreiheit abgelehnt. Was schon damals völlig unverständlich war, wird inzwischen zur Farce. Denn der Minister schlägt jetzt im Aktionsplan das vor, was er noch vor einem Vierteljahr abgelehnt hat, nämlich z. B. die Einrichtung einer Fachstelle für Barrierefreiheit und die Vergabe einer Plakette für Barrierefreiheit. Beides sind Vorschläge, die er dankenswerterweise aus unserem Konzept übernommen hat. Aber dann wäre es eigentlich logisch gewesen, im September 2011 dem Antrag, der genau das beinhaltete, zuzustimmen.

(Beifall der Abg. Mürvet Öztürk und Karin Müller (Kassel) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Ich möchte zurückkommen auf den Bereich der Kinder und der Jugendlichen. Geradezu grotesk wird es hinsichtlich der Bildungspolitik. Der Entwurf des Aktionsplans behauptet – ich zitiere –:

Die Transformation der VN-BRK durch den Landesgesetzgeber erfolgt durch das neue Hessische Schulgesetz, das am 1. August 2011 in Kraft getreten ist.

Wir alle in diesem Haus wissen, dass die Inklusion mit dem neuen Schulgesetz gerade nicht umgesetzt wird. Dass die Schulpolitik dieser Landesregierung von den Menschen als grottenschlecht angesehen wird, hat seine Ursache sicherlich auch in diesem Punkt.

Herr Grüttner, Sie haben eine Frist bis Ende Januar 2012 gesetzt, um Änderungsvorschläge zum Entwurf des Aktionsplans zu machen. Sie sollten die Frist verlängern – –

(Minister Stefan Grüttner: 2012!)

Bis Ende Januar 2012, das habe ich gesagt.

(Minister Stefan Grüttner: Bis Ende Februar 2012!)

Von mir aus auch bis Ende Februar 2012. Das ist egal.

Ich finde, Sie sollten die Frist bis Ende 2013 verlängern. Denn dann kann die neue Landesregierung, die Anfang 2014 gebildet werden wird, einen Aktionsplan vorlegen, der diesen Namen verdient. Denn Sie können es nicht, und Sie wollen es nicht. – Danke schön.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat Frau Abg. Wiesmann für die Fraktion der CDU.

Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Dr. Jürgens, ich habe großen Respekt vor Ihrem Engagement für die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention und den Entwurf des Aktionsplans der Hessischen Landesregierung zur Umsetzung der UNBehindertenrechtskonvention. Ich glaube, es ist richtig, an diesem Tag, dem Tag der erneuten Beratung zur Änderung des Kinder- und Jugendhilfegesetzbuches, auch die Dinge zu würdigen, die wir damit ändern werden – oder ändern wollen –, nachdem wir hier abgestimmt haben werden.

Es gibt eine ganze Reihe anderer Dinge, die ich einfach einmal würdigen möchte. Die CDU-Fraktion sieht die vorgeschlagene Verlängerung der Geltungsdauer dieses Gesetzes ebenso wie die vorgeschlagenen Änderungen durch das Ergebnis der Anhörung vollumfänglich bestätigt.

Erstens. Kindertageseinrichtungen sind Bildungs- und Erziehungseinrichtungen. Es ist deshalb richtig, dass die an der Erziehung und Bildung der Kinder Beteiligten, also die Eltern, die Tageseltern und die Fachkräfte in den Tageseinrichtungen, eine Bildungs- und Erziehungspartnerschaft eingehen sollen. Das fordert auch der Hessische Bildungs- und Erziehungsplan, über den wir uns hier eigentlich selten gestritten haben, ein.

Es ist wichtig, dass diese Partnerschaft von dem Willen, miteinander zu arbeiten, getragen wird. Die jeweils anderen Beteiligten müssen einbezogen werden. Dies alles wird gut und sinnvoll im Gesetz verankert werden. Unter anderem deswegen wollen wir, dass es mit dieser Präzisierung verlängert wird.

Zweitens. Von besonderem Interesse in der Anhörung war auch die vorgesehene Regelung in § 28. Sie haben das kurz gestreift. Das betrifft den Kostenausgleich zwischen den Gemeinden, wenn ein Kind eine Einrichtung an einem anderen Standort als der Wohngemeinde besucht.

