Protokoll der Sitzung vom 02.02.2012

Dann gibt es den Vorschlag, wenigstens eine Stempelsteuer wie in Großbritannien einzuführen. Darüber kann man reden. Ich sage aber ganz deutlich: Die Stempelsteuer in Großbritannien gilt nur für Aktien. Das heißt, die großen Risiken, die am Markt durch die Anleihen entstanden sind, würden dadurch gar nicht tangiert. Wir alle hier wissen: Aktien zahlen am Ende nur die Bürgerinnen und Bürger selbst. Es gibt kein schlüssiges Konzept, wie man Schlupflöcher verhindern kann.

(Zuruf der Abg. Sigrid Erfurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Am Ende zahlen die Kunden. Um Risiken zu vermeiden, müssen die Eigenkapitalstrukturen der Banken verbessert werden. Wenn man aber das Eigenkapital erhöhen will, ist es kontraproduktiv, einseitig die Aktien zu besteuern, nicht aber das Fremdkapital, die Anleihen, wie das mit der Börsensteuer in England funktioniert.

Meine Damen und Herren, selbst die EU sieht darin Risiken. Das habe ich hier noch von niemandem gehört. Wahrscheinlich wird es auch der Kollege Schmitt wieder nicht ansprechen. Die EU sagt, wenn die Finanztransaktionssteuer insgesamt eingeführt würde, in allen Mitgliedstaaten, inklusive London, dann würde es zu einem Rückgang des Wirtschaftswachstums in Europa von mindestens 0,5 % kommen. Die Kommission schreibt in ihrer Begründung selbst, es wird einen Rückgang des Wirtschaftswachstums um 0,5 % geben. Sie erklärt weiter, welche anderen Risiken noch drinstecken. Sie sagt in ihrer Begründung selbst, bis zu 1,8 % Wirtschaftsrückgang sind möglich, wenn das eingeführt wird.

Da muss ich Ihnen sagen: Die Auswirkung der Besteuerung der Derivatgeschäfte auf die Realwirtschaft ist hier noch gar nicht eingepreist. Das heißt, es ist eine Schimäre, immer davon auszugehen, es ließe sich Gerechtigkeit einfach dadurch schaffen, dass Finanzprodukte besteuert werden. Wenn das so kommt, wie Sie es eben vorgestellt haben und wie es die EU im Moment will, dann legen wir unter dem Strich drauf, und es gehen Tausende von Arbeitsplätzen verloren. Meine Damen und Herren, das machen wir in Hessen bestimmt nicht mit.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Es ist auch falsch, wie das im Moment angelegt ist. Beispielsweise werden in dem Richtlinienentwurf Investmentfonds zweifach besteuert, Lebensversicherungen aber werden gar nicht besteuert. Das heißt doch, dass ein Spezialfonds, der in Deutschland aufgelegt wird, für den Kunden eine doppelte Steuer bedeutet, der liechtensteinische Versicherer aber keine Steuern bezahlt. Meine Damen und Herren, das ist doch nicht gerecht. Das kann doch nicht Ihr Ziel sein.

Am Ende wird das nicht wasserdicht. Ich sage Ihnen mit einem Satz, wie das ausgehebelt werden kann – das steht auch in der Begründung selbst drin.

Es soll Ausnahmen geben. Beispielsweise ist ein Finanzinstitut dann nicht in einem Mitgliedstaat ansässig, wenn der Nachweis erbracht wird, dass zwischen der wirtschaftlichen Substanz der Transaktion und dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats kein Zusammenhang besteht. Sie glauben doch nicht im Ernst, dass es den Banken und Finanzinstituten nicht gelingen wird, diesen Zusammenhang zu bestreiten?

Herr Milde, kommen Sie bitte zum Schluss Ihrer Rede.

Ja. – Deswegen sage ich Ihnen zum Ende: Rot-Grün macht mit diesem Kampf gegen die Transaktionssteuer in dieser Form Politik gegen die Interessen der hessischen Bürger. Sie setzen Tausende Arbeitsplätze aufs Spiel.

Wir vertreten die Interessen Hessens. Das sollte die Opposition auch tun. Das täte Ihnen gut, und das täte Hessen gut. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Danke, Herr Milde. – Ich darf Herrn van Ooyen für die Fraktion DIE LINKE das Wort erteilen.

Herr Präsident, meine verehrten Damen und Herren! Die Bundeskanzlerin hat groß versprochen, die Finanzmärkte zu regulieren sowie die Kosten der Krise nicht allein auf die Steuerzahlerinnen und -zahler abzuwälzen. – Herr Milde, da passt das Wort.