Die Anhörung hat bestätigt, dass die beiden vorgeschlagenen Ergänzungen zur bisherigen Regelung, nämlich die Präzisierung der Berechnungsbasis für die Erstattung durch die Wohngemeinde und die unverzügliche Information der Wohngemeinde durch die Standortgemeinde, gerechtfertigt sind. Allerdings bleibt die Schwierigkeit bestehen – das wissen wir –, dass unter Umständen Wohnortgemeinden Kosten erstatten müssen, während vorge

haltene eigene Plätze nicht genutzt werden. Hier haben wir eine Abwägung zwischen der Wahlfreiheit der Eltern einerseits und den Interessen der Gemeinden andererseits zu treffen, die in dem schwierigen Kontext des demografischen Wandels für ein bedarfsgerechtes Angebot bei der Kinderbetreuung sorgen sollen. Diese Schwierigkeit ist nicht auflösbar.

Dessen eingedenk fühlen wir uns durch die Anhörung bestätigt, dass die vorgeschlagene Novellierung den richtigen Weg weist. Es gab dort viel Zustimmung zu dem Gesetzentwurf. Ich will noch einmal kurz die drei wichtigsten Gründe für den § 28 in der vorgeschlagenen Form nennen.

Erstens. Die Wahlfreiheit der Eltern wird gewahrt bleiben. Die Eltern werden beim Spagat zwischen Familie und Beruf nach ihren individuellen Bedürfnissen, aber auch nach ihren Vorlieben für diese oder jene pädagogische Prägung entscheiden können, wo sie ihr Kind betreuen lassen. Das können nur sie entscheiden.

Zweitens. Die vorgesehene Regelung wird gerichtsfest sein. Das wird ein Fortschritt sein.

Drittens. Sie wird im Sinne des Subsidiaritätsprinzips flexibel sein. Denn einzelne Vereinbarungen zwischen Gemeinden auch und sogar im Wege der Pauschalen werden möglich sein und möglich bleiben.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des Abg. Hans-Christian Mick (FDP))

Damit wird örtlichen Gegebenheiten und Wünschen Rechnung getragen werden können. Auch die jüngst erzielte Einigung in der vom Hessischen Sozialministerium moderierten Arbeitsgruppe kann in solche einzelnen Vereinbarungen münden. Das wird die verantwortliche Ebene ohne Bevormundung entscheiden.

Darauf will ich noch einmal kurz eingehen: Der Hessische Städte- und Gemeindebund fordert vehement die Aufnahme eines angemessenen Kostenausgleichs. Das können wir so aber nicht übernehmen. Denn „angemessen“ ist ein unklarer Rechtsbegriff. Würden wir das aufnehmen, würde es wieder Probleme mit der Auslegung geben.

Wir denken, die Novellierung durch die Landesregierung wird Rechtsklarheit schaffen. Die Kommunen werden den nötigen Handlungsspielraum behalten, um sich auf nach ihrer jeweiligen Beurteilung angemessene Regelungen zu einigen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU sowie der Abg. Hans-Christian Mick und Jürgen Lenders (FDP))

Ich möchte jetzt auf den Änderungsantrag der GRÜNEN zu sprechen kommen, der die stärkere Verankerung der Inklusion im Hessischen Kinder- und Jugendhilfegesetzbuch betrifft. Dem können wir so nicht zustimmen. Prinzipiell ist es richtig, die Ziele der UN-Behindertenrechtskonvention in das Gesetz mit aufzunehmen. Aber ein so wichtiges Thema darf nicht im Schnellschussverfahren behandelt werden. Damit habe ich die Angelegenheit Vormittag-Nachmittag angesprochen.

Einige der vorgeschlagenen Änderungen sind bereits geltendes Recht. So schreibt die Hessische Bauordnung bereits grundsätzlich die Barrierefreiheit öffentlich zugänglicher baulicher Anlagen vor.

Die UN-Behindertenrechtskonvention ist insgesamt bereits einfaches Bundesgesetz. Es gibt auch schon ein gesetzlich verbrieftes Recht auf Förderung für Kinder mit

Behinderungen und grundsätzlich auch auf gemeinsame Betreuung.