Doch das war nur heiße Luft. Denn passiert ist bisher kaum etwas. Die wahnwitzigen Geschäfte der Finanzmärkte gehen weiter. Nun aber, so hört und staunt man, will selbst die Bundesregierung – oder Teile davon – eine Finanztransaktionssteuer, sozusagen eine Weiterentwicklung der Tobin-Steuer. Die wollen Sie am liebsten für die 27 europäischen Staaten einführen, mindestens aber doch für die 17 Eurostaaten. Hier erhofft man sich bis März Ergebnisse, so hört man vom Bundesfinanzminister.

Was jedoch die FDP hier politisch liefert, grenzt an Realitätsverlust. Dieser Position springt nun die hessische CDU helfend zur Seite, um ihre Deutschtümelei erneut unter Beweis zu stellen.

(Widerspruch bei der CDU)

Während sich sogar Europaabgeordnete der FDP für eine solche Steuer einsetzen, bleibt die FDP bei ihrem Nein. Die FDP hat nichts mehr zu verlieren, nicht einmal ein Programm zur Überwindung dieser Finanzmarktkrise. Sie hat nämlich überhaupt kein Programm dafür.

Man hat Angst um den Finanzstandort Frankfurt. Herr Milde hat dieses Gemälde wieder aufgezeigt. Ach ja, darum ging es: die alte Leier der Rechten und ihr Lobgesang auf die Finanzmärkte.

Was ist denn mit den Menschen, die nicht im Finanzsektor arbeiten und durch die Krise vielleicht sogar Einkommensverluste hatten oder sogar den Job verloren haben?

(Holger Bellino und Gottfried Milde (CDU): Das Konjunkturprogramm!)

CDU und FDP führen als Argument für die Ablehnung der Finanztransaktionssteuer die Gefahr einer Abwanderung der Finanzgeschäfte nach Großbritannien an, denn Großbritannien spricht sich strikt gegen die Finanztransaktionssteuer aus. Heißt das, wenn Großbritannien doch dafür stimmen würde, dann wären Sie auch für eine solche Finanztransaktionssteuer?

(Gottfried Milde (Griesheim) (CDU): Ja!)

Fakt ist: Will man die Übermacht der Finanzmärkte zurückdrängen, braucht es dazu eine Finanztransaktionssteuer.

(Beifall bei der LINKEN)

Will man ein übergreifendes und nicht von Ausnahmetatbeständen durchlöchertes Mittel zur Regulierung der Finanzmärkte etablieren, bleibt von den diskutierten Vorschlägen am Ende lediglich die Finanztransaktionssteuer übrig. Ich sage Ihnen: Wir brauchen die Finanztransaktionssteuer, und zwar jetzt. Ich sage Ihnen auch: Das geht auch ohne FDP und CDU in Hessen.

In den nächsten fünf Jahren müssen die Eurostaaten 1,5 Billionen € einsparen, um den unsinnigen Fiskalpakt zu erfüllen. Dabei wurden die Löhne, Renten und Sozialleistungen vieler Euroländer bereits in den letzten Jahren brutal zusammengestrichen. Das ist eine sadistische Politik, die sich gegen die Mehrheit der Bevölkerung richtet. Ökonomisch unsinnig ist sie auch, da sie die Rezession vertieft und die Schuldenlast weiter anschwellen lässt; Griechenland lässt grüßen.

Gegen einen Schuldenschnitt, der nur die Reichen trifft, hätten wir nichts einzuwenden. Vermögen und Schulden sind zwei Seiten derselben Medaille. Wir fordern daher eine Vermögensabgabe für Millionäre, mit der sich der Schuldenberg deutlich reduzieren ließe. Herr Milde, über andere Formen der Besteuerung können wir gerne nachdenken, wenn Sie sagen, das reiche nicht aus.

(Zuruf des Abg. Gottfried Milde (CDU) – Vizepräsidentin Sarah Sorge übernimmt den Vorsitz.)

Hinsichtlich der zu erwartenden Steuereinnahmen gibt es eine sehr fundierte Berechnung des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung. Auf der Grundlage der Umsätze aus dem Jahr 2007 und bei einem Steuersatz von 0,01 % ergeben sich allein aus der Besteuerung von Wertpapiertransaktionen Steuereinnahmen in Deutschland in Höhe von 10 bis 13 Milliarden €. Aus der Besteuerung dieser Transaktionen ergeben sich europaweit Einnahmen in Höhe von 20 bis 27 Milliarden €, an denen Deutschland anteilig beteiligt wäre. Dabei ist berücksichtigt, dass die Finanztransaktionsumsätze als Folge der Steuer sicherlich empfindlich zurückgehen würden.