Ich komme auf den noch wichtigeren Punkt zu sprechen. Denn wir wollen da gesetzgeberisch tätig werden. Es erscheint politisch geboten, derartige landesrechtliche Regelungen, die es übrigens noch nirgends gibt, erst am Ende eines umfassenden Diskussionsprozesses mit den Trägern der Kinder- und Jugendhilfe festzulegen. Angesichts der kurzen Geltungsdauer des novellierten Hessischen Kinder- und Jugendhilfegesetzbuches, es gilt nämlich nur bis zum Ende des Jahres 2013, ist es daher sinnvoll – wir begrüßen das besonders –, den qualifizierten Meinungsaustausch mit den Trägern jetzt zu beginnen, um die Ergebnisse dann in das anstehende Gesetzgebungsverfahren für ein Kinderförderungsgesetz einfließen zu lassen.

Ich komme zum Schluss meiner Rede. Es wird die Wahlfreiheit der Eltern zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf geben, es wird einen gesicherten Rechtsfrieden sowie kommunale Gestaltungsspielräume für lokale Lösungen und Umsicht im Umgang mit den Beteiligten beim sensiblen Vorhaben der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention geben. Zumindest aus Sicht der Christdemokraten und der Liberalen ist das ein guter Gesetzentwurf, der in einer guten Tradition steht. Wir sollten ihn dementsprechend heute auch verabschieden. – Vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Ich erteile Frau Schott für die Fraktion DIE LINKE das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Wiesmann, wir müssen in verschiedenen Anhörungen gewesen sein. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass der Gesetzentwurf – –

(Holger Bellino (CDU): Frau Wiesmann hat besser zugehört!)

Ich habe sehr genau zugehört. – Der Gesetzentwurf hat nicht ganz viel Zustimmung bekommen. Sie müssen sich nur anschauen, was beispielsweise die Liga schreibt. Sie bringt eine dezidierte Kritik an dem, was Sie da geschrieben und was Sie nicht geschrieben haben. Wenn Sie sich die zu Herzen genommen hätten, dann bräuchten Sie jetzt nicht darüber zu reden, dass Sie in einen Dialog mit den Trägern gehen wollen, um festzustellen, was zu machen sei. Die haben Ihnen bereits vor zwei Jahren aufgeschrieben, was sinnvollerweise zu machen sei. Das hat Sie aber zwei Jahre lang nicht interessiert. Jetzt vertrösten Sie sie wieder auf noch zwei Jahre später und bringen hier einen Entwurf ein, der von allen Seiten ungeheuer viel Kritik geerntet hat und dem wir in der Form auch nicht zustimmen werden und nicht zustimmen können.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Kommunen haben sich in der Anhörung sehr, sehr kritisch darüber geäußert, wie das mit dem Finanzausgleich zwischen den einzelnen Kommunen funktionieren soll: wo das Kind wohnt und wo das Kind die Kita besucht. – Das grundlegende Problem ist dabei doch – das ist auch sehr genau beschrieben worden –, dass einige Kommunen es sich leisten können, gut ausgestattete Kitas zur Verfü

gung zu stellen, und andere können es sich eben nicht leisten, und die Eltern geben dann möglicherweise ihr Kind irgendwo in der Nachbarschaft in die Betreuung. Dann sollen die Kommunen, die es sich nicht leisten können, den Ausgleich zahlen. – Wenn wir eine Situation hätten, dass Kommunen so ausgestattet wären, dass es kein Problem für sie wäre, für alle Kinder ein gleich gutes Angebot vorzuhalten, dann hätten wir diese Diskussion gar nicht. Da ist also das erste Problem.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie sagen, dass Kitas Bildungseinrichtungen sind. Nach meinem Verständnis ist es so, dass man Bildungseinrichtungen für kleine Kinder genauso behandeln muss wie Bildungseinrichtungen für größere Kinder, nämlich Schulen, dass sie also generell gebührenfrei sind. Wenn wir diese Situation hätten, hätten wir auch nicht darüber diskutieren müssen, welche Gemeinde welcher Gemeinde welchen Ausgleich zahlen muss.

(Beifall bei der LINKEN)

Dann hätten wir eine Situation, in der jedes Kind in eine Bildungseinrichtung für kleine Kinder gehen kann, ohne dass sich Eltern Gedanken darüber machen müssen und ohne dass sich Kommunen Gedanken darüber machen müssen, ob und wie das finanzierbar ist. Wenn wir an einem solchen Punkt angekommen sind, dann können wir erneut über Ihre Gesetzesvorlage reden. Bis dahin werden wir dem nicht zustimmen.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Wort hat Herr Abg. Merz für die SPD-Fraktion.