Die Einnahmen aus der Finanztransaktionssteuer sollen zu gleichen Teilen – das ist zumindest die Forderung der LINKEN – der Finanzierung des sozial-ökologischen Umbaus unserer nicht nachhaltigen Industriegesellschaft einerseits und des internationalen Umwelt- und Klimaschutzes andererseits zugeführt werden. Ob sie dann in Europa oder in den Nationalstaaten vereinnahmt wird, ist insofern uninteressant, als im Grunde genommen die Deckung des Budgets in Europa irgendwie gesichert werden muss. Ob das über einen gemeinsamen zentralen Topf erfolgt oder über die Nationalstaaten, ist von zweitrangiger Bedeutung. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Herr Kollege van Ooyen. – Nächster Redner ist Herr Kollege Noll für die FDP-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich kann es verstehen, wenn sich eine ganze Reihe von Europapolitikern aus unterschiedlichen Parteien für die Einführung einer Finanztransaktionssteuer einsetzten. Das hat natürlich auch damit zu tun, dass eine ganz gehörige Portion Eigennutz mitspielt. Das wäre nämlich die erste Steuer, die in den europäischen Kassen landen würde. Aus diesem Grund ist es natürlich verständlich, dass man sich dafür stark macht, um endlich den Einstieg in europäische Steuern zu haben.

Meine Damen und Herren, das ist aber immer noch kein Qualitätszeugnis dafür, was eine Finanztransaktionssteuer eigentlich bewirken soll. Wer glaubt, die Finanzkrise wäre durch eine Finanztransaktionssteuer verhindert worden, der scheint entweder vergessen zu haben, wie diese Finanzkrise eigentlich zustande kam und dass eine Finanztransaktionssteuer überhaupt nichts an dieser Krise verändert hätte, oder er hat sich mit den Ursachen dieser Krise nicht befasst.

Meine Damen und Herren, deswegen geht die Idee, mit einer Finanztransaktionssteuer eine Finanzkrise zu verhindern, aus den Erfahrungen, die man mit der bisherigen Finanzkrise gemacht hat, vollkommen in die Irre. Es ist keine Begründung für eine Einführung einer solchen Steuer als Regulativ zur Verhinderung einer Finanzkrise.

(Beifall bei der FDP und des Abg. Klaus Dietz (CDU))

Ich habe Verständnis, dass insbesondere die Opposition der FDP immer andichtet, wir wollten die Reichen schützen.

(Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Nein, nein, nein! – Thorsten Schäfer- Gümbel (SPD): Wie kommt er denn auf die Idee?)

Das ist nachvollziehbar aus Ihrer Sicht der Welt. Lassen Sie mich an dieser Stelle ein Zitat eines durchaus berufenen Mannes bringen, der auch in der Lage ist, das Thema Finanztransaktionssteuer zu beurteilen. Er steht sicherlich nicht im Verdacht, FDP-Ideologie vertreten zu wollen.

(Torsten Warnecke (SPD): Ihr habt doch gar keine Ideologie!)

Ich zitiere eine dpa-Meldung vom 28. Januar 2012:

Die geplante Finanztransaktionssteuer hat nach Ansicht des Präsidenten des Bundesfinanzhofs, Rudolf Mellinghoff, auch Folgen für kleine Sparer. Er gehe davon aus, dass die von Deutschland und Frankreich gewünschte Zwangsabgabe für Finanzgeschäfte alle Anlageprodukte treffen würde, die an der Börse gehandelt werden, sagte Mellinghoff dem Magazin „Focus“. Sie würde sich damit nicht nur auf Reiche, sondern auf die Geldanlage jedes Sparers beziehen.

(Torsten Warnecke (SPD): Tatsächlich! Bei 0,1 %!)

Dazu gibt es inzwischen auch Berechnungen, wie sich das auswirken würde.

(Unruhe bei der SPD)

Die Riester-Rente wird beispielsweise in vielen Bereichen auf Fondsbasis angeboten. Es gibt den Bundesverband Investment und Asset Management, der ausgerechnet hat, was das bedeutet, wenn unter den gegebenen Ver

hältnissen eine solche Finanztransaktionssteuer eingeführt würde.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Der ist völlig frei von Ihren Interessen!)

Dieser Verband hat berechnet, dass auf einer auf üblichen Konditionen bestehenden Vertragsbasis mit 40 Jahren Laufzeit und 100 € Sparrate pro Monat dies den RiesterSparer auf die Gesamtlaufzeit mit 14.000 € belasten würde.